Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Familienversicherung, wie er durch das SGB 5 ausgestaltet ist, läßt eine landesbeamtenrechtliche Regelung ins Leere gehen, die den Vorrang der beamtenrechtlichen Sicherung während des Erziehungsurlaubs durchbricht (Anschluß an BSG vom 18.3.1999 - B 12 KR 13/98 R = SozR 3-2500 § 10 Nr 14).
Stand: 26. Juni 2000
Beteiligte
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Juli 1998 und das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25. August 1997 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander in allen drei Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist der Anspruch der beigeladenen Ehefrau des Klägers auf Familienversicherung während ihres Erziehungsurlaubs.
Die (zu 1) beigeladene Ehefrau des bei der Beklagten krankenversicherten Klägers ist Beamtin bei der (zu 2) beigeladenen Stadt K. Nach ihrer Entbindung am 6. August 1996 war die Beigeladene zu 1) nach Ablauf der Mutterschutzfrist am 2. Oktober 1996 in der Folgezeit bis zum 5. August 1998 in Erziehungsurlaub ohne Dienstbezüge. Erziehungsgeld wurde ihr während der ersten sechs Lebensmonate des Kindes gezahlt. Einen Anspruch auf Beihilfe während des Erziehungsurlaubs verneinte die Beigeladene zu 2). Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12. September 1996, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1996, die Aufnahme der Beigeladenen zu 1) in die Familienversicherung ab, da sie als Beamtin versicherungsfrei sei.
Der – auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Oktober 1996 - 4 RK 1/96 - (BSGE 79, 184 = SozR 3-2500 § 10 Nr 8) – gestützten Klage hat das Sozialgericht (SG) Köln mit Urteil vom 25. August 1997 stattgegeben und die Familienversicherung der Beigeladenen zu 1) ab dem 2. Oktober 1996 festgestellt. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Mit Urteil vom 23. Juli 1998 bestätigte das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die Familienversicherung der Beigeladenen zu 1), die nicht nach § 6 Abs 1 Nr 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) versicherungsfrei sei. Hierfür fehle es sowohl an einem Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge als auch an einer Beihilfeberechtigung. Diese sei durch die §§ 85a, 86 Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen (LBG NW) in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeschlossen.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 6 Abs 1 Nr 2 und § 10 Abs 1 Nr 3 SGB V. Die ab 1. Januar 1996 geltende Neufassung des § 85a Abs 2 Satz 3 und des § 86 Abs 5 (jetzt Abs 4) LBG NW könne nichts daran ändern, daß Angehörige des beamtenrechtlichen Versorgungssystems vom Anspruch auf Familienversicherung ausgeschlossen seien (Hinweis auf das Urteil des BSG vom 29. Juni 1993 - 12 RK 91/92 -, BSGE 72, 298 = SozR 3-2500 § 10 Nr 3). Auch nach dem Runderlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 1995 über Leistungen der Krankheitsfürsorge während des Urlaubs aus familiären Gründen oder des Erziehungsurlaubs ergebe sich der Rechtsanspruch auf Beihilfe. Der von der Beigeladenen zu 1) erklärte Verzicht auf Leistungen der Beihilfe hätte nur wirksam werden können, wenn ihr entsprechende Ansprüche zugestanden hätten. Das vom Kläger angezogene BSG-Urteil vom 23. Oktober 1996 betreffe nicht den vorliegenden Fall des Erziehungsurlaubs, sondern einen daran anschließenden Urlaub aus familiären Gründen unter Fortfall der Bezüge.
Die Beklagte beantragt,
die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und die Beigeladenen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des BSG vom 29. Juni 1993 für nicht übertragbar, weil die §§ 85a und 86 LBG NW später erlassen worden seien. Diese Bestimmungen dienten dem Schutz der Beamten im Erziehungsurlaub; es solle sichergestellt werden, daß sie einen vollen Krankenversicherungsschutz erlangten, welcher mangels Bezügen nicht aus einer privaten Krankenversicherung aufrechtzuerhalten sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist begründet.
Entgegen der Ansicht von SG und LSG ist die Beigeladene zu 1) nicht seit dem 2. Oktober 1996 bei der Beklagten familienversichert.
Für die Klage auf Feststellung der Familienversicherung fehlt dem Kläger als dem Stammversicherten nicht die Klagebefugnis (BSG vom 29. Juni 1993, BSGE 72, 292, 293 f = SozR 3-2500 § 10 Nr 2 S 3 f; 23. Oktober 1996, BSGE 79, 184, 185 f = SozR 3-2500 § 10 Nr 8 S 37; stRspr). Die Vorinstanzen sind zutreffend von einer verbundenen Anfechtungs- und Feststellungsklage ausgegangen, der auch das dafür geforderte Feststellungsinteresse nicht abgesprochen werden kann (§ 55 Abs 1 Halbsatz 2 SGG; vgl BSG vom 29. Juni 1993, BSGE 72, 292, 293 = SozR 3-2500 § 10 Nr 2 S 3 mwN). Zu dem Rechtsstreit um die Familienversicherung ist der betroffene Angehörige – hier die Ehefrau des Klägers – mit Recht notwendig beigeladen worden (§ 75 Abs 2 SGG; vgl BSG vom 29. Juni 1993, BSGE 72, 292, 294 = SozR 3-2500 § 10 Nr 2 S 4).
Der Senat vermag der Meinung nicht zu folgen, die Beigeladene zu 1) sei bereits während ihres Erziehungsurlaubs vom 2. Oktober 1996 bis 5. August 1998 gemäß § 10 Abs 1 SGB V als Ehefrau des stammversicherten Klägers bei der Beklagten familienversichert gewesen. Dieser Anspruch des Klägers läßt sich aus dem maßgebenden SGB V nicht herleiten. Die begehrte Familienversicherung ist nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V ausgeschlossen, weil die Beigeladene zu 1) als Beamtin nach § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V versicherungsfrei ist. Eine mit dem gesetzlich Krankenversicherten verheiratete Beamtin ist während ihres Erziehungsurlaubs auch dann nicht familienversichert, wenn eine Regelung im Beamtenrecht vorsieht, daß der grundsätzlich gegebene Beihilfeanspruch bei Bestehen eines „Anspruchs auf Familienhilfe” (betrifft die Familienversicherung) entfällt (BSG vom 18. März 1999 - B 12 KR 13/98 R -, SozR 3-2500 § 10 Nr 14; Fortführung von BSGE 72, 298 = SozR 3-2500 § 10 Nr 3; Abgrenzung zu BSGE 79, 184 = SozR 3-2500 § 10 Nr 8). Dieser Rechtsprechung des 12. Senats des BSG schließt sich der erkennende Senat aufgrund eigener Überprüfung an.
Die von der Versicherung des Ehegatten – wie hier des Klägers – abgeleitete Familienversicherung eines Angehörigen (hier der Beigeladenen zu 1) ist gegenüber einer eigenen Sicherung des Angehörigen für den Fall der Krankheit grundsätzlich nachrangig. Diese Subsidiarität der Familienversicherung gilt sowohl bei einer eigenen Versicherung des Angehörigen in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V) als auch dann, wenn der Angehörige als Beamter einem anderen Sicherungssystem zugehört (Fall des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V). Der Beamtenstatus, der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherungsfreiheit begründet, wird dadurch geprägt, daß bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe besteht. Diese beamtenrechtliche Sicherung sieht das SGB V als gleichwertig mit der Sicherung der versicherungspflichtig Beschäftigten in der gesetzlichen Krankenversicherung an, die bei Krankheit einerseits Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber und anschließend Krankengeld sowie andererseits medizinische Leistungen durch die Krankenkasse erhalten. Folgerichtig schließt jede der eigenen Sicherungsformen des Angehörigen (Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung oder beamtenrechtliche Sicherung) die Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nach den vorgenannten Bestimmungen aus. Der (Bundes-)Gesetzgeber geht sowohl in der Krankenversicherung für versicherungspflichtige Arbeitnehmer als grundsätzlich auch im Beihilferecht für Beamte davon aus, daß während des Erziehungsurlaubs dasselbe Sicherungssystem zuständig ist wie vorher während der Ausübung der entgeltlichen Beschäftigung oder des Dienstes mit Dienstbezügen (BSG vom 18. März 1999 aaO S 60); dies gilt unbeschadet des Ausfalls von Entgelt bzw Dienstbezügen in dieser Phase (vgl BSG vom 29. Juni 1993, BSGE 72, 298, 300 = SozR 3-2500 § 10 Nr 3). Maßgebend dafür war, daß der beamtenrechtliche Sicherungsstatus in einer dem Erziehungsurlaub entsprechenden Weise fortbesteht und er mit dem einer krankenversicherungspflichtigen Arbeitnehmerin im Erziehungsurlaub gleichwertig ist (vgl § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V). Darauf, ob die Beamtin einen individuellen Anspruch auf Beihilfe hatte, hat das BSG nicht entscheidend abgestellt. Gesetzliche Krankenversicherung und Beihilferecht gehen nämlich gleichsinnig davon aus, daß während des Erziehungsurlaubs dasselbe Sicherungssystem zuständig ist wie vorher während der Ausübung der entgeltlichen Beschäftigung bzw des Dienstes mit Dienstbezügen. Auch die beamtenrechtliche Regelung stellt grundsätzlich sicher, daß Beamte während des Erziehungsurlaubs durch einen Anspruch auf Krankheitsfürsorge entsprechend den beihilferechtlichen Regelungen systemadäquat gesichert sind. Als Beamtin hat auch die Beigeladene zu 1) grundsätzlich „bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe” iS von § 6 Abs 1 SGB V; insoweit kommt es – entgegen der Ansicht des LSG – allein auf die statusbedingte Versicherungsfreiheit an (BSG vom 29. Juni 1993, BSGE 72, 298, 300 ff = SozR 3-2500 § 10 Nr 3 S 10 ff; vgl Kruse, SGb 1998, 641 ff). Von einer solchen Systementscheidung, daß beide Sicherungssysteme einander entsprechen, ist bei der Anwendung des § 10 SGB V grundsätzlich auszugehen (BSG vom 18. März 1999, aaO S 60).
Dies schließt es aus, bei der Anwendung der krankenversicherungsrechtlichen Regelung auf eine landesrechtliche Regelung des Beamtenrechts Rücksicht zu nehmen, die diese Rangfolge von beamtenrechtlicher Sicherung und Familienversicherung umkehren will. Dies würde dazu führen, daß während des Erziehungsurlaubs die gesetzliche Krankenversicherung ihre Versicherungspflichtigen als Mitglieder behält, der Staat aber seine Beamten der beitragsfreien Familienversicherung im System der gesetzlichen Krankenversicherung überlassen könnte. Für eine solche Durchbrechung der Systementscheidung fehlt es indessen an einer gesetzlichen Grundlage im SGB V. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Auffassung des 12. Senats des BSG an (BSG vom 18. März 1999, aaO S 60). Ein derartiger Übergriff auf die Familienversicherung zwecks Krankheitsfürsorge im Erziehungsurlaub des Beamten verfehlt die im SGB V getroffene Abgrenzung: Versicherungspflichtige Arbeitnehmer bleiben auch im Erziehungsurlaub Pflichtmitglied ihrer gesetzlichen Krankenkasse (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V), sind indessen beitragsfrei gestellt (§ 224 Abs 1 SGB V; da der Anspruch auf Krankengeld ruht ≪§ 49 Abs 1 Nr 2 SGB V≫, haben sie nur Anspruch auf die Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung). Wenn ein zuvor selbst pflichtversicherter Angehöriger in den Genuß der Familienversicherung erst nach dem Ende des Erziehungsurlaubs gelangen kann, steht die Familienversicherung für die Vergleichsgruppe verbeamteter Angehöriger – wie hier der beigeladenen Ehefrau – nicht bereits für den Erziehungsurlaub offen. Hierin liegt nicht zuletzt eine Konsequenz der oben ausgeführten Gleichwertigkeit des beamtenrechtlichen Sicherungssystems.
Wie der 12. Senat des BSG (Urteil vom 18. März 1999, aaO S 61) in Abgrenzung zum Urteil des 4. Senats vom 23. Oktober 1996 (BSGE 79, 184 = SozR 3-2500 § 10 Nr 8) bereits dargelegt hat, gilt etwas anderes für die (nach dem Erziehungsurlaub liegende) Zeit einer Beurlaubung aus familiären Gründen. Der enge zeitliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, Erwerbstätigkeit und Erziehungsurlaub im Hinblick auf die Fortführung der Pflichtmitgliedschaft gleichzustellen, ist dabei unterbrochen. Wenn die Fürsorgepflicht des Dienstherrn in dieser Phase wesentlich gemindert und daher nachrangig ist, entspricht dies wiederum dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung: Auch hier bleibt die Pflichtmitgliedschaft bei Arbeitnehmern, die über den Erziehungsurlaub hinaus unbezahlten Urlaub aus familiären Gründen nehmen, nicht mehr nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V erhalten. Diese Personen haben in der Regel lediglich das Recht, ihre bisherige Versicherung freiwillig fortzuführen, falls sie nicht familienversichert sind.
Damit besteht für diese Personen sowohl in der gesetzlichen Krankenversicherung als auch im Beamtenrecht die statusbedingte Zugehörigkeit zum bisherigen Sicherungssystem, die während des Erziehungsurlaubs noch gegeben war, während eines anschließenden Urlaubs aus familiären Gründen nicht mehr. Die in § 85a Abs 5 Satz 2 LBG NW statuierte Subsidiarität ua gegenüber dem Anspruch auf „Familienhilfe” (Familienversicherung) nach § 10 SGB V während der Zeit der Beurlaubung ohne Dienstbezüge trägt folglich – insoweit – der Systementscheidung Rechnung. Die Regelungen in den beiden Systemen der gesetzlichen Krankenversicherung und der Beamtenfürsorge zu vergleichen, ist materiell-rechtlich, wie gezeigt, auch deshalb geboten, weil die in § 6 SGB V gewährte Befreiung der Beamten von der Versicherungspflicht darauf beruht, daß deren sozialer Schutz im Krankheitsfalle dem der gesetzlichen Krankenversicherung prinzipiell gleichwertig ist; nur weil – und solange – den Beamten ein gleichwertiger Schutz geboten wird, kann ihre Schutzbedürftigkeit als Versicherungsgrund in der gesetzlichen Krankenversicherung verneint werden.
Entgegen der Ansicht des LSG gilt dies indessen noch nicht, soweit § 86 Abs 2 Satz 3 LBG NW (in seiner ab dem 1. Januar 1996 geltenden Fassung) die Subsidiaritätsregelung auch auf die Dauer des Erziehungsurlaubs erstreckt hat. Wenn sich das LSG insoweit von konzeptionellen Erwägungen des 4. Senats des BSG in seinem Urteil vom 23. Oktober 1996 aaO hat leiten lassen, ist dem entgegenzuhalten: Bei seiner Prüfung, ob die Beamtin während ihres Familienurlaubs gesichert war, was damals allein zum Streitgegenstand gehörte, brauchte sich der 4. Senat nicht damit auseinanderzusetzen, daß das SGB V für den Erziehungsurlaub eine unmittelbare Fortsetzung der Pflichtmitgliedschaft vorsieht; diese Ausstrahlung des statusbedingten Versicherungsschutzes in die Zeit des Erziehungsurlaubs ist richtungsweisend. Sie kann für die Beantwortung der Frage, ob die Familienversicherung subsidiär für den Fall von Erziehungsurlaub zur Verfügung steht, auch dann nicht ohne Bedeutung bleiben, wenn das Sicherungsrisiko in einem anderen sozialen Schutzsystem anfällt. Anders als im Ausgangsfall des 4. Senats ist ein Beamter im Erziehungsurlaub, dessen Beihilfeanspruch (und wenn auch nur „kraft Sonderregelung”) grundsätzlich fortbesteht, eben nicht auf den „Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung” angewiesen. Diesem Verhältnis zwischen Bundes- und Landesrecht trägt im übrigen der Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 1995 (MinBl NW 1996, 213) Rechnung.
Die vom BSG zur Familienversicherung im Erziehungsurlaub vertretene Lösung respektiert im übrigen die Grundsätze und Regelungen des beamtenrechtlichen Sicherungssystems. Die vom Streitgegenstand erfaßte Regelung in § 86 Abs 2 Satz 3 LBG NW wurde 1993 (zeitgleich mit der Übernahme der § 79a Abs 4 Bundesbeamtengesetz ≪BBG≫ entsprechenden Regelung für den Familienurlaub in § 85a Abs 5 LBG NW) – ausweislich der amtlichen Begründung (vgl Drucks 11/5042 des Landtags Nordrhein-Westfalen S 53 zu Nr 22) – in direkter Reaktion auf die Rechtsprechung des 12. Senats (Urteil vom 10. Mai 1990 - 12/3 RK 5/88 - USK 9008) erlassen, um ein Gleichheitsproblem zu lösen: Der Beamte im Erziehungsurlaub sollte zu Lasten der Familienversicherung von den nicht gedeckten Krankenversicherungskosten befreit und damit den Pflichtmitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt werden. Dem hat der Bund mit seiner Lösung in § 5 Abs 2 Erziehungsurlaubsverordnung des Bundes (idF des Gesetzes vom 29. Juni 1998, BGBl I 1666) Rechnung getragen. Hiernach werden dem Beamten im Erziehungsurlaub die Beiträge für seine beihilfekonforme private Kranken- und Pflegeversicherung ganz oder teilweise erstattet. Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, ob die Lösung des § 86 Abs 2 Satz 3 LBG NW mit der Verkürzung des Beihilfeanspruchs noch den Anforderungen an den „bundesweiten Beihilfestandard” genügt (vgl dazu BVerwG vom 28. November 1991, BVerwGE 89, 207, 211; 25. Juni 1987, BVerwGE 77, 345, 348). Soweit sich diese Regelung aber auf die Familienversicherung des SGB V bezieht, vermag sie – wie oben ausgeführt – keine Ansprüche der gesetzlichen Krankenversicherung auszulösen.
Der Senat kann weiter offenlassen, welcher Regelungsgehalt der Vorschrift des § 86 Abs 2 Satz 3 LBG NW nach alledem noch zukommt. Diese Regelung geht zwar ins Leere, da – wie gezeigt – während des Erziehungsurlaubs kein Anspruch auf Familienversicherung besteht. Damit aber verbleibt es nach Satz 2 aaO gerade beim grundsätzlichen Beihilfeanspruch. Einer Anrufung des Bundesverfassungsgerichts nach Art 100 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz bedarf es nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 514032 |
SGb 2000, 410 |
AuS 2000, 69 |
KVusR 2000, 149 |