Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 26.06.1990) |
SG Ulm (Urteil vom 08.12.1988) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Juni 1990 und das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 8. Dezember 1988 geändert. Neben der Entschädigung in Höhe von DM 30,– ist dem Kläger Auslagenersatz in Höhe von DM 1,10 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Kosten sind in allen Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Auf Aufforderung des Beklagten hat der Kläger einen Befundschein über einen seiner Patienten ausgefüllt (Formblatt 40 154 des Beklagten). Er verlangt vom Beklagten statt der ihm nach Nr 3 der Anlage zu § 5 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) erstatteten 30,– DM einen Betrag von 50,– DM nach der Nr 4. Er ist der Auffassung, daß er den höheren Anspruch habe, weil er in Erfüllung des Auftrages einen Ganzkörperstatus und einen kompletten Urinstatus erhoben und auf die Fragen nach der Kurfähigkeit sowie nach einer Veränderung der Schädigungsfolgen eine kurze gutachtliche Äußerung abgegeben habe. Nach § 8 ZuSEG seien ferner Portokosten von 0,80 DM, eine Schreibgebühr von 4,– DM sowie 0,30 DM für eine Abschrift für die eigenen Unterlagen zu vergüten.
Die gegen den ablehnenden Bescheid vom 1. August 1988 erhobene Klage hatte in erster und zweiter Instanz Erfolg. Beide Instanzen haben eine Entschädigung nach Nr 4 der Anlage zu § 5 ZuSEG in der ab 1. Januar 1987 geltenden Neufassung in Höhe des Mindestbetrages von 45,– DM für angemessen gehalten. Der Kläger habe sowohl bei der Beantwortung der Frage nach einer Veränderung der Schädigungsfolgen wie auch bei der Frage nach der Kurfähigkeit des Beschädigten als Sachverständiger eine kurze gutachtliche Äußerung abgegeben, weil das Formblatt sie verlange. Im übrigen sei eine entsprechend hohe Vergütung auch deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger eine außergewöhnlich umfangreiche Tätigkeit verrichtet habe; der Beschädigte sei gezielt untersucht worden. So habe die Aufforderung des Beklagten auch verstanden werden dürfen. Auch die verlangten Nebenkosten nach § 8 ZuSEG seien zu erstatten. Nach der ständigen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg geübten Entschädigungspraxis sei § 8 ZuSEG der alten Gesetzesfassung neben § 5 anzuwenden gewesen. Aus der Neufassung ergebe sich nichts anderes (Urteil des LSG vom 26. Juni 1990).
Der Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision, das LSG habe § 5 ZuSEG mißverstanden, wenn es allein das Ankreuzen der Frage nach Kurfähigkeit oder Veränderung von Schädigungsfolgen als gutachtliche Äußerung im Sinne der Nr 4 werte.
Er beantragt,
die Klage unter Abänderung der entgegenstehenden Urteile abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revsion zurückzuweisen.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist im wesentlichen begründet. Der Kläger hat keine Verrichtung im Sinne der Nr 4 der Anlage zu § 5 Satz 1 Halbs 1 ZuSEG (idF vom 9. Dezember 1986 – BGBl I 2326), das auch im Verfahren nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach § 21 Abs 3 letzter Satz Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) Anwendung findet, erbracht. Sein Anspruch auf Entschädigung richtet sich nach der Nr 3 dieser Anlage.
Der Kläger hat entgegen seiner Rechtsansicht durch das Ausfüllen eines Formblattes einen bloßen Bericht als sachverständiger Zeuge nach § 5 ZuSEG abgegeben, nicht dagegen eine – noch so kurze – gutachtliche Beurteilung als Sachverständiger. § 5 ZuSEG betrifft sowohl die Tätigkeit von Sachverständigen als diejenige von sachverständigen Zeugen. Nur die Leistungen der Sachverständigen fallen jedoch unter die Nr 4 der Anlage.
Der Zeuge hat eigene Wahrnehmungen von vergangenen Tatsachen und Zuständen zu bekunden, der sachverständige Zeuge auch solche, für die eine besondere Sachkunde, hier die medizinisch-ärztliche, erforderlich ist. Hierauf hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 11. November 1987 (SozR 1925 § 8 Nr 1 mwN) hingewiesen. Soweit der Kläger aus seinen Aufzeichnungen Gesundheitsstörungen, derzeitige Medikation und auch die unbehinderte Gehfähigkeit, die unveränderten Schädigungsfolgen sowie die Kurfähigkeit des Patienten ankreuzte, hat er das Gesamtbild der Gesundheitsstörungen medizinisch eingeordnet, wofür – anders als bei einfachen Zeugen – eine besondere medizinisch-ärztliche Sachkunde erforderlich war. Dies ist aber noch keine gutachtliche Stellungnahme, sondern im wesentlichen eine wertende Wiedergabe ärztlicher Aufzeichnungen. Eine bloße Wiederholung von Aufzeichnungen könnte auch von einer Hilfskraft des Sachverständigen oder einer medizinisch überhaupt nicht vorgebildeten Schreibkraft anhand der Aktenunterlagen vorgenommen werden. Ein sachverständiger Zeuge hingegen teilt regelmäßig neben den reinen Tatsachen auch sachverständige Schlußfolgerungen mit (vgl OLG Frankfurt NJW 1952, 717 mwN aus der Rspr des Reichsgerichts). Der Kläger war hier zur Auskunft über frühere Wahrnehmungen, die er ohne Zusammenhang mit der von der Verwaltung zu treffenden Entscheidung gemacht hat, herangezogen worden; das kennzeichnet ihn als Zeugen (vgl BVerwG NJW 86, 2268 mwN). Sein Befundbericht enthält dementsprechend die Wiedergabe eigener fachlicher Wahrnehmungen mit einer gewissen bewertenden Auswahl sowie einer fachlichen Einordnung der betreffenden Wahrnehmungen.
Darüber hinausgehende Leistungen hat der Kläger nicht erbracht. Ein angekreuztes Kästchen enthält keine gutachtliche Äußerung; denn einer solchen Äußerung kommt neben der Wiedergabe der Wahrnehmung kein eigenständiges Gewicht zu. Auch eine kurze gutachtliche Äußerung muß gewissen Mindestanforderungen genügen (vgl hierzu BSG Urteil vom 7. August 1991 – 1/3 RK 26/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Dazu gehören, damit die Anforderungen der Nr 4 der Anlage zu § 5 ZuSEG erfüllt sind, die Angabe von Tatsachen, die Bewertung derselben und die Vermittlung der Schlußfolgerung, die aufgrund der spezifischen Erfahrungen, hier der medizinisch-ärztlichen, zu ziehen ist. Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, daß eine gutachtliche Äußerung die Elemente enthalten muß, die es ermöglichen, die Schlußfolgerungen nachzuvollziehen.
Die höhere Entschädigung ist dem Kläger auch nicht deshalb zuzubilligen, weil er infolge von Untersuchungen eine besonders umfangreiche Leistung erbracht hat. Zu einer solchen Untersuchung war der Kläger nicht aufgefordert worden. Eine behördliche Verlautbarung wie das Auftragsschreiben zum Befundschein ist so zu verstehen, wie dies verständige Empfänger unter Würdigung aller ihnen bekannten Umstände aufzufassen pflegen (BSG SozR 1925 § 5 Nr 1). Als Empfänger ist auf solche Ärzte abzustellen, die bei der Versorgung von Beschädigten mitwirken und zugleich nach dem ZuSEG tätig werden. Für diesen Personenkreis ist ersichtlich die Anforderung eines Befundscheins nicht mit dem Auftrag verbunden, bestimmte Untersuchungen nur zu dem Zweck vorzunehmen, den Befundschein mit aktuellen Daten auszufüllen. Hier wird – ein Zeuge – nach erhobenen Befunden gefragt und nicht – ein Sachverständiger – aufgefordert, solche Befunde zu erheben. Auch wenn Unklarheiten einer Anforderung zu Lasten der Verwaltung gehen (vgl hierzu BSG SozR 1925 § 5 Nr 1), kann der Kläger mit seinem Anspruch nicht durchdringen. Unklarheiten sind nicht vorhanden; denn in der Anforderung wird zugleich auf den Entschädigungsrahmen des ZuSEG verwiesen. Das macht vollständig deutlich, daß ein Befundschein als besondere Form der schriftlichen Auskunft prinzipiell keine Untersuchungen verlangt.
Über die dem Kläger zugebilligte Entschädigung in Höhe von 30,– DM stehen ihm lediglich weitere 1,10 DM als Auslagenersatz zu.
Neben den Entschädigungen, die pauschal über die Anlage zu § 5 ZuSEG zu gewähren sind, gibt es Ersatz der Aufwendungen für Hilfskräfte und Schreibauslagen nach § 8 ZuSEG. Diese Vorschrift gilt aber nur für Sachverständige, nicht für Zeugen. Dieser Aufwendungsersatz kommt nur in Betracht, wenn für Gutachten eine Entschädigung – sei es auch die pauschale Entschädigung nach der Anlage zu § 5 ZuSEG – zu zahlen ist; dies hat der Senat bereits für das frühere Recht entschieden (vgl SozR 1925 § 8 Nr 1).
Wenn die Entschädigungsleistung nach § 5 ZuSEG pauschal begrenzt ist, besagt dies nichts über die sonstigen abrechnungsfähigen Sachverhalte, die im ZuSEG vorgesehen sind. Die Entschädigung nach der Anlage schließt nur den Rückgriff auf sonstige Entschädigungstatbestände, nicht aber den auf Auslagenersatz nach dem ZuSEG aus. Für den Aufwendungs- und Kostenersatz nach §§ 6 bis 11 ZuSEG ist aber zu unterscheiden, ob ein Zeuge oder ein Sachverständiger zu entschädigen ist. § 6 ZuSEG betrifft sowohl Zeugen als auch Sachverständige, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und denen nach billigem Ermessen eine höhere Entschädigung gewährt werden kann; §§ 7 und 8 ZuSEG gelten nur für Sachverständige; § 9 ZuSEG billigt Zeugen und Sachverständigen Fahrkosten und Wegegeld zu; auch die §§ 10 und 11 ZuSEG gelten für beide.
Die hier maßgebliche Fassung des § 5 ZuSEG verweist nicht mehr pauschal auf § 8 ZuSEG, wie dies zuvor gesetzlich geregelt war. Sachlich ist gegenüber dem früheren Rechtszustand keine Änderung eingetreten; hierin ist dem LSG zuzustimmen. Nach der Systematik des Gesetzes mußte man stets unterscheiden, ob es sich um die Entschädigung eines Sachverständigen und dessen Nebenkosten oder um die Entschädigung eines sachverständigen Zeugen und dessen zusätzliche Aufwendungen handelt. Nur der Sachverständige kann nach § 8 ZuSEG abrechnen. Soweit seine Sachverständigenleistung nach der Nr 4 der Anlage zu § 5 ZuSEG entschädigt wird, erhöht sich die Pauschale um Kosten für Hilfskräfte, Schreibauslagen usw. Geht es jedoch um einen Befundbericht, die schriftliche Aussage eines sachverständigen Zeugen, sind zusätzliche Aufwendungen nicht nach § 8 ZuSEG zu erstatten. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß sie in aller Regel einem Zeugen nicht entstehen. Allerdings ist ihre Abrechnung nicht völlig ausgeschlossen; sie können über § 11 ZuSEG als sonstige Aufwendungen geltend gemacht werden. Anders als der Sachverständige, dem stets Schreibauslagen zugebilligt werden, muß ein sachverständiger Zeuge, der einen Befundschein ausfüllt, die Notwendigkeit besonderer barer Auslagen nach § 11 ZuSEG nach Grund und Höhe nachweisen.
Schreibauslagen entstehen bei einem handschriftlich ausgefüllten Formular nicht. Denn mit Schreibauslagen ist nicht der Zeitaufwand gemeint, der nach § 2 ZuSEG abgegolten oder beim sachverständigen Zeugen nach der Anlage Nr 3 zu § 5 ZuSEG entschädigt wird. Der Zeitaufwand eines Zeugen ist Teil seiner Entschädigung. Portokosten können jedoch ebenso abgerechnet werden, wie die Kosten einer Fotokopie zur Vervollständigung der eigenen Unterlagen. Solange also der Beklagte keinen Freiumschlag beifügt und auch die Formularauskunft nicht in doppelter Ausfertigung zur Verfügung stellt, haben die sachverständigen Zeugen neben ihrem Entschädigungsanspruch nach Nr 3 der Anlage zu § 5 ZuSEG einen Auslagenersatzanspruch, der hier vom Kläger mit 1,10 DM beziffert und von den Vorinstanzen zu Recht zuerkannt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Rechtsstreit vornehmlich um die rechtliche Bewertung des Befundscheins geführt worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1175097 |
AusR 1998, 24 |