Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Unfallversicherungsschutzes eines zum Geschäftsführer bestellten Mitgesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH); ein solcher Geschäftsführer ist in der Regel nicht Mitunternehmer des von der GmbH betriebenen Unternehmens (Weiterführung BSG 1962-03-30 2 RU 109/60 = BSGE 17, 15).
Normenkette
RVO § 537 Nr. 1 Fassung: 1942-03-09, Nr. 10 Fassung: 1942-03-09, § 633 Abs. 1 Fassung: 1928-12-20
Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 4. März 1959 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Kläger beansprucht Entschädigung für die Folgen einer am 4. August 1957 erlittenen Körperverletzung.
Über den Hergang dieses Ereignisses enthält das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) folgende Feststellungen:
Der Kläger war zusammen mit einer Kieler Firma Mitgesellschafter der H.-GmbH in Glückstadt. Jeder Gesellschafter hatte derzeit einen Geschäftsanteil von 10.000,00 DM als Stammeinlage eingebracht. Das Stammkapital betrug dementsprechend insgesamt 20.000,00 DM. Gleichzeitig war der Kläger bei dieser Gesellschaft als Geschäftsführer tätig und erhielt dafür vom 1. August 1956 an ein monatliches Entgelt von 250,00 DM, vom 1. Juli 1957 an monatlich 600,00 DM. In seiner Eigenschaft als Geschäftsführer nahm er auf Einladung des Vorstandes des Fischervereins in Friedrichskoog an der Fischer-Regatta am 4. August 1957 teil. Dabei wollte er während des Regattaballes gegen 21 Uhr mit den Vertretern der Fischer über die künftige Abnahme von Krabben verhandeln. Zuvor traf der Kläger etwa gegen 19,30 Uhr den Fischer Hans H und lud ihn mit seiner Familie in das Lokal "Süße Ecke" zu einem Glas Bier ein. In diesem Lokal saßen mindestens 20 Fischer, die dem Kläger geschäftlich bekannt waren. Während des Aufenthalts des Klägers in dieser Gaststätte - er gab für die Anwesenden eine Runde Bier und Schokolade aus, bestellte auch Rauchwaren - kam es zu einem Wortwechsel mit dem Fischer Karl R III. Dieser griff schließlich den Kläger an und verletzte ihn erheblich.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 28. Januar 1958 den Entschädigungsanspruch des Klägers mit folgender Begründung ab: Der Kläger habe sich nach Friedrichskoog begeben, um mit Fischern einen Vertrag abzuschließen und sei dort gegen 14 Uhr eingetroffen. Jedoch sei er nicht nur aus geschäftlichen Gründen dort geblieben, sondern habe eine Einladung zu einer Segelregatta angenommen. Nach deren Beendigung habe er sich nach dem Regatta-Lokal begeben und dort den Fischer R getroffen. Zwischen beiden hätte sich eine Rauferei entwickelt, in deren Verlauf der Kläger eine Kopfverletzung davontrug. Dies habe sich gegen 20,15 Uhr zugetragen. Der Aufenthalt im Regatta-Lokal sei nicht durch berufliche Umstände bedingt gewesen, so daß der Kläger schon aus diesem Grunde zur Unfallzeit nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) gestanden habe. Der Unfall habe sich aber auch nicht bei einer beruflichen Tätigkeit zugetragen; denn der Streit und die Schlägerei hätten mit der Betriebstätigkeit nicht zu tun.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger bei der Zweigstelle Itzehoe des Sozialgerichts (SG) Schleswig Klage erhoben. Das SG hat durch Urteil vom 15. September 1958 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG u. a. ausgeführt, vorsätzliche Verletzungen durch dritte Personen seien nur dann als Arbeitsunfall anzusehen, wenn die Tätigkeit, die zu dem Angriff geführt habe, mit der Tätigkeit im Unternehmen im Zusammenhang stehe. Das sei hier nicht der Fall. Die Äußerung des Klägers gegenüber dem Fischer R sei nach Form und Inhalt so gehalten gewesen, daß der Kläger nicht mehr der Auffassung hätte sein können, sie diene den Interessen seines Betriebes. Er habe vielmehr damit rechnen müssen, daß eine derartige Äußerung zu einem tätlichen Angriff führen würde; er habe also die Gefahr selbst geschaffen.
Der Kläger habe sich spätestens, als er sich auf den Disput mit R eingelassen habe, von seiner beruflichen Tätigkeit gelöst gehabt und deshalb nicht mehr unter Versicherungsschutz gestanden.
Der Kläger hat gegen das Urteil beim LSG Schleswig-Holstein Berufung eingelegt. Das LSG hat die Beteiligten unter Hinweis auf BSG 5, 168 aufgefordert, sich zu der Frage zu äußern, inwiefern der Kläger "als Mitunternehmer der H.-GmbH" unfallversichert gewesen sein solle. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat daraufhin ausgeführt, daß der Kläger als Geschäftsführer der Gesellschaft zur GmbH in einem Dienstverhältnis gestanden habe, durch das allerdings kein persönliches Abhängigkeitsverhältnis begründet worden sei wie bei normalen abhängigen Dienstverhältnissen, bei dem jedoch zahlreiche Parallelen zu einem abhängigen Dienstverhältnis vorliegen. Den Kläger als Geschäftsführer treffe auch kein Unternehmerrisiko, und er leiste seine Arbeit im Interesse des Vermögens der Gesellschaft. Er habe seine Tätigkeit auf Grund von Richtlinien verrichtet, die ihm durch den Anstellungsvertrag vorgeschrieben worden seien. Die GmbH habe auch für den Kläger Beiträge an die Beklagte entrichtet, die nach der Gefährlichkeit der Arbeit berechnet gewesen seien und sich nach dem durch den dauernden Außendienst erhöhten Versicherungsrisiko gerichtet hätten. Die Beklagte hat lediglich kurz geantwortet, nach der Rechtsprechung gehörten Geschäftsführer einer GmbH selbst dann zu den versicherten Personen, wenn sie alleinige Inhaber der Anteile der GmbH seien (EuM 21, 125 BG 1927, 380; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 4. Nachtrag, S. 503). Der Kläger habe daher unter Versicherungsschutz gestanden.
Durch Urteil vom 4. März 1959 hat das LSG die Berufung gegen das Urteil des SG Schleswig zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Zur Begründung hat das LSG u. a. ausgeführt:
Bei der Beklagten bestehe keine satzungsmäßige Unternehmerversicherung (§ 538 aF der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Eine Umdeutung der als Pflichtbeiträge für einen im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer geleisteten Zahlungen in Beiträge zur freiwilligen Unternehmerversicherung sei schon deshalb nicht möglich, weil ein auf einen auch nur hilfsweisen Abschluß einer freiwilligen Unternehmerversicherung gerichteter Wille der Gesellschafter unstreitig nicht vorhanden gewesen sei. Es liege auch kein Arbeits- oder Dienstverhältnis (§ 537 Nr. 1 aF RVO) vor; denn ein solches Verhältnis setze eine persönliche Abhängigkeit voraus. Nach der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA) (An 1931, 201; 1932 S. 430; 1936 S. 217; 1938 S. 384) könne ein Geschäftsführer einer GmbH selbst dann zu den versicherten Arbeitnehmern gehören, wenn er Anteile am Stammkapital besitze, in der Regel sei ein Geschäftsführer nach § 35 GmbH-Gesetz auf Grund eines Dienstvertrages gem. § 611 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) oder eines ähnlichen Rechtsverhältnisses besonderer Art für die Gesellschaft tätig. Nach der Rechtsprechung des LSG Schleswig-Holstein, Breithaupt 1956, S. 1173, entfalle ein Versicherungsschutz dann, wenn ein Geschäftsführer als Gesellschafter mindestens die Hälfte des Stammkapitals besitze und dadurch einen maßgebenden Einfluß auf die Entschlußfassung der Gesellschaft ausüben könne. In einem solchen Falle könne vorbehaltlich einer - im Falle des Klägers nicht getroffenen - besonderen Regelung in der Satzung nach § 47 GmbH-Gesetz keine Maßnahme gegen seinen Willen beschlossen werden. Infolgedessen fehle es an der persönlichen Abhängigkeit. Es komme hinzu, daß der Kläger als Geschäftsführer aktiv auf die geschäftliche Entwicklung einwirken konnte und dies auch getan habe. Es habe auch kein Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 RVO aF bestanden. Hierunter fielen im wesentlichen nur ohne Beschäftigungsverhältnis ständig mitarbeitende Familienangehörige und ohne Beschäftigungsverhältnis kurzfristig oder gelegentlich eingreifende Personen. Der Kläger habe zu keiner dieser Personengruppen gehört, wenn er auch als Unternehmer bei einer für den eigenen Betrieb verrichteten Tätigkeit verunglückt sei, die statt seiner ein Angestellter hätte leisten können. Es sei auch nicht etwa dadurch eine Formalversicherung entstanden, daß für den Kläger in der irrtümlichen Annahme, versichert zu sein, Beiträge abgeführt worden seien und die Beklagte diese rechtsirrtümlich angenommen hätte. Beispiele für eine Formalversicherung seien in der Krankenversicherung die §§ 213, 315, 316 RVO. Diese Normen seien als Ausnahmevorschriften einer ausdehnenden Auslegung nicht zugängig. In der Unfallversicherung könne eine Formalversicherung entstehen, wenn der Versicherungsträger das Unternehmen unrichtigerweise in sein Unternehmerverzeichnis aufgenommen habe (§ 659 RVO). Eine solche Eintragung führe jedoch nicht dazu, daß ein nach §§ 537, 538 RVO aF nicht versicherter Unternehmer nunmehr Versicherungsschutz genieße; anderenfalls würde sich die Unfallversicherung nach Eintragung des Unternehmens grundsätzlich auf jeden Unternehmer erstrecken, so daß die Unternehmerversicherung kraft Satzung (§ 538 RVO aF) gegenstandslos wäre. Hiernach fehle es bereits an einem Versicherungsverhältnis, so daß es auf die Frage nicht ankomme, ob der Kläger sich durch seine Äußerungen gegenüber dem Zeugen R eines eventuellen Versicherungsschutzes begeben habe. Die Revision sei wegen der Rechtsfrage zugelassen worden, ob ein Geschäftsführer einer GmbH, der mindestens die Hälfte des Stammkapitals besitze, zugleich als Arbeitnehmer dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegen könne.
Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat den Empfang dieses Urteils unter dem 18. Juli 1959 bestätigt.
Mit einem am 14. August 1959 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom 13. August 1959 hat der Prozeßbevollmächtigte beantragt, dem Kläger das Armenrecht für die Revisionsinstanz zu bewilligen und ihm den Prozeßbevollmächtigten als Armenanwalt beizuordnen. In diesem Schriftsatz ist ausgeführt, es solle gegen das Urteil Revision eingelegt werden mit dem Antrag,
unter Aufhebung des Urteils den Bescheid aufzuheben und die Beklagte anzuweisen, den Unfall vom 4. August 1957 als Berufsunfall anzuerkennen und dem Kläger die Entschädigungsansprüche nach der RVO zu gewähren.
Mit einem am 15. August 1959 eingegangenen Schriftsatz vom 14. August 1959 hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers gegen das Urteil des LSG Revision eingelegt. An demselben Tage ist auch ein Zeugnis zur Erlangung des Armenrechts eingegangen; mit Schriftsatz vom 10. September 1959, der am 12. September 1959 beim BSG eingegangen ist, hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers unter Wiederholung der angekündigten Anträge die Revision begründet. Er hat u. a. ausgeführt: Aus dem GmbH-Gesetz, in dem die Rechte des Geschäftsführers in §§ 35 bis 41, die Rechte der Gesellschafter in §§ 45 ff festgelegt seien, ergebe sich, daß der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem sozialen und persönlichen Abhängigkeitsverhältnis stehe. Es handele sich um ein reines Dienstverhältnis, wenn auch durch den Anstellungsvertrag kein persönliches Abhängigkeitsverhältnis in dem Sinne begründet werde, wie das bei normalen abhängigen Dienstverhältnissen üblich sei, es lägen jedoch zahlreiche Parallelen hierzu vor. Den Geschäftsführer treffe kein Unternehmerrisiko und er leiste seine Arbeit ausschließlich im Interesse des Vermögens der Gesellschaft und sei ebenso wie bei einem normalen abhängigen Dienstverhältnis verpflichtet, sämtliche Tätigkeiten ausschließlich dem Wohle der Gesellschaft unterzuordnen. Es sei nicht richtig, daß das persönliche Abhängigkeitsverhältnis ein Charakteristikum für jedes Beschäftigungsverhältnis sei, das LSG habe § 537 RVO aF nicht im Sinne des Gesetzgebers angewandt. Nach § 537 Nr. 10 RVO aF genüge bereits ein arbeitnehmer-ähnliches Verhältnis zur Annahme eines persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses; denn ein solches Verhältnis müsse bereits dann angenommen werden, wenn der Dienstverpflichtete grundsätzlich bereit sei, sich den Weisungen des Unternehmens unterzuordnen. Der Kläger habe seine Tätigkeit im Rahmen der vom Gesellschaftsvertrag und der von der Gesellschafterversammlung vorgeschriebenen Richtlinien abwickeln müssen. Es habe deshalb zumindest ein arbeitnehmer-ähnliches Verhältnis im Sinne des § 537 Nr. 10 RVO aF bestanden. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergebe sich aus den Anleitungen der Beklagten für die Aufstellung des Lohn- und Gehaltsnachweises für das Jahr 1957. Dort heiße es ausdrücklich, daß Direktoren und Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften und Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung selbst dann versicherungspflichtig seien, wenn sie im alleinigen Besitz aller Aktien bzw. Gesellschaftsanteile seien. Wenn der Kläger auf Grund ausdrücklicher Weisungen der Beklagten an die GmbH mit den Versicherungsprämien regelmäßig belastet worden sei, dann müsse man auch davon ausgehen, daß er gegen das Unfallrisiko versichert gewesen sei. Derartige Unklarheiten dürften nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers gehen; es habe mindestens eine Formalversicherung bestanden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Auffassung fest, daß der Unfall bei einer Spielerei eingetreten sei, die nicht unter Versicherungsschutz gestanden habe. Zu der Frage, ob der Kläger zum versicherten Personenkreis gehört habe, verweist sie auf die bisherige Rechtsprechung, nach der Geschäftsführer von Gesellschaften mbH selbst dann als Gehaltsempfänger anzusehen seien, wenn sie im Besitz sämtlicher Geschäftsanteile seien. Das habe vom Standpunkt der berufsgenossenschaftlichen Verwaltungsarbeiten aus auch einen praktischen Grund, weil sonst jeweils Ermittlungen über die Anteile der Geschäftsführer notwendig wären; andererseits werde die Zweifelhaftigkeit der bisherigen Rechtsprechung deutlich, wenn man an die sog. Einmann-Gesellschaften denke. Man könne dahingestellt sein lassen, ob § 537 Nr. 1 RVO aF ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis fordere, die bisherige Rechtsprechung und Literatur habe das Problem stets vom Unternehmer-Begriff her behandelt und darauf abgestellt, daß ein Geschäftsführer einer GmbH kein Unternehmer sei. Die Untersuchung der besonderen Umstände, die dadurch bedingt seien, daß der Kläger durch die Hälfte der GmbH-Anteile einen maßgebenden Einfluß auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung ausüben könne, müsse konsequenterweise zu dem Ergebnis führen, daß der Kläger als Unternehmer zu betrachten sei. Von einer Formalversicherung könne keine Rede sein. Man könne den Kläger dann auch nicht über § 537 Nr. 10 RVO aF in den Kreis der versicherten Personen einbeziehen; denn er sei nicht "wie" ein Angestellter tätig geworden, sondern in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die Revision ist durch Zulassung statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig. Sie hatte auch insofern Erfolg, als das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen werden mußte.
Das LSG hat das Bestehen von Entschädigungsansprüchen mit der Begründung verneint, der Kläger habe als Geschäftsführer der H.-GmbH nicht nach § 537 Nr. 1 RVO aF unter Versicherungsschutz gestanden, weil die Rechtsbeziehungen zwischen ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und der GmbH zwar durch einen Dienstvertrag im Sinne von § 611 ff BGB geregelt gewesen seien, es sich dabei jedoch nicht um ein abhängiges Dienstverhältnis gehandelt habe.
Mit der rechtlichen Natur der Beziehungen zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer hat sich der 3. Senat des BSG eingehend im Urteil vom 13. Dezember 1960 (BSG 13, 196) befaßt. Diesem Urteil, auf das wegen der Nachweise von Literatur und Rechtsprechung Bezug genommen wird, liegt die Rechtsauffassung zugrunde, von der offensichtlich auch das LSG ausgegangen ist, daß zwischen der Organstellung des Geschäftsführers und dem durch einen besonderen Vertrag geregelten Dienstverhältnis unterschieden werden muß. Dieser Rechtsauffassung hat sich auch der erkennende Senat u. a. in dem (den Vorstandsvorsitzenden einer eingetragenen Genossenschaft betreffenden) Urteil vom 20. Dezember 1961 (BSG 16, 73) angeschlossen. Für den Geschäftsführer einer GmbH hat der erkennende Senat bereits im Urteil vom 30. März 1962 (BSG 17, 15), auf das im einzelnen Bezug genommen wird, ausgesprochen, daß das Dienstverhältnis zwischen dem Geschäftsführer einer GmbH und der GmbH ein Dienstverhältnis im Sinne des § 537 Nr. 1 RVO aF sein kann.
Abweichend von dem diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt besaß im vorliegenden Fall der Kläger insofern einen entscheidenden Einfluß auf die Beschlüsse der Gesellschafter, als er mit der Hälfte des Stammkapitals beteiligt war und deshalb, da die Beschlüsse der Gesellschafter mit Stimmenmehrheit gefaßt werden müssen, zumindest jederzeit verhindern konnte, daß überhaupt ein Beschluß gefaßt wurde. Zudem ist auch der Einfluß des Klägers zu berücksichtigen, der sich aus der tatsächlichen Leitung der Geschäfte ergibt. Der erkennende Senat stimmt mit dem LSG darin überein, daß bei einer derartigen Sachlage keine persönliche Abhängigkeit des Geschäftsführers von der GmbH vorliegt, die ausreicht, um ein Dienstverhältnis im Sinne des § 537 Nr. 1 RVO aF anzunehmen.
Der Umstand, daß der Kläger infolge seiner weitgehenden Selbständigkeit kein Arbeitnehmer war, genügt jedoch - entgegen der Auffassung des LSG - nicht, um den Schluß zu rechtfertigen, daß der Kläger Unternehmer oder Mitunternehmer des Unternehmens der H.-GmbH war und daß infolgedessen auf ihn die Vorschriften über die Unternehmerversicherung anzuwenden sind, aus denen sich, wie das LSG an sich zutreffend ausgeführt hat, kein Versicherungsschutz ergeben würde.
Das RVA hat in Übereinstimmung mit dem Schrifttum auch in Fällen, in denen das gesamte Kapital einer juristischen Person in einer Hand ist, die Rechtsform, unter der das Unternehmen betrieben wird, als entscheidend angesehen (vgl. EuM 21, 125, BG 1927, 379 und den zur Frage der Zuständigkeit ergangenen Beschluß vom 18. Aug. 1938 EuM 43, 245) und in derartigen Fällen die Unternehmereigenschaft des Kapitalinhabers verneint. Soweit die Ausführungen, mit denen das RVA seinen Standpunkt begründet hat, sich auf die Frage beziehen, wer Unternehmer ist, hält der erkennende Senat sie auch heute noch für zutreffend.
Der Kläger hatte zwar, wie dargelegt, insofern einen weitgehenden Einfluß auf das Unternehmen der GmbH als er nicht nur ihre Geschäfte als alleiniger Geschäftsführer führte, sondern auch durch sein aus der Hälfte der Anteile erwachsendes Stimmrecht ihm nicht genehme Beschlüsse verhindern konnte. Diese tatsächlichen Umstände rechtfertigen es aber nach der Auffassung des Senats - trotz ihrer wirtschaftlichen Bedeutung - nicht, die Auswirkungen der Rechtsform, unter der das Unternehmen betrieben wurde - und die auch steuerrechtlich von Bedeutung ist (vgl. Schilling in Hachenburg, Komm. zum GmbH-Gesetz, 6. Aufl., 1. Bd. § 13 Anhang Anm. 5 mit weiteren Nachweisen) - als unwesentlich anzusehen. Der Kläger besaß zwar die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Betriebsmittel der GmbH, und die durch seine Tätigkeit erzielten Gewinne kamen ihm im Rahmen seines Gesellschaftsanteils zugute. Er übte aber seine Verfügungsgewalt nicht aus eigenem Recht, sondern auf Grund der nicht von seinem Willen allein abhängigen Bestellung zum Geschäftsführer aus, und ein etwaiger Gewinnanteil floß ihm nur mittelbar über seinen Anteil an der GmbH zu. Vor allem aber wirkte sich die Rechtsform des Unternehmens in einer auch wirtschaftlich sehr bedeutsamen Weise hinsichtlich des Unternehmerrisikos aus. Etwaige Verluste betrafen den Kläger nur mittelbar und bewirkten unmittelbar nur eine Verringerung seines Anteils, und im Falle eines zum Zusammenbruch führenden vollständigen wirtschaftlichen Mißerfolges hatten die Gläubiger der Gesellschaft keine Möglichkeit, ihre Ansprüche durch Zugriff auf das Privatvermögen des Klägers oder auf sein Einkommen aus einer neuen Tätigkeit zu befriedigen. Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß die Rechtsform des Unternehmens - jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden - auch für die Frage der Unternehmereigenschaft von ausschlaggebender Bedeutung ist. Dabei hält es der Senat auch im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit für bedeutsam, daß die Rechtsverhältnisse verhältnismäßig leicht und mit einem eindeutigen Ergebnis zu ermitteln sind, während Ermittlungen über die tatsächlichen Einflußmöglichkeiten der einzelnen Gesellschafter, die zB auch auf der Gewährung von Darlehen an die GmbH beruhen können, nicht nur erhebliche Schwierigkeiten bereiten, sondern auch hinsichtlich des Ergebnisses häufig Anlaß zu Meinungsverschiedenheiten bieten würden. Der Senat ist daher im vorliegenden Fall der Auffassung, daß der Kläger weder Unternehmer noch Mitunternehmer des von der GmbH betriebenen Unternehmens war.
Da der Kläger seine auf vertraglichen Verpflichtungen beruhende Arbeitsleistung für das Unternehmen der GmbH somit nicht als Unternehmer erbracht hat, bedarf es der Prüfung, ob er für die GmbH "wie" ein nach § 537 Nr. 1 RVO aF Versicherter tätig gewesen ist (vgl. hierzu § 537 Nr. 10 RVO aF und das Urteil des erkennenden Senats vom 28. Mai 1957, BSG 5, 168). Das ist - entgegen der Auffassung des LSG - zu bejahen. Die Anwendung der Nr. 10 des § 537 RVO aF ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen jemand nur vorübergehend für ein Unternehmen Arbeit leistet, vielmehr erfaßt die Nr. 10 auch die Tätigkeit von Personen, die auf Grund einer länger dauernden vertraglichen Verpflichtung für ein Unternehmen tätig werden, deren Beschäftigungsverhältnis aber deshalb nicht unter die Nr. 1 des § 537 RVO aF eingeordnet werden kann, weil es, wie im vorliegenden Fall, an einer persönlichen Abhängigkeit fehlt (vgl. hierzu das Urteil des erkennenden Senats vom 20. Dez. 1961, BSG 16, 73). Daß der Kläger eine ernsthafte, dem Unternehmen der GmbH dienende Arbeitstätigkeit verrichtet hat, steht nach den Feststellungen des LSG außer Zweifel. Es hat sich auch um eine Arbeitstätigkeit gehandelt, die auf Grund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses im Sinne von § 537 Nr. 1 RVO aF hätte verrichtet werden können - zB durch einen Geschäftsführer, der nicht zu den Gesellschaftern der GmbH gehörte, oder auch durch einen Prokuristen.
Der Kläger stand somit nach der Auffassung des erkennenden Senats bei seiner Tätigkeit für die GmbH nach § 537 Nr. 10 RVO aF unter Versicherungsschutz.
Der Senat ist jedoch nicht in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden; denn die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um eine Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob der Kläger auch während der Vorgänge unter Versicherungsschutz stand, die dazu führten, daß der Kläger erheblich verletzt wurde. Die Feststellungen genügen allenfalls, um die Schlußfolgerung zu rechtfertigen, daß die Fahrt nach Friedrichskoog am 4. August 1957 rechtlich wesentlich der versicherten Tätigkeit für die GmbH gedient hat. Dagegen ist schon fraglich, ob auch der ganze Aufenthalt in Friedrichskoog als versicherte Tätigkeit angesehen werden kann (vgl. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 30. Nov. 1956, Breith. 1957, 314). Vor allem aber fehlt im Urteil des LSG jede Feststellung, die es ermöglichen könnte, die Frage zu entscheiden, ob der Angriff des Fischers R III auf den Kläger mit einer versicherten Tätigkeit in rechtlich wesentlichem Zusammenhang stand. Das könnte zwar auch bei einer derartigen Schlägerei zu bejahen sein, wenn die Auseinandersetzung unmittelbar aus den Zwecken der GmbH noch rechtlich wesentlich dienenden Gesprächen entstanden ist. Dagegen würde ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen der Schlägerei und der versicherten Tätigkeit zu verneinen sein, wenn der Kläger diese Schlägerei durch ein persönliches Verhalten, das nicht durch geschäftliche Zwecke bedingt war, "provoziert" haben sollte. Im einzelnen kann hierzu auch auf das Urteil vom 30. Juni 1962 - SozR Nr. 39 zu RVO § 543 aF - hingewiesen werden (vgl. auch BSG 13, 290, SozR RVO Nr. 44 zu § 542 aF).
Das Urteil des LSG mußte deshalb aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
Bei der erneuten Entscheidung wird das LSG auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen