Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi)
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung (§ 66 SGB I) ist grundsätzlich allein mit der Anfechtungsklage (§ 54 SGG) anzugreifen.
2. Der schriftliche Hinweis, der nach § 66 Abs. 3 SGB I einer Versagung vorauszugehen hat, muß unmißverständlich und konkret die Entscheidung bezeichnen, die im Einzelfall beabsichtigt ist, wenn der Betroffene dem Mitwirkungsverlangen innerhalb der gesetzten Frist nicht nachkommt.
Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi), den die Beklagte wegen fehlender Mitwirkung der Klägerin versagt hat.
Die 1953 geborene geschiedene Klägerin, die mit Horst M. (M.) zusammenlebt, meldete sich am 19. Juni 1985 arbeitslos und beantragte die Wiedergewährung von Alhi. Bei einer Vorsprache beim Arbeitsamt am 22. August 1985 erklärte die Klägerin, nicht bereit zu sein, den seinerzeit der Beklagten noch nicht bekannten Namen des M. anzugeben und Unterlagen über sein Einkommen vorzulegen. Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin schriftlich auf, ergänzend zu ihren bisherigen Angaben bis zum 9. September 1985 Einkommensnachweise über das Nettoeinkommen ihres Lebenspartners einzureichen. Das Schreiben enthielt den Hinweis, daß die Leistung gemäß §°66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB 1) ganz oder teilweise versagt werden könne, wenn die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nach §§°60 ff. SGB 1 nicht nachkomme (Schreiben vom 27. August 1985). Nach Ablauf der Frist versagte die Beklagte die Alhi gemäß §°66 Abs. 1 SGB 1, weil die Klägerin die verlangten, für die Berechnung der Alhi noch erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt habe, die sich die Beklagte auch nicht selbst verschaffen könne (Bescheid vom 12. September 1985). Mit dem Widerspruch nannte die Klägerin den Namen des M. Sie erklärte jedoch, nicht in der Lage zu sein, eine Verdienstbescheinigung vorzulegen und die Einkommensverhältnisse nicht genau zu kennen. Die Beklagte möge sich an M. wenden, der bereit sei, die Einkommensverhältnisse offenzulegen, wenn ihr die Rechte eingeräumt würden, die einer Ehefrau in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung und bei der Besteuerung zustehen. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober1985).
Die Klage, mit der die Klägerin neben der Aufhebung der ergangenen Bescheide die Verurteilung der Beklagten, ihr für die Zeit vom 19. Juni bis 31 . August 1985 Alhi zu gewähren, beantragt hatte, hat das Sozialgericht (SG) unter Zulassung der Berufung als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 13. Mai 1986). Die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 13. März 1987).
Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, nach §°66 Abs. 1 SGB 1 könne eine Sozialleistung bis zur Nachholung der Mitwirkung versagt werden, wenn derjenige, der die Leistung beantragt habe, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§°60 - 62, 65 SGB 1 nicht nachkomme und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert werde. Nach §°60 Abs. 1 Nr. 1 SGB 1 habe, wer Sozialleistungen beantrage, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich seien. Erheblich sei das Einkommen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebe; denn dieses sei wie das Einkommen eines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen (§§°137, 138 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz - AFG-). Das ergebe sich für die Zeit vor dem 1. Januar 1986 aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juli 1984. Hiernach habe die Klägerin ihre Mitwirkungspflicht verletzt, weil sie Angaben über das Einkommen ihres Partners innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht gemacht habe. Die Klägerin habe in der fraglichen Zeit in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gelebt. Hierfür genüge es, wenn zwischen einem Manne und einer Frau eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft der Art bestehe, daß "aus einem Topf gewirtschaftet werde". Von einer solchen Gemeinschaft sei auszugehen. Die Klägerin wohne mit M. bereits seit 1983 zusammen, sie habe ihn als ihren "Verlobten" bezeichnet, beim Zuzug zu M. eine Sperrzeit in Kauf genommen und ausdrücklich zugestanden, daß sie in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe. Unerheblich sei, ob die Klägerin schuldhaft gehandelt habe. Die Mitwirkung des Leistungsberechtigten lasse sich nicht mit Zwangsmitteln durchsetzen. Wirke der Antragsteller daher nicht in angemessener und zumutbarer Weise mit und verhindere er dadurch die Feststellung notwendiger Anspruchsvoraussetzungen, so setzte er selbst einen unmittelbaren Anlaß dafür, daß ihm die Leistung nicht bewilligt werden könne.
Er müsse es dann hinnehmen, daß die Leistung solange versagt werde, bis er zu der zumutbaren Mitwirkung bereit sei. Mit ihrem Begehren, Einkommensnachweise des M. vorzulegen, habe die Beklagte nicht die in § 65 SGB 1 näher umschriebenen Grenzen des Mitwirkungsbegehrens überschritten. Es dürfe nicht etwas begehrt werden, was der Antragsteller nicht angeben könne und dürfe. Es sei indessen davon auszugehen, daß die Klägerin tatsächlich in der Lage gewesen sei, die Einkommensverhältnisse des M. anzugeben. Sie lebe mit ihm vier Jahre ununterbrochen zusammen. Deshalb wisse sie genau, wo und in welchem Beruf er arbeite. Von daher sei sie bereits in der Lage, ungefähre Angaben über die Höhe des Einkommens zu machen. Auch sei davon auszugehen, daß ihr nach etwa vier Jahren Gemeinsamkeit die Lebensumstände des M., sein Lebensstandard und der Umfang des in die Lebensgemeinschaft eingebrachten Geldwertes bekannt sei. Zwar habe die Beklagte Einkommensnachweise begehrt, die Klägerin habe aber - auch von ihrem Bildungsstande her - deutlich sein müssen, daß es der Beklagten nur darum gegangen sei, wahrheitsgemäße Angaben über die Höhe des Einkommens des M. zu erhalten. Gerade diese habe die Klägerin jedoch beharrlich verweigert, wie sich aus ihren Angaben bei der Beklagten ergebe. Es sei auch zuzumuten und nicht unangemessen gewesen, von der Klägerin die Auskunft zu verlangen. Vor dem 1. Januar 1986 habe die Beklagte keine Möglichkeit gehabt, den M. selbst oder seinen Arbeitgeber zur Feststellung der Voraussetzungen des § 134 AFG in Anspruch zu nehmen. Die fehlende Mitwirkung der Klägerin habe die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, während des Klage- oder Berufungsverfahrens nach Inkrafttreten der durch Art. 1 Nr. 37 des Gesetzes vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I 2484) eingefügten Absätze 4 - 5 des § 144 AFG die Höhe des Einkommens von dem Partner der Klägerin oder dessen Arbeitgeber zu erfragen; denn wenn die Mitwirkung innerhalb der gesetzten Frist verweigert und dadurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert worden ist, könne die Leistung ohne weitere Ermittlungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagt werden. Dies rechtfertige sich daraus, daß die Versagung nach § 66 SGB 1 nicht endgültig sei; die Klägerin habe es somit selbst in der Hand, sich die Voraussetzungen für die Gewährung der Alhi dadurch zu schaffen, daß sie nunmehr die Höhe der Einkünfte des M. angebe. Schließlich habe die Beklagte auch die formellen Voraussetzungen des § 66 SGB 1 beachtet. Sie habe die Klägerin bereits am 27. August 1985 darauf aufmerksam gemacht, daß die Leistung ganz oder teilweise versagt werden könne, wenn sie den Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 ff. SGB 1 nicht nachkomme. Dieser nach § 66 Abs. 3 SGB 1 zwingend erforderliche Hinweis habe mit der Freisetzung verbunden werden dürfen. Die gesetzte Frist sei auch angemessen lang, zumal die Klägerin bereits vorher schriftlich erklärt habe, sie sei nicht bereit, die Einkommensverhältnisse des M. offenzulegen.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, daß entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG vor dem 1. Januar 1986 nicht auf Partner eheähnlicher Gemeinschaften anzuwenden sei, was sie im einzelnen begründet hat.
Die Klägerin hat ihren Leistungsantrag zurückgenommen. Sie beantragt noch, die Urteile des SG und des LSG sowie die ergangenen Bescheide aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verweist im wesentlichen auf die Ausführungen des LSG, die sie für zutreffend hält.
II
Die Revision der Klägerin ist, nachdem ihr Antrag auf Verurteilung der Beklagten, Alhi zu gewähren, zurückgenommen worden ist, in vollem Umfang begründet.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der isolierten Anfechtung des Bescheids vom 12. September 1985 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Oktober 1985 bestehen nicht. Die Vorschrift des § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG), nach der mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsaktes gleichzeitig die Leistung verlangt werden kann, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht, findet keine Anwendung. Diese setzt nämlich voraus, daß die Verwaltung gerade über die begehrte Leistung entschieden hat, hier also über die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi. Davon kann indes keine Rede sein, wenn die Verwaltung gemäß § 66 SGB 1 bis zur Nachholung der Mitwirkung eine Leistung versagt, weil der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Eine solche Entscheidung setzt nämlich nicht voraus, daß die Anspruchsvoraussetzungen der geltend gemachten Sozialleistung nicht erfüllt sind. Der § 66 Abs. 1 SGB 1 erlaubt es dem Leistungsträger gerade, "ohne weitere Ermittlungen", also ohne abschließende Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen, bis zur Nachholung der Mitwirkung die Leistung zu versagen. Maßgeblich ist allein, ob die in § 66 SGB 1 geregelten Voraussetzungen bei dem Erlaß des Versagungsbescheides gegeben waren (BVersGE 71, 8, 11 = Buchholz 435.11 § 66 Nr. 1). Mit der Versagung der Alhi mangels Mitwirkung hat die Beklagte eine Entscheidung getroffen, die sich ihrem Wesen nach von der Ablehnung des Leistungsanspruchs wegen des Fehlens einer Anspruchsvoraussetzung unterscheidet. Der Unterschied wird auch an dem unterschiedlichen Ausmaß der Bestandskraft deutlich. Anders als die Ablehnung einer Leistung wegen des Fehlens einer Anspruchsvoraussetzung ist die Versagung nämlich nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB 1 ausdrücklich "bis zur Nachholung der Mitwirkung" begrenzt und, weil der Leistungsträger versagte Leistungen nach Mitwirkung nachträglich erbringen kann (§ 67 SGB 1), auch für die Zeit bis zur Nachholung vorläufiger Natur. Dies hat zur Folge, daß die Anfechtung einer Versagung grundsätzlich nicht mit einer Leistungsklage verbunden werden kann, die Versagung vielmehr allein mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist, wie der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) entschieden hat, so daß sich der gerichtliche Überprüfung eines auf § 66 SGB 1 gestützten Bescheids auf die in dieser Vorschrift bestimmten Voraussetzungen für die Versagung der Leistung zu beschränken pflegt (vgl. Urteil vom 24. November 1987 - 3 RK 11/87 -, nicht veröffentlicht; ferner BVerwG 71, 8, 11 = Buchholz 435.11 § 66 Nr. 1; LSG Berlin Breithaupt 1987, 514). Ob etwas anderes dann gilt, wenn eine Leistung mangels Mitwirkung versagt wird, obwohl der Leistungsträger einräumt, daß schon alle Leistungsvoraussetzungen anderweit nachgewiesen sind (BVerwG a.a.O.), oder wenn der Kläger behauptet, daß dies der Fall gewesen sei (BSG a.a.O.), bedarf hier keiner Entscheidung.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Versagung der Alhi im vorliegenden Falle nicht durch § 66 SGB 1 gedeckt.
Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB 1 kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen bis zur Nachholung der Mitwirkung die Leistung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind, wenn derjenige, der wie die Klägerin eine Sozialleistung beantragt, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB 1 nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, indem sie keine Angaben über das Einkommen des M. gemacht hat. Zu entsprechenden Angaben war die Klägerin verpflichtet. Was die Revision dagegen einwendet, geht fehl.
Wer Sozialleistungen beantragt, hat alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB 1). Anzugeben ist bei einem Antrag auf Alhi auch das Einkommen einer Person, mit der der Arbeitslose in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt; denn wie das Einkommen des von dem Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten ist im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung als Einkommen das Einkommen das Partners zu berücksichtigen. Zwar sah das AFG in der hier maßgebenden, bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Fassung in seinem Wortlaut das noch nicht vor. Aus Gründen des aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abzuleitenden verfassungsrechtlichen Verbots, Arbeitslose, die mit ihren Ehegatten zusammenleben, gegenüber Arbeitslosen zu benachteiligen, die in gleicher Weise mit einem nicht mit ihnen verheirateten Partner zusammenleben und wirtschaften, findet bis zum Inkrafttreten des durch das Siebte Änderungsgesetz zum AFG vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I 2484) eingeführten § 137 Abs. 2a AFG ab 1. Januar 1986 die Regelung des § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG über die Berücksichtigung des Einkommens des von dem Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten auf Partner eheähnlicher Gemeinschaften entsprechend Anwendung, wie der Senat in dem Urteil vom 24. März 1988 - 7 RAr 81/86 - SozR 4100 § 138 Nr. 17 entschieden hat. Auf dieses, beiden Beteiligten bekannte Urteil, dem sich der 11. Senat des BSG angeschlossen hat (Urteil vom 14. Juli 1988 - 11/7 RAr 53/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen), wird wegen der Begründung im einzelnen verwiesen. Die Klägerin hatte daher Angaben über das Einkommen des M. zu machen, mit dem sie nach den den Senat mangels jeglicher diesbezüglicher Revisionsrügen bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) in einer eheänlichen Gemeinschaft lebt.
