Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I
Streitig ist, ob eine in Frankreich erlittene Haft als Ersatzzeit rentensteigernd anzurechnen ist.
Der 1920 in B…/Lothringen geborene, dort ab1934 als Hilfsarbeiter und Bergmann beschäftigt gewesene Kläger war nach den Feststel-lungen des Landessozialgerichts (LSG) von September 1940 bis Januar 1942 bei der Organisation Todt (OT) und von Januar 1943 bis März 1943 sowie von Mai 1943 bis Kriegsende bei der deutschen Geheimen Feldpolizei (GFP) - angeblich - dienstverpflichtet und im Raum Nancy und Digne eingesetzt. Am 26. Mai 1945 wurde er durch die französische Polizei festgenommen, und ab 5. November 1948 befand er sich in Untersuchungshaft. Am 29. Juni 1951 wurde er durch Urteil des Militärgerichts in Metz - als französischer Staatsangehöri-ger - wegen Verrats zu lebenslanger Zwangsarbeit und Einziehung des jetzigen und künftigen Vermögens verurteilt. Am 1. April 1958 wur-de er bedingt entlassen. Im September 1959 übersiedelte er in die Bundesrepublik und nahm dort eine versicherungspflichtige Beschäfti-gung auf. Laut Urkunde vom 14. Juni 1967 ist ihm die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen worden. Auf sein Betreiben ist er laut Heimkehrer-Bescheinigung Nr. 1 der Kreisverwaltung A… vom 5. Oktober 1981 zudem als Heimkehrer i.S. des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer (Heimkehrergesetz -HkG-) i.d.F. vom 30. Mai 1969 (BGBl I S. 451) anerkannt und ihm bescheinigt worden, daß er im Juni 1945 kriegsgefangen und am 1. April 1958 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden sei.
Mit Bescheid (1) vom 15. Mai 1977 bewilligte ihm die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) ab 1. August 1976 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und erkannte mit weiterem Bescheid (2) vom 21. Januar 1981 die Zeit der Dienstleistung für deutsche Stellen im 2. Weltkrieg vom 1. Januar 1941 bis 15. Januar 1942, vom 1. Januar 1943 bis 28. Februar 1943 sowie vom 1. Juni 1943 bis 8. Mai 1945 (insgesamt 39 Monate) als Ersatzzeiten rentensteigernd an.
Nach Anerkennung als Heimkehrer beantragte der Kläger im Oktober 1981 bei der Beklagten auch die Anerkennung der französischen Haft von 1945 bis 1958 als Ersatzzeit (Kriegsgefangenschaft).
Mit dem streitigen Bescheid vom 16. April 1982, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 2. November 1983, lehnte dies die Beklagte mit der Begründung ab, daß der Kläger in Frankreich wegen der Zugehörigkeit zur GFP verurteilt worden sei. Dies sei seit September 1942 kein militärischer oder militärähnlicher Dienst mehr gewesen.
In den Vorinstanzen hatte der Kläger dagegen Erfolg. Das Sozialgericht ( SG) hat die Beklagte am 7. August 1984 verurteilt, die streitige Zeit von 1945 bis 1958 als Ersatzzeit nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO - (Kriegsgefangenschaft) anzuer-kennen. Im angefochtenen Urteil vom 8. März 1985 hat das LSG die Berufung der Beklagten hiergegen zurückgewiesen und ausgeführt: Die Beklagte habe bereits mit Bescheid vom 21. Januar1981 die Zugehörigkeit des Klägers zur OT und zur GFP als Ersatzzeit nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO und damit als militärähnlichen Dienst i.S. des § 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) anerkannt. Hieran sei sie gemäß § 39 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10) und nach § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gebunden. Ob an der Bindungswirkung grundsätzlich nur Art, Dauer und Höhe der Rente und nicht andere Teile des Rentenbescheids teilnähmen, könne unentschieden bleiben. Denn hier liege ein Ausnahmefall vor, da es sich bei dem Bescheid vom 21. Januar 1981 um eine Neufeststellung handele, die gerade die Anerkennung der streitigen Zeiten als Ersatzzeit zum Gegenstand gehabt habe. In einem solchen Fall bestehe in besonders hohem Maß das Bedürfnis, das Vertrauen des Rentenempfängers auf die Richtigkeit des erteilten Bescheids zu schützen und deshalb die über die Einzelfrage getroffene Entscheidung über die Ersatzzeit in Bindung erwachsen zu lassen. Im übrigen habe militärähn-licher Dienst auch nach § Abs. 1 Buchst. k BVG vorgelegen, weil der Kläger notdienstverpflichtet gewesen sei, so daß es nicht darauf ankomme, ob er 1942 in die Sicherheitspolizei oder in den SD überführt worden sei. Die Tätigkeit bei der GFP sei für Zwecke der Wehr-macht i.S. des § 3 Abs. 1 Buchst. b BVG erfolgt, da sie der Sicherung des Heeres gedient habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision bringt die Beklagte vor: Nach den im Tatbestand des angefochtenen Urteils enthaltenen Ausfüh-rungen sei der Kläger in Frankreich wegen Verrats verurteilt und für schuldig erklärt worden, als Franzose geheime Kontakte mit einer ausländischen Macht oder mit ihren Agenten mit dem Ziel gehabt zu haben, Unternehmungen dieser Macht gegen Frankreich zu begünstigen. Soweit das Urteil an anderer Stelle davon spreche, daß der Kläger vom Militärgericht Metz wegen seiner Zugehörigkeit zur OT oder zur GFP bestraft worden sei, sei das angefochtene Urteil in sich widersprüchlich. Mit entsprechenden tatsächlichen Schlußfolgerungen hätte das LSG die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten und § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG verletzt. Bei der Verurteilung wegen Verrats handele es sich um einen qualitativ und sachlich anderen Umstand als um die Tatsache der Dienst-leistung bei der OT und bei der GFP. Das hohe Strafmaß bekräftige dies; der Kläger sei zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt wor-den. In materiell-rechtlicher Hinsicht dürfe dahingestellt bleiben, ob die Zugehörigkeit zur GFP ab April 1942 noch militärischen oder militärähnlichen Dienst dargestellt haben könne. Die Verurteilung des Klägers in Frankreich stünde mit diesen Dienstleistungen nur in einer äußeren, nicht in einer inneren Beziehung. Hoch- oder Landesverrat sei auch in Deutschland strafbar. Der Bescheid vom 21. Januar 1981 binde nur mit seinem Verfügungssatz.
Die Beklagte beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. März 1985 und des Sozialgerichts Koblenz vom 7. August 1984 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, unter Aufhebung des landessozialgerichtlichen Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte übersehe, daß aus der damaligen Sicht eines französischen Militärgerichts der militärähnliche Dienst in der OT bzw. in der GFP als Verrat angesehen worden sei. Eine Aufspaltung in eine innere und eine äußere Beziehung sei hier nicht möglich. Insbesondere ergebe sich dies nicht aus den von der Beklagten als besonders klar bezeichneten Ausführungen im Urteil des Militärgerichts Metz vom 29. Juni 1951.
II
Die zulässige Revision ist im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung begründet.
Nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO werden zur Erfüllung der Wartezeit, nach §§ 1254, 1258 Abs. 1 RVO aber auch auf die Rentenhöhe u.a. Zeiten der Kriegsgefangenschaft als Ersatzzeiten angerechnet. Die Anerkennung von "Ersatzzeiten" soll dem Versicherten einen renten-rechtlichen Ausgleich für solche Zeiträume verschaffen, in denen ihm wegen besonderer Umstände eine Beitragsentrichtung zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht möglich oder eine solche von ihm nicht zu erwarten war (BSGE 32, 239, 240 = SozR Nr. 53 zu § 1251 RVO; BSGE 37, 109, 111 = SozR 220P § 1251 Nr. 1; SozR 2200 § 1251 Nr. 113; Beschluß des Dreier-Ausschusses des Bundes-verfassungsgerichts -BVerfG- in SozR 2200 § 1251 Nr. 87). Im Hinblick auf diese Zielsetzung des Gesetzgebers muß es als zweifelhaft erscheinen, ob hier für eine Anrechnung der streitigen Zeit unter dem Gesichtspunkt des § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO Raum ist; es ist äußerst fraglich, ob der Kläger, wäre er zwischen 1945 oder 1948 und 1958 nicht als Franzose in Frankreich inhaftiert gewesen, Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet hätte, ob er also durch die Inhaftierung in Frankreich an der Leistung deutscher Beiträge überhaupt gehindert war. Diese Frage kann aber dahingestellt bleiben, denn eine Anrechnung der streitigen Zeit als Ersatzzeit nach § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO entfällt jedenfalls deshalb, weil die Haft des Klägers in Frankreich keine Kriegsgefangenschaft war.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist der aaO nicht näher definierte Begriff der Kriegsgefangenschaft ebenso wie in § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG im völkerrechtlichen Sinne zu verstehen. Nach dem Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen vom 27.Juli 1929 (RGBl II 1934, 227), ersetzt durch das III. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 (BGBl II 1954, 781, 838), ist Kriegsgefangener, wer wegen seiner Zugehörigkeit zu einem militärischen oder militärähnlichen Verband gefangengenommen worden ist und von einer feindlichen (ausländischen) Macht festgehalten wird (SozEntsch BSG 9/3 § 7 Nr. 9; 9/3 § 1-c-Nr. 21; BSGE 3, 268, 269 f; 30, 115, 118 = SozR Nr. 8 zu § 7 BVG; BSGE 36, 171 f = SozR Nr. 70 zu § 1251 RVO; SozR 2200 § 1251 Nrn. 82, 85).
Für den Kläger war Frankreich zur Zeit der streitigen Haft von 1945 oder 1948 bis 1958 keine "feindliche Macht", weil er damals Franzose war. Grund der Kriegsgefangenschaft ist die Zugehörigkeit zur bewaffneten Macht eines kriegführenden Staates. Mit der Gefangennahme soll die Fähigkeit des Gegners zur Fortsetzung oder Wiederaufnahme von Kriegshandlungen geschwächt werden. Die Gefangennahme findet ihre Rechtfertigung allein in der Zugehörigkeit des Gefangenen zur gegnerischen Streitmacht. Aus dieser Zugehörigkeit zu den feindlichen Streitkräften kann dem Gefangenen selbst kein die Kriegsgefangenschaft rechtfertigender Vorwurf gemacht werden. Auch nach der Gefangennahme besteht keine Treuepflicht des Kriegsgefangenen gegenüber der Gewahrsamsmacht (BSGE 30, 115, 119 = SozR Nr. 8 zu § 7 BVG; Hess LSG in Breithaupt 1970, 954).
Hier hingegen wurde dem Kläger im militärgerichtlichen Urteil wegen seiner Tätigkeit als französischer Staatsangehöriger in der OT und der GFP Verrat vorgeworfen, mithin eine Verletzung seiner ihm gegenüber dem eigenen Land obliegenden Treuepflicht. Ob seine Verur-teilung nur oder zumindest auch wegen seines Dienstes in diesen Organisationen erfolgte, ist dabei unerheblich. Denn die Inhaftierung des Klägers nach dem Ende der Kampfhandlungen und mehrere Monate oder gar Jahre nach der Besetzung des Aufenthaltsortes des Klägers durch alliierte Truppen - laut Urteil des Militärgerichts Metz vom 29. Juni 1951 war der Kläger erst seit 15. November 1948 in Untersuchungshaft - diente nicht einer Schwächung der feindlichen Kampfkraft, sondern der Sühne einer vom Militärgericht angenomme-nen Straftat. Der französische Staat brauchte seine eigenen Staatsangehörigen, die feindlichen Verbänden angehört hatten, nicht als Kriegsgefangene zu behandeln. Er war nach Völkerrecht berechtigt, auf sie innerstaatliches Recht, insbesondere die einschlägigen Strafgesetze, anzuwenden (BSG ebenda; Hess LSG ebenda; Strebel in Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 2, 1961, S. 345; vgl. auch LSG f.d. Land Nordrhein-Westfalen in Breithaupt 1966, 1022 bis 1026; Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Kriegsrecht, 2. Aufl. 1969, S. 143). Das ist hier offensichtlich geschehen.
Die streitige Zeit kann allerdings eine Ersatzzeit nach § 1251 Abs. 1 Nr. 2 RVO darstellen.
Nach ( § 1251 Abs. 1 Nr. 2 RVO werden als Ersatzzeiten u.a. Zeiten der Internierung anerkannt, wenn der Versicherte Heimkehrer i.S. des § 1 HkG ist. Das setzt voraus, daß der Versicherte außerhalb des Bundesgebietes und des Landes Berlin interniert und durch seine Inter-nierung an der "Heimkehr" gehindert war (BSG in SozR Nr. 47 zu § 1251 RVO).
Der Kläger ist ausweislich der Heimkehrerbescheinigung vom 5. Oktober 1981 Heimkehrer im Sinne dieser Bestimmung. Die Verwal-tungsbehörde hat die Haft des Klägers in Frankreich als Verzögerungstatbestand i.S. des § 1 Abs. 1 HkG anerkannt. Diese Anerkennung könnte zwar Bedenken begegnen, weil der Kläger erst 1967 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat. Der Senat ist jedoch an die in der Erteilung der Bescheinigung liegende Entscheidung wegen ihrer "Tatbestandswirkung", ihrer "Feststellungswirkung" gebunden. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Die Entscheidung über die Erteilung der Heimkehrerbescheinigung ist ein Verwaltungsakt. Rechts-grundlage ist § 1 Abs. 7 HkG i.V.m. den Verwaltungsvorschriften (VV) zur Durchführung des HkG i.d.F. vom 24. Januar 1956 (Beilage Nr. 21 zum BAnz vom 31. Januar 1956). Die Bescheinigung beurkundet die Feststellung der Heimkehrereigenschaft und enthebt andere Behörden der Nachprüfung. Zweifel über die Heimkehrereigenschaft sind vor Gewährung von Hilfsmaßnahmen mit den Stellen zu klären, die sie ausgestellt hat (Nr. 29 VV). Leistungen ohne Vorlage der Bescheinigung dürfen nicht bewilligt werden (Nr. 27 VV). Die Bescheini-gung dient somit unmittelbar der Fertigung der Rechtsposition des Heimkehrers (OVG Münster in FEVS Bd. 6 -1961- 258, 263). Dies rechtfertigt es, jedenfalls im Rahmen von § 1251 Abs. 1 Nr. 2 RVO eine Bindung des Versicherungsträgers und der Sozialgerichte an die Heimkehrerbescheinigung anzunehmen (Koch/Hartmann, Das AVG, Bd. 4, 2. und 3. Aufl., Stand: November 1983, § 28 AVG Anm. B II 5.1, S. V 257/70; vgl. auch Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, Bd. II, 2. Aufl., Stand: Mai 1985, § 1251 RVO Anm .B II 6, S. 36 g; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 7. Aufl., Stand: Mai 1985, § 1251 RVO Anm. 8; OLG Bremen in NJW 1956, 1722). Die Bindung erstreckt sich allerdings nur auf die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung als solche (vgl. BSG in SozR 2200 § 176c, Nr. 3; Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl. 1981, § 51 Anm. 40; Schroeder-Printzen, SGB X, vor § 39 Anm .4 jeweils m.w.N.). Sie erstreckt sich nicht auf die der Bescheinigung zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen. Eine solche Feststellungswirkung ordnet das Gesetz nur in Ausnahmefällen an (Meyer-Ladewig, ebenda; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 1983, vor § 35 Anm. 32); ein solcher liegt hier nicht vor. Aus dem Urteil des 11. Senats des BSG vom 30. Juni 1971 - 11/12 RA 8/70 und den weiteren Entscheidungen in BSGE 46, 54 SozR 2200 § 1251 Nr. 45; SozR aaO Nrn. 65, 89, 101, 102 ergibt sich nichts anderes. Das Urteil vom 30. Juni 1971 betrifft die Anrechnung einer Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AVG und ist daher nicht einschlägig. In den darauffolgenden Urteilen ist zwar die Frage der Bindung an die in der Heimkehrerbescheinigung getroffenen Feststellungen erörtert worden, sie wurde jedoch nicht abschließend entschieden. Auch die Urteile des Bundesverwaltungsge-richts in Buchholz 427.3 (1969) § 230 LAG Nr. 66; 427.3 (1969-1974) § 230 LAG Nr. 92; 310 (1969-1974) § 121 VWGO Nr. 30 treffen den vorliegenden Sachverhalt nicht. Denn dort wird nur eine Tatbestands- oder Feststellungswirkung der Bescheinigung wegen der Besonderheiten der maßgeblichen Rechtsvorschriften abgelehnt. Solche Besonderheiten sind hier nicht gegeben (zur Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten für "dritte" Behörden und für Gerichte vgl. auch Kirchhof in NJW 1985, 2977, 2982 f).
Danach steht aufgrund der Heimkehrerbescheinigung fest, daß der Kläger bis zum 1. April 1958 an der Heimkehr gehindert war, nicht aber, daß eine Internierung vorgelegen hat. Letzteres ist vielmehr vom Versicherungsträger selbständig zu prüfen. Bei der Bestimmung des Begriffs der Internierung ist grundsätzlich von der völkerrechtlichen Normierung auszugehen. Das IV. Genfer Abkommen vom 12. August 1949 (BGBl II 1954, 917) versteht unter Internierung das Festhalten von Zivilpersonen auf einem eng begrenzten und überwachten Raum im Zusammenhang mit einem Krieg oder kriegerischen Ereignissen durch eine Gewahrsamsmacht (SozEntsch BSG 9/3 § 1 (c) Nr. 21; BSGE 14, 50 f = SozR Nr. 54 zu § 1 BVG; BSGE 17, 69, 71 f = SozR aaO Nr. 60). Wie sich bereits aus den weiter oben gemachten Ausführungen ergibt, wurde der Kläger während der streitigen Zeit nicht als Kriegsgefangener und damit nicht als Militärperson in Gewahr-sam gehalten; er war also als Zivilperson anzusehen. Daß er französischer Staatsangehöriger war, steht der Annahme einer Internierung nicht entgegen; Heimkehrer können als Internierte auch die Staatsangehörigkeit des Gewahrsamsstaates besessen haben (§ 1 Abs. 3 HkG; vgl. BSG in SozR Nr. 42 zu § 1 BVG). Die mit der Internierung verbundene Freiheitsentziehung oder Freiheitsbeschränkung braucht nicht notwendigerweise im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen zu stehen; sie kann auch nach Beendigung der Kriegshandlungen bei allmählicher Normalisierung der Verhältnisse begonnen haben (BSG 17, 69, 71 = SozR Nr. 60 zu § 1 BVG).
Die Haft des Klägers kann so den Anforderungen einer Internierung entsprochen haben (vgl. auch Nr. 14 der VV zum HkG: Danach setzt die Internierung eine Unterbringung auf eng begrenztem Raum - z.B. Lager, Gefängnis, Zuchthaus - unter dauernder Überwachung durch die Gewahrsamsmacht voraus). Das LSG hat allerdings nicht beachtet, daß der Kläger bereits im Mai 1945 festgenommen wurde und sich erst ab November 1948 in Untersuchungshaft befand. Sein Aufenthalt in der Zwischenzeit bedarf noch der Aufklärung.
Am erforderlichen ursächlichen Zusammenhang, zwischen der Inhaftierung und den Kriegsereignissen (vgl. § 1 Abs. 3 HkG) fehlt es jedoch dann, wenn der Gewahrsam auf strafbaren Handlungen, die auch nach deutschen Strafvorschriften eine Verurteilung nach sich gezogen hätten, oder auf dem Vorwurf, Kriegsverbrechen begangen zu haben, beruhte. Er entfällt ebenso, wenn die Inhaftierung wegen früher natio-nalsozialistischer Betätigung erfolgte (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. III, 10. Aufl., Stand: 1985, S. 676d; Koch/ Hartmann, aaO, § 28 AVG Anm. B II 4.6, S. V 257/66). Denn wenngleich der Kläger als Heimkehrer anerkannt ist, darf er doch nicht bessergestellt werden als die Deutschen, bei denen die Anerkennung einer Internierung als Ersatzzeit ausgeschlossen ist, weil sie im Bundesgebiet aus vergleichbaren Gründen inhaftiert waren (vgl. zu diesen Fällen des "automatischen Arrestes": Urteil vom 3. Mai 1968 - 1 RA 73/67 - in RV 1969, 42; Urteil vom 5. Dezember 1974 - 11 RA 59/74; SozR Nrn. 47, 70 zu § 1251 RVO; SozR 2200 § 1251 Nrn. 82, 85).
Es bedarf daher noch der Aufklärung, ob der militärgerichtlichen Verurteilung des Klägers Tatbestände zugrunde liegen, die nach dem Abschluß der Kampfhandlungen auch in den westlichen Besatzungszonen und auch bei einem deutschen Staatsangehörigen eine Inhaftierung zur Folge gehabt hätten. In diesem Zusammenhang wird auch zu klären sein, ob das aus heutiger Sicht hohe Strafmaß eine hinreichende Rechtfertigung allein darin findet, daß das Militärgericht die Tätigkeit des Klägers etwa nur als Dolmetscher bei deutschen Verbänden aufgrund einer Dienstverpflichtung in Betracht gezogen hat.
Die nach allem noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen sind vom LSG zu treffen, an das der Rechtsstreit gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG zurückzuverweisen war.
Die Kostenentscheidung bleibt der endgültigen Entscheidung in der Sache vorbehalten.4a RJ 29/85
Bundessozialgericht
Verkündet am
28. November 1985
Fundstellen