Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung nach dem SGB II für Arbeitsuchende. Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Erklärung nach § 428 Abs. 1 SGB III (“58-er-Regelung”). Verfassungsmäßigkeit. kein Vertrauensschutz. sozialgerichtliches Verfahren. Beteiligtenfähigkeit einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE). keine Einbeziehung von SGB II-Folgebescheiden in das rechtshängige Verfahren. Prüfungsdichte im Höhenstreit
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verstößt auch bei demjenigen Kläger, der während des Bezugs von Arbeitslosenhilfe bei Vollendung des 58. Lebensjahrs die Erklärung abgegeben hatte, sich dem Arbeitsmarkt subjektiv nicht mehr zur Verfügung zu stellen (Erklärung nach § 428 SGB III), nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere ist ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot nicht gegeben.
2. Ihrem unmittelbaren Inhalt nach konnte die in § 428 SGB III getroffene Regelung lediglich ein Vertrauen des Leistungsbeziehers darauf erzeugen, dass er künftig von der Voraussetzung der Arbeitsbereitschaft entlastet würde. Diesem Gesichtspunkt trägt der Gesetzgeber unter der Geltung des SGB II durch eine Übergangsregelung (§ 65 Abs. 4 SGB II) weiterhin Rechnung.
3. Eine nach § 44b SGB II i.d.F. des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.07.2004 gebildete Arbeitsgemeinschaft ist zumindest über § 70 Nr. 2 SGG beteiligtenfähig (Anschluss an BSG, Urteil vom 7.11.2006, B 7b AS 8/06 R).
4. Folgebescheide für anschließende Leistungszeiträume werden im Recht der Grundsicherung nach dem SGB II – anders als im Arbeitsförderungsrecht – nicht analog § 96 SGG Gegenstand laufender Klageverfahren (Anschluss an BSG, Urteil vom 7.11.2006, B 7b AS 14/06 R).
5. Bei einem Streit um höhere Leistungen nach dem SGB II sind alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen. Eine Begrenzung des Streitgegenstands ist nur dann zulässig, wenn ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungen enthält.
Normenkette
SGB III § 428; SGB II § 65 Abs. 4, § 44b; SGG § 70 Nr. 2, § 96
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 27. März 2006 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten wegen der Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 2005.
Der am 7. Oktober 1944 geborene Kläger bezog im Anschluss an Arbeitslosengeld (Alg) ab November 2002 bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi) zuletzt in Höhe von monatlich 723,23 €. Gegenüber der Bundesagentur für Arbeit (BA) hatte er am 22. Oktober 2002 die Erklärung zur Inanspruchnahme von Alg/Alhi unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) abgegeben.
Durch Bescheid vom 9. November 2004 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. April 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) einschließlich der Kosten der Unterkunft in Höhe von 452,20 € monatlich. Den Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2005 zurück. Die Klage, mit der der Kläger insbesondere Eigentums- und Vertrauensschutz geltend machte, ist ohne Erfolg (Urteil des Sozialgericht ≪SG≫ vom 27. März 2006) geblieben.
In den Entscheidungsgründen hat das SG ua ausgeführt, unstreitig habe die Beklagte die Leistungen zutreffend berechnet. Ein weiter gehender Anspruch auf Leistungen in Höhe der bisher gezahlten Alhi bestehe nicht. Die Abschaffung der Alhi verstoße nicht gegen Art 14 Grundgesetz (GG), weil diese als steuerfinanzierte Leistung nicht dem Schutz der Eigentumsgarantie unterliege. Aus der Erklärung und dem Verfahren nach § 428 SGB III ergebe sich weder eine Zusicherung noch sonst ein Vertrauensschutz in den unveränderten Fortbestand bisheriger Sozialleistungen in unveränderter Höhe. Die Vorschrift enthebe ältere Arbeitnehmer lediglich vom Erfordernis subjektiver Verfügbarkeit und konsequenter Beschäftigungssuche. Mit der Vorschrift des § 65 Abs 4 SGB II über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter erleichterten Voraussetzungen sei insoweit eine angemessene Übergangsregelung geschaffen. Dem von der BA verwendeten Formblatt lasse sich darüber hinaus eine Erklärung iS einer Zusicherung nicht entnehmen, zumal die Alhi wegen ihres Charakters als Sozialhilfeleistung schon immer unter der Prämisse der jederzeitigen Änderbarkeit gestanden habe und tatsächlich auch stetig verringert worden sei.
Mit der im Urteil des SG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen und mit schriftlicher Zustimmung der Beklagten eingelegten Revision rügt der Kläger die Verletzung der Art 1, 2, 14, 20 GG. Die Abschaffung der Alhi verstoße gegen Art 14 GG. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Rentenrecht stelle sich die Alhi als Eigentumsposition dar, die trotz Steuerfinanziertheit auf einer Eigenleistung beruhe, nämlich der dem Alg-Bezug vorangehenden Vorbeschäftigung. Mit der Abschaffung durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt habe der Gesetzgeber seine Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung in unverhältnismäßiger Weise überschritten, weil eine Abwägung der angestrebten Mitteleinsparung mit weniger weit reichenden Maßnahmen nicht stattgefunden habe und insbesondere § 65 SGB II keine Übergangsregelung beinhalte, sondern nur dem Umstellungsaufwand der Verwaltung Rechnung trage. Die Abschaffung der Alhi gehe des Weiteren mit einer Verletzung des Vertrauensgrundsatzes einher, weil er – der Kläger – die Erklärung nach § 428 SGB III unterschrieben habe. Dies habe ihn zwar von der subjektiven Verfügbarkeit befreit, ihn im Gegenzug aber zur Inanspruchnahme einer abschlagsfreien Altersrente zum frühestmöglichen Zeitpunkt verpflichtet. Als Gegenleistung für den der Arbeitsverwaltung ersparten Verwaltungsaufwand habe er eine vollständige Abkoppelung vom Arbeitsmarkt in Kauf genommen. Diesem Geflecht gegenseitiger Verpflichtungen sei eine der Beklagten zurechenbare Zusicherung der BA über den Fortbestand der Alhi bis zum Rentenbeginn zu entnehmen, mindestens aber ein besonderer Vertrauenstatbestand in den Fortbestand der gesetzlichen Regelung. Hinzu komme, dass der Regelsatz nach § 20 Abs 1 SGB II in einem dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (Art 20 Abs 3 GG iVm Art 2 Abs 1 GG) widersprechenden Verfahren zu Stande gekommen sei und den Anforderungen an den in Art 1 Abs 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG verfassungsrechtlich verbürgten Mindestbedarf nicht stand halte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 27. März 2006 aufzuheben sowie den Bescheid vom 9. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. Januar 2005 bis 30. April 2005 Leistungen in Höhe der bis zum 31. Dezember 2004 bezogenen Arbeitslosenhilfe (723,23 € monatlich) zu zahlen,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 GG zur Entscheidung vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte schließt sich den Ausführungen der Vorinstanz an.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Sprungrevision (§ 161 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das SG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2, Abs 4 SGG).
Im Ergebnis ist die Vorinstanz zwar zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Alg II in Höhe der bisher gewährten Alhi zusteht und die Abschaffung der Alhi für den unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III leistungsbeziehenden Personenkreis nicht verfassungswidrig ist. Nicht auszuschließen ist aber, dass dem Kläger über die bewilligten Leistungen hinaus weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren sind. Insoweit fehlt es an ausreichenden Feststellungen durch das SG.
1. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.
Die Beteiligtenfähigkeit der Beklagten ist vom SG zu Recht nicht in Frage gestellt worden. Auch wenn sie nach ihrem Gründungsvertrag keine umfassende juristische Rechtspersönlichkeit besitzt, ist sie eine nach § 44b SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2014) gebildete Arbeitsgemeinschaft und zumindest über § 70 Nr 2 SGG beteiligtenfähig (vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R). Die Übernahme der Prozessführung durch Beschäftigte der ua als Leistungsträger hinter der Beklagten stehenden Stadt D…. (Rechtsamt) scheitert nicht an den Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG). Denn als besonders Beauftragte (§ 71 Abs 3 SGG) mit einer den eigenen Beschäftigten vergleichbaren Sachnähe besorgen sie keine fremden Rechtsangelegenheiten iS des § 1 Abs 1 Satz 1, § 6 RBerG (näher BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 R; aA Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. November 2005 – L 8 AS 37/05 ER).
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf höhere Leistungen beschränkt sich auf die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. April 2005. Die zeitliche Begrenzung ergibt sich nicht daraus, dass – unbeschadet einer fehlenden Verfahrensrüge und ihrer Zulässigkeit in der Sprungrevision (§ 161 Abs 4 SGG) Folgebescheide für anschließende Leistungszeiträume – anders als im Arbeitsförderungsrecht – nicht analog § 96 SGG Gegenstand laufender Klageverfahren werden (hierzu BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 R; Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 9/06 R). Vielmehr hat die Beklagte die Bewilligung im Rahmen der Vorschrift des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II, nach der Leistungen jeweils für sechs Monate bewilligt werden “sollen”, auf den oben genannten Zeitraum beschränkt und der Kläger dementsprechend auch seinen Antrag begrenzt.
Die Leistungsansprüche für den streitigen Zeitraum vom 1. Januar bis 30. April 2005 sind im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger ausschließlich die Verletzung von Verfassungsrecht geltend gemacht hat. Der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, dh durch das vom Kläger auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck kommende Begehren sowie den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (vgl BSG SozR 4-2600 § 237 Nr 2, dort hinsichtlich der Verfügung betreffend den Zugangsfaktor bei einer Altersrente). Bei einem Streit um höhere Leistungen nach dem SGB II sind deshalb alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (näher dazu Urteil des Senats vom 23. November 2006 – B 11b AS 9/06 R).
2. Auf Grund der insoweit vom SG getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob dem Kläger für die Zeit von Januar bis April 2005 höhere Leistungen nach dem SGB II zustehen. Wenn er Leistungen in Höhe der bisher bezogenen Alhi begehrt, so schließt die Angabe der angestrebten Leistungshöhe den Antrag ein, zumindest höhere Leistungen zu verlangen; welcher Rechtsgrund insoweit in Betracht kommt, hat ohnehin das Gericht zu entscheiden (vgl § 123 SGG; BSG SozR 4-1500 § 95 Nr 1 mwN).
a) Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, kann ab 1. Januar 2005 Alhi nicht mehr gezahlt werden, weil die entsprechenden Vorschriften nicht mehr gelten. Diese waren im Siebten Unterabschnitt (§§ 190 ff) des SGB III enthalten. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954) – im Folgenden: Gesetz vom 24. Dezember 2003 – hat diese Vorschriften mit Wirkung ab 1. Januar 2005 aufgehoben (Art 61 Abs 1 des Gesetzes). Ab dem 1. Januar 2005 wird daher nach der Entscheidung des Gesetzgebers Alhi nicht mehr gewährt.
In § 190 Abs 3 Satz 1 SGB III, hier in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des Art 3 Nr 14 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, war geregelt, dass Alhi “längstens bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden” darf. Dementsprechend hat auch der Kläger von der BA Alhi nur bis zum 31. Dezember 2004 bezogen.
b) Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), die erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4).
Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen im angefochtenen Urteil, das allerdings ausdrückliche Ausführungen hierzu nicht enthält, kann mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass der Kläger diejenigen Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllt, die das Gesetz hinsichtlich des Lebensalters (Nr 1), der Erwerbsfähigkeit (Nr 2) und des Aufenthalts (Nr 4) aufstellt. Hingegen fehlen tatsächliche Feststellungen zur Beurteilung der Frage, in welchem Umfang bei dem Kläger im streitigen Zeitraum Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 SGB II besteht.
Nach § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen (ua Ehegatte, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, vgl § 7 Abs 3 Nr 3a, b SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes, aaO) nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, hierin einbezogen das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Nach § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die einer Bedarfsgemeinschaft angehören, das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.
Der Grundsicherungsbedarf einschließlich des Unterkunftsbedarfs ist den einschlägigen Regelungen (§§ 19 ff SGB II) zu entnehmen. Nach § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Alg II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung. Der Anspruch des Kläger auf Alg II setzt sich jeweils aus der Regelleistung (§ 20 SGB II) und den nach § 22 SGB II zu berücksichtigenden Leistungen für Unterkunft und Heizung zusammen.
aa) Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts ist für allein stehende Hilfebedürftige – in den hier allein interessierenden alten Bundesländern einschließlich Berlin (Ost) – auf monatlich 345,00 € festgelegt (§ 20 Abs 2 SGB II idF bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 24. März 2006, BGBl I 558), für volljährige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 2 SGB II) auf 90 % und für sonstige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft auf 80 % dieser Regelleistung (§ 20 Abs 3 SGB II idF bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 24. März 2006, aaO). Demzufolge beträgt die Regelleistung für den Kläger 345,00 €, falls er allein stehend ist. Unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II liegt sie ggf aber nur bei 311,00 € (90 vH von 345,00 € = 310,50 €), wenn er entsprechend den Angaben im Ausgangsbescheid vom 9. November 2004 in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.
bb) Auf Grund der vom SG getroffenen Feststellungen kann auch nicht beurteilt werden, ob sich für den Kläger uU ein höherer Betrag hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung ergibt (§ 22 SGB II). Zwar hat das SG ausgeführt, die Beklagte habe Alg II und Kosten der Unterkunft des Klägers in Höhe von 452,20 € “zutreffend berechnet”. Das Urteil enthält jedoch keine Angaben darüber, wie sich die Unterkunftskosten, die mindestens nach Rohmiete-, Neben- und Heizkosten aufzugliedern sind, zusammensetzen. Aus der vom SG in Bezug genommenen Leistungsakte der Beklagten ergibt sich insoweit nur, dass der Kläger eine Wohnung zusammen mit einer ihm nicht verwandten Frau bewohnt. Der Ausgangsbescheid geht trotz der Annahme einer Bedarfsgemeinschaft von einem Regelsatz in Höhe von 345,00 € aus. Die danach verbleibenden 107,20 € entsprechen wiederum einem hälftigen Anteil an den Kosten der Unterkunft, ohne jedoch die Wasserkosten (22,00 € monatlich, 11,00 € hälftig) mit einzubeziehen. Gesonderte Bescheide hierzu sind nicht ersichtlich.
cc) Bei seiner abschließenden Entscheidung wird das SG im Übrigen Gelegenheit erhalten, eindeutige Feststellungen zu Einkommen und Vermögen (§§ 11, 12 SGB II) des Klägers im Hinblick auf etwaiges Nebeneinkommen (ggf als Aushilfsfahrer, wenngleich die aktenkundige Nebeneinkommensbescheinigung nicht den Kläger betrifft) und eine Lebensversicherung zu treffen haben. Ausweislich der im Urteil der Vorinstanz in Bezug genommenen Leistungsakte der Beklagten bestand eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert in Höhe von 16.038,84 € zum 31. März 2004. Dieser Betrag übersteigt den Grundfreibetrag nach § 12 Abs 2 Nr 1 Halbsatz 1 SGB II idF des Vierten SGB III-Änderungsgesetzes vom 19. November 2004 (BGBl I 2902) in Höhe von 200,00 € je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen. Ausgehend vom Lebensalter des Klägers zum Leistungsbeginn am 1. Januar 2005 ergibt sich für ihn ein Freibetrag in Höhe von 12.000,00 € (200,00 € × 60). Inwieweit die Voraussetzungen des zusätzlichen Freibetrages zur Altersvorsorge nach § 12 Abs 2 Nr 3 SGB II gegeben sind, der ua einen Ausschluss der Verwertbarkeit der betroffenen Ansprüche voraussetzt (§ 165 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz ≪VVG≫), kann mangels ausreichender Feststellungen vom Senat nicht abschließend beurteilt werden (vgl dazu BSG SozR 4-4300 § 193 Nr 3 und 5; SozR 4-4220 § 6 Nr 2). Einer Berücksichtigung dieses Vermögens steht grundsätzlich nicht entgegen, dass es bei der bisherigen Alhi-Bewilligung offenbar unberücksichtigt geblieben ist.
dd) Schließlich wird vom SG auch zu beachten sein, dass nach § 41 Abs 2 SGB II Leistungen immer als volle Eurobeträge zu erbringen sind. Nach dieser Vorschrift sind alle Auszahlungen (nicht Berechnungszwischenschritte, vgl Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 41 RdNr 15) nach entsprechender Rundung in vollen Eurobeträgen zu veranlassen.
3. Die vom Revisionskläger geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Festlegung der Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts teilt der Senat nicht.
Der Senat konnte sich weder davon überzeugen, dass die Abschaffung der Alhi durch Art 3 und 61 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 und die Einführung des Alg II durch das SGB II ab 1. Januar 2005 gegen höherrangiges Recht verstößt, noch, dass die in § 20 Abs 2 und 3 SGB II gesetzlich festgelegte Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts verfassungswidrig zu niedrig ist. Insoweit wird auf die Ausführungen des erkennenden Senats in seiner Entscheidung vom 23. November 2006 – B 11b AS 1/06 R – verwiesen.
4. Keine andere Beurteilung ergibt sich aus der Tatsache, dass der Kläger unter dem 22. Oktober 2002 eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hat. Die insoweit von der Revision vorgetragenen Bedenken bzw die Forderung nach einem besonderen Vertrauensschutz für die Betroffenen der “58-er-Regelung”, die auch im Schrifttum ihren Niederschlag gefunden haben (Mayer, NZS 2005, 568, 572; O'Sullivan, SGb 2005, 369, 376), teilt der Senat nicht.
a) Nach § 428 Abs 1 Satz 1 SGB III idF des Zweiten Gesetzes zur Fortentwicklung der Altersteilzeit vom 27. Juni 2000 (BGBl I 910) iVm § 198 Satz 2 Nr 3 SGB III (aufgehoben durch das Gesetz vom 24. Dezember 2003) haben auch solche Arbeitnehmer Anspruch auf Alg bzw Alhi, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Alg oder Alhi allein deshalb nicht erfüllen, weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Im Kontext mit § 119 SGB III in der bis Ende 2004 geltenden Fassung wird deutlich, dass der Gesetzgeber zu Gunsten älterer Arbeitsloser allein auf die sonst zur Gewährung von Alg bzw Alhi zwingend erforderliche Arbeitsbereitschaft (Abs 2) und die Beschäftigungssuche (Abs 1 Nr 1) verzichtet. Auch der Entstehungsgeschichte sind weiter gehende Vergünstigungen nicht zu entnehmen. Die Vorschrift entspricht § 105c Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), welcher durch das Siebte AFG-Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) mit Rücksicht darauf eingefügt wurde, dass für die genannten älteren Arbeitnehmer im Allgemeinen kein Arbeitsplatz mehr vermittelt werden konnte, der ihrer bisherigen – in der Regel durch langjährige Betriebszugehörigkeit geprägten – Tätigkeit annähernd gleichwertig und ein erneuter Aufstieg im Betrieb kaum noch möglich war (BT-Drucks 10/4211 S 22). Die nach dem AFG zuletzt bis zum 31. Dezember 2000 befristete Regelung wurde zunächst aus Anlass dieser Befristung in den Geltungsbereich des SGB III übernommen (BT-Drucks 13/4941 S 227), dann aber dort durch das Zweite Gesetz zur Fortentwicklung der Altersteilzeit vom 27. Juni 2000 (aaO) und das Fünfte SGB III-Änderungsgesetz vom 22. Dezember 2005 (BGBl I 3676) in Anbetracht der nach wie vor ungünstigen Arbeitsmarktlage für den im Geltungsbereich des SGB III befindlichen Personenkreis weiter verlängert, letztmalig bis zum 31. Dezember 2007 (BT-Drucks 16/109 S 8). Ziel der Regelung war es durchgehend, den älteren Arbeitslosen Leistungen unter erleichterten Voraussetzungen zu verschaffen (BT-Drucks 10/4211 S 22), nicht jedoch eine Garantie unveränderter Leistungsfortzahlung nach Dauer und Höhe zu übernehmen.
Der Regelungsgehalt der so genannten “58-er-Regelung” beschränkt sich somit allein darauf, dass auf die Anspruchsvoraussetzung der subjektiven Arbeitsbereitschaft verzichtet wird (BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 16; BSGE 95, 43 = SozR 4-4300 § 428 Nr 2; vgl auch Schlegel/Becker in Eicher/Schlegel, SGB III, § 428 RdNr 20; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, § 428 RdNr 7). Deshalb ist dem Vorbringen des Revisionsführers, es sei in der Folge der Unterzeichnung der Erklärung nach § 428 SGB III von einer der Beklagten zuzurechnenden Zusicherung der BA (§ 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ≪SGB X≫) auszugehen, nicht zu folgen. Denn im Hinblick auf den begrenzten Anwendungsbereich der Regelung kann eine sich auf das Klagebegehren beziehende Zusicherung durch die BA nicht abgegeben worden sein (vgl auch Urteil des Senats vom 23. November 2006 – B 11b AS 9/06 R – mwN). Gegenteiliges lässt sich nicht etwa aus der vorformulierten Erklärung nach § 428 SGB III entnehmen, da sie einen Leistungsanspruch voraussetzt und lediglich erläuternden Charakter hat (vgl auch Urteil des Senats vom 23. November 2006 – B 11b AS 25/06 R).
Die in § 428 SGB III getroffene gesetzliche Regelung konnte also allenfalls ein Vertrauen darauf begründen, dass der Arbeitslose (voraussichtlich bis zur Inanspruchnahme einer Altersrente) von der Leistungsvoraussetzung der Arbeitsbereitschaft entlastet wird. Diesem Gesichtspunkt hat das Gesetz vom 24. Dezember 2003 durch eine spezielle Übergangsregelung in § 65 Abs 4 SGB II Rechnung getragen. Danach haben erwerbsfähige Hilfebedürftige, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch dann, wenn sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Arbeit zu beenden (Satz 1). Die im Gesetz weiter vorgesehene zeitliche Befristung des erleichterten Anspruchserwerbs und das weitere Verfahren korrespondieren mit § 428 SGB III (Satz 2 und 3). Insbesondere gefährdet die Befristung (derzeit bis 31. Dezember 2007) nicht den unveränderten Fortbestand der bisherigen Regelung für diejenigen älteren Arbeitslosen, die – wie der Kläger – nach Vollendung des 58. Lebensjahres im Jahr 2002 die Erklärung nach § 428 SGB III unterschrieben haben und zum 1. Januar 2005 vom Alhi-Bezug in den Alg II-Bezug gewechselt sind. Auf Grund dieser Übergangsregelung ist sichergestellt, dass Arbeitslose, die im Vertrauen auf § 428 SGB III ihre Arbeitsbereitschaft beendet haben, ihre Lebensplanung nicht ändern müssen (BT-Drucks 15/1749 S 34 zu Art 1 § 65 Abs 5).
b) Über den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 428 SGB III hinaus lässt sich ein besonderer Vertrauensschutz für die von der “58-er-Regelung” betroffenen älteren Arbeitslosen entgegen der Auffassung der Revision weder aus der Eigentumsgarantie in Art 14 Abs 1 GG (dazu im Folgenden unter aa) noch aus den Grundsätzen des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots iVm dem Vertrauensschutzprinzip (Art 20 Abs 3 GG iVm Art 2 Abs 1 GG) begründen (dazu im Folgenden unter bb).
Es ist zwar – wie der vorliegende Sachverhalt deutlich macht – zutreffend, dass durch die Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vor allem jene früheren Bezieher von Alhi finanzielle Einbußen erlitten haben, die einstmals ein relativ hohes Erwerbseinkommen bezogen hatten. Denn die Alhi orientierte sich an diesem Einkommen (vgl §§ 195 Satz 1, 136 Abs 1, 132 Abs 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung). Doch diese finanziellen Einbußen treffen frühere Bezieher von Alhi völlig unabhängig davon, ob sie eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben haben. Sie beruhen allein auf der Abschaffung der Alhi und dem Inkrafttreten des SGB II ab 1. Januar 2005, dh der Änderung eines Gesetzes für die Zukunft.
