Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Dezember 1980 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitgegenstand ist ein Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen den Kläger nach § 145 Nr 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG).
Der Kläger war Konkursverwalter des Unternehmens F… S…, Alleininhaber des Unternehmens AWD F… S… in K… Auf Aufforderung der Beklagten gab der Kläger Verdienstbescheinigungen im Sinne von § 141 Buchst h AFG für die beschäftigten Arbeitnehmer H., M., R. und Sch. ab, deren Richtigkeit er auf eine Nachfrage der Beklagten ausdrücklich bestätigte. Diese Bescheinigungen hatte die Angestellte der Gemeinschuldnerin Brunhilde Sch. angefertigt. Sie waren wegen vermeidbarer Fehler inhaltlich unrichtig und führten dazu, daß die Beklagte insgesamt 5.800,61 DM zuviel Konkursausfallgeld (Kaug) zahlte.
Nachdem die Vorprüfungsstelle der Beklagten diesen Sachverhalt festgestellt hatte, forderte die Beklagte vom Kläger mit Bescheid vom 17. April 1979 Schadensersatz in dieser Höhe. Den Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 1979).
Das Sozialgericht Ulm (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. April 1980). Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und auf die Widerklage den Kläger verurteilt, 5.800,61 DM an die Beklagte zu zahlen. Es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 17. Dezember 1980).
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 54 Abs 1 und 100 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Dezember 1980 die Widerklage kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.
Die Revision des Klägers richtet sich trotz des umfassenden Antrags auf Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG erkennbar nur gegen seine Verurteilung auf die Widerklage der Beklagten hin. Soweit das LSG das Urteil des SG und den Leistungsbescheid der Beklagten aufgehoben hat, ist der Kläger nicht beschwert. Die Beklagte hat das Urteil des LSG nicht angegriffen. Der Leistungsbescheid ist damit rechtskräftig aufgehoben. Das Revisionsgericht hat deshalb nicht über seine Rechtmäßigkeit zu befinden. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist nur der von der Beklagten mit der vor dem LSG erhobenen Widerklage geltend gemachte Leistungsanspruch. Dieser Anspruch besteht zu Recht und konnte mit einer Widerklage rechtshängig gemacht werden.
Der Kläger hat mit seiner Revision formgerecht zwar nur einen dahingehenden Verfahrensmangel gerügt, das LSG hätte die Widerklage als unzulässig abweisen müssen und hätte nicht selbst sachlich-rechtlich entscheiden dürfen. Damit hat er aber die Revision iS von § 164 Abs 2 Satz 3 SGG begründet. Auch wenn die Verfahrensrüge nicht durchgreifen sollte, ist das angefochtene Urteil sachlich-rechtlich zu überprüfen (BSG in SozR Nr 2 zu § 559 Zivilprozeßordnung – ZPO –).
Nach den von der Revision nicht angegriffenen und deshalb für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG), hat die Beklagte infolge einer inhaltlich unrichtigen Verdienstbescheinigung des Klägers 5.800,61 DM zuviel Kaug an Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin gezahlt. Als Konkursverwalter war der Kläger zur Abgabe einer solchen Verdienstbescheinigung verpflichtet (§ 141 Buchst h AFG). Füllte er diese Verdienstbescheinigung vorsätzlich oder fahrlässig nicht richtig aus, ist er der Beklagten zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet (§ 145 Nr 1 AFG). Diesen Schadensersatzanspruch kann die Beklagte mit einer Leistungsklage geltend machen (vgl die Urteile des BSG vom 12. Februar 1980 in BSGE 49, 291 ff und 7 RAr 106/78). Ebenso wie bei der Verpflichtung des Arbeitgebers gemäß § 133 AFG eine Arbeitsbescheinigung zu erteilen, besteht auch in Ansehung der Verpflichtung des Konkursverwalters nach § 141h Abs 1 und 3 AFG, eine Verdienstbescheinigung zu erteilen, zwischen ihm und der Beklagten jedenfalls dann kein Über- und Unterordnungsverhältnis, wenn der Konkursverwalter bei der Antragstellung und der Abwicklung der Kaug-Ansprüche der Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin nicht beteiligt ist (vgl BSG aaO S 295). Er ist auch hier lediglich Auskunfts- und Beweisperson.
Die Widerklage ist zulässig. Der mit ihr geltend gemachte Anspruch hängt mit dem Klageanspruch zusammen (§ 100 SGG). Die Auffassung der Revision der Klage- und der Widerklageanspruch müßten identisch sein, trifft nicht zu. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Widerklage ist vielmehr, daß ein rechtlicher Zusammenhang mit dem Klageanspruch besteht. Das ist hier der Fall. Mit der Klage hatte der Kläger den Leistungsbescheid der Beklagten angefochten. Mit der Widerklage macht die Beklagte denselben Schadensersatzanspruch aus § 145 Nr 1 AFG geltend, und zwar sinngemäß hilfsweise für den Fall, daß der Kläger mit seiner Anfechtungsklage durchdringen sollte. Eine solche hilfsweise erhobene Widerklage ist ebenfalls zulässig (BSGE 15, 81, 83; BGHZ 21, 13; 43, 28, 30). Einer Einwilligung des Klägers bedurfte es nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 100 SGG, anders als nach § 530 Abs 1 ZPO nF, nicht (BSGE 17, 139, 143).
§ 100 SGG enthält keine dem § 89 Abs 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechende Einschränkung, wonach bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen die Widerklage ausgeschlossen ist. Allerdings kann auch im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit eine Behörde oder ein Versicherungsträger Ansprüche nicht mit der Widerklage in ein anhängiges Verfahren einführen, die mit einem Verwaltungsakt geltend zu machen sind, sondern nur solche, bei denen es, wie hier, an einem Über- und Unterordnungsverhältnis fehlt (vgl BVerwGE in NJW 1977, 66, 67). Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Widerklage, mit der ein Leistungsanspruch, der nicht aus einem öffentlich-rechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnis folgt, auch in einem Verfahren über eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, bestehen um so weniger, als – anders als im allgemeinen Verwaltungsgerichtsverfahren – die örtliche Zuständigkeit sich nicht regelmäßig nach dem Sitz der den Verwaltungsakt erlassenden Behörde richtet (§ 52 VwGO), sondern nach dem Wohnsitz des Klägers, bei einer Klage der Behörde nach dem Wohnsitz des Beklagten (§ 57 Abs 1 SGG). Der Kläger eines Anfechtungs- oder Verpflichtungsverfahrens verliert also nicht durch die Zulässigkeit einer solchen Widerklage den Vorteil des Gerichtsstands.
Schließlich kann eine Widerklage auch im Berufungsverfahren erhoben werden (BSGE 3, 135, 136, 140; 17, 139, 142, 143; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 2. Aufl 1981 § 100 RdNr 3). Sie kann bei dem Gericht erhoben werden, bei dem die Klage anhängig ist, in der Regel allerdings nicht mehr bei dem Revisionsgericht (Meyer-Ladewig aaO mwN).
Die Widerklage ist begründet. Nach § 145 Nr 1 AFG ist, wer vorsätzlich oder fahrlässig ua eine Verdienstbescheinigung nach § 141h Abs 1 und 3 AFG nicht richtig ausfüllt, der Bundesanstalt zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Als Konkursverwalter hatte der Kläger der Beklagten eine Verdienstbescheinigung für die Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin abzugeben (§ 141h Abs 1 AFG). Dieser Verpflichtung ist der Kläger zwar nachgekommen. Die von ihm abgegebenen, hier in Betracht kommenden Verdienstbescheinigungen waren jedoch inhaltlich unrichtig und ursächlich für das von der Beklagten zuviel gezahlte Kaug.
Der Kläger kann gegen den streitigen Schadensersatzanspruch der von dem LSG als der Höhe nach richtig festgestellt worden ist, nicht einwenden, die Beklagte hätte, bevor sie die Kaug-Ansprüche bewilligte, selbst deren Voraussetzungen überprüfen müssen. Es ist gerade der Sinn der Auskunftspflicht des Konkursverwalters, daß er anhand der ihm vorliegenden Unterlagen des Gemeinschuldners die notwendigen Angaben zu machen hat, um eine möglichst schnelle Entscheidung über die Kaug-Ansprüche der Arbeitnehmer zu ermöglichen. Diese Mitwirkungspflicht des Konkursverwalters soll deshalb die Beklagte von einer eigenen Prüfung der insoweit erforderlichen Voraussetzungen entlasten. Sie muß sich auf die Angaben des Konkursverwalters verlassen können. Andererseits wäre eine unrichtige Verdienstbescheinigung nicht ursächlich für einen Schaden der Beklagten, wenn sie die darauf beruhende Überzahlung rückgängig machen könnte. Auch die Beklagte ist verpflichtet, ihren Schaden so gering wie möglich zu halten. Zutreffend hat das LSG insoweit jedoch ausgeführt, das sei nicht möglich gewesen. Die Beklagte hätte zwar die das Kaug bewilligenden Bescheide berichtigen können [§ 151 Abs 1 AFG aF, der erst mit dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB 10) am 1. Januar 1981 weggefallen ist (Art II § 2 Nr 1a; § 40 Abs 1 SGB 10)]. Sie hätte aber das zuviel gezahlte Kaug nur von den Empfängern zurückfordern können, wenn diese gewußt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewußt hätten, daß ihnen Ansprüche in der bewilligten Höhe nicht zugestanden haben (§ 152 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG aF). Es lassen sich jedoch keine Anhaltspunkte für eine solche “Bösgläubigkeit” der Empfänger des Kaug ersehen. Auch der Kläger hat insoweit nichts vorgetragen.
Der Kläger hat die Verdienstbescheinigungen unrichtig erteilt. Zwar hat er sie nicht selbst angefertigt, sondern die Angestellte Sch. damit beauftragt, und die von ihr fahrlässig unrichtig ausgestellten Bescheinigungen unterzeichnet. Er hat sich ihrer damit zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 141h Abs 1 AFG bedient. Nach den Grundsätzen des § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) haftet er für ihr Verschulden. Der Grundsatz der Haftung für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen gilt nicht nur im bürgerlichen Recht, sondern auch im Rahmen gesetzlicher Schuldverhältnisse und entsprechend bei öffentlichrechtlichen Verpflichtungen (Soergel/Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 10 Aufl, § 278 RdNrn 4 und 7; Hennig, Kühl, Heuer, Arbeitsförderungsgesetz, § 145, Anm 3). Ebenso wie im privaten Rechtsverkehr der Schuldner sich zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten Dritter bedienen kann, dann aber im Interesse des Vertrauensschutzes des Gläubigers für das Verschulden des Dritten wie für eigenes Verschulden einzutreten hat, kann auch ein öffentlich-rechtlich Verpflichteter sich zwar eines Erfüllungsgehilfen bedienen, kann sich damit aber ebensowenig seiner eigenen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung entziehen, sondern haftet ebenfalls für dessen Verschulden. Die Möglichkeiten und Notwendigkeiten der arbeitsteiligen Gesellschaft und die aus der Interessenabwägung der Beteiligten hergeleiteten Haftungsgrundsätze sind im bürgerlichen wie im öffentlichen Recht nicht unterschiedlich zu bewerten. Gerade das öffentliche Recht legt bestimmten Personen bestimmte Pflichten auf, die eine Abwälzung auf Dritte nicht erlauben. Der öffentlich-rechtlich Verpflichtete kann sich ebenfalls nicht auf die sorgfältige Auswahl und Überwachung seiner Hilfspersonen entsprechend § 831 BGB berufen.
Wenn § 145 Nr 1 AFG ausdrücklich von dem Vorsatz oder der Fahrlässigkeit des Arbeitgebers oder des Konkursverwalters spricht, so folgt daraus nicht, daß es sich um eine deliktische Haftung iS von §§ 823 ff BGB handelt. Es kommt damit nur zum Ausdruck, daß die Verpflichteten nach den allgemeinen Verschuldensgrundsätzen haften.
§ 141h AFG begründet ausdrücklich eine bestimmte Verpflichtung des Konkursverwalters, die, wenn sie nicht schon von § 82 der Konkursordnung (KO) erfaßt wird, jedenfalls als weitere Pflicht neben die Pflichten tritt, für deren Erfüllung der Konkursverwalter “allen Beteiligten verantwortlich ist”, und bei deren Verletzung er ebenso wie nach § 82 KO schadensersatzpflichtig ist. Schon das Reichsgericht (RGZ 142, 184, 188) hat die Haftung des Konkursverwalters für das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB bejaht (ebenso Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, Konkursodrnung, 9. Aufl, § 82, RdNr 10 aE mN; Böhle/Stamschräder/Kilger, Konkursordnung, 13. Aufl, § 82 Anm 3 aE). Eine Unterscheidung zwischen einer Haftung gegenüber der Masse einerseits und einer “quasi Amtshaftung” nach §§ 823, 831, 839 BGB gegenüber den Beteiligten, wie sie K. Schmidt in KTS 1976, 211 annimmt, vermag der Senat jedenfalls für die Haftung nach § 145 Nr 1 AFG nicht zu erkennen. Bei einer Entlastungsmöglichkeit nach § 831 BGB würden die berechtigten Interessen der beklagten Bundesanstalt für Arbeit ungerechtfertigt vernachlässig. Ihr Beitragsaufkommen bemißt sich an dem gesetzlichen Umfang des Kaug. Sie hat weder Einfluß auf die Auswahl des Konkursverwalters noch auf dessen Geschäftsgebaren, so daß das Risiko von Überzahlungen infolge verschuldeter unrichtiger Verdienstbescheinigungen allein bei dem Konkursverwalter zu verbleiben hat und gegebenenfalls von diesem abzudecken ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen