Beteiligte
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg- Vorpommern vom 6. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Anerkennung (Vormerkung) von Seefahrtzeiten nach Maßgabe der §§ 7, 9 Abs 1 der Satzung der Beklagten (SSmK), die der Kläger auf Fährschiffen der ehemaligen Deutschen Reichsbahn (DR) im Zeitraum von August 1963 bis Dezember 1990 zurückgelegt hatte. Danach war er auf Fährschiffen der Deutschen Bundesbahn (DB) tätig. Vom 1. April 1993 bis 30. November 1996 war er Arbeitnehmer der im Rahmen der Privatisierung gegründeten Nachfolgegesellschaft Deutsche Fährgesellschaft Ostsee mbH (DFO). Anschließend bezog er vom 6. November 1996 bis 14. Februar 1997 von der See-Berufsgenossenschaft (See-BG) Verletztengeld, vom 15. Februar 1997 bis 31. März 2000 von der Bundesanstalt für Arbeit Arbeitslosengeld und vom 1. April 2000 an von der Seekasse Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.
Das Vormerkungsbegehren lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. April 1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 22. April 1996 ab und stellte gleichzeitig die Beschäftigung bei der DFO beitragsfrei, da ohne die Zeiten auf den Schiffen der DR und DB bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres die Voraussetzungen für ein Überbrückungsgeld nicht mehr erfüllt werden könnten. Während des anschließenden Klageverfahrens vor dem SG Rostock lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. April 1997 einen am 31. Januar 1997 gestellten Antrag auf Überbrückungsgeld mit der Begründung ab, der Kläger habe ohne die streitigen Zeiten nur für 44 Kalendermonate Pflichtbeiträge zur Seemannskasse entrichtet und damit die Wartezeit von 240 Kalendermonaten nicht erfüllt. Das Widerspruchsverfahren gegen diesen Bescheid setzte die Beklagte im Einvernehmen mit dem Kläger aus. Das SG hat mit Urteil vom 28. September 1998 die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat das LSG Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 6. Juni 2000 zurückgewiesen: Die begehrten Zeiten auf Fährschiffen der DR könnten nicht nach Maßgabe der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 891a RVO erlassenen SSmK als Seefahrtzeiten zur Begründung der Anspruchsvoraussetzungen für die einzig mögliche Leistung – das Überbrückungsgeld – anerkannt werden. Denn nach § 7 SSmK müßten die Seeleute bei der See-BG gesetzlich unfallversichert sein. Die Gleichstellung von Seefahrtzeiten, die auf in der früheren DDR beheimateten Schiffen zurückgelegt worden seien, erfolge nach der Überleitungsvorschrift des § 24a SSmK nur für „entsprechende Zeiten”, so daß allein darauf abzustellen sei, ob der Kläger – unter der Annahme, Bundesrecht unter Einschluß der SSmK und des gegliederten Systems der Träger der Unfallversicherung hätte im Beitrittsgebiet gegolten – bei der See-BG versichert gewesen wäre. Der Kläger sei aber auf den Schiffen der DR und DB stets „Eisenbahner” mit Zugehörigkeit zu besonderen Versorgungsordnungen gewesen und wäre – wie tatsächlich während seines Dienstes auf den Schiffen der DB – bei der Bundesbahn-Ausführungsbehörde für Unfallversicherung (BUVB) und nicht der See-BG versichert gewesen.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 7, 24, 24a SSmK. Die fiktive Übertragung der bundesrechtlichen Regelungen über die Zuständigkeit der diversen Träger der Unfallversicherung werde den tatsächlichen Verhältnissen in der DDR nicht gerecht. Überdies sehe auch die RVO den Beitritt des Bundes und der Länder zur See-BG vor, was tatsächlich praktiziert werde, soweit es sich nicht um Marine-, Zoll- und Polizeischiffe handle. Bei der Frage, ob fiktiv die Zugehörigkeit bei der See-BG bestanden hätte, sei deshalb allein darauf abzustellen, ob die Seefahrtzeit auf Kauffahrteischiffen oder den sogenannten Nichterwerbsschiffen zurückgelegt worden sei. Eine andere Sichtweise würde gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 6. Juni 2000 und das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 28. September 1998 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10. April 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. April 1996 zu verurteilen, die Fahrtzeiten auf Fährschiffen der DR als Seefahrtzeiten anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
