Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig sind die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge, die Anerkennung von Beitragszeiten und Altersrente.
Die am 14. Oktober 1927 in Sofia/Bulgarien geborene Klägerin lebt seit 1949 in Israel und ist israelische Staatsangehörige. Sie beantragte im Oktober 1995 bei der beklagten Landesversicherungsanstalt die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach dem Zusatzabkommen (ZAbk) zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit (Abk Israel SozSich) iVm § 17a des Fremdrentengesetzes (FRG) idF des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) und die Zahlung von Altersrente. Sie gab an, von Geburt an ungarische Staatsangehörige gewesen zu sein. Sie habe bis 1928 in Sofia gelebt, von 1928 bis 1931 in Budapest/Ungarn, von 1931 bis 1943 wieder in Sofia und von 1943 bis 1944 sowie in der Zeit nach der Verfolgung von 1945 bis 1949 in Budapest. Sie legte eine Bescheinigung der Rentenversicherungsdirektion der Hauptstadt und des Komitats Pest/Budapest vor, wonach für sie Zeiten zur Rentenversicherung zwischen Mai 1944 und November 1947 gemeldet sind. Auf Veranlassung der Beklagten führte das Finanzministerium in Tel Aviv am 14. Juli 1996 eine Sprachprüfung durch, die zu dem Ergebnis kam, daß die Klägerin ohne zeitliche Einschränkung dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) zuzurechnen sei. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4. Dezember 1996 und Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 1997 ab. Die Klägerin sei nach dem ZAbk zum Abk Israel SozSich nicht berechtigt, Beiträge nachzuentrichten, weil sie zum Zeitpunkt, als sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf Bulgarien und Ungarn erstreckt habe, dem 6. April 1941, noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet hatte. Da somit keine anrechenbaren Versicherungszeiten zurückgelegt worden seien, sei ein Rentenanspruch nicht gegeben.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 9. Juni 1998). Vor dem Landessozialgericht (LSG) hat die Klägerin nach den Gründen des Berufungsurteils beantragt, das Urteil des SG sowie Bescheid und Widerspruchsbescheid aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Anrechnung von Fremdrentenzeiten und unter Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge Altersrente zu gewähren. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 19. Juli 1999). Eine Anrechnung der in Ungarn ab Mai 1944 zur Rentenversicherung gemeldeten Zeiten und die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge scheitere daran, daß die Klägerin im Zeitpunkt, als sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf Bulgarien und Ungarn erstreckt habe, noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet hatte. Der nationalsozialistische Einflußbereich habe sich bereits am 6. April 1941 auf beide Staaten erstreckt. Dieses Datum, das nach § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) bei den von den Regierungen der Staaten Bulgarien und Ungarn aus Gründen der Rasse vorgenommenen Freiheitsentziehungen als Zeitpunkt für den Beginn der deutschen Veranlassung gilt, sei auch im Rahmen des ZAbk zum Abk Israel SozSich zugrunde zu legen. Es genüge nicht, daß die Klägerin das 16. Lebensjahr während des Bestehens des nationalsozialistischen Einflusses vollendet habe.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 17a FRG und des Art 1 des ZAbk zum Abk Israel SozSich. Die Vorschriften ließen sich dahin auslegen, daß es ausreiche, wenn das 16. Lebensjahr während der Verfolgungssituation vollendet worden sei. Auch bei diesen Personen sei ein Schaden in der Sozialversicherung eingetreten, weil sie während der Verfolgungszeit ihre berufliche Entwicklung nicht hätten beginnen können. Es sei daher folgerichtig, die Vorschriften auf diesen Sachverhalt zu erstrecken. Dies entspreche der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Entschädigungsrecht. Außerdem könne die nationalsozialistische Einflußnahme auf Ungarn erst mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Ungarn am 19. März 1944 angenommen werden, wie dies bei anderen Gebieten, zB Danzig und dem Memelgebiet geschehen sei. Ungarn sei bis zur Besetzung durch deutsche Truppen ein in seiner Judenpolitik selbständiger Staat gewesen. Dies sei in der Rechtsprechung der Zivilgerichte anerkannt. Auch die Beklagte sei bei der Anerkennung von Ersatzzeiten hiervon ausgegangen. Eine entsprechende Anwendung des § 43 BEG im Rahmen des § 17a FRG und des ZAbk sei wegen der unterschiedlichen Regelungsinhalte der Vorschriften ausgeschlossen. In der mündlichen Verhandlung hat der Unterbevollmächtigte der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin erklärt: Soweit in dem folgenden Antrag die Anrechnung von Versicherungszeiten erwähnt werde, sei das nur als Begründung für das Nachentrichtungsbegehren zu verstehen und nicht als eigener Streitgegenstand.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 19. Juli 1999, das Urteil des SG vom 9. Juni 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 1997 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin unter Anrechnung von in Ungarn zurückgelegten Fremdbeitragszeiten und unter Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge Altersrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend verweist sie auf das inzwischen ergangene Urteil des BSG vom 25. November 1999 – B 13 RJ 63/98 R.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat das klageabweisende Urteil des SG zu Recht bestätigt. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Der Klägerin steht insbesondere das Nachentrichtungsrecht nicht zu.
1. Durch Art 1 des ZAbk vom 12. Februar 1995 zum Abk Israel SozSich vom 17. Dezember 1973 (BGBl 1996 II 299) ist dem Schlußprotokoll zu diesem Abkommen (Schlußprot Abk Israel SozSich) eine Nr 11 angefügt worden, wonach israelische Staatsangehörige auf Antrag freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung nachentrichten können, wenn sie bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflußbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, dem dSK angehört haben, das 16. Lebensjahr bereits vollendet und sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten und sie die Vertreibungsgebiete nach § 1 Abs 2 Nr 3 des Bundesvertriebenengesetzes (≪BVFG≫; ua Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien) verlassen haben. Dieses Nachentrichtungsrecht ergänzt die Anrechnung von Zeiten nach dem zum 1. Juli 1990 durch das RRG 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) in das FRG eingefügten § 17a. Es besteht nur, sofern durch die Anwendung des § 17a FRG erstmals Beitragszeiten oder Beschäftigungszeiten nach dem FRG zu berücksichtigen sind (Nr 11 Buchst a Satz 1 Schlußprot Abk Israel SozSich), und ist höchstens in dem Umfang zulässig, wie es zur Zahlbarmachung der Rente aus diesen Zeiten ins Ausland erforderlich ist (Nr 11 Buchst b Schlußprot Abk Israel SozSich). Der zur Nachentrichtung berechtigte Personenkreis ist jedoch enger als der von § 17a FRG begünstigte. Nach § 17a Buchst a FRG in der rückwirkend zum 1. Juli 1990 durch Art 14 des Rentenüberleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl I 1606) ergänzten Fassung werden Beitrags- oder Beschäftigungszeiten von Personen in das FRG einbezogen, die bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflußbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, dem dSK angehört haben (Nr 1), das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten „oder im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem dSK angehört haben” (Nr 2) und sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten (Nr 3), wenn sie die Vertreibungsgebiete nach § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG verlassen haben. Ob die Klägerin die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 17a Buchst a Nr 2 FRG (Zugehörigkeit zum dSK im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebiets) erfüllt und für sie nach § 17a Buchst a iVm § 15 FRG in Budapest zurückgelegte Fremdbeitragszeiten anzurechnen sind, ist nicht festgestellt. Das ist jedoch für das Nachentrichtungsrecht der Klägerin nach Nr 11 Buchst a Satz 1 Schlußprot Abk Israel SozSich unerheblich. Denn dieses ist nur Personen eröffnet, die bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich der nationalsozialistische Einfluß auf ihr Heimatgebiet erstreckte, das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten. Daran fehlt es bei der Klägerin.
Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob Heimatgebiet der Klägerin iS dieser Vorschrift Bulgarien oder Ungarn ist. Als Zeitpunkt, von dem an sich der nationalsozialistische Einflußbereich iS der Nr 11 Schlußprot Abk Israel SozSich auf Bulgarien und auf Ungarn erstreckte, ist der 6. April 1941 zugrunde zu legen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die am 14. Oktober 1927 geborene Klägerin ihr 16. Lebensjahr noch nicht vollendet.
2. Maßgebender Stichtag für die Vollendung des 16. Lebensjahres iS der genannten Bestimmung ist der Beginn des nationalsozialistischen Einflusses auf das jeweilige Heimatgebiet. Es genügt entgegen der Ansicht der Revision nicht, wenn das 16. Lebensjahr erst während der Zeit des nationalsozialistischen Einflusses vollendet wird. Dies hat der 13. Senat des BSG bereits zu § 17a Buchst a Nr 2 erste Alternative FRG für einen Sachverhalt entschieden, bei dem feststand, daß die zweite Alternative der Vorschrift (Zugehörigkeit zum dSK im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes) nicht vorlag (Urteil vom 25. November 1999 – B 13 RJ 63/98 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Für Nr 11 Buchst a Satz 1 Schlußprot Abk Israel SozSich gilt nichts anderes. Die Vorschrift, nach der nur Personen erfaßt werden, „die bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einfluß sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten”, ist eindeutig. Dieses Alter mußte „bereits” zu dem näher bezeichneten „Zeitpunkt” vollendet sein. Die Regelung stimmt mit der Nachentrichtungsvorschrift überein, die parallel zu dem ZAbk zum Abk Israel SozSich in Art 1 Abs 7 des Zweiten ZAbk vom 6. März 1995 zum Abkommen vom 7. Januar 1976 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit (2. ZAbk zum Abk USA SozSich; BGBl 1996 II 302) getroffen worden ist. Beide Bestimmungen sind insoweit bewußt abweichend von § 17a FRG gefaßt worden, weil diejenigen, die bei Beginn des nationalsozialistischen Einflusses noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet hatten, im Hinblick auf ihr jüngeres Alter in der Lage waren, im neuen Wohnland Rentenanwartschaften aufzubauen (vgl Denkschriften zu den Zusatzabkommen, BT-Drucks 13/1809 S 9 und 13/1811 S 13 jeweils unter I). Angesichts des klaren Wortlauts und des hiermit übereinstimmenden Willens der vertragsschließenden Staaten ist die von der Revision angestrebte erweiternde Auslegung der Nr 11 Buchst a Satz 1 Schlußprot Abk Israel SozSich ausgeschlossen. Sie ist keine „eben noch mögliche Lösung” iS der von der Revision herangezogenen Entscheidung des BSG vom 16. September 1960 – 1 RA 38/60 (BSGE 13, 67, 71 = SozR Nr 4 zu § 1248 RVO), um nationalsozialistisches Unrecht soweit wie möglich auszugleichen.
3. Als Zeitpunkt, in dem sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf Bulgarien und auf Ungarn erstreckte, ist der 6. April 1941 anzunehmen. Dieses Datum hat der 13. Senat des BSG der Anwendung des § 17a Buchst a Nr 2 erste Alternative FRG zugrunde gelegt (Urteil vom 25. November 1999 – B 13 RJ 63/98 R). Der erkennende 12. Senat schließt sich dieser Entscheidung für den Anwendungsbereich der Nr 11 Buchst a Satz 1 Schlußprot Abk Israel SozSich an. Das Datum ist § 43 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 BEG idF des BEG-Schlußgesetzes (BEG-SchlußG) vom 14. September 1965 (BGBl I 1315) entnommen. Nach dieser Vorschrift haben Verfolgte Anspruch auf Entschädigung, wenn ein ausländischer Staat unter Mißachtung rechtsstaatlicher Grundsätze die Freiheit entzogen hat und die Regierung des ausländischen Staates von der nationalsozialistischen Regierung zu der Freiheitsentziehung veranlaßt worden ist; als Zeitpunkt für den Beginn der deutschen Veranlassung gilt bei den von den Regierungen Bulgariens und Ungarns aus rassischen Gründen vorgenommenen Freiheitsentziehungen der 6. April 1941. Die Fassung der Abkommensregelung der Nr 11 Buchst a Schlußprot Abk Israel SozSich gibt keinen Anhalt dafür, daß ein anderes Datum, für Ungarn insbesondere erst der Zeitpunkt des Einmarsches deutscher Truppen in Ungarn am 19. März 1944, wie von der Revision angestrebt, zugrunde zu legen ist. Gleiches gilt für die Parallelregelung in Art 1 Abs 7 des 2. ZAbk zum Abk USA SozSich.
Die Abkommensvorschriften legen das Datum, von dem an in den einzelnen Vertreibungsgebieten von einem nationalsozialistischen Einfluß auszugehen ist, nicht fest. Sie enthalten auch keinen Hinweis darauf, daß es auf einen unmittelbaren Einfluß des nationalsozialistischen deutschen Staates iS einer Abhängigkeit, sei es auf Grund militärischer Okkupation des jeweiligen Heimatgebietes oder direkter Übernahme der politischen Macht ankommen soll. Für das Lastenausgleichsrecht bestimmt § 1 Abs 2 Satz 1 der Elften Verordnung über Ausgleichsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 18. Dezember 1956 (BGBl I 932), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Juni 1970 (BGBl I 681, 1221), den Zeitpunkt der jeweiligen Einbeziehung in den „unmittelbaren” Einflußbereich der deutschen Staatsführung als Beginn der Verfolgungszeit in den Vertreibungsgebieten außerhalb des Deutschen Reichs nach dem Gebietsstand vom 31. Dezember 1937. Dem Wort unmittelbar sollte nach dem Willen des Gesetzgebers eine den „Einflußbereich” einengende Bedeutung zukommen (vgl BVerwGE 20, 182, 184; BVerwGE 29, 122 ff mwN). Ein solcher Zusatz findet sich in den Abkommensregelungen nicht.
Eine weitergehende inhaltliche Beschränkung des „nationalsozialistischen Einflußbereichs” ergibt sich auch nicht aus Sinn und Zweck der Abkommensregelungen und der Bedeutung, die dem „nationalsozialistischen Einflußbereich” in diesem Zusammenhang zukommt. Sie haben das Ziel, die deutschsprachigen Juden, die aus den osteuropäischen Staaten nach Israel oder in die USA ausgewandert sind und wegen des fehlenden Bekenntnisses zum deutschen Volkstum nicht als Aussiedler anerkannt werden und damit auch nicht die Leistungen nach dem FRG erhielten, den deutschstämmigen Aussiedlern gleichzustellen (vgl Denkschriften zu den Zusatzabkommen, BT-Drucks 13/1809 S 9 und 13/1811 S 13, jeweils unter I). Die Vorschriften machen die Gleichstellung nicht von einem individuellen Verfolgungsschicksal abhängig. Vielmehr dient der Beginn der nationalsozialistischen Einflußnahme auf das jeweilige Heimatgebiet als Abgrenzungsmerkmal für den in die Gleichstellung einbezogenen Personenkreis; dieser Zeitpunkt ist für die Zugehörigkeit zum dSK, die Vollendung des 16. Lebensjahres und das Bekenntnis zum Judentum maßgebend. Die Abgrenzung kann sich, da eine individuelle Betroffenheit nicht erforderlich ist, nur aus dem Beginn allgemeiner Verfolgungsmaßnahmen durch den Nationalsozialismus in dem jeweiligen Gebiet ergeben (vgl Denkschriften, aaO).
Mit diesem weiten Verständnis des nationalsozialistischen Einflußbereichs in den Abkommensregelungen ist es nicht vereinbar, als Beginn des Einflusses in Ungarn erst den 19. März 1944 anzunehmen. Es handelt sich hierbei um den Zeitpunkt, ab dem nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte zum BEG die Verfolgungsmaßnahmen durch den nunmehr dem deutschen Herrschaftsbereich einverleibten ungarischen Staat im Regelfall als deutsche nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen anzusehen sind, für die nach den §§ 1, 2 und § 43 Abs 1 Satz 1 BEG einzustehen ist (vgl BGH RzW 1976, 214, 215 mwN). Der „nationalsozialistische Einflußbereich” erfordert jedoch offensichtlich weniger an nationalsozialistischer Einflußnahme als unmittelbar dem deutschen Staat zurechenbare nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen. Es bietet sich daher an, auf den Zeitpunkt abzustellen, ab dem das Gesetz die Verfolgungsmaßnahmen noch selbständig handelnder Staaten dem deutschen Einflußbereich zuschreibt. Das ist für Verfolgungsmaßnahmen des bulgarischen als auch des ungarischen Staates nach § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Halbsatz 2 BEG der 6. April 1941.
Der Anwendung dieses Datums im Abkommensrecht steht nicht entgegen, das es innerstaatlichem Recht entnommen ist. Die Beurteilung des Beginns der allgemeinen Verfolgungsmaßnahmen iS der Abkommensvorschriften einerseits und der deutschen Veranlassung iS des § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 BEG andererseits knüpft an historische Tatsachen an und kann hiervon ausgehend grundsätzlich nur einheitlich beantwortet werden. Die Abkommensregelungen dienen außerdem ausschließlich dazu, die Renten aus den nach innerstaatlichem Recht (§ 17a FRG) anzuerkennenden Fremdrentenzeiten ins Ausland zahlbar zu machen. Sie grenzen den nach dem Abkommen zur Nachentrichtung berechtigten Personenkreis ausdrücklich unter Bezugnahme auf das innerstaatliche Recht ein, indem die Nachentrichtung nur für Personen zugelassen wird, sofern für sie nach § 17a FRG Beitrags- oder Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen sind. Der Kreis der nach den Abkommen Berechtigten kann daher jedenfalls nicht weiter sein, als der innerstaatlich begünstigte. Die Übernahme der Stichtagsregelung des § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Halbsatz 2 BEG in die Regelung des § 17a FRG ist, wie schon der 13. Senat des BSG entschieden hat, aus Gründen des inneren Zusammenhangs dieser Vorschrift mit dem Entschädigungsrecht und zur Wahrung von Rechtseinheit, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit geboten (Urteil vom 25. November 1999 – B 13 RJ 63/98 R, S 9 ff des Umdrucks). Die von der Revision hiergegen vorgebrachten Bedenken überzeugen nicht.
Es trifft allerdings zu, daß der Anspruch auf Entschädigung nach § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 BEG ein individuelles Verfolgungsschicksal voraussetzt. Dem Betroffenen muß durch einen ausländischen Staat auf deutsche Veranlassung hin die Freiheit entzogen worden sein. Das steht jedoch der Annahme nicht entgegen, es handele sich bei dem in Halbsatz 2 der Vorschrift geregelten Stichtag für den Beginn der deutschen Veranlassung um den Beginn der allgemeinen Verfolgungsmaßnahmen in den Vertreibungsgebieten. Für Bulgarien und Ungarn hat der durch das BEG-SchlußG in § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 BEG rückwirkend zum 1. Oktober 1953 eingefügte Halbsatz 2 die Einzelfallprüfung der deutschen Veranlassung durch ein festes Datum ersetzt. Im Rahmen dieser Vorschrift gilt nunmehr jede Freiheitsentziehung aus Gründen der Rasse durch diese Staaten ab dem 6. April 1941 als auf nationalsozialistische deutsche Veranlassung hin geschehen (vgl BGH RzW 1967, 78). Der Anspruch auf Entschädigung nach § 43 BEG erfordert zwar weiterhin ein individuelles Verfolgungsschicksal in Gestalt einer Freiheitsentziehung aus rassischen Gründen. Hinsichtlich der deutschen Veranlassung ist jedoch der Beginn der allgemeinen Verfolgungsmaßnahmen auf nationalsozialistische Veranlassung maßgebend.
Die Auffassung der Revision trifft nicht zu, mit § 17a FRG (und auch mit Nr 11 Buchst a Satz 1 Schlußprot Abk Israel) sei in bewußter Abkehr vom BEG ein alternativer Verfolgungssachverhalt geschaffen worden, der eine eigenständige Interpretation verlange, die sich nicht an den Grundsätzen des BEG ausrichte. Soweit § 17a FRG überhaupt an eine Verfolgung anknüpft, ist es, wie die Revision insoweit zutreffend ausführt, „das allgemeine Schicksal der jüdischen Bevölkerung als Gruppenverfolgte” in den Vertreibungsgebieten. Auf dieses allgemeine Schicksal nimmt auch § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Halbsatz 2 BEG Bezug, wenn er als Beginn der durch den deutschen Nationalsozialismus veranlaßten Judenverfolgung in Bulgarien und Ungarn generell den 6. April 1941 bestimmt. § 17a FRG knüpft also an denselben generellen Sachverhalt an wie § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Halbsatz 2 BEG.
Der Hinweis der Revision, daß der Gesetzgeber mit § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Halbsatz 2 BEG eine Regelung zugunsten der Verfolgten treffen wollte (vgl BT-Drucks IV/1550 S 27 zu Nr 22), sich dieser Stichtag im Rahmen des § 17a FRG aber als Beschränkung des anspruchsberechtigten Personenkreises auswirkt, ist für Personen wie die Klägerin, die das 16. Lebensjahr erst ab dem Stichtag vollendet haben, zutreffend. Andererseits wirkt sich der Stichtag jedoch bei Personen, die das 16. Lebensjahr vorher vollendet haben, jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang günstig aus. Denn die Versicherungsträger gehen bei diesen Personen davon aus, daß eine etwaige frühere Erstreckung des nationalsozialistischen Einflußbereichs auf das Heimatgebiet nicht mehr geprüft wird und damit unschädlich ist. Insgesamt rechtfertigt das mit der Stichtagsregelung ebenfalls verfolgte Ziel einer einheitlichen Behandlung der Fälle (vgl BT-Drucks IV/1550 S 27 zu Nr 22) ihre Anwendung auch im Rahmen des § 17a FRG. Die Rechtsprechung zu § 43 Abs 1 Satz 2 Nr 2 BEG vor Inkrafttreten des BEG-SchlußG hat gezeigt, daß letzte Klarheit über den Beginn des nationalsozialistischen Einflußbereichs und der deutschen Veranlassung insbesondere in Ungarn nicht zu gewinnen ist (vgl für eine deutsche Veranlassung vor der deutschen Besetzung: OLG Köln RzW 1958, 364; LG Darmstadt RzW 1960, 170; OLG Köln RzW 1960, 382; dagegen: LG Stuttgart RzW 1958, 363; OLG Stuttgart, zitiert nach BGH RzW 1958, 70; OLG Koblenz, zitiert nach BGH RzW 1959, 125). Die historischen Gegebenheiten können unterschiedlich bewertet werden. Wenn der Gesetzgeber schon für den Anwendungsbereich des § 43 BEG, für den eine individuelle Verfolgung mit Freiheitsentziehung erforderlich ist, die Schwierigkeiten durch eine Stichtagsregelung ausgeräumt hat, so muß dieser Stichtag erst recht im Rahmen des § 17a FRG gelten, dessen Anwendung nur eine allgemeine Ausdehnung des nationalsozialistischen Einflußbereichs voraussetzt.
4. Über die Anerkennung von Zeiten nach § 17a FRG war im vorliegenden Rechtsstreit nicht selbständig zu entscheiden. Nach der erwähnten Erklärung des Unterbevollmächtigten der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist die im Antrag erwähnte Anrechnung von Zeiten nur als Begründung für das Nachentrichtungsbegehren zu verstehen. Dieses scheitert jedoch schon aus den unter 2. und 3. genannten Gründen. Das beantragte Altersruhegeld steht der Klägerin nicht zu, weil anrechenbare Versicherungszeiten bisher nicht festgestellt sind und die Klägerin dieses im vorliegenden Rechtsstreit auch nicht begehrt.
Die Revision war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen