Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung – freiwilliges Mitglied ohne Einnahmen – Beitragsfreiheit – Erziehungsgeldbezug – Mindestbeitrag
Leitsatz (amtlich)
Auch während des Bezugs von Erziehungsgeld hat ein vorher nicht berufstätiges freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung jedenfalls den Mindestbeitrag nach § 240 Abs 4 SGB 5 zu entrichten.
Orientierungssatz
1. Das Erheben von Mindestbeiträgen nach § 240 Abs 4 SGB 5 ist nicht von einer Satzungsregelung abhängig, so daß die nach Inkrafttreten des § 240 Abs 4 SGB 5 ergangenen Beitragsbescheide über die künftige Erhöhung der Beiträge auch ohne entsprechende Satzungsregelung rechtsgültig sind.
2. Ein absoluter Revisionsgrund iS des § 551 Nr 7 ZPO iVm § 202 SGG liegt dann noch nicht vor, wenn zwischen der Verkündigung des Urteils und seiner Zustellung etwa neuneinhalb Monate liegen.
Normenkette
RVO § 383 S. 1 Fassung: 1985-12-06; SGB V § 224 S. 2 Fassung: 1988-12-20, § 224 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1989-12-18, § 240 Abs. 4 Fassung: 1988-12-20; SGG § 202; ZPO § 551 Nr. 7
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin während des Bezugs von Erziehungsgeld Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten hatte.
Die Klägerin war nicht berufstätig und seit 1987 freiwilliges Mitglied der beklagten Ersatzkasse, bevor sie nach der Geburt ihres dritten Kindes Erziehungsgeld vom 26. November 1988 bis 25. November 1989 bezog. Mit Bescheid vom 22. Februar 1989 sah die Beklagte von der Beitragserhebung für die Zeit vom 26. November 1988 bis 31. Dezember 1988 ab und forderte Mindestbeiträge ab Januar 1989. Während des Widerspruchsverfahrens teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie werde die Beiträge erst ab März 1989 erheben, erläuterte ihre Rechtsauffassung und bat um Mitteilung, ob der Widerspruch aufrechterhalten bleibe. Als die Klägerin dies bejahte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 1989 zurück. Beitragsfreiheit während des Erziehungsgeldbezugs bestehe für die Klägerin ab März 1989 nach neuem Recht nicht mehr.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 18. September 1990 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 30. Juli 1991 das erstinstanzliche Urteil und den Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 1989 aufgehoben, soweit darin Beiträge für die Zeit vom 1. März bis zum 25. November 1989 gefordert wurden. Die Klägerin habe während des Erziehungsgeldbezugs in der streitigen Zeit keine weiteren Einnahmen erzielt und deshalb auch den Mindestbeitrag nicht zu entrichten brauchen. Das Urteil ist der Klägerin am 14. Mai 1992, der Beklagten am 18. Mai 1992 zugestellt worden.
Die Beklagte hat dieses Urteil mit der Revision angefochten. Sie rügt die Verletzung des § 224 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V).
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts vom 30. Juli 1991 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 18. September 1990 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Das angefochtene Urteil ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil es iS des § 551 Nr 7 der Zivilprozeßordnung (ZPO), der im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist (§ 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), als nicht mit Gründen versehen zu erachten ist. Nach § 551 Nr 7 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, wenn sie nicht mit Gründen versehen ist. Dann liegt ein unbedingter oder absoluter Revisionsgrund vor. Dieses ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch der Fall, wenn zwischen der Entscheidung und ihrer Zustellung ein Jahr bzw „fast” ein Jahr liegt (BSGE 51, 122 = SozR 1750 § 551 Nr 9; BSG SozR 3-1750 § 551 Nr 2; BSG SozR 3-1750 § 551 Nr 3, vgl auch Beschluß vom 8. Oktober 1992 - 13 RJ 29/92). Dann ist nicht mehr gewährleistet, daß die schriftliche Begründung mit hinreichender Sicherheit das Beratungsergebnis wiedergibt. Im vorliegenden Verfahren lagen zwischen der Verkündung des Urteils und seiner Zustellung etwa neuneinhalb Monate, so daß § 551 Nr 7 ZPO nach der bisherigen Rechtsprechung nicht verletzt ist. Weitere Umstände, die die Beurkundungsfunktion des Urteils im Zusammenhang mit der eingetretenen zeitlichen Verzögerung als nicht mehr gewährleistet erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Unterschriften der beteiligten Richter sind nicht ersetzt worden (BSG SozR 3-1750 Nr 2). Allerdings hat der Große Senat des Bundesverwaltungsgerichts mit Beschluß vom 23. April 1992 (DVBl 1992, 1227) dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt,ob ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefaßtes Urteil iS des § 138 Nr 6 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit Gründen versehen ist, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Der Senat sieht sich indessen bis zur Entscheidung des Gemeinsamen Senats nicht veranlaßt, seine bisherige Rechtsprechung aufzugeben (vgl auch BAG Urteil vom 11. November 1992 - 4 AZR 83/92, zur Veröffentlichung bestimmt).
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Mit ihm hat die Beklagte entschieden, daß die Klägerin auch während des Bezugs von Erziehungsgeld Mindestbeiträge ab März 1989 zu entrichten hatte.
Der Bescheid ist nicht deswegen aufzuheben, weil die Beklagte die Pflicht zur Anhörung nach § 24 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren – (SGB X) verletzt hätte. Ob sie von einer Anhörung absehen durfte, weil sie nach § 24 Abs 2 Nr 4 SGB X gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl zu erlassen hatte, kann offenbleiben. Jedenfalls ist die Anhörung, die vor Erlaß des Bescheides unterblieben war, während des Widerspruchsverfahrens mit dem Schreiben der Beklagten vom 24. Mai 1989 iS des § 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB X wirksam nachgeholt worden (vgl BSG SozR 1300 § 24 Nr 7; BSGE 69, 247, 251, 252 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4). Die Beklagte hat sowohl ihre Rechtsauffassung zur Beitragsfreiheit während des Bezugs von Erziehungsgeld dargelegt, als auch die Beitragsänderung im übrigen im Hinblick darauf erläutert, daß die Klägerin bisher einen Beitrag nach einem Einkommen unterhalb der neuen Mindestgrenze beitragspflichtiger Einnahmen gemäß § 240 Abs 4 idF des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) entrichtet hatte.
Die freiwillig versicherte und zuletzt nicht berufstätige Klägerin war ab März 1989 während des Bezugs von Erziehungsgeld nicht beitragsfrei. Dieser läßt die Verpflichtung zur Entrichtung der Mindestbeiträge auch dann unberührt, wenn sonstige Einnahmen fehlen, was das LSG vorliegend festgestellt hat (§ 163 SGG). Nach § 224 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) aF – der Vorschrift ist durch Art 4 Nr 13 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) mit Wirkung vom 1. Januar 1992 (vgl Art 85 RRG 1992) ein hier nicht interessierender Abs 2 angefügt worden – ist ein Mitglied beitragsfrei für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld oder des Bezugs von Erziehungsgeld. Die Beitragsfreiheit erstreckt sich nur auf die in Satz 1 genannten Leistungen (§ 224 Satz 2 aF, Abs 1 Satz 2 nF SGB V). Beiträge auf das Erziehungsgeld hat die Beklagte nicht erhoben. Diese sind allein nach der Mindestgrenze beitragspflichtiger Einnahmen in § 240 Abs 4 SGB V bemessen worden. Hieran hat der Bezug von Erziehungsgeld nichts geändert. Die Verpflichtung, den Mindestbeitrag zu entrichten, wird durch die Gewährung von Erziehungsgeld nicht berührt. Die Vorschrift des § 224 SGB V ist auch im Falle fehlender Einnahmen keine abschließende Sonderregelung gegenüber § 240 Abs 4 SGB V.
Die Neuregelung, die die Beitragsfreiheit mit Wirkung vom 1. Januar 1989 ausdrücklich nur auf die in Satz 1 des § 224 SGB V genannten Leistungen erstreckt, ist im Verhältnis zum früheren Recht grundsätzlich als Klarstellung zu verstehen. Das wird durch den Entwurf des GRG (BR-Drucks 200/88 = BT-Drucks 11/2237, jeweils S 222 zu § 233) bestätigt. Dort heißt es nämlich, die Vorschrift entspreche § 383 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die Beitragsfreiheit erstrecke sich nur auf die in Satz 1 genannten Lohnersatzleistungen.
Nach § 383 RVO waren Beiträge nicht zu entrichten, solange Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld bestand oder Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) bezogen wurde. Dies galt nach Satz 2 nicht, soweit der Versicherte Arbeitsentgelt erhielt oder Beiträge aufgrund des Bezuges einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, von Versorgungsbezügen oder Arbeitseinkommen oder nach § 381 Abs 3a RVO zu entrichten waren. § 383 RVO galt zwar nicht unmittelbar für Ersatzkassen (BSG SozR 5428 § 4 Nr 9). Doch enthielten die Versicherungsbedingungen (VB) der Beklagten idF des 67. Nachtrags, die bis 31. Dezember 1988 anzuwenden waren, insoweit inhaltsgleiches Satzungsrecht (§ 5 Nr 4 Abs 1 der VB) und waren daher wie die gesetzliche Regelung auszulegen (vgl bereits RVA EuM 50, 80, 85).
Bei richtigem Verständnis des früheren § 383 RVO begründete der Bezug von Erziehungsgeld dann keine Beitragsfreiheit, wenn die bisherige Beitragsbemessungsgrundlage durch die hinzutretende Sozialleistung Erziehungsgeld weder beeinflußt noch ersetzt wurde. In seinem Urteil vom 24. November 1992 (12 RK 24/91, zur Veröffentlichung bestimmt) führt der Senat aus, daß die in Satz 2 des § 383 RVO enthaltene Aufzählung der weiterhin beitragspflichtigen Einnahmen und Bezüge zuletzt nur noch in den Fällen „vollständig” war, in denen das Erziehungsgeld Lohnersatzcharakter hatte. Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen blieben insoweit beitragspflichtig, als sie nicht ausfielen und neben der Lohnersatzleistung weiterhin zur Verfügung standen. Das gleiche galt für fortlaufende Renten- und Versorgungsbezüge. Dagegen fehlte es an einem rechtfertigenden Grund für eine Beitragsfreiheit, wenn die für den Lebensunterhalt nötigen beitragspflichtigen Mittel neben dem Erziehungsgeld wie bisher ungeschmälert zuflossen. Deshalb unterfielen solche Einnahmen zum Lebensunterhalt iS des früheren Rechts, die durch die Gewährung von Erziehungsgeld nicht beeinflußt oder ersetzt wurden, dem Geltungsbereich des Satzes 2 des § 383 RVO, auch wenn sie dort nicht ausdrücklich genannt waren. Der Senat ist zu dieser Auffassung im Wege einer ausdehnenden Auslegung des Satzes 2 der genannten Bestimmung gelangt und hat in jenem anderen Verfahren entschieden, daß Sozialhilfeempfänger während des Bezugs von Erziehungsgeld gem § 383 Satz 2 RVO Beiträge aus der Sozialhilfe nach denselben Grundsätzen fortzuentrichten hatten wie vor dem Erziehungsgeldbezug.
Gleiches hatte nach dem früheren Recht auch für die Beitragspflicht freiwillig versicherter, nicht erwerbstätiger Mitglieder zu gelten, deren Beitragsbemessung auf der (anteiligen) Zurechnung von Erwerbseinkommen des nicht gesetzlich krankenversicherten Ehegatten beruhte. Auch insoweit fehlte dem Erziehungsgeld der „Lohnersatzcharakter” (vgl das erwähnte Urteil vom 24. November 1992), weil der Unterhalt aus dem Verdienst des Ehegatten, nach dem der Beitrag bemessen wurde, nicht entfiel (§ 9 Satz 1 BErzGG), das Erziehungsgeld mithin „zusätzlich” gewährt wurde.
An dieser Rechtslage hat das GRG in § 224 SGB V nichts geändert (vgl auch Wasem in Grintsch/Piepersberg/Schermer/Stephan/Viethen/Wasem/Zipperer, Sozialversicherungsrecht für die Betriebspraxis 4000 § 224 SGB V RdNr 5; derselbe in GKV-Komm 1200 § 224 SGB V RdNr 5; ebenso Zmarzlik/Zipperer/Viethen, Bundeserziehungsgeldgesetz 1992, Komm, § 1 BErzGG 92 RdNr 18; vgl auch Heiland in von Maydell, GK-SGB V § 224 RdNrn 20, 21; Gerlach in Hauck/Haines SGB, Komm, SGB V § 224 RdNr 9).
Ebensowenig hat das Erziehungsgeld Lohnersatzcharakter in einem weiteren Sinn, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kraft Gesetzes (vgl § 240 Abs 4 SGB V) in einer Mindesthöhe fingiert wird; unterhalb dieser Grenze sind Veränderungen der Einkommenssituation ohne Bedeutung, und es macht keinen Unterschied, ob Einnahmen nahe der Mindestgrenze erzielt werden oder gänzlich fehlen. Solcherart fingierte Einnahmen „entfallen” während des Bezugs von Erziehungsgeld nicht. Dieses wird vielmehr „zusätzlich” gewährt, weil von ihm keine Beiträge erhoben werden (§ 224 Satz 2 SGB V). Freiwillig Versicherte wie die Klägerin ohne sonstige Einnahmen haben deshalb während des Erziehungsgeldbezugs den Mindestbeitrag gemäß § 240 Abs 4 SGB V zu entrichten. Denn auch in diesem Fall wird die bisherige Beitragsbemessungsgrundlage durch die hinzutretende Sozialleistung Erziehungsgeld weder beeinflußt noch ersetzt (vgl das erwähnte Urteil vom 24. November 1992 - 12 RK 24/91). Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Beitragsfreiheit gemäß § 224 SGB V. Die Vorschrift gewährleistet, daß die in Satz 1 genannten Leistungen dem Versicherten ungeschmälert zur Verfügung stehen, weil hiervon keine Beiträge erhoben werden, läßt aber die Beitragspflicht sonstiger (beitragspflichtiger) Einnahmen unberührt. Der tatsächliche Bezug von beitragspflichtigen Einnahmen ist zur Einschränkung der Beitragsfreiheit nicht erforderlich und die Anwendung der Mindestbeitragsregelung geboten. Dies wird durch die Rechtsentwicklung bestätigt. Der Anwendungsbereich des Satzes 2 des früheren § 383 RVO ist in Gesetzgebung und Rechtsprechung auf weitere rechtsähnliche Ausnahmen im Hinblick auf die vom Normzweck gebotene Synchronisation zwischen Beitragsfreiheit und Lohnersatzfunktion der in Satz 1 genannten Leistungen ausgedehnt worden (vgl hierzu das erwähnte Urteil vom 24. November 1992 - 12 RK 24/91, zur Veröffentlichung bestimmt). Nunmehr hat der Gesetzgeber in Umkehrung des früheren Regel-Ausnahmeverhältnisses die Beitragsfreiheit ausdrücklich auf die in Satz 1 genannten Leistungen beschränkt.
Eine Auslegung des § 224 SGB V dahin, daß die Erhebung von Mindestbeiträgen jedenfalls dann ausscheide, wenn überhaupt keine Einkünfte erzielt werden, würde im übrigen zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung mit anderen freiwilligen Mitgliedern führen, die neben dem Bezug von Erziehungsgeld noch über geringe Einnahmen verfügen. Diese Einnahmen neben dem Bezug von Erziehungsgeld würden nämlich die Anwendung der Mindestbeitragsregelung gemäß § 240 Abs 4 SGB V auslösen. Allein die Aufnahme einer geringfügigen, nicht versicherungspflichtigen Tätigkeit während des Erziehungsgeldbezugs oder die Erschließung sonstiger unbedeutender Einkommensquellen (Vermögenserträge und dgl) würde die Beitragspflicht in Höhe des Mindestbeitrags zur Folge haben, während bei völligem Fehlen von Einkünften Beitragsfreiheit einträte. Dies kann schon deshalb nicht hingenommen werden, weil die Erhebung von Mindestbeiträgen ohne Rücksicht auf individuelle Einkommensverhältnisse zu erfolgen hat, wenn die Mindestgrenze unterschritten ist. Ob der Mindestbeitrag auch bei Arbeitnehmern zu erheben ist, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht versicherungspflichtig, jedoch freiwillig versichert waren und die während des Bezugs von Erziehungsgeld keine weiteren Einkünfte haben, läßt der Senat offen (bejahend Wasem in Grintsch/Piepersberg/Schermer/Stephan/Viethen/Wasem/Zipperer, Sozialversicherungsrecht für die Betriebspraxis 4000 § 224 SGB V RdNr 5a; derselbe in GKV-Komm 1200 § 224 SGB V RdNr 5a; verneinend Heiland in von Maydell, GK-SGB V § 224 RdNr 19; Bundesverband der Betriebskrankenkassen BKK 1989, 526; vgl auch Zmarzlik/ Zipperer/Viethen, Bundeserziehungsgeldgesetz 1992, Komm, § 1 BErzGG 92 RdNr 17).
Die Beklagte durfte auch den Mindestbeitrag bereits ab März 1989 erheben, obwohl die Satzung der Beklagten erst zum 1. April 1989 in Kraft getreten ist (vgl Art III der Satzung). Denn die Erhebung der Mindestbeiträge nach dem neuen Recht war nicht von einer Satzungsregelung abhängig (BSGE 70, 13 = SozR 3-2500 § 240 Nr 6; BSGE 70, 149 = SozR 3-2500 § 240 Nr 8). Die Beitragserhebung mit dem angefochtenen Bescheid verstößt auch nicht gegen § 48 SGB X. Beitragsbescheide, die nach der Rechtsprechung Verwaltungsakte mit Dauerwirkung sind (BSGE 69, 255 = SozR 3-1300 § 48 Nr 13; BSGE 70, 13), dürfen bei Änderung der rechtlichen Verhältnisse ohne weitere Voraussetzungen nach § 48 Abs 1 SGB X nur mit Wirkung für die Zukunft geändert werden, was die Beklagte im angefochtenen Bescheid beachtet hat. Beiträge für die Zeit vor März 1989 sind nicht im Streit.
Die gesetzliche Regelung über die Mindestgrenze beitragspflichtiger Einnahmen gemäß § 240 Abs 4 SGB V ist auch nicht verfassungswidrig, wie der Senat mit ausführlicher Begründung dargelegt hat (BSGE 70, 13, 17 ff).
Hiernach hatte die Revision der Beklagten Erfolg. Deshalb war unter Aufhebung des Urteils des LSG die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen und über die Kosten nach § 193 SGG zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 60299 |
RegNr, 20829 (BSG-Intern) |
USK, 92155 (T) |
Die Beiträge 1993, 556-561 (LT1) |
EzS, 55/158 (LT1) |
FEVS 44, 303-308 (LT) |
SozR 3-2500 § 224, Nr 3 |