1. Die Revision des Klägers ist zulässig. Ihre Zulässigkeit scheitert insbesondere nicht an einem fehlenden Rechtsschutzinteresse für die Durchführung des Revisionsverfahrens. Es ist auch nicht deshalb entfallen, weil – wie im Schreiben des Berichterstatters vom 14. März 2001 dargelegt – keine materielle Beschwer des Klägers durch den angefochtenen Bescheid mehr bestehen könnte, da in den überhaupt in Betracht kommenden Leistungszeiträumen auch bei Erfüllung der Wartezeit nach der SSmK wegen der Berücksichtigung anderweitiger Sozialleistungen (hier: Verletztengeld, Arbeitslosengeld, Altersrente) kein Überbrückungsgeld zu zahlen wäre. Denn für die erforderliche Beschwer im Rechtsmittelverfahren genügt idR die formelle Beschwer (dazu mwN Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, Vor § 143 RdNr 5a), die bereits dadurch begründet wurde, daß durch die angefochtenen Urteile die Anträge des Klägers abgewiesen worden waren. Ausnahmsweise wäre der Wegfall der materiellen Beschwer allerdings dann zu berücksichtigen, wenn die Annahme gerechtfertigt wäre, daß der Revisionskläger das Verfahren offensichtlich unnötig oder mißbräuchlich wider besseres Wissen betreibt (BSG Urteil vom 12. Februar 1997 – 9 RVs 1/95 – BSGE 80, 97 = SozR 3-3870 § 4 Nr 18; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, Vor § 143 RdNr 5). Davon konnte sich der Senat indes nicht überzeugen.
2. Die Revision des Klägers ist unbegründet.
a) Gegenstand des Rechtsstreits ist nur der Vormerkungsbescheid der Beklagten vom 10. April 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 1996. Der Bescheid der Beklagten vom 1. April 1997 über die Ablehnung des Antrags auf Überbrückungsgeld vom 31. Januar 1997 ist der Prüfung im Revisionsverfahren entzogen. Er ist zwar entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung in analoger Anwendung des § 96 Abs 1 SGG Gegenstand der beim SG anhängigen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) gegen den im „Vormerkungsverfahren” erlassenen Bescheid der Beklagten vom 10. April 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 1996 geworden. Dem steht auch nicht entgegen, daß in den Fällen der analogen Anwendung des § 96 Abs 1 SGG die Rechtshängigkeit des zweiten Bescheides durch eine entsprechende Prozeßerklärung der Beteiligten beendet werden kann. Denn eine solche ist hier nicht abgegeben worden; die außergerichtliche Vereinbarung über das Ruhen des Widerspruchsverfahrens gegen den zweiten Bescheid und die Beschränkung des Klageantrags auf den Vormerkungsbescheid dürften dazu nicht ausreichen (vgl BSG Urteil vom 15. März 1979 – 11 RA 48/78 – BSGE 48, 100 = SozR 2200 § 1259 Nr 37). Eine ggf fehlerhafte Nichteinbeziehung dieses während des Klageverfahrens ergangenen Bescheides und eine dementsprechende Verletzung des § 96 SGG wäre im Revisionsverfahren aber nur auf entsprechende Rüge zu beachten, an der es jedoch fehlt (vgl mwN BSG Urteile vom 22. September 1981 – 1 RA 31/80 – SozR 1500 § 53 Nr 2; vom 26. November 1986 – 7 RAr 55/85 – BSGE 61, 45, 47 f = SozR 4100 § 113 Nr 5 und vom 24. April 1997 – 11 RAr 23/96 – SozR 3-4100 § 137 Nr 9). Im übrigen könnte wegen der unterschiedlichen Verfügungssätze der beiden Bescheide (Ablehnung von Seefahrtzeiten einerseits, Ablehnung der Leistung Überbrückungsgeld, zunächst nur wegen Nichterfüllung der Wartezeit, andererseits) zB mit Blick auf künftige Leistungsfeststellungen durchaus ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Sachurteil hinsichtlich beider Bescheide bestehen (vgl zum Verhältnis Vormerkungsbescheid zu Rentenbescheid, Urteil des BSG vom 8. Oktober 1992 – 13 RJ 47/91 mwN – dokumentiert in Juris). Jedenfalls läßt sich das Rechtsschutzbedürfnis für das Betreiben beider Verfahren auch nicht mit Blick auf den erst während des Berufungsverfahrens ergangenen Altersrentenbescheid der Seekasse vom 22. März 2000 ausschließen, der das Ende des überhaupt nach der SSmK (vgl § 9 Abs 1) möglichen Leistungszeitraums des Überbrückungsgeldes markierte.
b) Die Beklagte hat zu Recht die Vormerkung der Zeit von August 1963 bis Dezember 1990 als Seefahrtzeit abgelehnt. Denn der nach Maßgabe des § 17 SSmK entsprechend anzuwendende § 149 Abs 5 SGB VI läßt nur die Vormerkung solcher Daten zu, die – ausgehend von der im Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblichen Rechtslage (BSG Urteil vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 108/95 – SozR 3-2600 § 58 Nr 9, S 50) – für die Feststellung der Rentenanwartschaft bedeutsam sind (§ 149 Abs 5 iVm Abs 1 Satz 1 und Abs 3), im vorliegenden Fall also der Wartezeit für das nach der SSmK zu gewährende Überbrückungsgeld. Die Seefahrtzeiten des Klägers auf Fährschiffen der DR sind nach der Überleitungsregelung des § 24a Abs 1 SSmK nicht auf diese Wartezeit anrechenbar. Gleichgestellt sind nur „entsprechende” Zeiten. Dies sind – wie im folgenden unter Ziff 3 dargestellt wird – in Anlehnung an § 7 Nr 2 SSmK rentenversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnisse auf Seefahrzeugen während derer Unfallversicherungsschutz bei der See-BG bestanden hätte. Letzteres trifft aber – wie der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 16. Mai 2001 (B 5 RJ 20/00 R – zur Veröffentlichung vorgesehen) – bei Seefahrtzeiten, die Beschäftigte der DR auf deren Fährschiffen in der DDR zurückgelegt haben, nicht zu.
3.1 Bei der Beklagten handelt es sich um eine von der See-BG unter deren Haftung geschaffenen Einrichtung, deren einziger Zweck entsprechend der Ermächtigung in § 891a RVO bzw – ab 1. Januar 1997 – in § 143 SGB VII darin besteht, Seeleuten sowie Küstenschiffern und Küstenfischern bei Ausscheiden aus der Seefahrt Überbrückungsgeld zu gewähren. Das Gesetz legt zwei Arten der Leistung von Überbrückungsgeld – nämlich Überbrückungsgeld nach Vollendung des 55. Lebensjahres und Überbrückungsgeld auf Zeit bei einem früheren Ausscheiden aus der Seefahrt – fest. Das Nähere über die Voraussetzungen und den Umfang der Leistungen bestimmt die Satzung der Beklagten (§ 891a Abs 1 Satz 3 RVO, § 143 Abs 1 Satz 3 SGB VII).
3.2 Nach § 9 Abs 2 Satz 1 SSmK in der seit Inkrafttreten der am 21. Januar 1973 erlassenen Satzung zum 1. Januar 1974 unverändert geltenden Fassung ist die Wartezeit für das Überbrückungsgeld erfüllt, wenn der Versicherte eine nach § 7 versicherungspflichtige Seefahrtzeit von 240 Kalendermonaten zurückgelegt hat. § 7 SSmK legt den Kreis der bei der Beklagten versicherten Personen fest. Nach § 7 Nr 1 SSmK in der seit 1. Januar 1986 gültigen Fassung des 15. Nachtrags vom 10. Dezember 1985 gehören dazu Seeleute, die auf Seefahrzeugen gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung ohne Entgelt rentenversicherungspflichtig oder nach § 2 Abs 3 SGB IV rentenversichert beschäftigt und bei der See-BG unfallversichert sind. Dazu gehörte der Kläger in der fraglichen Zeit nicht. Die Vorschriften des Dritten Buchs der RVO über die Träger der Versicherung galten im Beitrittsgebiet erst ab 1. Januar 1991, die Vorschriften über den versicherten Personenkreis und den Versicherungsumfang sowie § 891a RVO erst ab 1. Januar 1992 (EinigVtr Anlage I Sachgebiet I Abschnitt III Nr 1 Buchst c Abs 9 bzw Buchst f). Zudem bestimmt der durch den 22. Nachtrag vom 28. August 1991 eingefügte § 24a SSmK in seinem Abs 2 ausdrücklich, daß Seefahrtzeiten, die vor dem 1. Januar 1992 auf im Beitrittsgebiet beheimateten Schiffen zurückgelegt wurden, nicht versicherungspflichtige Seefahrtzeiten nach § 7 SSmK sind.
3.3 Nach § 24a Abs 1 SSmK sind allerdings Seefahrtzeiten nach § 7 SSmK für die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in den §§ 9, 10 Abs 1 und § 11 Abs 1 SSmK mit den „entsprechenden Zeiten im Beitrittsgebiet” zusammenzurechnen, sofern eine versicherungspflichtige Seefahrtzeit nach § 7 SSmK von mindestens zwei Jahren zurückgelegt ist. Wie sich bereits aus der Bezugnahme auf die Zeiten nach § 7 SSmK ergibt, mit denen die entsprechenden Zeiten zusammenzurechnen sind, läßt sich die Regelung nur so verstehen, daß Verhältnisse vorgelegen haben müssen, die denen entsprechen, unter denen eine Einbeziehung in den nach § 7 SSmK versicherten Personenkreis erfolgen würde. Dafür kommt es bei Seeleuten (§ 7 Nr 1 SSmK) aber nicht allein auf eine Beschäftigung in der Seefahrt an. Ausschlaggebend ist vielmehr einerseits eine rentenversicherungspflichtige oder nach § 2 Abs 3 SGB IV rentenversicherte Beschäftigung und zum anderen eine Unfallversicherung bei der See-BG. Um „entsprechende” Zeiten iS des § 24a Abs 1 SSmK festsetzen zu können, bedarf es deshalb insbesondere einer Prüfung, ob die See-BG fiktiv in der betreffenden Zeit der für den Versicherten zuständige Unfallversicherungsträger gewesen wäre, wenn das bundesdeutsche Recht schon gegolten hätte.
a) Dieses Verständnis von § 24a Abs 1 SSmK legt schon ein Vergleich mit den in § 24 Abs 1 und 2 SSmK enthaltenen Übergangsregelungen nahe, die in die SSmK bei ihrem Erlaß aufgenommen worden sind. Daß nicht alle im Beitrittsgebiet zurückgelegten Seefahrtzeiten auf die Wartezeit anrechenbar sind, zeigt zudem – worauf das LSG bereits hingewiesen hat – die mit dem 27. Nachtrag vom 2. November 1994 vorgenommene Änderung der – auch im Fall des Klägers zur Anwendung gekommenen – Befreiungsregelung in § 20 Abs 5 SSmK. Auf eine fiktive Zugehörigkeit zur See-BG abzustellen, entspricht aber auch Sinn und Zweck des Überbrückungsgelds und der Anbindung der Beklagten an die See-BG, wie sie sich aus § 891a RVO und jetzt § 143 SGB VII ergibt.
aa) Nach § 24 Abs 1 und 2 SSmK werden vor dem Inkrafttreten der Satzung (1. Januar 1974) zurückgelegte Seefahrtzeiten als Arbeitnehmer auf die Wartezeit für ein Überbrückungsgeld bzw für ein Überbrückungsgeld auf Zeit bei bestimmten Versicherten angerechnet, „wenn sie nach dieser Satzung versichert gewesen wären”. Für sie ist demnach zu prüfen, ob sie – unter der Voraussetzung, die SSmK wäre in der fraglichen Zeit schon erlassen gewesen – zum versicherten Personenkreis gehört hätten (vgl BSG Urteil vom 14. November 1984 – 1 RS 4/83 – SozR 2200 § 891a Nr 4). § 24a SSmK schränkt mit dem Wort „entsprechend” und bezogen auf im Beitrittsgebiet zurückgelegte Seefahrtzeiten die Anrechnung von Seefahrtzeiten in ähnlicher Weise ein wie § 24 Abs 1 und 2 SSmK. Einbezogen werden sollen Zeiten, in denen Verhältnisse vorgelegen haben, die denen entsprechen, für die eine Versicherung nach § 7 SSmK erfolgen könnte. Dies setzt wiederum voraus, daß ein entsprechendes Unternehmen wie das, bei dem der Versicherte beschäftigt war, bei der See-BG versichert wäre (dazu Näheres unter b).
bb) Nach § 20 Abs 5 Satz 1 SSmK in der seit 1. Januar 1995 gültigen Fassung des 27. Nachtrags werden Versicherte, die das 45. Lebensjahr vollendet haben und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug eines Überbrückungsgelds nicht mehr erfüllen können, auf eigenen Antrag von der Beitragspflicht befreit, wenn sie entweder nach dem 45. Lebensjahr erstmals nach § 7 SSmK versichert werden oder auf deutschen Schiffen Seefahrtzeiten zurückgelegt haben, die nicht auf die Wartezeit angerechnet werden. Die neu eingefügte zweite Alternative macht nur Sinn, wenn nicht alle auf deutschen Schiffen zurückgelegten Seefahrtzeiten anrechnungsfähig sind. Das trifft insbesondere auf im Beitrittsgebiet zurückgelegte Seefahrtzeiten zu, die nicht den Seefahrtzeiten nach § 7 SSmK entsprechen.
cc) Mit der Ermächtigung in § 891a RVO (jetzt § 143 SGB VII) an die See-BG wurde es erstmals deren Selbstverwaltung ermöglicht, durch Schaffung von zusätzlichen Sozialleistungen außerhalb der Rentenversicherung – vom Gesetz daher auch nicht als (Seemanns-)Renten bezeichnet – einerseits der vorzeitigen Abwanderung der Seeleute entgegenzuwirken und andererseits den altersgerechten Übergang älterer Seeleute von See an Land durch wirksame Hilfen zu unterstützen (vgl hierzu BSG Urteile vom 9. November 1983 – 7 RAr 58/82 – SozR 4100 § 118 Nr 12, vom 16. Februar 1984 – 1 RS 5/83 – SozR 2200 § 891a Nr 2 und vom 14. November 1984 – 1 RS 4/83 – SozR 2200 § 891a Nr 4; vgl zur Geschichte der Seemannskasse auch Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflage, § 891a RVO Anm 1, Stand: September 1995). Hauptgrund für die Anbindung an die See-BG war die Finanzierung (Lauterbach/Watermann, aaO, RdNr 2). Die Mittel für die Überbrückungsgelder der Beklagten werden von den Unternehmern, die bei ihr versichert sind oder bei ihr Versicherte beschäftigen, im Wege der Umlage erhoben (§ 891a Abs 1 Satz 2 RVO). Die durch die Beklagte zu erbringende zusätzliche Sozialleistung ist daher auf den durch die Solidargemeinschaft der See-BG geschützten Personenkreis beschränkt; Seeleute außerhalb der Zuständigkeit der See-BG bleiben von diesen Leistungen ausgeschlossen (Senatsurteil vom 28. November 1991 – 5 RJ 16/91 – SozR 3-2200 § 891a Nr 1; BSG Urteil vom 14. November 1984 – 1 RS 3/83 – SozR 2100 § 13 Nr 2). Dieser Intention entspricht die in § 9 Abs 2 iVm § 7 Nr 1 SSmK vorgenommene Verknüpfung der Wartezeit für das Überbrückungsgeld mit bei der See-BG versicherten Seefahrtzeiten; die Leistungsgewährung wird damit von der Zugehörigkeit zu der Solidargemeinschaft abhängig gemacht, innerhalb der ein besonderer Schutz erfolgen soll und besondere Solidaritäts- und Verantwortlichkeitsbeziehungen bestehen (BVerfG Kammerbeschluß vom 16. Juni 1992 – 1 BvR 550/92 – SozR 3-2200 § 891a Nr 2; vgl auch BSG Urteil vom 18. April 2000 – B 2 U 13/99 R – SozR 3-8110 Kap VIII J III Nr 1 Nr 2 – zur Umlegung der Rentenaltlasten aus dem Beitrittsgebiet auf die Unternehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung).
b) Die Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers für den einzelnen Versicherten folgte und folgt nach bundesdeutschem Recht grundsätzlich der Zuständigkeit für das Unternehmen, bei dem er beschäftigt ist. Dies ist jetzt ausdrücklich in § 133 SGB VII bestimmt, ergab sich aber auch unter Geltung der RVO schon mittelbar so aus der Mitgliedschaft des Unternehmens beim Unfallversicherungsträger, für die See-BG aus §§ 835, 852, 870 iVm §§ 658 und 723 RVO). Unter der Geltung der RVO war zuständiger Träger für die See-Unfallversicherung, die nach § 835 RVO die der Seefahrt (Seeschiffahrt und Seefischerei) dienenden Unternehmen und die in ihnen tätigen gegen Arbeitsunfall Versicherten umfaßte, zwar nach § 850 Abs 1 und 2 RVO allgemein die See-BG, jedoch waren davon Unternehmen ausgenommen, die für Rechnung des Bundes oder eines Landes gingen; für solche Unternehmen bestimmte § 850 Abs 3 Satz 1 RVO den Bund bzw das Land zum Träger der See-Unfallversicherung. Ein entsprechendes Regel-Ausnahmeverhältnis enthält § 121 SGB VII. Danach ist die See-BG zuständig für Unternehmen der Seefahrt, soweit sich nicht aus dem Dritten Unterabschnitt eine Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand ergibt. Dabei ist der Begriff des Unternehmens weit zu verstehen; er umfaßt Betriebe, Einrichtungen und Tätigkeiten (§ 852 iVm § 658 Abs 2 Nr 1 RVO; vgl auch Graeff in Hauck, SGB VII-Komm, K § 125 RdNr 8, Stand: Juni 1997). Das vom Kläger erwähnte Beitrittsrecht des Bundes (§ 653 Abs 2 RVO bzw § 125 Abs 2 SGB VII) für bestimmte bzw einzelne Unternehmen ist lediglich eine Ermächtigung und ändert an der grundsätzlichen Zuständigkeit des Bundes als Unfallversicherungsträger nichts (vgl Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflage, § 850 Anm 10, Stand: September 1995; Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII, 1997, § 125 RdNr 17).
Bei Übertragung dieser Vorschriften auf die Fährschiffe der DR ergibt sich für den Kläger keine fiktive Versicherung bei der See-BG; für die von der DR auf ihren Fährschiffen beschäftigten Seeleute wäre vielmehr der Bund zuständiger Träger der See-Unfallversicherung gewesen.
Die DR hatte in der DDR zwar die Rechtsform einer juristischen Person, war jedoch zugleich ein zentral vom Minister für Verkehrswesen (ab 11. Dezember 1989 von dem dem Minister unterstellten Generaldirektor der DR – vgl Bekanntgabe des Generaldirektors der DR vom 14. Dezember 1989 – MBl des Ministeriums für Verkehrswesen Teil DR 1990, 3) geleitetes staatliches Verkehrsunternehmen; das von ihr verwaltete Vermögen war staatliches Eigentum (§ 1 Abs 1 und 2 Anordnung über das Statut der DR vom 19. November 1960 – GBl II, 453 – und § 3 Satz 1 Verordnung über das Statut des Ministeriums für Verkehrswesen vom 18. Februar 1960 – GBl I, 155 sowie § 1 Abs 2 Satz 2 Statut des Ministeriums für Verkehrswesen vom 14. August 1975 – GBl I, 621). Setzt man an die Stelle des Staates DDR die Bundesrepublik Deutschland und an die Stelle der zentralstaatlichen Verwaltung die Bundesverwaltung, käme nur der Bund als Träger der See-Unfallversicherung für die von der DR auf ihren Fährschiffen beschäftigten Seeleute in Betracht, wie dies für die von der DB auf ihren Fährschiffen beschäftigten Seeleute der Fall war, solange der Bund unter diesem Namen auf der Grundlage von Art 87 Abs 1 Satz 1 GG in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 20. Dezember 1993 (BGBl I 2089) am 23. Dezember 1993 geltenden Fassung und des Bundesbahngesetzes (BBahnG) das Bundeseisenbahnvermögen als nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes verwaltete (§ 1 BBahnG) und dabei auch Fährschiffe betrieb.
Daß die DR in der DDR anders als die DB eine juristische Person war (§ 1 Anordnung über das Statut der DR), steht der Gleichsetzung von DR und DB im Hinblick auf den fiktiv für den Kläger von 1974 bis Ende 1990 zuständigen See-Unfallversicherungsträger nicht entgegen. Denn bei der See-Unfallversicherung kam es für die Zuständigkeit des Bundes nur darauf an, ob das Unternehmen, in dem der Versicherte beschäftigt war, auf seine Rechnung ging. Eine entsprechende Differenzierung wie in der allgemeinen Unfallversicherung zwischen den Unternehmen des Bundes (§ 653 Abs 1 Nr 1 RVO) und den in selbständiger Rechtsform betriebenen Unternehmen, an denen der Bund allein oder zusammen mit einem Land oder einer Gemeinde überwiegend beteiligt ist (§ 653 Abs 1 Nr 2 RVO), kannte die RVO für die See-Unfallversicherung nicht. Soweit das SGB VII die Zuständigkeit des Bundes als Unfallversicherungsträger in § 125 SGB VII auch im Verhältnis zur See-BG jetzt einheitlich geregelt hat, hat dies für die hier zu beurteilenden Zeiten einer Beschäftigung bei der DR keine Bedeutung, nachdem bereits durch Art 6 Abs 92 Eisenbahnneuordnungsgesetz (ENeuOG) zum 1. Januar 1994 die Eisenbahn-Unfallkasse errichtet und deren Zuständigkeit ua für das Bundeseisenbahnvermögen in § 657a RVO (jetzt § 126 SGB VII) abschließend geregelt wurde.
Diese Beurteilung der fiktiven Zuständigkeit des Bundes für die auf den Fährschiffen der DR beschäftigten Seeleute findet eine Bestätigung auch in den Festlegungen im EinigVtr. Das Sondervermögen DR der DDR wurde danach mit Wirksamwerden des Beitritts Sondervermögen der Bundesrepublik Deutschland (Art 26 EinigVtr), und das BBahnG war auf die DR sinngemäß anzuwenden (EinigVtr Anlage I Kapitel XI Sachgebiet A Abschnitt III Nr 3). Schließlich wurden entsprechend § 19 BBahnG, wonach die Beschäftigten der DB sämtlich Bundesbedienstete waren, die Beschäftigten der DR auf der Grundlage von Art 20 EinigVtr iVm Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr 1 in den öffentlichen Dienst des Bundes übernommen. Diese Regelungen galten bis zur Zusammenführung von DB und DR durch das ENeuOG. Die bis dahin von der BUVB wahrgenommenen Rechte und Pflichten des Bundes als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 766 RVO) gingen gleichzeitig auf die neu errichtete Eisenbahn-Unfallkasse über (Art 7 ENeuOG).
4. Verfassungsmäßige Rechte des Klägers sind nicht verletzt.
aa) Eine Beeinträchtigung des Eigentums in Form von durch Art 14 GG geschützten Anwartschaften auf das Überbrückungsgeld ist nicht gegeben; insoweit fehlt es schon an dem Erwerb entsprechender Anwartschaften durch den Kläger während seiner Beschäftigung bei der DR.
bb) Mit der auf eine fiktive Zugehörigkeit zur See-BG abgestellten Auslegung von § 24a Abs 1 SSmK ist auch keine Art 3 Abs 1 GG widersprechende Differenzierung (BVerfG Beschluß vom 3. Juli 1985 – 1 BvR 1428/82 – BVerfGE 70, 230, 240) verbunden. Bezogen auf die Eigenart des auf der Grundlage von § 891a RVO bzw § 143 SGB VII geregelten Sachverhalts ist es vielmehr – wie oben unter 3.3a) dargelegt – sachgerecht und entspricht Sinn und Zweck und der Finanzierung des Überbrückungsgelds als einer von der Zugehörigkeit zur Solidargemeinschaft der See-BG abhängigen Leistung (vgl auch BVerfG Kammerbeschluß vom 16. Juni 1992 – 1 BvR 550/92 – SozR 3-2200 § 891a Nr 2; BSG Urteil vom 28. November 1991 – 5 RJ 16/91 – SozR 3-2200 § 891a Nr 1 zur Nichtanrechnung von – ebenfalls nicht bei der See-BG versicherten – Seefahrtzeiten bei der Bundesmarine auf die Wartezeit für das Überbrückungsgeld), wenn auf die Wartezeit nur solche Zeiten angerechnet werden, die bei der Beklagten versichert sind. Es bedarf deswegen keiner Klärung, inwieweit Rechte der an die DFO überlassenen Mitarbeiter der DB oder DR durch besondere Dienst- oder Dienstleistungsüberlassungsverträge beibehalten oder nachteilig verändert wurden. Unerheblich für die Einbeziehung von Beschäftigungszeiten in den Schutzbereich der Beklagten ist auch, in welcher Weise die in der DDR von Angehörigen der DR erworbenen Rentenanwartschaften in die bundesdeutsche Rentenversicherung überführt worden sind.
cc) Art 3 GG ist auch nicht verletzt, soweit der Kläger in Anwendung des § 24a Abs 1 SSmK hinsichtlich seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Seefahrtzeiten anders behandelt wird als Seeleute auf den Schiffen der DSR und auf den Fährschiffen der DR eingesetzte Beschäftigte der Mitropa. Denn insoweit bestehen Unterschiede, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.
Unter dem Namen Deutsche Seereederei (DSR) war 1974 in der DDR durch Zusammenschluß verschiedener für Seefahrt und Häfen zuständiger Einrichtungen und als volkseigener Betriebe (VEB) geführter See-Reedereien ein für die gesamte Seewirtschaft der DDR (einschließlich der Kauffahrteischiffe) zuständiges Kombinat gebildet worden (vgl Herbst/Ranke/Winkler, So funktionierte die DDR, S 1070); eine solche Struktur gab und gibt es in der Bundesrepublik nicht, die Seewirtschaft ist und war zu der fraglichen Zeit nicht in öffentlicher Hand. Infolgedessen wurden die in dem Kombinat zusammengeführten Betriebe in der DDR ab 1990 ausgegliedert und auf der Grundlage des Treuhandgesetzes vom 17. Juni 1990 (GBl I Nr 33) und nach Maßgabe von Art 25 EinigVtr von der Treuhand weitergeführt, um sie wettbewerblich zu strukturieren und zu privatisieren. Bei der Mitropa handelt es sich um ein ursprünglich privates Unternehmen, das – trotz vielfältiger Versuche zur Umgestaltung und staatlicher Einflußnahme – seine private Rechtsform während der Zeit der DDR behielt und keineswegs der DR ein- oder untergeordnet war (vgl Bischoff, Die Mitropa AG, S 49, Anm 136, S 229, 259 ff). Sie wäre mithin ebenfalls nicht Gegenstand bundeseigener Verwaltung gewesen; denn ihre Beschäftigten standen nicht in einem Arbeitsverhältnis zur DR. Unter den Anwendungsbereich der Eisenbahnerverordnung (EisenbahnV) vom 28. März 1973 (GBl I, 217) und der auf ihrer Grundlage erlassenen Versorgungsordnung der DR (Anlage 11 zum Rahmenkollektivvertrag für die Beschäftigten der DR vom 20. April 1960 – DRBVersO), die für alle in einem Arbeitsrechts- bzw Berufsausbildungsverhältnis zur DR stehenden Beschäftigten und mithin auch den Kläger galt, und wonach zum Teil Sonderregelungen für die Alters-, Invaliden- und Unfallversicherung bestanden (§§ 1, 11, 15 EisenbahnV iVm der DRBVersO – vgl auch § 53 Abs 3 Rentenverordnung-DDR vom 23. November 1979 (GBl I, 401) fielen – worauf auch das LSG schon hingewiesen hat – die Beschäftigten der DSR und der Mitropa nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 662561 |
NJ 2002, 277 |