Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschiedenenwitwenrente. befristeter Unterhaltsanspruch
Orientierungssatz
Ein Versicherter hat zur Zeit seines Todes keinen Unterhalt iS des § 1265 S 1 RVO geleistet, wenn bereits zu dieser Zeit feststeht, daß eine Unterhaltsverpflichtung infolge vertraglicher Befristung in naher Zukunft entfallen werde. Unter "naher Zukunft" ist ein Zeitraum von einem Jahr zu verstehen (vgl BSG 24.10.1975 5 RJ 84/75 = SozR 2200 § 1265 Nr 10).
Normenkette
RVO § 1265 S 1 Alt 3
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 07.02.1984; Aktenzeichen L 2 J 730/83) |
Hessisches LSG (Entscheidung vom 07.02.1984; Aktenzeichen L 2 J 684/83) |
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.04.1983; Aktenzeichen S 16 J 597/82) |
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente nach § 1265 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Die am 28. Februar 1944 geborene Klägerin ist die frühere Ehefrau des am 22. Dezember 1981 verstorbenen Versicherten Dieter Sch (Versicherter). Die Ehe wurde am 1. Oktober 1973 aus dem Verschulden des Versicherten geschieden. Durch Unterhaltsvergleich vom 11. Mai 1978 verpflichtete sich der Versicherte, an die Klägerin als Unterhaltsbeitrag ab 1. Juni 1978 bis zu deren Wiederverheiratung, längstens bis zum 31. Dezember 1982 monatlich 250,-- DM zu zahlen. Dieser Verpflichtung ist der Versicherte bis zu seinem Tode nachgekommen. Weder er noch die Klägerin sind nach der Scheidung eine neue Ehe eingegangen.
Den Antrag auf Hinterbliebenenrente lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 26. April 1982 ab mit der Begründung, die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten sei zeitlich begrenzt gewesen, im übrigen hätte ein Unterhaltsverzicht der Klägerin vorgelegen.
Das Sozialgericht (SG) Frankfurt verurteilte die Beklagte zur Gewährung von Hinterbliebenenrente nach § 1265 Satz 2 RVO und wies im übrigen die Klage ab (Urteil vom 25. April 1983). Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten verurteilte das Hessische Landessozialgericht (LSG) in Abänderung des sozialgerichtlichen Urteils die Beklagte zur Gewährung von Hinterbliebenenrente nach § 1265 Satz 1 RVO. Es ging davon aus, daß der Versicherte vor seinem Tode aufgrund eines gerichtlichen Vergleiches an die Klägerin Unterhalt geleistet hat. Die zeitliche Begrenzung der Unterhaltspflicht im Unterhaltsvergleich stehe dem Rentenanspruch nicht entgegen, weil der Gesetzeswortlaut des § 1265 Satz 1 RVO allein auf die tatsächliche Unterhaltszahlung im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten abstelle.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision. Sie trägt vor, daß nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein Hinterbliebenenrentenanspruch nicht bestehe, wenn die Unterhaltsverpflichtung und damit die Unterhaltsleistung des Versicherten in naher Zukunft nach seinem Tode ohnehin geendet hätte. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt, weil der Zeitraum des Fortbestehens der Unterhaltspflicht des Versicherten nicht länger als ein Jahr gewesen sei. Aufgrund des umfassenden Unterhaltsverzichts der Klägerin in dem mit dem Versicherten geschlossenen Vergleich bestehe auch kein Anspruch nach § 1265 Satz 2 RVO.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. Februar 1984 (L 2/J-684 u. 730/83) aufzuheben sowie das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 25. April 1983 (S 16/J-597/82) abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Dem LSG ist im Ergebnis beizupflichten.
Nach § 1265 Satz 1 RVO wird Hinterbliebenenrente ua dann gewährt, wenn der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Nach den Feststellungen des LSG hat der Versicherte an die Klägerin im letzten Jahr vor seinem Tod regelmäßig Unterhalt in Höhe von 250,-- DM monatlich aufgrund eines gerichtlichen Vergleiches geleistet. Hierbei handelte es sich auch um eine Unterhaltsverpflichtung "aus sonstigen Gründen" iS des § 1265 Satz 1 RVO.
Dem Rentenanspruch der Klägerin steht auch nicht entgegen, daß die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten durch den gerichtlichen Vergleich bis zum 31. Dezember 1982 befristet war. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 18. Dezember 1973 - 5 RKn 29/72 = SozR Nr 70 zu § 1265 RVO; vom 24. Oktober 1975 - 5 RJ 84/75 = SozR 2200 § 1265 Nr 10) hat ein Versicherter zur Zeit seines Todes dann keinen Unterhalt iS des § 1265 Satz 1 RVO geleistet, wenn bereits zu dieser Zeit feststand, daß eine Unterhaltsverpflichtung infolge vertraglicher Befristung in naher Zukunft entfallen werde; denn das Gesetz will keinen Ausgleich durch eine Witwenrente für Unterhaltsansprüche geben, die nach ihrer vertraglichen Ausgestaltung offensichtlich keinen Dauercharakter haben können. Dabei hat die Rechtsprechung unter "naher Zukunft" einen Zeitraum von einem Jahr verstanden.
Maßgebend hierfür ist ausschließlich der Zeitpunkt des Todes des Versicherten. Hierauf stellt der Wortlaut des § 1265 RVO ab, nur von ihm aus ist ein als nahe Zukunft anzusehender Zeitraum zu bestimmen. Vom Zeitpunkt des Todes des Versicherten (22. Dezember 1981) aus hätte die Klägerin noch einen Unterhaltsanspruch für einen längeren Zeitraum als ein Jahr gehabt, nämlich für die Zeit vom 23. bis 31. Dezember 1981 und das ganze Jahr 1982. Darauf, ob die Jahresfrist nur geringfügig über- oder unterschritten worden ist, kann es nach dem Sinn und Zweck einer solchen Begrenzung nicht ankommen.
Nach alldem entspricht das angefochtene Urteil im Ergebnis der Rechtsprechung des BSG, die vom LSG angenommene Abweichung hiervon liegt nicht vor. Hiernach war die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen