OFD Niedersachsen, Verfügung v. 4.9.2012, S 0490 - 13 - St 145
1. Allgemeines
Gem. § 48 AO können Dritte Leistungen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) gegenüber der Finanzbehörde bewirken bzw. sich vertraglich für diese Leistung verpflichten. Die Ansprüche aus derartigen Verträgen (z.B. Bürgschaft, Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis) sind privat-rechtlicher und nicht öffentlich-rechtlicher Natur und können daher nur gem. § 192 AO nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts durchgesetzt werden.
Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge einseitig gegenüber dem FA, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Hauptschuldners einzustehen (§ 765 BGB). Es kann sich hierbei auch um eine künftige oder bedingt fällige Verbindlichkeit handeln (§ 765 Abs. 2 BGB).
2. Taugliche Steuerbürgen
Nach § 244 AO ist eine Bürgschaft als Sicherheit (§ 241 AO) nur geeignet, wenn sie von Personen abgegeben worden sind, die ein der Höhe der zu leistenden Sicherheit angemessenes Vermögen besitzen und ihren allgemeinen oder einen vereinbarten Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Im Vollstreckungsverfahren kann u.U. auch eine Bürgschaft von nicht ein angemessenes Vermögen besitzenden Personen (nahen Angehörigen, nichtehelichen Lebenspartnern, Geschäftsführern oder Gesellschaftern des Steuerschuldners) infrage kommen, wenn sich das FA davor schützen will, dass Vermögen vom Hauptschuldner auf den Bürgen übertragen wird oder die gewerbliche Tätigkeit des Hauptschuldners vom Bürgen als Strohmann fortgeführt wird.
Nebeneffekt einer solchen Bürgschaft ist, dass der Bürge zur Vermeidung seiner Inanspruchnahme u.U. derart Einfluss auf den Steuerschuldner nimmt, dass dieser seinen Verpflichtungen – z.B. Zahlung von laufend fälligen Beträgen sowie der Raten und Abgabe der Steuererklärungen bei einem gewährten Vollstreckungsaufschub – künftig (innerhalb der vorgegebenen Fristen) nachkommt.
Wenn der Bürge kein angemessenes Vermögen besitzt, ist jedoch zu beachten, dass derartige Bürgschaften nach § 138 BGB nichtig sein können (vgl. Tz. 4) oder dass eine Inanspruchnahme des Bürgen nach § 242 BGB gegen Treu und Glauben (vgl. Tz. 5) verstoßen kann.
Es sind daher die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bürgen eingehend zu prüfen und die Bürgschaftssummen ggf. auf einen angemessenen Teilbetrag der Steuerschuld zu begrenzen. Bei vermögenslosen Bürgen ist ausdrücklich zu bestimmen, dass eine Inanspruchnahme nur für den Fall von Vermögensübertragungen zwischen Hauptschuldner und Bürgen oder für den Fall eines bestimmten Vermögenszuwachses erfolgt.
Über die entsprechenden Verhandlungen mit dem Hauptschuldner und dem Bürgen sind Aktenvermerke zu fertigen. In diesen ist festzuhalten, wie der Bürgschaftsvertrag zustande kam und in welchem Umfang eine Belehrung des Bürgen (Hinweis auf die Risiken einer Bürgschaft, insbesondere bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern) erfolgt ist.
Bezüglich der allgemein zugelassenen Steuerbürgen (i.d.R. Banken) Hinweis auf AO-Kartei §§ 241 bis 248 AO Karte 2 Abschn. (33) bis (51).
3. Formvorschriften und Akzessorietät
Das Bürgschaftsversprechen des Bürgen ist nur als Sicherheit anzunehmen, wenn es schriftlich erfolgt ist (§ 244 Abs. 1 Satz 3 AO) und vom Bürgen unterschrieben worden ist (§§ 126, 766 BGB).
Aus dem Bürgschaftsversprechen müssen sich ferner die Steuerschuld, für welche die Bürgschaft übernommen wird sowie der Gläubiger und Schuldner der Steuerschuld ergeben, da nach § 767 BGB die Bürgschaftsschuld von dem Bestand der Steuerschuld abhängig ist. Für eine künftige Forderung kann daher nur eine Bürgschaft übernommen werden, wenn die Forderung bestimmbar ist (BGH-Urteil vom 10.10.1957, BGHZ 25 S. 318).
Auf das Vorlegen von Blankobürgschaften (FA füllt die vom Bürgen bereits unterzeichnete Urkunde aus) ist grundsätzlich zu verzichten. Auf die Urteile des BGH vom 12.1.1984 (NJW 1984 S. 798) und vom 29.2.1996 (NJW 1996 S. 1467) wird hingewiesen.
Soweit eine Bürgschaft der Form des § 766 Satz 1 BGB nicht genügt, ist der Vertrag nichtig (§ 125 Satz 1 BGB).
4. Sittenwidrigkeit der Bürgschaft
Der Bürgschaftsvertrag kann wie jedes Rechtsgeschäft gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein. Dies ist der Fall, wenn das Geschäft nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Zweck und Beweggrund zu entnehmenden Gesamtcharakter gegen die guten Sitten verstößt, wobei auf die Umstände bei Vertragsabschluss abzustellen ist (BGH-Urteil vom 28.2.1989, ZIP 1989 S. 427). Dass der Inhalt des Vertrags nur den Bürgen im erheblichen Umfang belastet, stellt für sich die Wirksamkeit der Bürgschaft nicht infrage (BGH-Urteil vom 30.3.1995, ZIP 1995 S. 812). In der Regel vermag jede unbeschränkt geschäftsfähige Person das mit der Übernahme der Bürgschaft erhebliche persönliche Risiko zu erkennen, die Tragweite ihres Handelns entsprechend einzuschätzen und danach ihre Entscheidung zu treffen (BGH-Urteil vom 24.2.1994, ZIP 1994 S. 520).
Bürgschaftsverträge sind jedoch unwirksam, wenn sie erkennbar Ausdruck einer strukturellen ...