aa) Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Alhi um eine Sozialleistung handelte, die aus Steuermitteln finanziert und die nur bei Bedürftigkeit des Arbeitslosen gewährt wurde, haben beide für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen Senate des BSG in stRspr entschieden, der Anspruch auf Alhi falle von vornherein nicht unter den Schutz der Eigentumsgarantie (vgl nur BSGE 73, 10, 17 ff = SozR 3-4100 § 118 Nr 4; BSGE 85, 123, 130 = SozR 3-4100 § 136 Nr 11; SozR 3-4300 § 427 Nr 2; BSGE 91, 94 = SozR 4-4220 § 6 Nr 1; BSG SozR 4-4300 § 434c Nr 3; zur Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen aufgrund der Alhi vgl BSG SozR 4-2600 § 166 Nr 1). Den klaren konzeptionellen Unterschied zum Alg hat auch das BVerfG bei seiner verfassungsrechtlichen Beurteilung der Alhi herausgearbeitet (BVerfG SozR 4-4300 § 434c Nr 6). Unter diesen Umständen konnte kein Alhi-Empfänger – auch nicht derjenige, der die Erklärung nach § 428 Abs 1 SGB III unterzeichnet hatte – eine eigentumsgeschützte Rechtsposition erwerben. Die Einwände der Revision, insbesondere der Hinweis auf den Vorlagebeschluss des 4. Senats des BSG vom 30. März 2004 (B 4 RA 24/02 R) zum Fremdrentenrecht, geben dem Senat keinen Anlass, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzurücken. Dies gilt umso mehr, als das BVerfG zwischenzeitlich (Beschluss vom 13. Juni 2006 – ua 1 BvL 9/00) entschieden hat, dass die durch das Fremdrentenrecht begründeten Anwartschaften nicht dem Eigentumsschutz unterliegen, wenn ihnen ausschließlich Beitrags- und Beschäftigungszeiten zu Grunde liegen, die in den Herkunftsgebieten erbracht oder zurückgelegt wurden (vgl auch BVerfG Kammerbeschluss vom 3. Juli 2006 – 1 BvR 476/02).
bb) Die Abschaffung der Alhi durch Art 3 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 verstößt für den im vorliegenden Fall betroffenen Personenkreis aber auch nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot. Eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) sehen die die Alhi betreffenden Regelungen des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 nicht vor. Das Gesetz greift nicht nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, in der Vergangenheit liegende Tatbestände ein (BVerfGE 11, 139, 145 f; 23, 12, 32). Es regelt lediglich Rechtsverhältnisse für Zeiträume nach seiner Verkündung.
Ob damit eine so genannte unechte Rückwirkung vorliegt, lässt der Senat offen. Diese setzt voraus, dass eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl ua BVerfGE 43, 291, 391; 72, 175, 196; 79, 29, 45 f). Ob das Gesetz vom 24. Dezember 2003 durch die Regelung, Alhi könne längstens bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden, in einen zum Zeitpunkt seiner Verkündung am 29. Dezember 2003 bereits existenten Sachverhalt eingegriffen hat, ist zweifelhaft. Denn bereits vor seinem Inkrafttreten war der Bewilligungszeitraum der Alhi auf längstens ein Jahr begrenzt (§ 190 Abs 3 Satz 1 SGB III in der Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594; früher: § 139a AFG). Mit der jährlichen Prüfung und Wiederbewilligung der Alhi sollte die Abhängigkeit künftiger Zahlungen vom Fortbestand der Anspruchsvoraussetzungen sichergestellt werden. Außerdem wollte der Gesetzgeber die Entstehung schutzwürdigen Vertrauens auf einen Dauerzustand über den jeweiligen Bewilligungszeitraum hinaus vermeiden (BSGE 68, 42 = SozR 3-4100 § 139a Nr 1; SozR 4-4300 § 434c Nr 3 RdNr 14; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, § 160 RdNr 124). Es sollte der Vorstellung entgegengewirkt werden, es handele sich bei der Alhi um eine rentenähnliche Dauerleistung. Im Ergebnis griffen deshalb die Neuregelungen nicht in einen laufenden Bewilligungsabschnitt ein. § 190 Abs 3 Satz 1 SGB III in der vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt stellte vielmehr lediglich sicher, dass “die Arbeitslosenhilfe … längstens bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden (durfte)”. Demgemäß hat auch der Kläger Alhi nur bis zum 31. Dezember 2004 bezogen.
Aber selbst wenn im Hinblick auf die über den 31. Dezember 2004 hinausreichenden Rechtswirkungen der vom Kläger abgegebenen Erklärung nach § 428 SGB III von einem Fall der unechten Rückwirkung auszugehen sein sollte, genügen die Neuregelungen des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 den insoweit zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen. Regelungen, die eine unechte Rückwirkung entfalten, sind grundsätzlich zulässig und genügen dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (BVerfGE 97, 378, 389; 101, 239, 263; BVerfG SozR 3-4100 § 242q Nr 2 – zur zeitlichen Anspruchsbegrenzung der originären Alhi).
Die Erwartung jener Arbeitslosen, die eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hatten, bis zur Inanspruchnahme einer Altersrente Leistungen in Höhe der zuletzt bezogenen Alhi zu erhalten, ist nicht überwiegend schutzwürdig.
Wie bereits dargestellt, konnte die in § 428 SGB III getroffene gesetzliche Regelung allenfalls ein Vertrauen darauf erzeugen, dass der Arbeitslose voraussichtlich bis zur Inanspruchnahme einer Altersrente von der Tatbestandsvoraussetzung der Arbeitsbereitschaft entlastet wird. Nur dieser Bedeutungsinhalt kommt auch der vom Kläger unterzeichneten Erklärung nach § 428 SGB III zu, selbst wenn diese nicht wortwörtlich mit dem Gesetzestext übereinstimmt. Denn nur darauf konnte sich eine etwaige Zusicherung seitens der BA – wie bereits unter 4. a) ausgeführt – beziehen. Diesem Vertrauen trägt die gesonderte Übergangsregelung in § 65 Abs 4 SGB II, mit der die Privilegierung des § 428 SGB III für Alg II-Empfänger fortgeschrieben worden ist, Rechnung. Die Übergangsregelung wurde vom Gesetzgeber gerade mit der Zielrichtung geschaffen, dass Arbeitslose, die im Vertrauen auf § 428 SGB III ihre Arbeitsbereitschaft beendet hatten, ihre Lebensplanung nicht ändern mussten (BT-Drucks 15/1749 S 34 zu Art 1 § 65 Abs 5).
Über den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 428 SGB III hinaus ist allerdings der Vortrag der Revision ohne weiteres nachvollziehbar, dass ältere Arbeitslose – wie der Kläger – ihre Entscheidung, sich dem Arbeitsmarkt subjektiv nicht mehr zur Verfügung zu stellen, auch im Hinblick darauf getroffen haben, dass sie die Weiterzahlung von Leistungen in Höhe der bisher gezahlten Alhi erwarteten. Dieses – sich lediglich als Reflex aus der bisherigen Rechtslage ergebende – Vertrauen ist jedoch allenfalls eingeschränkt schutzwürdig, da der fragliche “Besitzstand” den Arbeitslosen nur in beschränktem Umfang gesichert erscheinen durfte. Denn wegen ihres Charakters als bedürftigkeitsabhängige Fürsorgeleistung, die aus Steuermitteln finanziert wurde, stand ein einmal entstandener Alhi-Anspruch und dessen Höhe von vornherein unter dem Vorbehalt der weiter bestehenden Bedürftigkeit nach Maßgabe der §§ 190 Abs 1 Nr 4, 193, 194 SGB III. Hierbei stellte das Gesetz sowohl bei der Berücksichtigung von Vermögen als auch bei der Anrechnung von Einkommen nicht allein auf die Person des Arbeitslosen, sondern auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse anderer Personen ab (vgl zum maßgebenden Personenkreis Spellbrink in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts § 13 RdNr 103 ff).
Doch selbst bei unveränderter Bedürftigkeit des Leistungsbeziehers war unter Geltung der Alhi-Vorschriften die Anbindung der Leistungshöhe an das zuletzt erzielte Entgelt (zum Entgeltersatzprinzip: Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, E 010 RdNr 43 ff) gegenüber der Bemessung des Alg deutlich gelockert. Eine wesentliche Durchbrechung der Anknüpfung der Leistungsbemessung an das zuletzt erzielte Arbeitsentgelt ergab sich daraus, dass nach § 200 Abs 2 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung eine Anpassung des Bemessungsentgelts an das tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung zu erfolgen hatte, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hatte, wenn der Arbeitslose aus Gründen, die in seiner Person lagen, nicht mehr das maßgebliche Arbeitsentgelt erzielen konnte. Die fiktive Bemessung nach § 200 Abs 2 SGB III war auch bei Veränderungen des Leistungsvermögens nach Vollendung des 58. Lebensjahres durchzuführen (Krauß in SGB III, Praxiskommentar, 2. Aufl 2004, § 200 RdNr 25; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, § 200 RdNr 26, 115). Zudem wurde das Bemessungsentgelt nach Maßgabe des § 200 Abs 3 und 4 SGB III jeweils nach Ablauf eines Jahres nach Entstehung des Anspruchs um 3 % abgesenkt. Diese pauschale Verminderung des Bemessungsentgelts sollte den im Laufe von Langzeitarbeitslosigkeit eintretenden Qualifikationsverlust berücksichtigen. Die so genannte Herabbemessung erstreckte sich ebenfalls auf Alhi-Bezieher, die das 58. Lebensjahr vollendet hatten (Hengelhaupt aaO, § 200 RdNr 159).
Im Übrigen hat der Gesetzgeber dadurch, dass er von der Verkündung bis zum grundsätzlichen Inkrafttreten des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 am 1. Januar 2005 einen Vorlauf von mehr als einem Jahr vorgesehen hatte, dem Bedürfnis der betroffenen Arbeitslosen Rechnung getragen, ihre Lebensführung auf die neue Rechtslage einzustellen. Im Hinblick auf diese Vorlaufzeit war der Gesetzgeber nicht gehalten, eine zeitlich weiter reichende Übergangsregelung (hierzu BVerfGE 67, 1, 15) bis zur Zusammenführung von Alhi und Sozialhilfe zu treffen (vgl zu diesem Gesichtspunkt zuletzt BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 – ua 1 BvL 9/00; hierzu Schlegel in jurisPR-SozR 19/2006 Anm 1).
Schließlich vermag der Einwand, dass unabhängig von der rechtlichen Gestaltung der Alhi und dem Rechtscharakter der Vereinbarung nach § 428 Abs 1 SGB III die “Folgen” einer solchen Erklärung die Annahme eines besonderen schutzwürdigen Vertrauens rechtfertigten, nicht zu überzeugen. Es ist zwar richtig, dass – wie die Revision vorträgt – im Anschluss an eine Erklärung nach § 428 SGB III die BA ihre Vermittlungsbemühungen eingestellt hat und die betroffenen Personen dadurch möglicherweise jeglichen Kontakt zum Arbeitsmarkt verloren haben (vgl O'Sullivan, SGb 2005, 369, 376; auch Mayer, NZS 2005, 568, 572). Gemessen daran, dass die Vergünstigung des § 428 SGB III im hier streitigen Zeitraum gerade dem hohen Anteil der älteren Arbeitnehmer an der Gesamtzahl der Arbeitslosen und ihren unverändert geringen Vermittlungschancen Rechnung getragen hat (BT-Drucks 14/3392 S 7), handelt es sich jedoch lediglich um die Beendigung eines auch aus Sicht des Betroffenen ohnehin nicht erfolgversprechenden Vermittlungskontakts zur BA. Dieser Kontakt war jederzeit wieder dadurch herstellbar, dass der Leistungsempfänger sich dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung stellte, verbunden mit der Möglichkeit, das gesamte Instrumentarium der Vermittlungs- und Förderungsmöglichkeiten der aktiven Arbeitsmarktpolitik zu nutzen (BT-Drucks 16/109 S 8). Dem steht auch nicht entgegen, dass in der vom Kläger unterzeichneten Erklärung nach § 428 SGB III vom 22. Oktober 2002 eine Widerrufsmöglichkeit innerhalb von drei Monaten vorgesehen war. Denn diese Frist hinderte den Kläger nicht, in die Arbeitsvermittlung zurückzukehren (vgl auch Urteil des Senats vom 23. November 2006 – B 11b AS 25/06 R).
Ein allein hieraus abgeleitetes Vertrauen der älteren Arbeitslosen, weiterhin Leistungen in Höhe der zunächst gewährten Alhi zu beziehen, genießt deshalb keinen Vorrang gegenüber den Belangen der Allgemeinheit, zu denen auch finanzielle Aspekte gehörten (vgl BT-Drucks 15/1516 S 41 ff). Der Gesetzgeber durfte vielmehr in seine Überlegungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende in Anbetracht der Größe des betroffenen Personenkreises (vgl hierzu Mayer, NZS 2005, 568) und der Dauer des mutmaßlichen Bezugs bis zum Eintritt einer abschlagsfreien Altersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres auch die älteren Arbeitslosen einbeziehen, ohne sich dem durchgreifenden Vorwurf auszusetzen, den Betroffenen individuelles Fallmanagement zu verwehren (aA Mayer, NZS 2005, 568, 572).
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der Gesetzgeber für die Alhi-Empfänger, die eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hatten, durch die Vorlaufzeit zwischen Verkündung und Inkrafttreten des Gesetzes sowie durch § 65 Abs 4 SGB II (wonach weiterhin auf die subjektive Verfügbarkeit verzichtet wird) den Anforderungen eines angemessenen Bestands- und Vertrauensschutzes Genüge getan hat. Im Übrigen ist zu beachten, dass eine weiterreichende Übergangsregelung für diesen Personenkreis keineswegs verfassungsrechtlich unproblematisch wäre. Denn sie könnte zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen, da sachlich kaum zu rechtfertigenden (Art 3 Abs 1 GG) Privilegierung derjenigen älteren Arbeitslosen führen, die – wie der Kläger – eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hatten. Wenn, worauf die Argumentation des Klägers beruht, gerade wegen dieser Erklärung ein Vertrauensschutz hinsichtlich Art und/oder Höhe der bis zum 31. Dezember 2004 bezogenen Entgeltersatzleistungen beansprucht wird, würden diejenigen über 58-jährigen Arbeitslosen, die in der Vermittlung geblieben waren, gleichsam für ihre Arbeitsbereitschaft bestraft (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Mai 2006 – L 10 AS 1093/05, mwN).
5. Das SG wird im Rahmen der Zurückverweisung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen