Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
Rz. 92
Buchführungsverstöße können auch in steuerrechtlicher Hinsicht eine Korrektur der (Steuer-)Bilanz (sog. Bilanzberichtigung) erforderlich machen.
Von einer solchen Bilanzberichtigung (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG) spricht man, wenn ein fehlerhafter Bilanzansatz durch einen richtigen Bilanzansatz ersetzt wird. Ein Bilanzansatz ist dann fehlerhaft, wenn er unzulässig ist, d. h., wenn er objektiv gegen zwingende Vorschriften des Einkommensteuerrechts, des Handelsrechts oder gegen die einkommensteuerrechtlich zu beachtenden Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verstößt. Dabei sind allerdings nur solche Fehler zu berücksichtigen, die der Bilanzierungspflichtige bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung erkennen konnte (sog. subjektiver Fehlerbegriff).
Vor der Einreichung der Steuererklärung bzw. Bilanz beim Finanzamt kann eine Berichtigung ohne Weiteres erfolgen. Stellt der Steuerpflichtige den falschen Bilanzansatz erst nach Einreichung beim Finanzamt, aber noch vor der Festsetzung der Steuer fest, so hat er dies dem Finanzamt anzuzeigen (§ 153 AO) und die Bilanz entsprechend zu berichtigen. Wird der fehlerhafte Bilanzansatz durch das Finanzamt im Rahmen der Prüfung festgestellt, so ermittelt das Finanzamt den Gewinn eigenständig von Amts wegen neu. Die Bilanzberichtigung kann nur der Steuerpflichtige vornehmen.
Hat das Finanzamt die Steuer bereits festgesetzt, sind die §§ 129, 164, 165 und 172 ff. AO zu beachten. Kann der Steuerbescheid danach noch geändert werden, ist die unrichtige Bilanz auch in dem Jahr zu berichtigen, in dem der Fehler entstanden ist. Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn der fehlerhafte Bilanzansatz keinerlei Auswirkungen auf die Höhe der Steuer hat. In diesem Fall erfolgt lediglich eine erfolgsneutrale Bilanzberichtigung in der ersten noch offenen Schlussbilanz. Kann der Steuerbescheid hingegen nicht mehr geändert werden und wirkt sich der fehlerhafte Bilanzansatz auf die Höhe der Steuer aus, so ist der erfolgswirksame Fehler in der Schlussbilanz des ersten noch berichtigungsfähigen Jahres zu berichtigen.
Rz. 93
Aufgrund der Bilanzberichtigung kann es zu Nachzahlungen einschließlich der Festsetzung von Steuerzinsen (§ 233a AO) kommen.
Rz. 94
Außerdem können in der Folge von Bilanzberichtigungen auch Änderungen von an sich zulässigen Bilanzansätzen (sog. Bilanzänderung) zweckmäßig sein. Unter einer solchen Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG) versteht man den Austausch eines zulässigen Bilanzansatzes gegen einen anderen zulässigen Bilanzansatz. Auf diese Weise findet eine nachträgliche Korrektur des zunächst mit Einreichung der Steuererklärung ausgeübten und damit verbindlich festgelegten Ansatz- bzw. Bewertungswahlrechtes statt.
Nach Einreichung der Steuererklärung bzw. Bilanz ist eine Bilanzänderung nur noch zulässig, wenn ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG besteht, und nur in dem Umfang, in dem die Bilanzberichtigung Auswirkung auf den Gewinn hatte (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG). Mit der Bilanzänderung können also durch den Austausch zweier zulässiger Bilanzansätze die erfolgswirksamen Auswirkungen einer notwendigen Bilanzberichtigung kompensiert werden.
Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn die Bilanz unverzüglich nach der Bilanzberichtigung geändert wird. Ein enger sachlicher Zusammenhang liegt vor, wenn sich Bilanzberichtigung und -änderung auf dieselbe Bilanz beziehen. Er ist auch dann noch gegeben, wenn die Gewinnänderung im Rahmen der Bilanzberichtigung aus der Nichtverbuchung oder fehlerhaften Verbuchung von Entnahmen und Einlagen resultiert.