Beteiligte
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 1998 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) ab 18. März 1995.
Der Kläger, der zum 15. April 1994 aus seinem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war und bis 17. März 1995 Krankengeld bezog, meldete sich am 10. März 1995 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte ab 18. März 1995 Alg in Höhe von 324,60 DM wöchentlich. Dabei legte sie als Arbeitsentgelt das vom Kläger ab 1. Oktober 1993 erzielte monatliche Grundgehalt von 3.300,00 DM zugrunde und errechnete – ausgehend von einem Bemessungszeitraum von drei Monaten – ein Bemessungsentgelt von 780,00 DM (Bescheid vom 24. März 1995). Während des Widerspruchsverfahrens bemerkte die Beklagte, daß sie von einem dreimonatigen anstelle des ihrer Ansicht nach maßgeblichen sechsmonatigen Bemessungszeitraums ausgegangen war und berechnete das Bemessungsentgelt neu. Da für die Monate August und September 1993 vom Arbeitgeber ein Grundgehalt von 3.000,00 DM bescheinigt worden war, errechnete die Beklagte (unter Zugrundelegung eines Bemessungszeitraums vom 1. Juli 1993 bis 25. Januar 1994) ein Bemessungsentgelt von 730,00 DM. Sie setzte deshalb zunächst das Alg ab 10. Mai 1995 auf wöchentlich 319,20 DM herab und legte dabei ein (dynamisiertes) Bemessungsentgelt von 750,00 DM zugrunde (Bescheid vom 9. Mai 1995). Später nahm die Beklagte – zusätzlich – den Bewilligungsbescheid vom 24. März 1995 ab 10. Mai 1995 in Höhe von 5,40 DM wöchentlich (Differenzbetrag zwischen 324,60 DM und 319,20 DM) zurück (Bescheid vom 7. Juni 1995). Die Widersprüche wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 1995 zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat die Beklagte vor dem Sozialgericht (SG) am 17. September 1996 erklärt, daß sie in Abänderung des Bescheides vom 7. Juni 1995 das wöchentliche Alg erst ab 11. Juni 1995 (Zugang des Bescheides vom 7. Juni 1995) um 5,40 DM kürze. Das SG hat sodann durch Urteil vom 17. September 1996 die Klage auf höheres Alg abgewiesen, weil bei der Alg-Bemessung zwar nicht die Überstundenzuschläge, jedoch die vom Kläger erzielte Überstundengrundvergütung, deren Stundenlohn niedriger als bei seinem Grundgehalt liege, einzuberechnen sei und dem Kläger deshalb richtigerweise ab 18. März 1995 sogar niedrigeres Alg (nur nach einem Bemessungsentgelt von 710,00 DM) zugestanden hätte.
Vor dem Landessozialgericht (LSG) haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 1989 eine Vereinbarung („Teilvergleich”) getroffen, nach deren Ziff 1 es für den Zeitraum vom 18. März bis 10. Juni 1995 bei dem Bemessungsentgelt von 780,00 DM verbleiben sollte. Nach Ziff 2 des Vergleichs wurde von der Beklagten ab 11. Juni 1995 ein Bemessungsentgelt von 760,00 DM und ab 25. Januar 1996 ein Bemessungsentgelt von 780,00 DM zugestanden.
Die Berufung, mit der der Kläger – darüber hinausgehend – höheres Alg ab 18. März 1995 unter Berücksichtigung der ihm gezahlten Mehrarbeitszuschläge begehrte, hat das LSG durch Urteil vom 22. Januar 1998 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Mehrarbeitszuschläge seien nach dem Wortlaut des § 112 Abs 1 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts nicht zu berücksichtigen, auch wenn die Zuschläge beitragspflichtig gewesen seien. Dies verstoße weder gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) noch gegen das Sozialstaatsgebot. Auch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2500 § 385 Nr 6) zur beitragsrechtlichen Behandlung von Einmalzahlungen sei nichts anderes zu entnehmen. Das BVerfG habe vielmehr unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seinen Beschluß vom 3. April 1979 - 1 BvL 30/76 -, mit dem es die Nichtberücksichtigung von Überstunden und von Mehrarbeitszuschlägen im Rahmen der Alg-Bewilligung für verfassungsmäßig erklärt habe, betont, daß es von Verfassungs wegen nicht geboten sei, bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Leistungshöhe herzustellen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 112 Abs 1 und 3 AFG und macht, wie bereits in den Vorinstanzen, geltend, er habe im gesamten Bemessungszeitraum regelmäßig ein wesentlich höheres Gehalt erzielt, als es die Beklagte berücksichtigt habe. Er habe in erheblichem Umfang Überstunden geleistet und hierfür Mehrarbeitszuschläge erhalten. Die Überstunden seien aber praktisch Bestandteil des Arbeitsvertrags und damit der regelmäßig zu leistenden Arbeitszeit gewesen, so daß die Mehrarbeitszuschläge tatsächlich Bestandteil des monatlichen Arbeitsentgelts geworden seien. Insoweit bestehe keine Gefahr, daß durch die Berücksichtigung des tatsächlich im Bemessungszeitraum erzielten Entgelts seine wirtschaftliche Situation verzerrt oder er bessergestellt würde, als er ohne Eintritt des Versicherungsfalls stünde. Überdies verstoße § 112 Abs 1 Satz 2 AFG, der eine Nichtberücksichtigung von Mehrarbeitszuschlägen vorsehe, unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 1995 gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG. Die Mehrarbeitszuschläge hätten in vollem Umfange der Beitragspflicht unterlegen und seien deshalb bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen, wie dies § 132 Abs 1 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) ab 1. Januar 1998 vorsehe. Damit wolle der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung tragen, daß das Leitbild des Arbeitnehmers, der eine bestimmte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit leiste, zunehmend nicht mehr der betrieblichen Wirklichkeit entspreche.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 1998 und das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17. September 1996 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 24. März 1995, 9. Mai 1995 und 7. Juni 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 1995 zu verurteilen, ihm ab 18. März 1995 höheres Arbeitslosengeld nach einem Monatsverdienst in Höhe von 5.984,51 DM zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, schon aufgrund des Teilvergleichs vom 22. Januar 1998 könne der Kläger für die Zeit bis zum 10. Juni 1995 kein höheres Alg verlangen. Insoweit sei seine Klage sogar unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Im übrigen seien weder Überstundenzuschläge beim tatsächlichen Stundenlohn (Lohnfaktor) noch die Überstunden bei der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (Zeitfaktor) zu berücksichtigen. Soweit § 112 Abs 1 Satz 2 AFG Mehrarbeitszuschläge unberücksichtigt lasse, sei dies nicht verfassungswidrig.
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Die vom LSG bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob dem Kläger ab 18. März 1995 höheres Alg zusteht.
Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist durch die vom LSG als „Teilvergleich” bezeichneten Erklärungen der Beteiligten in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. Januar 1998 der Zeitraum vom 18. März 1995 bis 10. Juni 1995 nicht gänzlich außer Streit gestellt und damit der Rechtsstreit insoweit erledigt worden. Die Klage auf höheres Alg war vielmehr auch für diesen Zeitraum weiterhin zulässig. Denn Ziff 1 der Erklärung kann nur so verstanden werden, daß die Beklagte dem Kläger für diesen Zeitraum Alg jedenfalls unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 780,00 DM belassen wollte. Die Beteiligten wollten mit dieser Regelung nach den erkennbaren Gesamtumständen lediglich den Streit über die Rückwirkung des Bescheides vom 7. Juni 1995 beenden, ohne jedoch eine abschließende Regelung über den Alg-Anspruch für die Zeit bis zum 10. Juni 1995 zu treffen. Dies entsprach im übrigen dem bereits vor dem SG abgegebenen Teilanerkenntnis der Beklagten. Welche rechtliche Bedeutung dieses Anerkenntnis hatte, kann deshalb offenbleiben. Sowohl vor dem SG als auch vor dem LSG hat der Kläger jedenfalls unmittelbar im Anschluß an die Abgabe der Erklärungen der Beklagten Anträge gestellt, die auf eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von höherem Alg gerade auch für die Zeit ab dem 18. März 1995 zielten, was mit einer vermeintlichen Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits für diesen Zeitraum nicht zu vereinbaren ist. Deshalb kann den Erklärungen der Beteiligten nach ihrem objektiven und für beide erkennbaren Inhalt nur die Bedeutung beigemessen werden, daß die Beklagte dem Kläger Alg in einer Mindesthöhe unter Berücksichtigung eines Bemessungsentgelts von 780,00 DM für die Zeit vom 18. März bis 10. Juni 1995, 760,00 DM ab 11. Juni 1995 und 780,00 DM ab 25. Januar 1996 zugestehen wollte. Bei der Erklärung der Beklagten handelt es sich im Rechtssinne um ein Teilanerkenntnis, das der Kläger als solches angenommen hat (§ 103 Abs 2 SGG).
Ist streitig mithin weiterhin die Höhe des dem Kläger ab 18. März 1995 zustehenden Alg – soweit es sich aus einem höheren als dem zugestandenen Bemessungsentgelt ergibt –, so kann schon deshalb die explizite Bezugnahme auf „Mehrarbeitszuschläge” im Antrag des Klägers vor dem LSG nicht als Einschränkung seines Klagebegehrens aufgefaßt werden. Der Kläger hat zuletzt in der Revisionsinstanz wieder – wie bereits vor dem SG – beantragt, ihm Alg nach einem „Monatsbemessungsentgelt” von 5.984,51 DM zu gewähren. Dies läßt deutlich erkennen, daß er Alg unter maximaler Berücksichtigung aller ihm gewährten Entgeltbestandteile beantragen will und sein Begehren nicht von vornherein auf die Berücksichtigung von „Mehrarbeitszuschlägen” im rechtlichen Sinne gemäß § 112 Abs 1 Satz 2 AFG beschränkt hat (§ 123 SGG). Gerade die Bezugnahme auf den Monatsverdienst von 5.984,51 DM zeigt im Zusammenhang mit den in den Verwaltungsakten enthaltenen Gehaltsabrechnungen, daß der Kläger die Berücksichtigung seines gesamten Arbeitsverdienstes begehrt, der außer der monatlichen Grundvergütung auch Überstundengrundvergütungen, Mehrarbeitszuschläge, Sonntags- und Nachtzuschläge sowie ein Weihnachtsgeld umfaßt. Den Begriff „Mehrarbeitszuschläge” hat der Kläger in einem untechnischen Sinne verwandt und damit alle Entgeltbestandteile gemeint, die über sein Grundgehalt hinausgehen.
Streitbefangen sind jedenfalls die Bescheide der Beklagten vom 24. März und 7. Juli 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 1995, aber auch der Bescheid vom 9. Mai 1995. Dieser Bescheid hat sich allerdings gemäß § 39 Abs 2 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) in der Sache erledigt, weil die Beklagte die Rechtsfolge einer Herabsetzung der Leistung ab 10. Mai 1995 mit dem Bescheid vom 7. Juni 1995 erneut ausgesprochen und damit den Bescheid vom 9. Mai 1995 durch einen neuen ersetzt hat.
Ob dem Kläger ab 18. März 1995 ein über das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 22. Januar 1989 hinausgehender Anspruch auf höheres Alg zusteht, bedarf weiterer Feststellungen, die das LSG bisher nicht getroffen hat.
Nach § 111 Abs 1 AFG (idF des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms – 1. SKWPG – vom 21. Dezember 1993, BGBl I 2353) beträgt das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 4 und 5 Einkommensteuergesetz (EStG) haben, sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 4 und 5 EStG hat, wenn beide Ehegatten uneingeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 67 vH (Nr 1), für die übrigen Arbeitslosen 60 vH (Nr 2) des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Der konkrete Leistungssatz des Alg bestimmt sich anhand der vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung jeweils für ein Kalenderjahr erlassenen Rechtsverordnung nach Maßgabe dreier Kriterien: des Familienstatus, der die Nettolohnersatzquote des um die gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts bestimmt, der Lohnsteuerklasse (§ 113 AFG), die für die Leistungsgruppe der AFG-Leistungsverordnung maßgeblich ist, und des regelmäßig zu dynamisierenden (§ 112a AFG) Arbeitsentgelts (Bemessungsentgelts).
Weder zum Familienstatus des Klägers noch zur Lohnsteuerklasse hat das LSG Feststellungen getroffen. Insbesondere reichen aber die Feststellungen zum Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) nicht aus, um beurteilen zu können, ob dem Kläger ein Anspruch auf höheres Alg zusteht.
Arbeitsentgelt iS von § 111 Abs 1 AFG ist das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat (§ 112 Abs 1 Satz 1 AFG idF des 1. SKWPG). Der Bemessungszeitraum umfaßt nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG (ebenfalls idF des vorgenannten Gesetzes) die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten sechs Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat. Enthalten die Lohnabrechnungszeiträume weniger als 100 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt, so verlängert sich der Bemessungszeitraum nach § 112 Abs 2 Satz 3 AFG um weitere Lohnabrechnungszeiträume, bis 100 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erreicht sind. Schon zum Bemessungszeitraum enthält das Urteil des LSG keine Feststellungen und auch keine Aussagen dazu, ob die Beklagte gemäß § 242q Abs 7 AFG zu Recht von einem sechsmonatigen Bemessungszeitraum – anstelle eines bis zum Inkrafttreten des 1. SKWPG geltenden dreimonatigen Bemessungszeitraums – ausgegangen ist.
Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 77, 244, 247 = SozR 3-4100 § 112 Nr 24), ist bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums zunächst ein Bemessungsrahmen festzulegen, der sich vom Ende der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor Entstehung des Anspruchs rückwärts nach Zeitmonaten berechnet. Den eigentlichen Bemessungszeitraum bilden sodann die vor dem Ausscheiden für diese Zeit abgerechneten vollen Lohnabrechnungszeiträume, sofern Arbeitsentgelt zugeflossen ist und in diesem Zeitraum die erforderliche Mindestzahl von Arbeitstagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalten ist.
Maßgeblicher (End-)Zeitpunkt für die Rückrechnung des Bemessungsrahmens ist das Ende der letzten beitragspflichtigen Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs und nicht etwa der Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis, den das LSG mit dem 15. April 1994 festgestellt hat. Entscheidend ist vielmehr, daß § 112 Abs 2 Satz 1 AFG auf die Beitragspflicht aus Beschäftigungen nach § 168 AFG abstellt, also auf eine Beitragspflicht, die einen Entgeltanspruch aus Beschäftigung voraussetzt. Außer Betracht bleibt daher eine Beitragspflicht, die zB auf der Gewährung von Lohnersatzleistungen beruht. Demzufolge ist der Bezug von Krankengeld für die Bestimmung des Bemessungsrahmens ohne Bedeutung (vgl BSGE 77, 244, 248 = SozR 3-4100 § 112 Nr 24, S 111). Insoweit wird das LSG also zunächst festzustellen haben, wann die beitragspflichtige Beschäftigung des Klägers bei seinem letzten Arbeitgeber endete. Das LSG hat zwar festgestellt, daß der Kläger bis 17. März 1995 Krankengeld bezogen hat, es hat jedoch nicht angegeben, wann der Krankengeldbezug begonnen bzw die Entgeltzahlung geendet hat. Insoweit liegen nach den Verwaltungsakten divergierende Bescheinigungen der zuständigen Krankenkasse vor (Beginn des Krankengeldes am 14. Dezember 1993 oder 26. Januar 1994).
Unabhängig davon, ob die letzte beitragspflichtige Beschäftigung bereits 1993 oder erst 1994 endete, ergibt sich aus der Übergangsregelung des § 242q Abs 7 AFG, daß der Bemessungszeitraum sechs Monate umfaßt. Denn diese Vorschrift sieht eine Nichtanwendung der ab 1. Januar 1994 geltenden Neufassung des § 112 Abs 2 AFG nur „bis zum 31. Dezember 1994” vor, wenn sich der sechsmonatige Bemessungszeitraum auf Beschäftigungen erstreckt, die vor dem 1. Januar 1994 beendet worden sind. Diese Vorschrift ist hinsichtlich der Begrenzung der Nichtanwendung bis zum 31. Dezember 1994 so auszulegen, daß sie jedenfalls einen erst nach dem 31. Dezember 1994 eingetretenen ersten Leistungsfall nicht erfaßt. Leistungsfälle, die – wie der hier vorliegende – erstmals 1995 eingetreten sind, bedürfen hinsichtlich der Verlängerung des Bemessungszeitraumes keines besonderen Schutzes mehr, so daß die ab 1. Januar 1994 geltende Neuregelung in jedem Falle anzuwenden ist. Je nach dem Ende des Bemessungsrahmens ist schließlich auch zu bestimmen, inwieweit in dem jeweiligen Rahmen die erforderliche Mindestzahl von 100 Arbeitstagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalten ist (Bemessungszeitraum im eigentlichen Sinne).
Steht der Bemessungszeitraum fest, bzw erweist sich, daß die Beklagte zu Recht den Zeitraum vom 1. Juli 1993 bis 26. Januar 1994 zugrunde gelegt hat, so ist nach § 112 Abs 3 Satz 1 AFG das im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt – unter Einschluß später infolge nachträglicher Vertragserfüllung zugeflossenen Entgelts – zu ermitteln (Lohnfaktor) und anschließend dieser tatsächliche Stundenlohn mit der Zahl der Arbeitsstunden zu vervielfachen, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (Zeitfaktor).
Bei der Ermittlung des im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelts (Lohnfaktor) ist allerdings zu beachten, daß nach § 112 Abs 1 Satz 2 AFG Mehrarbeitszuschläge, Arbeitsentgelte, die der Arbeitslose wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erhält, sowie einmalige und wiederkehrende Zuwendungen außer Betracht bleiben sollen. Darüber hinaus sind bestimmte Zuschläge, soweit sie lohnsteuerfrei sind, nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen (BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 28 mwN). Da der Kläger die Berücksichtigung des gesamten, ihm im Bemessungszeitraum zugeflossenen Arbeitsentgelts bei der Bestimmung des Alg iS des § 112 Abs 1 AFG erstrebt, hätte das LSG eine sachliche Differenzierung zwischen den dem Kläger im einzelnen zugeflossenen Entgeltbestandteilen (Überstundengrundvergütung, Überstundenzuschläge, Nacht- und Sonntagszuschläge sowie Weihnachtsgeld) vornehmen und sodann ihre rechtliche Zuordnung bestimmten müssen. Der Senat kann aufgrund der undifferenzierten Verwendung des Begriffs „Mehrarbeitszuschläge” durch das LSG weder zu deren Höhe noch zu deren rechtlichem Schicksal Stellung nehmen, zumal das LSG nicht einmal ausgeführt hat, was es unter Mehrarbeitszuschlägen versteht.
Mehrarbeitszuschläge sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Zuschläge, die vom Arbeitgeber allein deshalb gezahlt werden, weil die Arbeit über die Zeit hinaus erbracht worden ist, die von den Arbeitsvertragsparteien als die gewöhnliche und regelmäßige angesehen wird (grundlegend BSG SozR 4100 § 112 Nr 29, S 138; SozR 4100 § 112 Nr 30, S 147; SozR 3-4100 § 112 Nr 28, S 130; BSGE 63, 149, 151 = SozR 4100 § 112 Nr 38, S 176). Diese Bestimmung des im Gesetz nicht näher umschriebenen Begriffs beruht auf der Entstehungsgeschichte und dem Zweck des § 112 Abs 1 Satz 2 AFG, der mit der Nichtberücksichtigung der Mehrarbeitszuschläge dem sozialpolitischen Ziel des Abbaus von Überstunden Rechnung tragen will (BSG SozR 4100 § 112 Nr 29, S 138 f). Ob von diesem Zweck auch andere Zuschläge und Zulagen (zB Sonn- und Feiertagszuschläge, Nachtzuschläge) erfaßt sind, soweit sie auf Mehrarbeit bzw Überstunden entfallen, bedarf gegenwärtig noch keiner Entscheidung. Jedenfalls kann die Frage, was Mehrarbeit und damit Mehrarbeitszuschläge iS von § 112 Abs 1 Satz 2 AFG sind, nicht unmittelbar aus § 112 Abs 4 AFG (hier idF des Gesetzes vom 26. Juli 1994, BGBl I 1786) beantwortet werden; diese Regelung, die mit der näheren Bestimmung der „tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit” den Zeitfaktor normiert, mit dem der tatsächlich erzielte Stundenlohn (Lohnfaktor) zu multiplizieren ist, ist nach der Systematik des § 112 AFG nicht auf den Lohnfaktor zu übertragen und insofern nicht geeignet, die Grenze dessen zu bestimmen, was als Mehrarbeit bzw als auf sie entfallende Mehrarbeitszuschläge zu gelten hat. Denn der Lohnfaktor, der erst durch Vervielfältigung mit dem Zeitfaktor auf das künftig erzielbare Arbeitsentgelt zurückgeführt wird, umfaßt im Grundsatz das gesamte im Bemessungszeitraum tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt (einschließlich der Überstundenvergütung, aber unter Ausnahme der Mehrarbeitszuschläge) und alle hierfür benötigten Arbeitsstunden, und zwar unabhängig davon, ob deren Zahl der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit iS von § 112 Abs 4 AFG entspricht. Auch im Hinblick hierauf ist es gerechtfertigt, den Rechtsbegriff der Mehrarbeitszuschläge bzw der Mehrarbeit in § 112 Abs 1 Satz 2 AFG an den tatsächlichen Verhältnissen auszurichten. Hätten die Arbeitsvertragsparteien, wie der Kläger unter Bezugnahme auf die der Beklagten bereits im März 1996 übersandte „berichtigte” Arbeitsbescheinigung geltend macht, vereinbart, daß er als Fahrer im Fernverkehr verpflichtet war, alle erforderlichen Fuhren zu fahren, so könnte die tatsächlich geleistete Arbeitszeit die gewöhnliche, normale Arbeitszeit sein mit der Folge, daß die gezahlten Mehrarbeitszuschläge (ebenso wie die Vergütung für die Mehrarbeit selbst) dann eben nicht für Mehrarbeit, sondern für die vertragliche Normalarbeitszeit geleistet worden wären. Die Zuschläge für „Mehrarbeit” wären dann als Teil des normalen Arbeitsentgelts anzusehen und dürften bei der Berechnung des Lohnfaktors nicht unberücksichtigt bleiben.
Insoweit wird das LSG zu ermitteln haben, welche Arbeitszeit von den Arbeitsvertragsparteien als die „gewöhnliche und regelmäßige” angesehen wurde. Mit dieser Formulierung hat die Rechtsprechung (vgl BSG SozR 4100 § 112 Nr 29, S 138; in BSGE 63, 149, 151 = SozR 4100 § 112 Nr 38 heißt es „gewöhnliche regelmäßige” Arbeitszeit und in SozR 3-4100 § 112 Nr 28, S 130 „gewöhnliche oder regelmäßige” Arbeitszeit) die vom Arbeitnehmer regelgemäß zu leistende Arbeitszeit gemeint, die nicht nur unter besonderen Voraussetzungen und Umständen erbracht wird, sondern deren Erbringung vom Arbeitgeber normalerweise erwartet wird. Das LSG wird daher die vom Kläger faktisch geleistete und erwartete Arbeitszeit zu ermitteln haben, wobei aus dem gesamten Regelungszusammenhang des Arbeitsverhältnisses – individual-arbeitsvertragliche Regelungen, kollektiv-rechtliche Regelungen, betriebliche Übung – zu erschließen ist, welche Arbeitszeit als die normalerweise, gewöhnlich zu leistende angesehen worden ist. Auf eine durch Arbeitsschutzgesetze gesetzte Höchstgrenze (nach der Arbeitszeitordnung bzw ab 1. Juli 1994 nach dem Arbeitszeitgesetz vom 6. Juni 1994 ≪Art 1 des Arbeitszeitrechtsgesetzes, BGBl I 1170≫) kommt es dabei nicht an.
Auch hinsichtlich der dem Kläger möglicherweise zugeflossenen Zuwendungen (Weihnachtsgeld) und Zuschläge (für Nacht- und Sonntagsarbeit) fehlt es an den erforderlichen Feststellungen. Unter einmaligen und wiederkehrenden Zuwendungen iS von § 112 Abs 1 Satz 2 AFG sind nach bisheriger Rechtsprechung des BSG in Abgrenzung zum fortlaufend gezahlten Arbeitsentgelt diejenigen Lohnbestandteile verstanden worden, die nicht in jedem Lohnabrechnungszeitraum, sondern als Gegenleistung für die Arbeit im mehreren Lohnabrechnungszeiträumen in einer Summe gezahlt werden (BSG SozR 3-4100 § 112 Nrn 1 und 11; BSG, Urteil vom 26. November 1992 - 7 RAr 28/92 -, unveröffentlicht). Hinsichtlich der Sonntags- und Nachtarbeitszuschläge, die gewährt werden, weil der Arbeitnehmer während ungünstig liegender Arbeitszeiten arbeitet, hat der Senat unter Rückgriff auf den Arbeitsentgeltbegriff der §§ 14, 17 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) und iVm der Arbeitsentgeltverordnung im einzelnen dargelegt, daß die leistungsrechtliche Berücksichtigung dieser Zuschläge wesentlich davon abhängt, inwieweit sie der Lohnsteuerpflicht unterlagen (vgl BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 28, S 130 f; BSGE 63, 149, 151 = SozR 4100 § 112 Nr 38). Das LSG wird also zunächst festzustellen haben, ob und ggf welche Bestandteile des im Bemessungszeitraums erzielten Arbeitsentgelts auf solche Zuschläge entfallen und inwieweit sie steuerfrei sind. Soweit sie steuerpflichtig sind, könnten sie gleichwohl bei der Bemessung des Arbeitsentgelts unberücksichtigt bleiben, wenn sie auf Zeiten der Mehrarbeit entfallen und damit letztlich Mehrarbeitszuschläge sind. Das LSG wird mithin im einzelnen festzustellen haben, welcher Art die im Bemessungszeitraum erzielten Vergütungen, Zuschläge und Zuwendungen waren und inwieweit sie bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen sind. Soweit sie zu berücksichtigen sind, stellen sich die vom LSG diskutierten verfassungsrechtlichen Probleme nicht.
Das LSG wird also hinsichtlich der streitigen Höhe des Alg des Klägers ab 18. März 1995 die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zur Beurteilung des Bemessungszeitraums, des Arbeitsentgelts (Bemessungsentgelts) – sowohl hinsichtlich des Lohnfaktors als auch des Zeitfaktors – nachzuholen haben. Erst danach kann entschieden werden, ob die vom LSG aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 52 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6) sich im vorliegenden Rechtsstreit überhaupt stellen.
Das LSG wird im übrigen auch zu prüfen haben, ob nach dem Widerspruchsbescheid vom 10. August 1995 weitere Bescheide ergangen und Gegenstand des Rechtsstreits geworden sind, ferner ob die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach vorgelegen haben.
Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 543014 |
SGb 1999, 515 |
SozSi 1999, 373 |