Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg bei Streitigkeiten über das Konkursvorrecht und die Eigenschaft als Masseschuld von Beitragsrückständen. Unzulässigkeit der Feststellungsklage. Vereinbarkeit des Konkursvorrechts der Beitragsforderungen der Sozialversicherungsträger mit dem GG. Rüge von Verfahrensmängeln durch Bezugnahme
Leitsatz (redaktionell)
Verfassungsmäßigkeit der Behandlung rückständiger Berufsgenossenschaftsbeiträge als bevorrechtigte Konkursforderungen gemäß § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst e KO: 1. Die Behandlung rückständiger Berufsgenossenschaftsbeiträge für den 7. bis 12. Monat vor Konkurseröffnung als bevorrechtigte Konkursforderungen gemäß § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst e KO verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG noch liegt ein Eingriff in das Eigentum (Art 14 GG) der von der Insolvenz mitbetroffenen Arbeitnehmer oder der übrigen Konkursgläubiger vor.
Auch im sozialgerichtlichen Verfahren ist grundsätzlich die Feststellungsklage gegenüber der Leistungs- oder Anfechtungsklage nachrangig.
Orientierungssatz
1. Für Streitigkeiten über das Konkursvorrecht und die Eigenschaft als Masseschuld von Beitragsrückständen steht der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit offen (vgl ua BSG 1980-10-30 8a RU 96/79 = SozR 2200 § 28 Nr 4). Der Streit um Beitragsrückstände als Masseforderungen ist wie jeder andere Streit um Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung iS von § 51 SGG.
2. Eine Berufsgenossenschaft hat rückständige Beiträge für die letzten 6 Monate vor Konkurseröffnung als Masseschulden (RVO § 28 Abs 3 aF; KO § 59 Abs 1 Nr 3 aF) mit einem Beitragsbescheid gegen den Konkursverwalter geltend zu machen. Sie kann nicht auf Feststellung klagen, die Beitragsrückstände seien Masseschulden (vgl BSG 1980-10-30 8a RU 96/79).
3. Es ist nicht willkürlich oder sach- und systemwidrig, Sozialversicherungsträger und die Arbeitnehmer im Konkurs mit ihren bevorrechtigten Konkursforderungen gleichrangig zu behandeln. Die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger ist für die Versichertengemeinschaft und damit für jeden einzelnen Versicherten nicht so wesentlich weniger schutzwürdig als die Sicherheit der Lohn- und Gehaltsansprüche, daß sich aus Art 3 Abs 1 GG oder dem Rechtsstaatsgrundsatz des Art 20 GG das zwingende Gebot der Nachrangigkeit der Beitragsforderungen ergäbe.
4. Durch die Regelungen des Konkursausfallgeldgesetzes ist die verfassungsrechtliche Lage nicht entscheidend geändert worden.
5. Eine ordnungsgemäße Rüge von Verfahrensmängeln liegt nicht vor bei Verweisung auf die Begründung der vorausgegangenen Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG 1976-08-24 8 RU 152/75 = SozR 1500 § 164 Nr 3).
6. Ein Eingriff in das Eigentum (Art 14 GG) durch die Neuordnung der Rangfolge im Konkurs oder die Einführung der Insolvenzversicherung besteht nicht.
Normenkette
SGG § 51 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03; RVO § 28 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1924-12-15, Abs. 3 Fassung: 1974-07-17; KO §§ 57, 59 Abs. 1 Nr. 3, § 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e, § 146 Abs. 1 S. 1; RVO § 746 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 14 Abs. 2 Fassung: 1949-05-23, Art. 20 Abs. 3 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 19.12.1979; Aktenzeichen L 3 U 73/79) |
SG Mainz (Entscheidung vom 02.02.1979; Aktenzeichen S 3 U 62/77) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Beitragsrückstände des Unternehmers aus der Zeit vor Eröffnung des Konkurses Masseschulden oder bevorrechtigte Konkursforderungen sind.
Am 8. September 1976 wurde über das Vermögen der B E - S GmbH, die Mitglied der Klägerin sind, das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Die Klägerin meldete rückständige, der Höhe nach unbestrittene Unfallversicherungsbeiträge für Zeiten vom 9. März bis 8. September 1976 als Masseschulden und vom 1. Januar bis 8. März 1976 als bevorrechtigte Konkursforderungen an. Der Beklagte lehnte die Anerkennung dieser Konkurs-Vorrechte ab.
Entsprechend dem Antrag der klagenden Berufsgenossenschaft (BG) hat das Sozialgericht Mainz (SG) mit seinem Urteil vom 2. Februar 1979 festgestellt, die Beitragsforderungen der Klägerin für die Zeit vom 9. März bis 8. September 1976 sei eine Masseschuld und für die Zeit vom 1. Januar bis 8. März 1976 eine bevorrechtigte Konkursforderung.
Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 19. Dezember 1979).
Der Beklagte hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung der §§ 59, 61, 146 der Konkursordnung (KO), des § 256 der Zivilprozeßordnung (ZPO), der Art 3, 14, 20 und 103 des Grundgesetzes (GG) sowie des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowie des § 28 der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der Beklagte beantragt,
1. das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung
des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe
wegen des Rechtsweges herbeizuführen,
2. das Verfahren nach Art 100 des Grundgesetzes
auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht
wegen der Klärung der verfassungsrechtlichen
Aspekte vorzulegen.
3. Falls den Anträgen zu 1. und 2. nicht entsprochen
wird, das Urteil des Landessozialgerichts
Rheinland-Pfalz vom 19. Dezember 1979
aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts
Mainz vom 2. Februar 1979 abzuändern und die
Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet, soweit sie die Beitragsrückstände für sechs Monate vor der Konkurseröffnung betrifft. Die Urteile der Vorinstanzen sind insoweit aufzuheben. Die auf Feststellung dieser Beitragsforderungen als Masseschulden gerichtete Klage ist unzulässig und deshalb abzuweisen.
Soweit sich die Feststellungsklage auf die weiter zurückliegenden Beitragsrückstände (1. Januar bis 8. März 1976) richtet, ist sie zulässig und begründet. In diesem Umfang ist die Revision unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß diese Forderungen vorrangige Konkursforderungen im Sinne von § 61 Nr 1 der KO sind.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits mehrfach entschieden, daß für Streitigkeiten über das Konkursvorrecht und die Eigenschaft als Masseschuld von Beitragsrückständen der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit offensteht (zuletzt BSGE 49, 276 mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung; Urteil des erkennenden Senats vom 30. Oktober 1980 - 8a RU 96/79). Einer Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, wie sie der Beklagte beantragt hat (§§ 2, 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 - BGBl I, 661) bedarf es nicht. Aufgrund eines entsprechenden Vorlagebeschlusses des BSG hat der Bundesgerichtshof seine abweichende Rechtsauffassung in BGHZ 34, 293 aufgegeben (Beschluß vom 22. Januar 1971, BGHZ 55, 224). Ebenso wie seinerzeit der 3. Senat ist auch der erkennende Senat daher nicht gehindert, den Rechtsweg für zulässig zu erklären (BSGE 32, 263, 264). Der Streit um Beitragsrückstände als Masseforderungen ist wie jeder andere Streit um Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne von § 51 SGG (vgl BFHE 102, 339). Entscheidungen über den Rechtsweg bei Streitigkeiten über das Konkursvorrecht von Steuerforderungen gemäß § 61 Abs 1 Nr 2 KO (etwa BGHZ 19, 163, 164 oder BFHE 82, 678) sind demgegenüber nicht einschlägig.
Das angefochtene Urteil des LSG leidet entgegen der Auffassung des Beklagten nicht an einem Mangel im Sinne von § 551 Nr 1 der ZPO, der nach § 202 SGG ebenfalls im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist. Das LSG war vorschriftsmäßig besetzt.
Die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts ergibt sich aus dem Geschäftsverteilungsplan des LSG Rheinland-Pfalz iVm dem internen Geschäftsverteilungsplan des 3. Senats für das Jahr 1979. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des 3. Senats des LSG Rheinland-Pfalz für das Jahr 1979 war Richter am LSG Spohn Berichterstatter (für das Aktenzeichen L 3 U 73/79). Richter am LSG Schwerdtner war zunächst irrtümlich mit der Sache befaßt worden. An der Entscheidung hat er nicht mitgewirkt. Das gegen ihn angebrachte Ablehnungsgesuch war daher, nachdem der Irrtum bemerkt worden war, gegenstandslos geworden. Einer Entscheidung bedurfte es nicht mehr. Der Anspruch auf rechtliches Gehör des Beklagten ist somit nicht dadurch verletzt worden, daß über sein Ablehnungsgesuch nicht entschieden worden ist, wenn sich auch eine kurze Mitteilung an den Beklagten aus Gründen der Klarheit und zur Vermeidung von Mißverständnissen angeboten hätte. Im übrigen ist nicht erkennbar, daß sich das Verfahren des LSG insoweit auf seine Entscheidung in der Sache selbst ausgewirkt hat.
Weitere der Wirksamkeit des angefochtenen Urteils entgegenstehende Verfahrensmängel hat der Beklagte mit der Revision nicht ordnungsgemäß gerügt. Eine Verweisung auf die Begründung der vorausgegangenen Nichtzulassungsbeschwerde, wie sie aus der Revisionsbegründung (S. 2) entnommen werden könnte, ist unzulässig (BSG SozR 1500 § 164 Nr 3). Soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 13. Oktober 1980 und später Ausführungen zur Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör im Zusammenhang mit seinem Vertagungsantrag macht, sind sie unbeachtlich, weil die Revisionsbegründungsfrist am 12. September 1980 abgelaufen war.
Die Feststellungsklage der Klägerin ist, soweit sie die Feststellung rückständiger Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung als Masseschulden (§§ 57 bis 60 KO) betrifft, unzulässig. Wegen dieses auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigenden Mangels ist sie abzuweisen:
Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 30. Oktober 1980 (8a RU 96/79) ausgeführt hat, ist die Frage, ob eine Beitragsforderung Masseschuld ist, zwar nicht nach sozialversicherungsrechtlichen, sondern nach konkursrechtlichen Vorschriften zu beantworten. Der hier noch anwendbare § 28 Abs 3 RVO idF des 3. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 17. Juli 1974 (BGBl I 1481 - Konkursausfallgeldgesetz -) ist materiell eine konkursrechtliche Regelung. Dennoch ist ein solcher Streit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung. Es besteht nämlich ein unmittelbarer Sachzusammenhang zwischen der sozialrechtlichen Beitragsforderung und der Eigenschaft dieser Forderung als Masseschuld. Verlangt die BG nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Unternehmers von dem Konkursverwalter die Erfüllung ihrer Forderungen für rückständige Beiträge aus den letzten sechs Monaten vor Konkurseröffnung als Masseschulden, steht ihr im Streitfall nicht die Feststellungsklage des § 55 SGG zur Verfügung. Denn Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren das berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren ist grundsätzlich die Feststellungsklage gegenüber der Leistungs- oder Anfechtungsklage nachrangig. Nach dem für das Beitragsverfahren in der gesetzlichen Unfallversicherung zwingenden § 746 RVO ist dem Unternehmer ein Beitragsbescheid zuzustellen, der die Angaben enthalten muß, nach denen der Beitragsschuldner die Beitragsberechnung prüfen kann. Die Berufsgenossenschaft ist daher nicht berechtigt, anstelle eines Beitragsbescheides (Verwaltungsaktes) eine auf die Feststellung der Beitragsschuld gerichtete Feststellungsklage zu erheben. Das gilt auch nach der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Unternehmers. Der Konkursverwalter tritt an die Stelle des Unternehmers. Ihn treffen dieselben Rechte und Pflichten, die sich aus der Arbeitgeberstellung des Gemeinschuldners ergeben. Er hat also ebenso wie der Gemeinschuldner die Beitragsforderungen einer Berufsgenossenschaft zur gesetzlichen Unfallversicherung zu erfüllen. Ihm sind daher ebenso wie zuvor dem Gemeinschuldner die Beitragsbescheide nach § 746 RVO zuzustellen. Werden dem Konkursverwalter gegenüber Beitragsforderungen als Masseschulden geltend gemacht, sind sie in derselben Weise zu verfolgen, wie die Forderung gegen den Gemeinschuldner. Massegläubiger sind keine Konkursgläubiger. Ihre Forderungen unterliegen nicht den Vorschriften über die Geltendmachung und Prüfung der Konkursforderungen. Sie vollzieht sich außerhalb des Konkursverfahrens. Das gilt für Beitragsforderungen einer Berufsgenossenschaft ebenso wie für privatrechtliche oder arbeitsrechtliche Forderungen. Ein Streit über Masseschulden ist daher so anhängig zu machen, wie wenn der Konkurs über das Vermögen des Gemeinschuldners nicht eröffnet worden wäre. Die Berufsgenossenschaft hat daher gegenüber dem Konkursverwalter einen Beitragsbescheid zu erlassen, aus dem sie gegebenenfalls vollstrecken kann. Der Konkursverwalter kann sodann gegebenenfalls mit dem Widerspruch und, soweit erforderlich, mit der Anfechtungsklage gegen diese Entscheidungen der Berufsgenossenschaft vorgehen. § 146 KO regelt demgegenüber das andersartige Verfahren bei der Anmeldung und Verfolgung von Konkursforderungen. Hier steht auch einer Berufsgenossenschaft die Feststellungsklage zu, wenn der Konkursverwalter die zur Konkurstabelle als Konkursforderungen angemeldeten Beitragsrückstände bestreitet. Wegen der grundsätzlichen Verschiedenheit der Verfahren, mit denen einerseits Masseschulden und andererseits Konkursforderungen verfolgt werden, ist eine Verbindung beider Verfahren, wie die Klägerin meint, etwa in dem Sinne, daß eine Feststellungsklage der Berufsgenossenschaft auch hinsichtlich streitiger Masseschulden dann zulässig ist, wenn gleichzeitig streitig gebliebene bevorrechtigte Konkursforderungen festgestellt werden sollen, nicht möglich.
Die Klägerin hat zwar inzwischen einen Widerspruchsbescheid erlassen, mit dem sie ua den Widerspruch des Beklagten gegen ihre Beitragsanforderungen für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung zurückgewiesen hat. Dieser während des Revisionsverfahrens ergangene Widerspruchsbescheid wirkt sich aber nicht auf die Zulässigkeit der Feststellungsklage der Klägerin aus. Abgesehen davon, daß während des Revisionsverfahrens ergangene Bescheide nur in bestimmten Fällen Gegenstand des Verfahrens werden (§ 171 Abs 2 SGG), müßte dieser Bescheid von dem Beklagten angefochten werden, bevor eine Sachentscheidung im Instanzenzug möglich ist. Da somit die Feststellungsklage der Klägerin bereits mangels Zulässigkeit abzuweisen ist, kann über die sachliche Berechtigung der Beitragsforderung als Masseschuld nicht entschieden werden, so daß auch die Vereinbarkeit mit dem GG von § 28 Abs 3 RVO idF des Konkursausfallgeldgesetzes (jetzt § 59 Abs 1 Nr 3e KO) in bezug auf Beitragsrückstände zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht geprüft werden kann. Eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art 100 GG scheidet daher aus.
Für die Feststellung von Beitragsrückständen der Sozialversicherungsträger als bevorrechtigte Konkursforderungen (§ 28 Abs 3 RVO in der bis zum 30. Juni 1977 geltenden Fassung - jetzt § 61 Abs 1e KO im Verfahren nach § 146 KO sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig (BGHZ 55, 224; BSGE 32, 263, 264, 265 mit Nachweisen).
Dieses Konkursvorrecht genießen von jeher alle Sozialversicherungsträger (BSG aaO; für die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung ausdrücklich BSGE 25, 235 ff und neuerdings mit eingehender Begründung unter Hinweis auf die historische Entwicklung BSGE 49, 276 ff). Mit der Änderung des § 28 Abs 3 RVO (Art 2 § 4 des Konkursausfallgeldgesetzes -BGBl I 1481-) sind lediglich Beitragsrückstände für die letzten sechs Monate vor der Konkurseröffnung Masseschulden geworden. Die bis zu einem Jahr zurückliegenden Beitragsrückstände sind wie bisher bevorrechtigte Konkursforderungen nach § 61 Abs 1 Nr 1 KO geblieben. Insoweit hat sich an der Rechtslage seit dem Inkrafttreten der Reichsversicherungsordnung im Jahre 1911 nichts geändert.
Vorkonstitutionelle Gesetze (Art 123 GG) sind auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz allein von den zuständigen Gerichten zu überprüfen, nicht dagegen von dem Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 2, 124, 129, 130).
Schon der 3. Senat des BSG hat ausgeführt (BSGE 32, 263, 267), daß die Bevorrechtigung nach § 28 Abs 3 RVO aF, § 61 Abs 1 KO aF von rückständigen Beiträgen zu einer freiwilligen Versicherung bei einem Sozialversicherungsträger nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verstoße, weil an der Befriedigung der Forderung eines privaten Versicherungsunternehmens im Konkurs kein oder jedenfalls nicht ein so erhebliches öffentliches Interesse wie an der Erfüllung von Beitragsansprüchen eines Sozialversicherungsträgers bestehe. Auch der erkennende Senat vermag keine Unvereinbarkeit des weiterhin bestehenden Konkursvorrechts der Beitragsforderungen aller Sozialversicherungsträger mit dem Grundgesetz zu erkennen. Eine Bevorrechtigung gegenüber anderen (einfachen) Konkursgläubigern rechtfertigt sich aus dem Schutzzweck der Sozialversicherung, der es erfordert, die Leistungsfähigkeit der Sozialversicherungsträger vorrangig sicherzustellen, die ihre Mittel aus Beiträgen oder aus dem Steueraufkommen - die Unfallversicherungsträger allein aus Beiträgen - erhalten. Gerade weil die Zahl der Konkurse mit geringer Masse zunimmt, ist es gerechtfertigt, das Konkursvorrecht der Sozialversicherungsträger beizubehalten. Demgegenüber kann nicht eingewendet werden, daß bei geringer Konkursmasse die anerkanntermaßen mit ihren Lohn- und Gehaltsforderungen bevorzugt zu befriedigenden Arbeitnehmer in ihren Ansprüchen ungerechtfertigt geschmälert würden. Es ist jedenfalls nicht willkürlich oder sach- und systemwidrig, Sozialversicherungsträger und die Arbeitnehmer weiterhin im Konkurs mit ihren bevorrechtigten Konkursforderungen gleichrangig zu behandeln. Die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger ist für die Versichertengemeinschaft und damit für jeden einzelnen Versicherten nicht so wesentlich weniger schutzwürdig als die Sicherheit der Lohn- und Gehaltsansprüche, daß sich aus Art 3 Abs 1 GG oder dem Rechtsstaatsgrundsatz des Art 20 GG das zwingende Gebot der Nachrangigkeit der Beitragsforderungen ergäbe.
Durch die Regelungen des Konkursausfallgeldgesetzes ist die verfassungsrechtliche Lage nicht entscheidend geändert worden. Die mit den §§ 141a bis m Arbeitsförderungsgesetz (AFG) eingeführte Insolvenzversicherung hat die Forderungen der Arbeitnehmer für einen Zeitraum von insgesamt drei Monaten vor dem Insolvenzereignis mit dem Konkursausfallgeld gesichert (§ 141a AFG). Eine ebensolche Sicherung haben die Beitragsforderungen der Träger der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie der Bundesanstalt für Arbeit erfahren (§ 141n AFG). Hiervon ausgeschlossen sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die andererseits die Insolvenzversicherung allein zu finanzieren haben (§§ 186b, 186c Abs 3 AFG). Das Arbeitsamt erhält allerdings wegen der übergegangenen Entgeltansprüche der Arbeitnehmer (§ 141m Abs 1 AFG) nur ein Konkursvorrecht nach § 61 Abs 1 Nr 1 KO (§ 59 Abs 2 KO), während die Beitragsforderungen der Unfallversicherungsträger für sechs Monate in vollem Umfang Masseforderungen wie bisher bleiben. Von dieser Regelung werden aber die Beitragsforderungen für den siebenten bis zwölften Monat vor dem Insolvenzereignis nicht berührt. Es ist nicht erkennbar, daß gerade die Bevorrechtigung der Unfallversicherungsträger für diese Zeit ihr Vorrecht nach § 28 Abs 3 RVO aF, § 61 Abs 1 Nr 1e KO nF aus Gründen der Gleichbehandlung oder der Rechtsstaatlichkeit hätten verlieren müssen. Ein Eingriff in das Eigentum (Art 14 GG), weder der Arbeitnehmer noch der übrigen Konkursgläubiger, durch die Neuordnung der Rangfolge im Konkurs oder die Einführung der Insolvenzversicherung ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art 14 Abs 2 GG) erlaubt jedenfalls trotz der Verbesserung der Stellung der Arbeitnehmer und der Sozialversicherungsträger im Konkurs, das Konkursvorrecht für die von den einschlägigen Änderungen nicht betroffenen Zeiten beizubehalten. Es ist nicht etwa geboten, als Ausgleich für die übrigen Konkursgläubiger dies Konkursvorrecht der Sozialversicherungsträger oder auch nur der Unfallversicherungsträger wegfallen zu lassen. Sie müssen die - im übrigen durch § 59 Abs 2 KO gemilderte - Verschlechterung ihrer Befriedigungsmöglichkeiten im Konkurs hinnehmen. Das Konkursrecht ist dadurch nicht, wie der Beklagte unter Hinweis auf das vorgelegte Gutachten von Prof Dr. S meint, seiner Verteilungsfunktion praktisch beraubt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen