Beteiligte
…, Kläger und Revisionsbeklagter |
Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Der Rechtsstreit betrifft die Entziehung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 17. Juni bis 28. Juli 1994 und die Minderung des Anspruchs um sechs Wochen.
Der 1938 geborene Kläger bezog ab 1. Januar 1993 Alg mit einer Anspruchsdauer von 832 Tagen. Vom 13. bis 24. Juni 1994 war er ortsabwesend im Urlaub, ohne die Beklagte zuvor darüber zu unterrichten. Während seiner Urlaubsabwesenheit schickte ihm die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) zum 16. und 23. Juni 1994 Meldeaufforderungen, die das Ziel hatten, das Bewerberangebot des Klägers und seine berufliche Situation zu besprechen. Ein konkretes Arbeitsangebot konnte die Arbeitsvermittlung ihm nicht unterbreiten. Wegen seiner Ortsabwesenheit kam der Kläger den Meldeaufforderungen nicht nach. Nach seiner Rückkehr richtete er unter dem 26. Juni 1994 ein Schreiben an die BA, in welchem er einräumte, urlaubsabwesend gewesen zu sein und vergessen zu haben, sich "vorher beim Arbeitsamt den Urlaub genehmigen zu lassen."
Da der Kläger der Meldeaufforderung am 16. Juni 1994 nicht nachgekommen war, stellte die BA die Zahlung von Alg ab 17. Juni 1994 ein.
Mit dem hier angefochtenen "Säumniszeit- und Aufhebungsbescheid" vom 27. Juni 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 1994 hob die BA die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab 17. Juni 1994 auf. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei Meldeaufforderungen zum 16. und 23. Juni 1994 trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachgekommen und habe hierfür auch wichtige Gründe nicht mitgeteilt. Der Anspruch auf Alg ruhe daher bis zur persönlichen Meldung beim Arbeitsamt, mindestens jedoch für sechs Wochen. Außerdem mindere sich der Leistungsanspruch höchstens um acht Wochen.
Mit "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid" vom 25. Juli 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 1994 hob die BA die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab 13. Juni 1994 auf, weil der Kläger vom 13. bis 24. Juni 1994 ortsabwesend gewesen sei und der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe. Das für den 13. bis 16. Juni 1994 gezahlte Alg in Höhe von 444,-- DM forderte die BA zurück.
Mit "Bewilligungsbescheid" vom 27. Juli 1994 bewilligte die BA erneut Alg ab 29. Juli 1994 in Höhe von 666,-- DM wöchentlich. Im "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid" vom 25. Juli 1994 rechnete sie wegen des Erstattungsbetrages von 444,-- DM mit wöchentlich 279,-- DM gegen den ab 29. Juli 1994 bestehenden Alg-Anspruch auf.
Mit der Klage gegen den "Säumniszeit- und Aufhebungsbescheid" hat der Kläger geltend gemacht, er habe von den Meldeaufforderungen wegen seiner urlaubsbedingten Ortsabwesenheit nicht Kenntnis nehmen und ihnen nicht Folge leisten können. Die BA habe den "Säumniszeit- und Aufhebungsbescheid" ohne Rücksprache mit ihm zugestellt. Zwischenzeitlich habe er sich selbstverständlich darum bemüht, die Situation zu klären, habe aber nur einen Wiederbewilligungsantrag stellen können. Für eine einzige Verfehlung - nämlich das Unterlassen eines "Urlaubsgesuchs"- werde er "sehr hart bestraft". Ihm entgehe für sechs Wochen das Alg und außerdem habe er Beiträge zur Krankenversicherung selbst zu tragen. Im übrigen habe er nie einen Meldetermin versäumt und sich auch bemüht, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.
Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben. Der Eintritt einer Säumniszeit im vorliegenden Fall werde dem Zweck der Vorschrift nicht gerecht. Die Säumniszeit solle Meldeaufforderungen des Arbeitsamts Nachdruck verleihen. Bei unerlaubter Ortsabwesenheit trete aber bereits mit dem Wegfall des Anspruchs auf Alg und der Erstattung von Leistungen eine Sanktion ein. Jedenfalls wenn das Gespräch mit dem Arbeitslosen zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werde und ein Arbeitsangebot nicht vorliege, trete eine Säumniszeit nicht ein.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der BA mit Urteil vom 12. Juni 1995 zurückgewiesen (Breithaupt 1995, 966). Das LSG ist der Ansicht, eine Säumniszeit sei nicht eingetreten, weil der Kläger für die Zeit der Urlaubsabwesenheit einen Anspruch auf Alg nicht mehr erhebe. Dies sei aber Voraussetzung seiner Meldepflicht. Während der Urlaubsabwesenheit habe ein Anspruch auf Alg auch wegen mangelnder Verfügbarkeit nicht bestanden. Damit habe der Kläger der Meldepflicht nicht unterlegen. Die Unkenntnis der BA von diesen Umständen zur Zeit der Meldeaufforderung sei unerheblich. Eine "einengende Auslegung des § 120 Arbeitsförderungsgesetz (AFG)" sei erforderlich, um unverhältnismäßige Folgen des Verhaltens des Klägers auszuschließen. Etwas anderes könne allenfalls gelten, falls die Meldeaufforderung als Verwaltungsakt zu qualifizieren sei. Das sei allerdings fraglich, führe hier aber nicht zu einem anderen Ergebnis, weil der Kläger mit seinem Schreiben vom 26. Juni 1994 sinngemäß Widerspruch gegen die Meldeaufforderungen eingelegt habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die BA eine Verletzung des § 120 AFG. Sie ist der Ansicht, das Verhalten des Klägers lasse darauf schließen, daß er auch in der Zeit der Ortsabwesenheit Alg begehre. Nach § 120 AFG sei "nicht zwingend, daß Säumniszeit und Ruhen des Anspruchs auf Alg untrennbar miteinander verbunden und zeitgleich ablaufen müssen". Zwingend sei lediglich, daß ein etwaiger Anspruch während der Säumniszeit "ruhe". Die Ansicht des LSG führe zu einer Privilegierung von Arbeitslosen, die ohne Anzeige ortsabwesend seien. Wegen des Wegfalls der Verfügbarkeit könne nie eine Säumniszeit eintreten. Die BA könne nach jener Ansicht Manipulationen von Arbeitslosen nicht wirksam begegnen. Sie könnten zur Umgehung von melderechtlichen Sanktionen erklären, zum vorgesehenen Meldetermin kurzfristig verreist gewesen zu sein. Dies hätte zur Folge, daß lediglich für die Zeit der Ortsabwesenheit Verfügbarkeit entfiele, Säumniszeiten auch bei wiederholtem Meldeversäumnis aber nicht einträten. Gegen die Ansicht des LSG spräche auch § 132 Abs 1 Satz 4 AFG, der die Pflicht zur Meldung auch während des Ablaufs von Ruhenszeiträumen vorsehe. Nach § 110 Satz 1 Nr 3 AFG mindere sich die Anspruchsdauer durch Säumniszeiten ohne Verweisung auf Ruhenszeiträume.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 12. Juni 1995 sowie das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 19. Dezember 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen. |
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Der im Revisionsverfahren nicht vertretene Kläger hat sich zur Sache nicht geäußert.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) einverstanden erklärt.
II
Die Revision der BA ist teilweise begründet. Die Entscheidung des LSG verletzt § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) iVm § 103 Abs 1 Satz 1 Nrn 1 und 3 AFG, soweit das LSG die Aufhebung des "Säumniszeit- und Aufhebungsbescheids" für die Dauer der Ortsabwesenheit des Klägers vom 17. bis 24. Juni 1994 bestätigt hat. Auch die Ausführungen des LSG zu Voraussetzungen für den Eintritt einer Säumniszeit nach §§ 120 Abs 1 und 2, 132 Abs 1 AFG unterliegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Revision hinsichtlich der Aufhebung des "Säumniszeit- und Aufhebungsbescheids" für die Zeit vom 25. Juni bis 30. Juni 1994 und der Minderung des Anspruchs um zwei Wochen ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Insoweit reichen die festgestellten Tatsachen für eine abschließende Entscheidung des Senats nicht aus. Im übrigen - dh für die Zeit vom 1. bis 28. Juli 1994 - ist nach den Feststellungen des LSG eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die die Entziehung der Leistung für den genannten Zeitraum und die Minderung des Anspruchs um mehr als 2 Wochen rechtfertigen könnte, nicht zu erkennen, so daß die Revision insoweit zurückzuweisen ist.
1. Das Verfahren betrifft die Minderung des Anspruchs auf Alg um "höchstens acht" Wochen und die Entziehung der Leistung für die Zeit vom 17. Juni bis 28. Juli 1994. Über die Zeit ab 17. Juni 1994 hat die BA ausdrücklich mit dem "Säumniszeit- und Aufhebungsbescheid" vom 27. Juni 1994 idF des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 1994 entschieden. Diese Regelung hat der Kläger mit der Klage uneingeschränkt angefochten wie sein im ersten Rechtszug gestellter Klagantrag zeigt. Seinen Antrag hat der Kläger auch im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht eingeschränkt. Das LSG hat eine Regelung des zustehenden Alg für die Dauer der Ortsabwesenheit bis 24. Juni 1994 dem vom Kläger nicht angefochtenen "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid" vom 25. Juli 1994 idF des Widerspruchsbescheids vom 14. September 1994 entnommen. Es hat deshalb nicht darüber befunden, ob die Aufhebung der Alg-Bewilligung für die Zeit vom 17. bis 24. Juni 1994 gerechtfertigt war. Dieser Begrenzung des Streitgegenstandes stehen der Wortlaut des "Säumniszeit- und Aufhebungsbescheids" vom 27. Juni 1994, der Antrag des Klägers und die zeitliche Reihenfolge der Aufhebungsbescheide entgegen. Die BA hatte bei Erlaß des "Aufhebungs- und Erstattungsbescheids" vom 25. Juli 1994 keinen Anlaß mehr, den Zeitraum vom 17. bis 24. Juni 1994 zu regeln, weil sie mit dem angefochtenen "Säumniszeit- und Aufhebungsbescheid" vom 27. Juni 1994 die Bewilligung von Alg auch für diesen Zeitraum bereits aufgehoben hatte. Mit dem Bewilligungsbescheid vom 29. Juli 1994 hat die BA dem Kläger von diesem Tage an Alg erneut bewilligt, so daß der Regelungsgegenstand des Bescheids vom 27. Juni 1994 zeitlich begrenzt ist.
Ob der "Aufhebungs- und Erstattungsbescheid" vom 25. Juli 1994 idF des Widerspruchsbescheids vom 14. September 1994 und der Bewilligungsbescheid vom 27. Juli 1994 nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sind, kann dahinstehen, denn eine Verletzung dieser Vorschrift ist nur auf Rüge zu berücksichtigen (BSG SozR 1500 § 53 Nr 2) und eine entsprechende Verfahrensrüge ist nicht erhoben worden.
2. Begründet ist die Revision der Beklagten, soweit das LSG den "Säumniszeit-und Aufhebungsbescheid" für die Zeit vom 17. bis 24. Juni - dh für die Dauer der Ortsabwesenheit des Klägers - aufgehoben hat. Für diesen Zeitraum ist es für die Aufhebung unerheblich, ob der Kläger der Meldepflicht unterlegen hat und eine Säumniszeit eingetreten ist. Der Senat hat die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Die Entziehung des Alg-Anspruchs für den genannten Zeitraum erweist sich nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG unabhängig von der Begründung des Bescheids als rechtmäßig, denn der Kläger stand bis zum 24. Juni 1994 der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung und war für die BA nicht erreichbar (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nrn 1 und 3 AFG).
2.1 Gesetzliche Grundlagen der rückwirkenden Entziehung von Alg für die Zeit vom 17. bis 24. Juni 1994 sind §§ 152 Abs 3 AFG, 48 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB X. Danach sind Verwaltungsakte mit Dauerwirkung im Falle einer wesentlichen Änderung in den Verhältnissen mit Wirkung vom Zeitpunkt dieser Änderung aufzuheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei der Bewilligung des Alg vorgelegen haben, ist insofern eine Änderung eingetreten, als der Kläger in der Zeit vom 17. bis 24. Juni 1994 ortsabwesend war. Diese Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen war wesentlich, weil damit die objektive Verfügbarkeit des Klägers für die Arbeitsvermittlung entfallen war. Wegen der Ortsabwesenheit konnte der Kläger eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung nicht ausüben (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG). Dieser Umstand schlösse die Verfügbarkeit nur dann nicht aus, wenn das Arbeitsamt vorher festgestellt hätte, daß während der Zeit der Ortsabwesenheit die Vermittlung in Arbeit oder in eine berufliche Ausbildungsstelle, die Teilnahme an einer zumutbaren Maßnahme der Verbesserung der Vermittlungsaussichten nicht beeinträchtigt werden würde (§ 3 Aufenthalts-AnO vom 3. Oktober 1979 idF der 2. ÄndAnO vom 9. März 1990 [ANBA 1990, 600]). Eine solche - rechtlich mögliche - Feststellung ist nicht erfolgt, weil der Kläger dem Arbeitsamt die beabsichtigte Ortsabwesenheit nicht vorher angezeigt hat.
Dieses Unterlassen rechtfertigt die Aufhebung der Alg-Bewilligung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an, denn der Kläger ist einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderung der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X). Die Pflicht, eine Ortsabwesenheit während des Bezugs von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit anzuzeigen, ergibt sich aus § 60 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I), wonach Bezieher von Sozialleistungen Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen haben. Erheblich für das Alg ist, daß der Arbeitslose für das Arbeitsamt täglich erreichbar ist (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG), und zwar grundsätzlich unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamts maßgeblichen Anschrift. Verläßt der Arbeitslose diesen Aufenthaltsort endgültig oder vorübergehend, hat er dies dem Arbeitsamt unverzüglich - in der Regel bis zur Abreise - mitzuteilen. Diese Mitteilung hat der Kläger versäumt.
Er hat seine Pflicht grob fahrlässig verletzt. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies trifft hier zu, denn der Kläger hat die erforderliche Mitteilung vergessen.
2.2 Die Aufhebung der Alg-Bewilligung ist auch nicht rechtswidrig, falls die BA den Kläger zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen nicht gehört hat (§ 24 Abs 1 SGB X). Der "Säumniszeit- und Aufhebungsbescheid" greift zwar in das dem Kläger zustehende Recht auf Alg ein, so daß grundsätzlich eine Anhörung stattzufinden hat. Die Anhörung war hier jedoch entbehrlich, weil von den tatsächlichen Angaben des Klägers in dem Schreiben vom 26. Juni 1994 nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden sollte (§ 24 Abs 2 Nr 3 SGB I).
3. Im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet ist die Revision, soweit sich der Anspruch auf Alg um zwei Wochen gemindert haben soll und die BA die Leistung für die Zeit vom 25. Juni bis 30. Juni 1994 entzogen hat. Voraussetzung für diese Rechtsfolgen wäre der Eintritt einer Säumniszeit (§ 48 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB X; §§ 120 Abs 1 Satz 1, 110 Satz 1 Nr 3 AFG). Für die insoweit rechtserheblichen Tatsachen enthält das angefochtene Urteil nicht hinreichende Feststellungen.
3.1 Da der Kläger nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG ab 25. Juni 1994 nicht mehr ortsabwesend war und er der Arbeitsvermittlung objektiv zur Verfügung stand und für sie erreichbar war, bestand insofern eine wesentliche Änderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr. Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht wegen des zwischenzeitlichen Wegfalls dieser Anspruchsvoraussetzung vom 17. bis 24. Juni 1994 geboten. Tritt diese wieder ein, lebt der Anspruch bei Vorliegen der Voraussetzungen im übrigen wieder auf (BSGE 21, 286 f = SozR Nr 1 zu § 77 AVAVG; BSG Urteil vom 17. März 1981 - 7 RAr 20/80 - unveröffentlicht); ein erneuter Antrag oder eine erneute Arbeitslosmeldung ist in solchen Fällen nur erforderlich, nachdem die Alg-Bewilligung aufgehoben worden ist (§ 151 Abs 2 AFG; vgl BSG aaO). Auch die nachträgliche Aufhebung der Alg-Bewilligung ab 13. Juni 1994 durch den "Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid" vom 25. Juli 1994 läßt eine abweichende Beurteilung nicht zu.
3.2 Eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen kann aber durch eine Säumniszeit begründet sein. Eine Säumniszeit von zwei Wochen tritt nach § 120 Abs 1 Satz 1 AFG ein, wenn der Arbeitslose einer Meldeaufforderung des Arbeitsamts ohne wichtigen Grund nicht folgt, obwohl er über die Rechtsfolgen belehrt worden ist.
Das LSG hat den Eintritt einer Säumniszeit verneint, weil der Kläger zur Zeit der Meldeaufforderungen zum 16. und 23. Juni 1994 wegen seiner urlaubsbedingten Ortsabwesenheit nicht verfügbar gewesen sei, er einen Anspruch auf Alg nicht mehr erhoben und damit eine Meldepflicht iS des § 132 Abs 1 AFG nicht mehr bestanden habe. Diese Rechtsansicht hält rechtlicher Nachprüfung nicht Stand. Zum Zeitpunkt der Meldeaufforderungen zum 16. und 23. Juni 1994 lagen Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger für die Zeit einen Anspruch auf Alg nicht mehr erhebt, nicht vor. Für die Meldepflicht sind allein die im Leistungszeitraum selbst vorliegenden Tatsachen maßgebend. Andernfalls wäre das Bestehen der für die Leistungskontrolle unerläßlichen Meldepflicht nicht zuverlässig zu beurteilen und die Meldepflicht durch nachträgliche Gestaltung der Verhältnisse Manipulationen ausgesetzt. Der Zweck des § 132 Abs 1 AFG schließt danach die vom LSG vorgenommene ex-post-Betrachtung aus.
3.3 Die Frage, ob der Kläger den Meldeaufforderungen trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachgekommen ist, kann der Senat wegen fehlenden Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden. Mit Recht sind die Vorinstanzen zwar davon ausgegangen, daß die Ortsabwesenheit ohne vorherige Anzeige beim Arbeitsamt (§ 3 Aufenthalts-AnO) einen wichtigen Grund für ein Meldeversäumnis nicht darstellt. Ob die Meldeaufforderungen jedoch eine Belehrung über die Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses enthielten, ist nicht ausdrücklich festgestellt und auch den in Bezug genommenen Akten nicht zu entnehmen. Nach der Reaktion des Klägers auf die Meldeaufforderungen sind Belehrungen wahrscheinlich; es ist aber nicht sicher, ob sie in jeder Hinsicht der Sach- und Rechtslage entsprachen. An einer Belehrung iS des § 120 Abs 1 Satz 1 AFG fehlt es nicht schon dann, wenn der Arbeitslose wegen seiner Ortsabwesenheit die Belehrung nicht zur Kenntnis genommen hat oder nach den Umständen des Einzelfalls nicht zur Kenntnis nehmen konnte (aA SG Duisburg Breithaupt 1993, 253, 255; Niesel, AFG, 1995, § 120 RdNr 4). Die Ortsabwesenheit schließt die Möglichkeit nicht aus, die Meldeaufforderung einschließlich der Belehrung über die Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses zur Kenntnis zu nehmen und das Verhalten entsprechend einzurichten. Das ist davon abhängig, ob im Einzelfall Vorkehrungen zur Kenntnisnahme von während der Abwesenheit eingehender Post getroffen worden sind. Darauf kommt es für den Eintritt einer Säumniszeit nicht an. Entscheidend ist, daß der Kläger die für Arbeitslose während des Leistungsbezugs bestehenden Obliegenheiten - Anwesenheit an der im Leistungsantrag angegebenen Anschrift bzw Anzeige zeitlich begrenzter Ortsabwesenheit zur Feststellung der Unbedenklichkeit für die Arbeitsvermittlung (§§ 1-3 Aufenthalts-AnO) - nicht beachtet hat.
Dieser Umstand rechtfertigt es, für die Belehrung über die Rechtsfolgen an die Verhältnisse anzuknüpfen, die bei rechtmäßigem Verhalten des Klägers bestanden hätten. Da er dem Arbeitsamt die Ortsabwesenheit nicht mitgeteilt und auch die in § 3 Aufenthalts-AnO zu seinen Gunsten vorgesehene Feststellung nicht ermöglicht hat, mußte er sich unter seiner Anschrift für die Arbeitsvermittlung bereithalten. Diese von der individuellen Möglichkeit zur Kenntnisnahme abstrahierende Betrachtungsweise entspricht dem Bedürfnis zur Gleichbehandlung aller Leistungsbezieher und dem § 130 Abs 1 BGB zu entnehmenden Rechtsgedanken, für die Kenntnisnahme auf die normalen - dh hier rechtmäßigen - Umstände zurückzugreifen (vgl RGZ 144, 289, 293; BGHZ 67, 271, 275; BAG NJW 1993, 1093 f). Der Zweck der Belehrungspflicht steht diesem Gesetzesverständnis nicht entgegen. Die BA eröffnet mit ordnungsgemäßer Belehrung in der Meldeaufforderung dem Arbeitslosen die Möglichkeit, von der Belehrung Kenntnis zu nehmen und sein Verhalten danach einzurichten. Ein abwesender Arbeitsloser wird damit nicht anders behandelt als ein solcher, der sich zZt der Meldeaufforderung zwar an seiner Anschrift aufhält, aber - aus welchen Gründen auch immer - die ihm zugegangene Belehrung nicht zur Kenntnis nimmt. Nach den Feststellungen des LSG sind die Meldeaufforderungen in den Briefkasten des Klägers gelangt und ihm damit zugegangen. Da der Kläger selbst durch sein Verhalten ein Hindernis geschaffen hat, die Belehrung zur Kenntnis zu nehmen, ist er rechtlich so zu behandeln wie ein Arbeitsloser, dem mit der der Meldeaufforderung beigefügten Belehrung nach Abwägung der eintretenden Rechtsfolgen eine Entscheidung ermöglicht worden ist, ob er der Einladung Folge leisten will (vgl BSG SozR 4100 § 132 Nr 1). Ob der gesetzlichen Forderung nach Belehrungen mit verständlichem Inhalt genügt ist, läßt sich für die Meldeaufforderungen zum 16. und 23. Juni 1994 erst nach ihrem noch festzustellenden Inhalt beurteilen.
Auch im Falle einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Belehrung über die Rechtsfolgen löst das Meldeversäumnis am 16. Juni 1994 eine Säumniszeit nach § 120 Abs 1 Satz 1 AFG von zwei Wochen jedoch nur aus, falls diese Dauer nach den für ihren Eintritt maßgebenden Tatsachen nicht eine besondere Härte bedeutet. Andernfalls schränkt § 120 Abs 3 AFG idF des Gesetzes vom 14. Dezember 1987 (BGBl I 2602) die Säumniszeit auf eine Woche ein. Das gleiche gilt für das Meldeversäumnis am 23. Juni 1994. Eine erneute Verletzung der Meldepflicht verlängert nämlich nur eine Säumniszeit von zwei Wochen (§ 120 Abs 2 AFG); andernfalls kann sie nur zu einer zweiten Säumniszeit führen, für die ebenfalls § 120 Abs 3 AFG gilt. Nach den nicht angegriffenen tatsächlichen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist die auf das Meldeversäumnis vom 16. Juni 1994 eintretende Säumniszeit auf eine Woche beschränkt. Das Verständnis des Merkmals "für den Arbeitslosen eine besondere Härte" iS des § 120 Abs 3 AFG erschließt sich nach der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Vorschriften über die Säumniszeit.
Bis zum Inkrafttreten des AFG hatte die Verletzung der zuvor regelmäßigen Meldepflicht zur Folge, daß der Arbeitslose für den jeweiligen Meldezeitraum keine Leistung erhielt. Nachdem § 132 AFG die Meldepflicht iS einer individuellen Meldepflicht gelockert hatte, sah der Gesetzgeber Anlaß, die Rechtsfolgen von Verletzungen der Meldepflicht zu verschärfen, um Leistungsmißbrauch entgegenzuwirken. Die Verletzung der Meldepflicht führte und führt nunmehr zur Säumniszeit, während der der Leistungsanspruch ruht (§ 120 Abs 1 Satz 1 AFG) und - unabhängig vom Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen während der Säumniszeit - gemindert wird (§ 110 Satz 1 Nr 3 AFG). Diesen einschneidenden Rechtsfolgen entsprechen die strengen Anforderungen an Klarheit und Verständlichkeit der Belehrung von Arbeitslosen über die Verletzung von Meldepflichten (BSG SozR 4100 § 132 Nr 1). Eine Milderung dieser durch nachträgliches Verhalten des Arbeitslosen ist - anders als bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten (§ 67 SGB I) - gesetzlich nicht vorgesehen. Der Zweck der pauschalen Sanktionen kann nur darin bestehen, das Verhalten des Arbeitslosen über die Belehrung in der Meldeaufforderung zu steuern, und auch bei Unklarheit über Anspruchsvoraussetzungen - insbesondere Arbeitslosigkeit, Verfügbarkeit und Arbeitsbereitschaft - den "Ausgleich eines der Versichertengemeinschaft entstehenden, im einzelnen nicht nachweisbaren Schadens" herbeizuführen (vgl Gagel/Winkler, AFG, § 120 RdNr 9 - Stand: Dezember 1994). Vor ihrer Ergänzung durch die Härteklausel des § 120 Abs 3 AFG idF des 8. Gesetzes zur Änderung des AFG vom 14. Dezember 1987 (BGBl I 2602) ist die Regelung Gegenstand verfassungsrechtlicher Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht gewesen. Dieses hat ausgesprochen, die pauschale Kürzung des Arbeitslosengeldes um zwei Wochen enthalte einen unverhältnismäßigen und damit unzumutbaren Eingriff in das erworbene Recht eines Arbeitslosen, soweit dieser aus Unerfahrenheit, Unverständnis für Verwaltungsvorgänge, aus Unachtsamkeit oder anderen Gründen, welche nicht als "wichtig" iS des § 120 Abs 1 AFG zu qualifizieren seien, seine Meldepflicht verletze. Dies gelte erst recht, wenn die Säumnis sich nicht nachteilig für die Arbeitslosenversicherung ausgewirkt habe (vgl BVerfGE 74, 203, 216 = SozR 4100 § 120 Nr 2). Diese Erwägungen haben zur Härteklausel des § 120 Abs 3 AFG geführt.
Für den festgestellten Sachverhalt, wonach der Kläger vom 13. bis 24. Juni 1994 ohne vorherige Anzeige im Urlaubsort abwesend war und deshalb den Meldeaufforderungen am 16. und 23. Juni 1994 nicht nachgekommen ist, kann danach jeweils nur eine Säumniszeit von jeweils einer Woche für die Meldeversäumnisse am 16. und 23. Juni 1994 eingetreten sein, falls die jeweilige Meldeaufforderung eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Belehrung über die Rechtsfolgen des Meldeversäumnisses nach § 120 Abs 1 AFG enthält. Für die Zeit der Abwesenheit des Klägers hätte der Feststellung der BA, daß durch die Ortsabwesenheit die Vermittlung in Arbeit oder die Teilnahme an einer zumutbaren Maßnahme zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten nicht beeinträchtigt worden wäre (§ 3 Aufenthalts-AnO), nichts entgegengestanden. Die Meldung diente ausschließlich der Erörterung der beruflichen Situation des Klägers. Sie hatte ihre Funktion wesentlich in einer Kontrolle der Leistungsvoraussetzungen. Ein Schaden ist der Solidargemeinschaft nicht entstanden. Die BA hat die Leistung sofort eingestellt, nachdem der Kläger den ersten Meldetermin am 16. Juni 1994 nicht wahrgenommen hatte. Die eingetretene Überzahlung ist durch die sofortige Einstellung der Leistung ab 17. Juni 1994 gering gewesen und durch Aufrechnung mit dem ab 29. Juli 1994 zuerkannten Restanspruch getilgt worden (Bescheid vom 25. Juli 1994). Unaufklärbare Zweifel am Vorliegen von Leistungsvoraussetzungen hat das Verhalten des Klägers nicht aufgeworfen. Er hat mit seinem Schreiben vom 26. Juni 1994 sofort an der Sachaufklärung mitgewirkt, so daß für das Ruhen und den Verlust des Anspruchs für mehr als eine Woche für das jeweilige Meldeversäumnis am 16. und 23. Juni 1994 eine besondere Härte für den Kläger bedeuten würde. Da er andererseits durch seine schuldhafte Obliegenheitsverletzung den Meldeaufforderungen zum 16. und 23. Juni 1994 nicht nachgekommen ist, erscheint es nach dem gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung verfassungsrechtlich nicht unverhältnismäßig, wenn neben der Entziehung der Leistung für die Dauer der Ortsabwesenheit (bis zum 24. Juni 1994) ein Verlust des Anspruchs von einer Woche wegen der Säumnis am 16. Juni 1993 und das Ruhen des Anspruchs für eine Woche und der Verlust des Anspruchs von gleicher Dauer wegen des 2. Meldeversäumnisses am 23. Juni 1994 in Betracht zu ziehen ist. Das setzt zutreffende Belehrungen über die Rechtsfolgen der Meldeversäumnisse voraus.
4. Unbegründet ist die Revision, soweit sie die Aufhebung der Bewilligung von Alg über den 30. Juni 1994 hinaus und die Minderung des Anspruchs um mehr als zwei Wochen betrifft. Diese Rechtsfolgen hat die BA auf § 120 Abs 2 AFG gestützt, wonach sich die Säumniszeit von zwei Wochen mindestens um vier Wochen verlängert, wenn der Arbeitslose innerhalb einer Säumniszeit nach Abs 1 von zwei Wochen einen weiteren Meldetermin trotz Belehrung über die Rechtsfolge und ohne wichtigen Grund versäumt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle nicht erfüllt, denn - wie ausgeführt - liegen hier Tatsachen vor, nach denen der Eintritt einer Säumniszeit von zwei Wochen eine besondere Härte bedeutet hätte, so daß wegen des Meldeversäumnisses am 16. Juni 1994 allenfalls eine Säumniszeit von einer Woche eingetreten ist. Für die Verlängerung der Säumniszeit nach § 120 Abs 2 AFG sind damit die gesetzlichen Vorausetzungen keinesfalls gegeben.
5. Da der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen ohne Kenntnis der den Meldeaufforderungen beigefügten Belehrungen über die Aufhebung der Alg-Bewilligung vom 25. bis 30. Juni 1994 und die Minderung des Anspruchs auf Alg um 2 Wochen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache insoweit an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen
Haufe-Index 517663 |
NWB 1997, 1638 |
NZA 1997, 339 |
Breith. 1997, 281 |
SozSi 1997, 280 |
SozSi 1997, 317 |