Die sich hier aus § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB 1 i.V.m. § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG, Art. 3 und 6 GG ergebende Verpflichtung der Klägerin, Angaben über das Einkommen des M. zu machen, wird durch die in § 65 SGB 1 gezogenen allgemeinen Grenzen der Mitwirkungspflicht nicht beeinträchtigt. Zugunsten der Klägerin läßt sich weder einwenden, daß die geforderte Angabe des Einkommens in keinem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Alhi steht (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB 1), noch, daß der Klägerin aus einem wichtigen Grunde die Angabe nicht zugemutet werden könne (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB 1). Nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG war die Klägerin in der Lage, jedenfalls ungefähre Angaben über die Höhe des Einkommens zu machen, sie brauchte sich also nicht erst Erkenntnisse hierüber zu verschaffen. Es stellt sich daher nicht die Frage, ob die Beklagte sich durch einen geringeren Aufwand als die Klägerin die erforderliche Kenntnis beschaffen konnte (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB 1).
Die Klägerin ist also ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, indem sie das Einkommen des M. nicht angegeben hat. Wie auf der Hand liegt, ist hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert worden, zumal eine Anfrage der Beklagten an M. ausweislich der Angaben der Klägerin von vornherein zwecklos erscheinen mußte. Das Fehlen von Kenntnissen über das Einkommen des M. betraf nicht nur die Höhe des Anspruchs auf Alhi. Es hatte vielmehr zur Folge, daß zweifelhaft bleiben mußte, ob der Klägerin überhaupt ein Anspruch auf Alhi zusteht. Ein Anspruch auf Alhi würde der Klägerin z.B. nicht zustehen, wenn das Einkommen des M., das nach dem Maßstab des § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG zu berücksichtigen ist, die Alhi nach § 136 AFG erreicht oder übersteigt; denn in einem solchem Fall fehlt es an der Voraussetzung der Bedürftigkeit (§ 134 Abs. 1 Nr. 3, § 137 Abs. 1 AFG). Die Beklagte wäre daher nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB 1 an sich berechtigt, die beantragte Alhi ohne weitere Ermittlungen ganz zu versagen. Der Versagung steht im vorliegenden Falle jedoch, was die Vorinstanzen verkannt haben, § 66 Abs. 3 SGB 1 entgegen.
Nach dieser Vorschrift dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Das LSG hat gemeint, diese formellen Voraussetzungen für die Versagung seine hier beachtet worden, weil die Klägerin in dem Schreiben vom 27. August 1985 einen entsprechenden Hinweis erhalten habe und ihr gleichzeitig eine im gegebenen Falle angemessen lange Frist gesetzt worden sei. Dieser Beurteilung vermag der Senat nicht zu folgen. Es mach zutreffen, daß gegen die Frist nicht einzuwenden ist. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob schon zu beanstanden ist, daß die Beklagte von der Klägerin in dem Schreiben "Einkommensnachweise über das Nettoeinkommen des M." verlangt hat, obwohl es der Beklagten, wie das LSG festgestellt hat, nur um wahrheitsgemäße Angaben über die Höhe des Einkommens ging. Die ausgesprochene Versagung der Alhi ist jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die Klägerin nicht, wie dies nach § 66 Abs. 3 SGB 1 erforderlich ist, schriftlich auf die in ihrem Fall zu erwartende Folge der Nachtangabe des Einkommens des M. hingewiesen worden ist.
Der in § 66 Abs. 3 SGB 1 vorgesehene vorherige Hinweis ist eine zwingende Voraussetzung der Versagung. Es soll sicherstellen, daß der Betroffene in Kenntnis der ihm drohenden Folgen seine Haltung überdenkt und durch die spätere Entscheidung nach § 66 SGB 1 nicht überrascht wird. Der Hinweis darf sich daher, wie der Senat schon entschieden hat, nicht auf die Wiederholung des Gesetzeswortlauts oder Belehrungen allgemeiner Art beschränken (BSG SozR 4100 § 132 Nr. 1). Er muß vielmehr anhand der dem Leistungsträger durch § 66 Abs. 1 und 2 SGB 1 eingeräumte Entscheidungsmöglichkeiten unmißverständlich und konkret die Entscheidung bezeichnen, die im Einzelfall beabsichtigt ist, wenn der Betroffene dem Mitwirkungsverlangen innerhalb der gesetzten Frist nicht nachkommt (vgl. BSG a.a.O. m.w.N.). Im vorliegenden Falle ist solange, als das Einkommen des M. nicht feststeht, zweifelhaft, ob der Klägerin überhaupt ein Anspruch auf Alhi zusteht. Da deshalb allein die völlige Versagung der Alhi in Betracht kam, hätte die Beklagte darauf hinweisen müssen, daß sie die Alhi gemäß § 66 SGB 1 ganz versagen werde, wenn die Klägerin die geforderten Angaben über das Einkommen des M. nicht innerhalb der gesetzten Frist mache. Das ist hier nicht geschehen. Der gegebene Hinweis, daß die Leistung gemäß § 66 SGB 1 ganz oder teilweise versagt werden könne, wenn die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. SGB 1 nicht nachkomme, beschreibt lediglich mit den Worten des Gesetzes die rechtlichen Möglichkeiten, die dem Leistungsträger in Fällen dieser Art durch § 66 Abs. 1 SGB 1 eingeräumt worden sind. Er läßt jedoch weder eine Absicht der Beklagten erkennen, nach Ablauf der Frist nach § 66 SGB 1 zu verfahren, noch, welches Ausmaß die Versagung im Falle der Klägerin haben werde. Ein solcher Hinweis gewährleistet daher nicht, daß der Betroffene in Kenntnis der ihm drohenden Folgen seine Haltung überdenkt.
Es ist unerheblich, ob die Klägerin am 22. August 1985, als sie beim Arbeitsamt erklärte, nicht bereit zu sein, den Namen des M. anzugeben und Unterlagen über sein Einkommen vorzulegen, darüber belehrt worden ist, daß die Alhi bei Nichtangabe des Einkommens des M. gemäß § 66 SGB 1 gänzlich versagt werde. Der § 66 Abs. 3 SGB 1 verlangt ausdrücklich einen schriftlichen Hinweis und deshalb ist nur maßgeblich, ob der schriftliche Hinweis unmißverständlich und konkret die im Einzelfalle drohenden Folgen der weiteren Nichtmitwirkung bezeichnet.
Die Verletzung der revisiblen Vorschrift des § 66 Abs. 3 SGB 1, zu der der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Gelegenheit gegeben worden ist, Stellung zu nehmen, hat der Senat zu berücksichtigen, auch wenn die Klägerin ihre Revision allein darauf gestützt hat (§ 164 Abs. 2 Satz 3 SGG), daß § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG vor dem 1. Januar 1986 nicht auf Partner eheänlicher Gemeinschaften anzuwenden sei; denn das Revisionsgericht ist an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden (§ 202 SGG, § 559 Abs. 2 Zivilprozeßordnung). Die Prüfung, ob ein angefochtenes Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, erfolgt, sofern nicht Verfahrensverletzungen im Raum stehen, entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretenden Meinung ohne Rücksicht auf den Grund, mit dem das Rechtsmittel begründet worden ist (vg. dazu auch das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des Senats vom 24. August 1988 - 7 RAr 36/87 -).
Mangels vorhergehenden ausreichenden schriftlichen Hinweises kann der angefochtene Bescheid daher keinen Bestand haben. Nach dessen Aufhebung hat die Beklagte über den Antrag auf Alhi zu entscheiden. Dabei bleibt es ihr unbenommen, falls die Klägerin weiterhin Angaben über das (frühere) Einkommen des M. verweigert, nach §§ 66 SGB 1 zu verfahren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei berücksichtigt worden ist, daß die Klägerin durch ihren anfänglich weitergehenden Klageantrag keine besonderen Kosten verursacht hat und die Rechtslage insoweit noch nicht geklärt war. 7 RAr 70/87
1988-10-25BSG
Verkündet am 25. Oktober 1988
Bundessozialgericht
Fundstellen