Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherungsrecht. Keine Anwendung des Fertigarzneimittels “Cabaseril” bei Restless-Legs-Syndrom auch im Rahmen des Off-Label-use. Restless-Legs-Syndrom stellt keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung dar. Kein Anspruch auf Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs bei Geltendmachung hochgradiger akuter Suizidgefahr
Leitsatz (redaktionell)
- Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs 1 S. 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 S. 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (stRspr); eine Zulassung in diesem Sinne besteht nur, wenn das Arzneimittel die Zulassung gerade für dasjenige Indikationsgebiet besitzt, in dem es im konkreten Fall eingesetzt werden soll.
- Der Off-Label-Use eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn es um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn keine andere Therapie verfügbar ist und wenn aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (Zulassungsreife) (stRspr).
- Das zulassungspflichtige Cabaseril® ist lediglich zur Behandlung des Morbus Parkinson zugelassen; für das Indikationsgebiet Restless-legs-Syndrom (RLS) fehlt es daher an einer arzneimittelrechtlichen Zulassung; mangels Zulassungsreife ist auch ein Off-Label-Use derzeit nicht möglich.
- Das Indikationsgebiet RLS kann trotz seiner schweren Ausprägung nicht mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden.
- Hochgradige akute Suizidgefahr bei Versicherten bewirkt grundsätzlich nicht, dass sie Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der GKV beanspruchen können; sie begründet regelmäßig nur einen Anspruch auf ihre spezifische Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie.
Normenkette
SGB V § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 3 S. 1, § 27 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1, 3, § 31 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. September 2005 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17. Juli 2003 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Cabaseril® außerhalb seines zugelassenen Indikationsbereichs.
Der im Jahre 1939 geborene Kläger, bei der beklagten Ersatzkasse gesetzlich krankenversichert, leidet am Restless Legs Syndrom (RLS). Diese nicht seltene, chronische Erkrankung ungeklärter Ursache bewirkt ziehende Schmerzen und Unruhe vor allem in den Beinen sowie häufig auftretende unwillkürliche Beinbewegungen mit Weckreaktionen. Beim Kläger führt das RLS dazu, dass er nachts aufwacht und auch tagsüber Beschwerden hat. Die Standardtherapie mit dem für diese Indikation zugelassenen Medikament Restex® (Wirkstoff Levodopa und Benserazid) verlor trotz Überdosierung im Laufe des Jahres 2002 ihre Wirkung. Der Kläger beantragte deshalb mit Schreiben vom 30. Oktober 2002 unter Vorlage einer Bescheinigung seines behandelnden Neurologen und Psychiaters bei der Beklagten, ihn mit dem nur für die Behandlung der Parkinson-Krankheit arzneimittelrechtlich zugelassenen Fertigarzneimittel Cabaseril® (Wirkstoff Cabergolin) zu versorgen. Dies lehnte die Beklagte, gestützt auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ab (Bescheid vom 23. Dezember 2002; Widerspruchsbescheid vom 25. April 2003). Mit seiner Klage zum Sozialgericht (SG) ist der Kläger erfolgreich gewesen (Urteil vom 17. Juli 2003). Das Landessozialgericht (LSG) hat die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten nach weiteren Ermittlungen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wurde, den Kläger künftig nach ärztlicher Verordnung mit Cabaseril® zu versorgen. Es hat die Voraussetzungen einer die Zulassung überschreitenden Pharmakotherapie (Off-Label-Use) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als erfüllt angesehen, obwohl Cabaseril® für die RLS-Therapie mangels einer klinischen Prüfung der Phase III die arzneimittelrechtliche Zulassungsreife fehle. Denn außerhalb eines Zulassungsverfahrens seien geringere, hier erfüllte Anforderungen an die Aussicht auf einen Behandlungserfolg zu stellen. Die Arzneimittelsicherheit sei gewährleistet, weil die Langzeitverträglichkeit beim Einsatz gegen die Parkinsonerkrankung ausreichend überprüft worden sei. Auch bestehe ein Konsens in einschlägigen Fachkreisen (Urteil vom 20. September 2005).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 31 Abs 1, § 2 Abs 1 Satz 3 und § 12 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Aufgrund der Datenlage könne nicht von einer begründeten Aussicht auf einen Behandlungserfolg mit Cabaseril® ausgegangen werden. Wegen der Zulassung der Arzneimittel Sifrol®, Mirapexin® (Wirkstoff Pramipexol) und Adartel® (Wirkstoff Ropinirol) zur Behandlung des RLS im April und Mai 2006 sei eine andere Therapie verfügbar. Ein Off-Label-Use sei nur mit dem Präparat möglich, für das die aussagekräftigsten Forschungsergebnisse vorlägen und das Zulassungsverfahren bereits am weitesten fortgeschritten sei. Das LSG habe die Schwelle für den wissenschaftlichen Nachweis zu niedrig angesetzt, dies mit der Gefahr, dass Gerichtsverfahren de facto zu Ersatzzulassungsverfahren werden könnten.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. September 2005 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17. Juli 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist darauf hin, dass Sifrol® bei ihm weniger Wirkungen entfalte als Cabaseril®; Ropinirol habe er noch nicht eingenommen.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Beklagte zu Unrecht antragsgemäß verurteilt, denn der Kläger kann von der Beklagten nicht die Versorgung mit Cabaseril® (Wirkstoff Cabergolin) aus § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V verlangen. Die Urteile des LSG und des SG sind deshalb aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.
1. Die Voraussetzungen eines hier allein streitigen Sachleistungsanspruchs auf Cabaseril® sind nicht erfüllt, weil es nicht zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen zu erbringen haben. Für den Einsatz des Arzneimittels Cabaseril® bei dem Kläger fehlt es insoweit an einer arzneimittelrechtlichen Zulassung (dazu a). Auch ein Ausnahmefall, in dem sich der Sachleistungsanspruch nach allgemeinen Grundsätzen (dazu b) oder aufgrund verfassungskonformer Auslegung (dazu c) auf Fertigarzneimittel im Bereich des sogenannten Off-Label-Use erstreckt, liegt nicht vor.
a) Das Fertigarzneimittel Cabaseril® bedarf zur Anwendung bei dem Kläger grundsätzlich der arzneimittelrechtlichen Zulassung für das Indikationsgebiet, in dem es von ihm angewendet wird, um dem Leistungskatalog der GKV zu unterfallen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 3, § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs 1 Arzneimittelgesetz ≪AMG≫) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (stRspr, vgl zuletzt Senatsurteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/04 R – D-Ribose, RdNr 22 mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen; Senatsurteil vom heutigen Tage – B 1 KR 1/06 R – Ilomedin®, zur Veröffentlichung vorgesehen). So liegt es hier. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung in diesem Sinne besteht nur, wenn das Arzneimittel die Zulassung gerade für dasjenige Indikationsgebiet besitzt, in dem es im konkreten Fall eingesetzt werden soll. Das zulassungspflichtige Cabaseril® hat weder in Deutschland noch EU-weit die erforderliche Arzneimittelzulassung für das Indikationsgebiet RLS, für das es von dem Kläger eingesetzt werden soll, sondern ist lediglich in Deutschland zur Behandlung des Morbus Parkinson zugelassen. Das genügt nicht, um von einer Anwendung im Bereich der arzneimittelrechtlichen Zulassung auszugehen.
b) Der Kläger kann Cabaseril® auch nicht nach den Grundsätzen des sogenannten Off-Label-Use beanspruchen. Um einen Seltenheitsfall, der sich einer systematischen Erforschung entzieht (vgl dazu Senat, BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 21 – Visudyne®), handelt es sich nicht. Nach der Rechtsprechung des Senats (grundlegend BSGE 89, 184, 191 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36 – Sandoglobulin®) kommt im Übrigen die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet grundsätzlich nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
Der Kläger leidet an einer schwerwiegenden Erkrankung im Sinne der ersten Voraussetzung, weil er damit in seinem Tagesablauf auf Dauer und nachhaltig beeinträchtigt ist. Allerdings kann nicht jede Art von Erkrankung den Anspruch auf eine Behandlung mit dazu nicht zugelassenen Arzneimitteln begründen, sondern nur eine solche, die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest (vgl näher Senat, Urteil vom heutigen Tage, – B 1 KR 1/06 R – Ilomedin®). Denn der sogenannte Off-Label-Use bedeutet, Arzneimittel ohne die arzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit und Qualität einzusetzen, die in erster Linie Patienten vor inakzeptablen unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit schützen soll (vgl hierzu Senat BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN – Wobe-Mugos E). Ausnahmen können nur in engen Grenzen aufgrund einer Güterabwägung anerkannt werden, die der Gefahr einer krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher Zulassungserfordernisse entgegenwirkt, die Anforderungen des Rechts der GKV an Qualität und Wirksamkeit der Arzneimittel (§ 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V) beachtet und den Funktionsdefiziten des Arzneimittelrechts in Fällen eines unabweisbaren, anders nicht zu befriedigenden Bedarfs Rechnung trägt (vgl BSGE 89, 184, 190 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 34 ff; BSGE 95, 132 RdNr 17 f = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 24 f mwN; von Wulffen, Festschrift für Wiegand, 2003, 161, 174; Hauck, Arzneimittel & Recht ≪A&R≫ 2006, 147, 148 f). Das nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) beim Kläger in mittelgradiger Form bestehende RLS mit Durchschlafstörungen, Unruhezuständen tagsüber und daraus resultierenden erheblichen Beeinträchtigungen entspricht diesen Anforderungen.
Ob es auch im Sinne der zweiten Voraussetzung an Behandlungsalternativen für den Kläger fehlt, bedarf keiner Entscheidung. Denn die dritte Voraussetzung für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV ist nicht erfüllt: Aufgrund der Datenlage besteht keine hinreichend begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Das LSG hat den Rechtsmaßstab für die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten im Ansatz nicht verkannt. Nach der von ihm zu Recht weiterhin zugrunde gelegten Rechtsprechung des Senats (BSGE 89, 184, 192 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36 – Sandoglobulin®) kann von hinreichenden Erfolgsaussichten dann ausgegangen werden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann angenommen werden, wenn entweder (a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder (b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
Diese Voraussetzungen knüpfen an die arzneimittelrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen der §§ 21 ff AMG an und berücksichtigen ua, dass für den Regelfall des § 22 Abs 2 AMG das Arzneimittel nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft und die angegebene therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller zureichend begründet sein muss (vgl im Einzelnen § 25 Abs 2 Nr 2 und 4 AMG), um mit den Zulassungsunterlagen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Mittels hinreichend darzutun. Mit dem unbestimmten Rechtsbegriff des “jeweils gesicherten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse” verweist der Gesetzgeber auf außerrechtliche Erkenntnisquellen, um sicherzustellen, dass die Zulassung im Interesse der Arzneimittelsicherheit auf der Grundlage des jeweils aktuellen Wissensstandes erfolgt.
Den außerrechtlichen Erkenntnisquellen und den ihre Ergebnisse rezipierenden Verwaltungsvorschriften hat die Rechtsprechung zum Arzneimittelzulassungsrecht (vgl Oberverwaltungsgericht ≪OVG≫ Berlin, Urteil vom 25. November 1999, Az: 5 B 11.98, juris Dokument Nr MWRE106300000) entnommen, dass sich die klinische Prüfung bis zur Zulassungserteilung regelmäßig in drei Phasen gliedert: Zunächst wird an einer kleinen Zahl gesunder Probanden die Verträglichkeit der Substanz beim Menschen untersucht mit ersten Informationen über Pharmakokinetik und Stoffwechsel. Rechtfertigen die Befunde dieser Phase I die weitere Untersuchung der Prüfsubstanz, wird in einer Phase II an einer begrenzten Zahl von etwa 100 bis 200 Patienten versucht, die pharmakodynamische Wirkung des Arzneimittels therapeutisch bzw diagnostisch zu objektivieren. Diese Studie dient dazu, Hinweise auf erwünschte und unerwünschte Wirkungen, die Indikationen und Kontraindikationen zu finden sowie die richtige Dosierung des Arzneimittels zu ermitteln.
Die gewonnenen Daten stellen die Grundlage für die Planung der Phase III-Studie dar; es sollen Erfahrungen in Bezug auf organisatorische Mängel des Studiendesigns für die Phase III gewonnen werden, um so das Design der kontrollierten Studie festlegen zu können. Die Phase III-Studie dient dem eigentlichen Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit und der Unbedenklichkeit der neuen Substanz, der Bestätigung der in der Phase II-Studie gefundenen Hinweise. Diese konfirmatorische Studie erfordert Versuche an einer großen Zahl von Patienten (in der Regel mehr als 200). Es sind Verum- und Kontrollkollektiv (Vergleichsgruppen mit und ohne Therapie mit der Testsubstanz) hinreichender Größe sowie eine randomisierte (nach dem Zufallsprinzip erfolgte) Zuteilung der Patienten zu den Behandlungsgruppen unverzichtbar. Der Vergleich dient der Unterscheidung der echten pharmakodynamischen Wirkungen von arzneistoffunabhängigen Effekten (vgl insgesamt OVG Berlin, aaO, juris RdNr 30 ff mwN; vgl auch zuletzt zB 3. Bekanntmachung zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln am Menschen vom 10. August 2006. Gemeinsame Bekanntmachung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte ≪BfArM≫ und des Paul-Ehrlich-Instituts, veröffentlicht im Internet unter www.bfarm.de ab 04. September 2006). Obwohl sich die Phasen der klinischen Prüfung überschneiden können, müssen nach diesen Grundsätzen stets alle drei Phasen durchlaufen werden. Ergibt die Überprüfung einer durchgeführten Studie – auch der Phase III – keinen hinreichenden Beleg für einen zu erwartenden Behandlungserfolg in diesem Sinne, ist regelmäßig die dritte Voraussetzung für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV nicht erfüllt.
An der erforderlichen Zulassungsreife der RLS-Therapie mit Cabaseril® fehlt es nach den Feststellungen des LSG. Zu einer abgeschlossenen, veröffentlichten Studie der Phase III ist es nicht gekommen. Dem LSG ist nicht zu folgen, soweit es aus dem Senatsurteil vom 19. März 2002 (BSGE 89, 184, 192 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36 – Sandoglobulin®) abgeleitet hat, gegenüber der Alternative (a), den notwendigen Erkenntnissen während eines Zulassungsverfahrens, fordere die Alternative (b) für die “Veröffentlichung von Erkenntnissen außerhalb eines Zulassungsverfahrens” ein geringeres, von der Cabergolin-Therapie erreichtes Niveau an wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Behandlungserfolg, um einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV zu ermöglichen. Die Alternative (b) ist hier allerdings deshalb in den Blick zu nehmen, weil die Zulassung für den Wirkstoff Cabergolin – als Mittel zur Behandlung des RLS – bisher nicht beantragt wurde. Im Rechtlichen ist indes klarzustellen, dass die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich ist. Der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zugrunde liegt und – wie dargelegt – in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht. Für den Schutz der Patienten ist es gleichgültig, ob die erforderlichen Erkenntnisse innerhalb oder außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens gewonnen worden sind (vgl auch Senat, Urteil vom heutigen Tage – B 1 KR 1/06 R – Ilomedin®). Aus dem vom LSG insoweit in Bezug genommenen in einem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ergangenen Beschluss des Senats vom 4. Januar 2005 – B 1 KR 81/03 B lässt sich Gegenteiliges nicht herleiten.
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts. Allerdings geht die Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 7/05 R – RdNr 17 ff, – Tomudex®, zur Veröffentlichung vorgesehen) davon aus, dass die Regelungen des Leistungsrechts der GKV zur Arzneimittelversorgung aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 – SozR 4-2500 § 27 Nr 5 = NZS 2006, 84 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164 – immunbiologische Therapie) einer verfassungskonformen Auslegung bedürfen, wenn Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, bei der die Anwendung der üblichen Standardbehandlung aus medizinischen Gründen ausscheidet und andere Behandlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. So liegt es hier indes nicht.
Das RLS des Klägers kann nämlich trotz seiner Ausprägung nicht mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden, wie es etwa für den Fall akut drohender Erblindung (vgl dazu Senat, BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1 – Visudyne®) zu erwägen wäre (vgl Senat, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/04 R – RdNr 31, – D-Ribose, zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen