Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagter und Revisionsbeklagter, Prozeßbevollmächtigter: Beigeladene: 1) … 2) … Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Der Kläger war Lokführer in einem Industriebetrieb. Am 24. Februar 1976 fuhr er an einem arbeitsfreien Tag zusammen mit seinem Arbeitskollegen Heinrich B… (B.), der in seiner Nähe wohnt, zu dessen Gartengrundstück in Duisburg-Meiderich, um ihm zu zeigen, wie man Obstbäume beschneidet, und um dabei mitzuhelfen. Der ca. 900 qm große Garten bestand etwa zur Hälfte aus Rasen, im übrigen aus einem Stein- und Ziergarten mit Blumen- und Gemüsebeeten. Auf dem Grundstück standen 6 hochstämmige Obstbäume und ca. 6 Stück Spalierobst. Die Erträge wurden von der Familie B. und deren Angehörigen verbraucht oder auch verschenkt; ein Verkauf fand nicht statt. Der Kläger, der eine Baumsäge und Baumschere mitgebracht hatte, und B. arbeiteten von etwa 10.00 bis 17.30 Uhr im Garten. Zu diesem Zeitpunkt stürzte der Kläger von einem Baumast und verletzte sich so schwer, daß er auf Dauer querschnittsgelähmt bleiben wird.
Der Beklagte lehnte durch Bescheid vom 26. Juli 1976 Entschädigungsansprüche ab. Da das Beschneiden von Obstbäumen besondere Kenntnisse über die Kultur von Obstgehölzen erfordere, stelle es keine Tätigkeit dar, die ihrer Art nach von Hausangestellten verrichtet zu werden pflege.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 18. Februar 1977 die beigeladene Gartenbau-Berufsgenossenschaft verurteilt, den Kläger wegen der Folgen des Unfalles vom 24. Februar 1976 zu entschädigen. Es hat u.a. ausgeführt: Der Kläger sei weder als Angehöriger des Hauspersonals noch wie ein solcher tätig geworden. Das Beschneiden überalterter, verwilderter hochstämmiger Obstbäume erfordere besondere Fachkenntnisse, die regelmäßig bei Hauspersonal nicht vorhanden seien und nicht von ihm erwartet werden könnten. Der Kläger sei vielmehr wie ein Angehöriger eines Gartenbaubetriebes tätig geworden und daher als solcher auch bei der Beigeladenen zu 2) versichert. Dabei spiele es keine Rolle, daß der Eigentümer des Gartens wegen zu geringer Größe der Bodenfläche an sich nicht bei der Beigeladenen zu 2) pflichtversichert gewesen sei. Es genüge, daß der Kläger für einen anderen wie ein Angehöriger eines Gartenbaubetriebes tätig geworden sei.
Das SG hat im Urteil die Revision zugelassen.
Die Beigeladene zu 2) hat dieses Rechtsmittel eingelegt und gleichzeitig die Einwilligungserklärungen des Klägers und des Beklagten vorgelegt.
Sie trägt vor: Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei innerhalb eines Gartenbauunternehmens nur gegeben, wenn ein solches Unternehmen bestehe. Der 900 qm große Garten des B. sei ein Schrebergarten- und als solcher nicht als landwirtschaftliches Unternehmen, sondern als Kleingarten im Sinne des § 778 RVO anzusehen, selbst wem er räumlich von der Wohnung des B. getrennt liege.
Die Beigeladene zu 2) beantragt,das Urteil des SG aufzuheben und die Klage, soweit sie sich gegen die Beigeladene zu 2) richtet, abzuweisen.
Der Kläger beantragt,die Sprungrevision der Beigeladenen zu 2) zurückzuweisen,hilfsweise,unter Änderung des angefochtenen Urteils den Bescheid des Beklagten vom 26. Juli 1976 aufzuheben und diesen zu verurteilen, den Unfall vom 24. Februar 1976 zu entschädigen.
Er führt aus: Das SG habe zutreffend entschieden, daß er wie ein Beschäftigter im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO tätig gewesen sei und deshalb nach Abs. 2 dieser Vorschrift unter Versicherungsschutz gestanden habe. Ihm stünden somit selbst dann Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu, wenn die Entschädigungspflicht der Beigeladenen zu 2) nicht bestehe, weil B. kein Gartenbauunternehmen betreibe und nicht deren Mitglied sei. In diesem Fall sei der Beklagte als Träger der allgemeinen Unfallversicherung zuständig.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich dem Vorbringen und den Anträgen des Klägers an.
Der Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung: In dem der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. April 1959 (SozR Nr. 16 zu § 537 RVO a.F.) zugrunde liegenden Sachverhalt hätten Haus und Haushalt sowie der Obstgarten räumlich eng miteinander zusammengehangen. Im vorliegenden Fall existiere jedoch kein Haus, in welchem ein Haushalt geführt und von dem aus im Wege der Haushaltsführung das Gartengrundstück betreut worden wäre. Schon aus rein räumlichen Gründen könne daher die Betreuung des von der Wohnung des Grundstückeigentümers weit entfernt gelegenen Gartengrundstücks nicht dem Haus des Hauseigentümers zugerechnet werden, der zudem die Versorgung des Gartens im Zeitpunkt des Unfalles des Klägers erst kürzlich von der Mutter übertragen erhalten hatte. Außerdem habe das SG zutreffend darauf abgestellt, daß es sich nicht um ein einfaches, irgendwelche besonderen Kenntnisse nicht erforderndes Abnehmen von Baumobst, sondern um das Beschneiden überalterter, verwilderter hochstämmiger Obstbäume gehandelt habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision der Beigeladenen zu 2) und die innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (s. BSGE 8, 24, 29) hilfsweise eingelegte zulässige Anschlußrevision des Klägers sind insoweit begründet, als nicht die beigeladene Gartenbau-BG (Beigeladene zu 2), sondern der Beklagte der zur Entschädigung des Klägers zuständige Versicherungsträger ist.
Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger beim Beschneiden der Bäume im Garten seines Arbeitskollegen wie ein nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO Versicherter tätig geworden ist und dabei gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift unter Versicherungsschutz gestanden hat. Er hat eine ernstliche, dem wirklichen Willen des Unternehmers dienende Tätigkeit verrichtet, die in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen gestanden hat und die ihrer Art nach sonst von Personen hätte verrichtet werden können, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen (vgl. BSG SozR Nr. 16 zu § 537 RVO a.F.; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. - 8. Aufl., S. 474y ff.).
Arbeitsunfälle der nach § 539 Abs. 2 RVO Versicherten hat der für das Unternehmen, dem die Tätigkeit diente, zuständige Versicherungsträger zu entschädigen (s. zum Obstpflücken BSG a.a.O.). Die Arbeiten des Klägers in dem Garten seines Arbeitskollegen dienten nicht einem landwirtschaftlichen Unternehmen oder einem Unternehmen des Gartenbaus. Nach § 778 RVO gelten nicht als landwirtschaftliche Unternehmen oder als Unternehmen der Gartenpflege Haus-, Zier- und andere Kleingärten, die weder regelmäßig noch in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet werden und deren Erzeugnisse hauptsächlich dem eigenen Haushalt dienen. Der Garten des Arbeitskollegen des Klägers ist ein Kleingarten im Sinne dieser Vorschrift. Es kann dahinstehen (s. BSGE 36, 71, 73), ob zu den Kleingärten weiterhin in der Regel Gärten bis zu einer Größe von 2.500 qm zu zählen sind (s. Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. § 778 Anm. 4; Boller, SozVers 1967, 107, 108) oder ob nur noch Gärten bis zu 1.250 qm Kleingärten im Sinne des § 778 RVO sind (Noell/Breitbach, Landwirtschaftliche Unfallversicherung, 1963, Anm. zu § 778; 8. auch die Nachweise bei Brackmann a.a.O. S. 494d); denn selbst diese Größe ist im vorliegenden Fall erheblich unterschritten. Entgegen der Auffassung des Beklagten setzt § 778 RVO nicht voraus, daß es sich um einen Garten handelt, der unmittelbar an ein Haus anschließt (s. LSG Baden-Württ. Breithaupt 1968, 123, 124; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl., Kennzahl 260, S. 10). In dieser Vorschrift ist u.a. zwischen Haus- und Ziergärten sowie "anderen" Kleingärten unterschieden. Diese Unterscheidung wäre nicht erforderlich, wenn als Garten im Sinne des § 778 RVO nur ein Grundstück in Betracht käme, das sich an ein Haus anschließt. Auch nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist nicht die Lage, sondern es sind die Art der Bewirtschaftung und die Größe des Grundstücks dafür entscheidend, ob es sich um ein landwirtschaftliches Unternehmen handelt. Das von Lauterbach (a.a.O.) für die Auslegung des § 778 RVO als wesentlich erachtete typische Gepräge eines Haus- und Ziergartens oder eines anderen Kleingartens beurteilt sich ebenfalls nicht allein nach der Lage des Gartens. Ein Vergleich mit den vor Inkrafttreten des § 778 RVO geltenden Vorschriften bestätigt diese Auslegung. Die Schiedsstelle beim Verband der Deutschen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften vertrat schon zu § 917 Abs. 2 RVO i.d.F. bis zum Inkrafttreten des 6. Änderungsgesetzes vom 9. März 1942 (RGBl. I 107) die Auffassung (EuM 31, 530, 534), daß die gleichen sozialen, wirtschaftlichen und versicherungstechnischen Erwägungen, welche den Gesetzgeber veranlaßt hätten, die kleinen Haus- und Ziergärten grundsätzlich von der Versicherungspflicht der landwirtschaftlichen Betriebe auszunehmen, überwiegend auch für die Freistellung der Klein- und sog. Schrebergärten sprächen. Das Schrifttum war ebenfalls der Ansicht, der Garten brauche nicht unmittelbar an das Haus anzugrenzen, die entfernte Lage könne lediglich mit der Art der Nutzung die Annahme eines Hausgartens ausschließen (s. RVA-Mitgliederkommentar, Bd. III, 2. Aufl., 1930, § 917 Anm. 4; Schulte-Holthausen, Unfallversicherung, 4. Aufl. 1929, § 917 Anm. 6). Durch das 6. Änderungsgesetz vom 9. März 1942 wurden in § 917 Abs. 2 RVO a.F. die "anderen Kleingärten" mit aufgeführt und damit die Rechtsauffassung der Schiedsstelle bestätigt. Das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl. I 241) hat diese Regelung übernommen.
Die übrigen Voraussetzungen des § 778 RVO sind nach den tatsächlichen Feststellungen des SG gleichfalls erfüllt. Der Garten des Arbeitskollegen des Klägers wird weder regelmäßig noch in erheblichem Umfange mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet, und die Erzeugnisse des Gartens dienen hauptsächlich dem eigenen Haushalt. Der vorliegende Fall unterscheidet sich somit wesentlich von dem der Entscheidung des Senats vom 26. April 1963 (BSGE 19, 117), auf die der Beklagte hinweist, zugrunde liegenden Sachverhalt. Dort hatte der Versicherte einem Obstpächter als landwirtschaftlichen Unternehmer beim Abernten von Obst geholfen. Das Obsternten in dem eigenen kleinen Garten hat der Senat schon in seinem Urteil vom 22. April 1959 (SozR Nr. 16 zu § 537 RVO a.F.) dagegen dem Haushalt zugerechnet.
Der Unfall des Klägers hat sich demnach bei einer Tätigkeit ereignet, die nicht einem landwirtschaftlichen Unternehmen, sondern dem Haushalt des Arbeitskollegen des Klägers gedient hat. Zu dem Haushalt gehört auch ein von den Haushaltsangehörigen bewirtschafteter Kleingarten im Sinne des § 778 RVO, selbst wenn er sich nicht unmittelbar an dem Ort der Haushaltung befindet. Entscheidend ist, daß er trotz der Entfernung und nach Art seiner Bewirtschaftung dem Haushalt dient. Die daraus folgende Zuständigkeit des Beklagten ist nicht ausgeschlossen, weil der Kläger bei einer Tätigkeit verunglückt ist, die im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses in der Regel von Arbeitnehmern der Gartenbaubetriebe verrichtet wird. Der Senat hat in seinen Urteilen vom 27. Juli 1972 (BSGE 34, 240, 242) und 25. Januar 1973 (BSGE 35, 140, 142) näher dargelegt, daß der Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 2 RVO nicht nur bei Arbeiten besteht, die von in dem unterstützten Unternehmen Beschäftigten üblicherweise verrichtet werden. Der Senat hat in diesen Urteilen bei Arbeiten, die nicht üblicherweise in dem unterstützten Unternehmen verrichtet werden, grundsätzlich - vorbehaltlich besonderer Vorschriften (s. BSGE Bd. 34 a.a.O.) - den Versicherungsträger für entschädigungspflichtig angesehen, der für das unterstützte Unternehmen zuständig ist. Ebenso ändert sich diese Zuständigkeit nicht dadurch, daß der Versicherte Tätigkeiten verrichtet, die gegenüber den sonst in diesem Unternehmen anfallenden Arbeiten besondere Fachkenntnisse erfordern.
Der Beklagte ist somit gemäß § 657 Abs. 1 Nr. 3 RVO zur Entschädigung des Klägers für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 24. Februar 1976 zuständig. Auf die Revision der Beigeladenen zu 2) und die hilfsweise eingelegte Anschlußrevision des Klägers war der Beklagte deshalb anstelle der Beigeladenen zu 2) zu verurteilen, den Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 24. Februar 1976 zu entschädigen. Mit der Verurteilung des Beklagten endet die im Urteil des SG ausgesprochene Pflicht der Beigeladenen zu 2) zur Zahlung einer vorläufigen Leistung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen