Leitsatz (amtlich)
Für die Bemessung des Arbeitslosengeldes nach dem erzielbaren Arbeitsentgelt (§ 112 Abs 7 AFG) sind bei einem auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt uneingeschränkt vermittelbaren Arbeitslosen nicht nur solche Beschäftigungen zugrunde zu legen, die er von seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus erreichen kann, sondern alle Beschäftigungen, die er nach Maßgabe des § 112 Abs 7 letzter Halbsatz AFG auf dem Arbeitsmarkt im Bundesgebiet und in Berlin (West) ausüben kann.
Normenkette
AFG § 112 Abs 7
Verfahrensgang
Tatbestand
Umstritten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) für die Zeit vom 27. Januar bis 3. September 1983.
Der 1941 geborene Kläger, der im Jahre 1974 an der Pädagogischen Hochschule "Karl-Liebknecht" in P. im Fach Englisch die Lehrbefähigung für die allgemeinbildende polytechnische Oberschule erworben hatte, war in der DDR bis zum Herbst 1981 als Fachlehrer für Englisch und anschließend als Disponent (Restaurant-Leiter) beschäftigt gewesen. Nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland meldete er sich am 27. Januar 1983 beim Arbeitsamt M. arbeitslos und beantragte Alg. Das Arbeitsamt M. bewilligte ihm Alg ab Antragstellung, wobei es der Bemessung der Leistung zunächst vorläufig ein monatliches Arbeitsentgelt von 2.361,14 DM zugrunde legte; es ging dabei davon aus, daß der Kläger für erzieherische Tätigkeiten oder auch Bürotätigkeiten gemäß BAT Vgr VII in Frage komme; die Höhe der Leistung betrug unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe D wöchentlich 181,80 DM (Bescheid vom 18. Februar 1983). Auf den Widerspruch des Klägers erhöhte das Arbeitsamt M. das maßgebliche Arbeitsentgelt auf monatlich 2.534,39 DM; es ging dabei davon aus, daß der Kläger für erzieherische Tätigkeiten entsprechend BAT Vgr VIb geeignet sei und setzte die Höhe der Leistung unter Änderung der Leistungsgruppe von D nach B nunmehr endgültig auf wöchentlich 275,40 DM fest (Bescheid vom 26. Mai 1983). Der erneute Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, er sei durch den Senator für Schulwesen des Landes Berlin mit Schreiben vom 4. Mai 1983 vom Nachweis der bestandenen Ersten Staatsprüfung für das Amt des Lehrers (Besoldungsgruppe A 12) - Wahlfach Englisch - befreit worden und erfülle damit die Voraussetzungen für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für die Zweite Staatsprüfung, wurde mit der Begründung zurückgewiesen, das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus habe auf entsprechende Anfrage durch Schreiben vom 11. November 1983 wissen lassen, daß weder für den Kläger eine Unterrichtserlaubnis erteilt noch eine solche von irgendeiner Schule beantragt worden sei; die Bewertung des DDR-Bildungsganges durch den Senator für Schulwesen des Landes Berlin sei aufgrund der Kultushoheit der Länder nicht für Bayern verbindlich (Widerspruchsbescheid vom 23. Dezember 1983). Am 4. September 1983 war der Kläger von M. nach Berlin (West) umgezogen. Das dortige Arbeitsamt gewährte ihm ab 5. September 1983 Alg unter Berücksichtigung eines monatlichen Arbeitsentgelts von 3.346,71DM; es ging dabei davon aus, daß der Kläger für eine Tätigkeit nach BAT Vgr IVb in Betracht komme; die Höhe der Leistung belief sich unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe B auf wöchentlich 336,60 DM (Bescheid vom 7. November 1983). Im November 1983 wurde der Kläger vom Senator für Schulwesen des Landes Berlin als Lehreranwärter übernommen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 27. Januar 1983 Alg unter Einstufung in BAT Vgr IVb zu gewähren, und die Berufung zugelassen (Urteil vom 22. Januar 1986). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 7. November 1986). In den Entscheidungsgründen heißt es:
Der Anspruch des Klägers auf Alg nach einem Bemessungsentgelt gemäß BAT Vgr IVb ergebe sich aus § 112 Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Danach sei von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen (§ 129 AFG) maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht komme. Im Rahmen dieser Vorschrift sei eine enge Auslegung abzulehnen, bei der der einschlägige Tarifvertrag oder das ortsübliche Arbeitsentgelt nicht nur Anknüpfungspunkt und Grundlage für die Ermittlung des Arbeitsentgelts, sondern auch für die in Betracht zu ziehende Beschäftigung seien. Einer solchen Auffassung widerspreche die durch das 5. AFG-ÄndG im Jahre 1979 in § 112 Abs 7 AFG eingefügte Wendung: "nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes". Durch sie sei klargestellt worden, daß bei Ortsgebundenheit nur das Arbeitsentgelt zu beachten sei, das der Arbeitslose auf dem für ihn erreichbaren Arbeitsmarkt verdienen könne. Dies müsse in dem Sinne verstanden werden, daß bei uneingeschränkter Ausgleichsfähigkeit eines Arbeitslosen das Arbeitsentgelt Berücksichtigung zu finden habe, das auf dem Arbeitsmarkt aller Bundesländer erzielt werden könne. Im vorliegenden Fall sei der Kläger uneingeschränkt ausgleichsfähig gewesen und habe, um seine Arbeitslosigkeit zu beseitigen, seinen Wohnsitz von M. nach Berlin (West) verlegt. Auch habe die Beklagte ihm jeden für ihn geeigneten freien Arbeitsplatz im Bundesgebiet anbieten dürfen und müssen. Das wirke sich nach dem Günstigkeitsprinzip auf die Leistungsgewährung aus. Demzufolge hätte der Kläger bei der fiktiven Bemessung des Alg in Bayern nicht ungünstiger als in Berlin dastehen dürfen, auch wenn das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus ihn nicht einem Lehrer mit bestandener Erster Staatsprüfung gleichgeachtet habe. Demgegenüber vermöchten die Argumente der Beklagten nicht zu überzeugen. Ihre Auffassung führe dazu, daß es nicht auf das in ganz Bayern erzielbare Arbeitsentgelt, sondern auf das am Wohnort erzielbare Arbeitsentgelt ankomme; das bringe innerhalb eines Bundeslandes nicht vertretbare regionale Unterschiede mit sich. Einzuräumen sei, daß diejenigen Arbeitslosen, die - meist aufgrund familiärer Bindungen - nicht ausgleichsfähig seien, auf diese Weise benachteiligt würden; der Gesetzgeber habe dies jedoch, wie aus der amtlichen Begründung zur aufgezeigten Änderung des § 112 Abs 7 AFG hervorgehe, so gewollt.
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 112 Abs 7 AFG. Nach dieser Bestimmung sei das Arbeitsentgelt zu berücksichtigen, das der Arbeitslose aufgrund seiner beruflichen Qualifikation im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs an seinem Wohnsitz erzielen könne. Entscheidend sei also die Tätigkeit, die der Kläger im Januar 1983 hätte ausüben können. Bei der Frage, welche tarifliche Regelung Anwendung finde, sei in erster Linie auf den Wohnsitz des Antragstellers abzuheben. Das schließe ein, daß auch bei der Wahl der zugrundeliegenden Beschäftigung allein an die Verhältnisse am Wohnort des Arbeitslosen angeknüpft werden dürfe. Der Entscheidung des Senators für Schulwesen des Landes Berlin vom Mai 1983 sei keine Bedeutung beizumessen. Im Arbeitsamtsbezirk M. hätte der Kläger ein Entgelt lediglich aus einer solchen Beschäftigung erzielen können, für die er an diesem Ort qualifiziert gewesen sei. Dem habe das Arbeitsamt M. Rechnung getragen. Im übrigen habe es bei der einmal vorgenommenen Bemessung des Alg zu verbleiben, weshalb der am 4. September 1983 eingetretene Wohnsitzwechsel zu keiner Änderung des maßgeblichen Arbeitsentgelts geführt habe.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat sich zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger hat, wie die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend entschieden haben, für die Zeit vom 27. Januar bis 3. September 1983 Anspruch auf das von ihm geltend gemachte höhere Alg.
Die Höhe des dem Kläger dem Grunde nach zustehenden Anspruchs auf Alg ergibt sich aus § 111 Abs 1 AFG idF des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz (EG-EStRG) vom 21. Dezember 1974 (BGBl I 3656). Nach dieser Vorschrift beträgt das Alg 68 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112 AFG). Bei der Feststellung des Arbeitsentgelts für die Zeit einer Beschäftigung außerhalb des Geltungsbereichs des AFG, hier für die Zeit der Beschäftigung des Klägers in der DDR, die der Zeit einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichsteht (§ 107 Satz 1 Nr 3 und Satz 2 AFG), ist gemäß § 112 Abs 5 Nr 5 AFG das Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG zugrunde zu legen. Insoweit handelt es sich nicht um eine Tatbestands-, sondern um eine Rechtsfolgenverweisung (BSG vom 4. September 1979 - 7 RAr 58/78 -, Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit Rechtsprechung - Dienstbl BA R - Nr 2546a zu § 112 AFG; Eckert in GK-AFG, Stand September 1988, § 112 RdNr 61; Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand August 1988, § 112 RdNr 38; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl, § 112 RdNr 43). Gemäß § 112 Abs 7 AFG idF des 5. AFG-ÄndG vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189), in Kraft ab 1. August 1979 (Art 10), ist von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen (§ 129 AFG) maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt. Maßgebend ist somit nicht das vom Kläger erzielte, sondern das von ihm ab 27. Januar 1983 erzielbare Arbeitsentgelt.
Ausgangspunkt für die Bemessung des erzielbaren Einkommens ist zunächst die Feststellung, für welche Beschäftigung der Kläger nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kam (BSG vom 12. Mai 1982 - 7 RAr 17/81 - Dienstbl BA R Nr 2785b zu § 44 AFG; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, aaO, § 112 RdNr 49). Im Rahmen dieser Prüfung kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen an, wenn er - wie hier der Kläger - bundesweit ausgleichs-, dh vermittlungsfähig ist.
Richtig ist, daß bei der Frage, welche tarifliche (oder ortsübliche) Regelung generell Anwendung findet, auf den Wohnsitz des Antragstellers abzuheben ist (BSG SozR 4100 § 112 Nr 2). Das schließt entgegen der Ansicht der Beklagten aber nicht ein, daß auch bei der Ermittlung der zugrundeliegenden Beschäftigung an die Verhältnisse am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen anzuknüpfen ist. Schon der Wortlaut des § 112 Abs 7 AFG gebietet dies nicht; er ist vielmehr bereits grammatikalisch dahin zu verstehen, daß für die Festlegung des fiktiven Arbeitsentgelts von derjenigen Beschäftigung auszugehen ist, für die der Arbeitslose ua nach Lage und Entwicklung des allgemeinen Arbeitsmarktes in Betracht kommt. Lediglich wegen des dafür maßgeblichen Entgelts knüpft der Gesetzestext an die Verhältnisse am Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Arbeitslosen an. Hätte der Gesetzgeber auch die Ermittlung der fiktiven Beschäftigung von den Verhältnissen am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen abhängig machen wollen, hätte er dies anders zum Ausdruck bringen müssen, zB im Zusammenhang mit der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes.
Das oa Verständnis des Gesetzestextes wird durch die Entwicklungsgeschichte des § 112 Abs 7 AFG bestätigt. Die Wendung "nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes" ist mit Wirkung ab 1. August 1979 in § 112 Abs 7 AFG aufgenommen worden. Mit dieser Einfügung sollte nach der amtlichen Begründung klargestellt werden, daß bei der Bemessung des Alg auch die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zu berücksichtigen ist. Ergänzend heißt es: "Beispielsweise kommt bei einem ortsgebundenen Arbeitslosen nur ein Arbeitsentgelt in Betracht, das er auf dem für ihn erreichbaren Arbeitsmarkt verdienen kann" (BT-Drucks 8/2624 S 28 zu Nr 31 Buchst c). Die nachträgliche Änderung des § 112 Abs 7 AFG spricht also dafür, daß nach dem Willen des Gesetzgebers bei eingeschränkter Ausgleichsfähigkeit lediglich auf solche Beschäftigungen zurückgegriffen werden soll, denen der ortsgebundene Arbeitslose auf dem ihm erreichbaren Arbeitsmarkt tatsächlich nachgehen kann (in diesem Sinne wohl auch Eckert in GK-AFG, aaO, § 112 RdNr 73). Umgekehrt muß das aber - wie die Vorinstanzen mit Recht betonen - bedeuten, daß bei uneingeschränkter Ausgleichsfähigkeit alle Beschäftigungen berücksichtigungsfähig sind, die ein nicht ortsgebundener Arbeitsloser auf dem Arbeitsmarkt sowohl im Bundesgebiet wie in Berlin (West) ausüben kann.
Diese weite Auslegung wird durch Sinn und Zweck des § 112 Abs 7 AFG gedeckt. Die Frage des erzielbaren Arbeitsentgelts, auf die es im Rahmen dieser Vorschrift ankommt, steht in unlösbarem Zusammenhang mit den Fragen, für welche Beschäftigung der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (§ 100 Abs 1, § 103 AFG) und auf welche Beschäftigungen sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten, die grundsätzlich Vorrang vor der Gewährung von Leistungen haben (§ 5 AFG), erstrecken. Nach § 4 der Zumutbarkeits-Anordnung vom 16. März 1982 (ANBA 1982, 523), die ihre Rechtsgrundlage in § 103 Abs 2 iVm § 191 Abs 3 AFG hat, wird eine Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Tagespendelbereichs von vornherein als zumutbar angesehen, wenn überregionale Mobilität in dem angestrebten Beruf üblich ist oder eine besonders ungünstige Wohnlage Vermittlungsbemühungen im Tagespendelbereich von vornherein aussichtslos macht (Satz 1). Auf der anderen Seite sind bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer solchen Beschäftigung während der gesamten Dauer der Arbeitslosigkeit die familiären, gesundheitlichen und sonstigen persönlichen Umstände des Arbeitslosen besonders zu berücksichtigen (Satz 2). Die Aufnahme einer solchen Beschäftigung ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn bei deren Aufnahme die Betreuung mindestens eines aufsichtsbedürftigen Kindes unter sechzehn Jahren oder einer pflegebedürftigen Person nicht mehr gewährleistet wäre (Satz 3). Umgekehrt hat die Beklagte bei ihren Vermittlungsbemühungen ua die besonderen Verhältnisse der freien Arbeitsplätze, die Eignung der Arbeitsuchenden und deren persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen (§ 14 Abs 1 Satz 2 AFG), was die Berücksichtigung sowohl individueller Wünsche wie sozialer Gesichtspunkte ermöglicht (Hennig/Kühl/Heuer, aaO, § 14 RdNr 3.2; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, aaO, § 14 RdNr 21). All diese Regelungen würden weitgehend ihres Sinnes beraubt, wenn bei einem uneingeschränkt ausgleichsfähigen Arbeitslosen nicht auch das Arbeitsentgelt einer solchen Beschäftigung in Betracht zu ziehen wäre, für die er dem Grunde nach zur Verfügung steht. Hinzu kommt, daß die Beklagte entsprechend der ihr in § 189 Abs 4 AFG eingeräumten Möglichkeit für Akademiker, Führungskräfte und andere besonders qualifizierte Berufe eine fachspezifische Arbeitsvermittlung betreibt, die sich auf das gesamte Bundesgebiet und Berlin (West) erstreckt. Schließlich verdient das sog Günstigkeitsprinzip Beachtung. Es besagt, daß - sofern für den Arbeitslosen mehrere Beschäftigungen in Betracht kommen - von der Beschäftigung mit dem höchsten Arbeitsentgelt auszugehen ist (Eckert in GK-AFG, aaO, § 112 RdNrn 60 und 73; Hennig/Kühl/Heuer, aaO, § 112 RdNr 44); es gewinnt seine eigentliche Bedeutung erst dadurch, daß nicht allein auf die Beschäftigungen abgestellt wird, die vom Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen unmittelbar erreichbar sind, sondern die nach Lage und Entwicklung des gesamten Arbeitsmarktes realisierbar erscheinen (so wohl auch Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, aaO, § 112 RdNr 50). Demgegenüber läßt sich nicht überzeugend einwenden, die - meist aufgrund familiärer Umstände - nicht ausgleichsfähigen Arbeitslosen würden benachteiligt. Diese unterschiedlichen Auswirkungen sind, wie die Motive zur Änderung des § 112 Abs 7 AFG erkennen lassen, vom Gesetzgeber gesehen und im Interesse eines beweglichen Arbeitsmarktes in Kauf genommen worden. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Grundgesetz -GG-) oder den Schutz von Ehe und Familie (Art 6 GG) ist nicht erkennbar.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, gegen die die Beklagte keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht hat und die deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), hat der Senator für Schulwesen des Landes Berlin (gemäß § 16 Abs 1 des Lehrerbildungsgesetzes -LBiG- vom 25. Januar 1971 - GVBl S 341 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Dezember 1978 - GVBl S 2361 -) entschieden, daß der Kläger aufgrund seiner Ausbildung und Prüfung in der DDR (Zeugnis vom 3. Mai 1974 über den akademischen Grad eines Diplomlehrers) im Land Berlin vom Nachweis der bestandenen Ersten Staatsprüfung für das Amt des Lehrers (Besoldungsgruppe A 12) - Wahlfach Englisch - befreit sei und damit die Voraussetzungen für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst (als Lehreranwärter) besitze (§ 9 Abs 2 LBiG). Damit erfüllte er die Voraussetzungen für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für die Zweite Staatsprüfung zumindest in Berlin (West). Überdies war er uneingeschränkt ausgleichsfähig und hat dies im Verlauf seiner Arbeitslosigkeit dadurch unterstrichen, daß er am 4. September 1983, um seine Arbeitslosigkeit zu beseitigen, seinen Wohnsitz von M. nach Berlin (West) verlegte. Schließlich wurde er im November 1983 vom Senator für Schulwesen des Landes Berlin als Lehreranwärter übernommen. Bei dieser Sachlage ist die Schlußfolgerung des LSG, der Kläger sei nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes für eine Beschäftigung als Lehreranwärter in Betracht gekommen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der hiernach gebotenen Einstufung des Klägers als Lehreranwärter kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Befreiung vom Nachweis der bestandenen Ersten Staatsprüfung für das Amt des Lehrers (Besoldungsgruppe A 12) - Wahlfach Englisch - durch den Senator für Schulwesen des Landes Berlin sei erst mit Schreiben vom 4. Mai 1983 erfolgt; in der Zeit vom 27. Januar 1983 bis zum Zugang dieses Schreibens habe keine Befreiung vorgelegen, so daß der Kläger während dieses Zeitraumes den Vorbereitungsdienst für die Zweite Staatsprüfung als Lehrer gar nicht habe aufnehmen können. Die Mitteilung des Senators für Schulwesen des Landes Berlin vom 4. Mai 1983 läßt keinen Zweifel daran, daß sie als eine von Anfang an wirkende Befreiung zu verstehen ist. Sie beinhaltet eine Zustandsbeschreibung. Danach stand der endgültigen Bestimmung der für den Kläger in Betracht kommenden Beschäftigung allenfalls ein vorübergehendes Hindernis entgegen. Für einen solchen Fall sehen die Weisungen der Beklagten zu § 112 Abs 7 AFG, die mit Sinn und Zweck sowohl des § 107 Satz 1 Nr 3 als auch des § 112 Abs 7 AFG in Übereinstimmung stehen, selbst die rückwirkende Einstufung des Arbeitslosen in die in Betracht kommende Beschäftigung vor (Dienstblatt-Runderlaß 48/84 vom 5. März 1984 S 8 f zu 3.1).
Die Höhe des vom Kläger erzielbaren Arbeitsentgelts richtet sich, wie aus § 112 Abs 7 AFG weiter hervorgeht, nach dem für die Tätigkeit eines Lehreranwärters am Wohnsitz des Klägers maßgeblichen tariflichen Arbeitsentgelt. Das LSG hat die Höhe dieses tariflichen Arbeitsentgelts unangegriffen mit BAT Vgr IVb (3.346,71 DM) festgestellt. Demzufolge haben die Vorinstanzen dem Kläger ab 27. Januar 1983 zu Recht Alg unter Einstufung in diese Besoldungsgruppe zugesprochen.
Die Revision der Beklagten kann demnach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen