Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Schachtelprivileg und ermäßigter Steuersatz für eine Gilde. Besteuerung von Betrieben von Körperschaften des öffentlichen Rechts
Leitsatz (redaktionell)
Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, daß einer nach Art. 164 EGBGB anzuerkennenden juristischen Person (Gilde) die Steuervergünstigungen der § 19 Abs. 3 und § 9 Abs. 1 KStG 1955 nicht gewährt worden sind. Diese beiden Bestimmungen dienen der Förderung und Begünstigung des Kapitalmarktes. Eine Kapitalerhöhung, wie sie bei den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG genannten Kapitalgesellschaften leicht möglich ist, ist bei einer Gilde praktisch kaum durchführbar.
Normenkette
KStG § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 6, § 19 Abs. 3, § 9 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 14
Verfahrensgang
Gründe
Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, daß der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin – einer nach Art. 164 EGBGB anzuerkennenden juristischen Person (Gilde) – die Steuervergünstigungen der §§ 19 Abs. 3 und 9 Abs. 1 KStG 1955 nicht gewährt worden sind. Das angefochtene Urteil des Bundesfinanzhofs folgt dem Wortlaut dieser Bestimmungen. Das Ergebnis erscheint nicht sachwidrig.
Der ermäßigte Ausschüttungssteuersatz dient insbesondere der Förderung des Kapitalmarkts. Es werden – verfassungsrechtlich unbedenklich – die Körperschaften, bei denen eine Neuanlage von Geldmitteln zur Bildung von Eigenkapital möglich ist, steuerlich begünstigt. Der Vergleich zwischen der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin und den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1955 genannten Kapitalgesellschaften beschränkt sich deshalb auf die Frage, ob hier gleichermaßen eine Neuschöpfung von Kapital möglich gewesen ist. Die Gilde konnte nur durch eine Kapitalerhöhung aus Geldmitteln Eigenkapital bilden. Es mag sein, daß diese Möglichkeit rechtlich bestanden hätte. Zumindest praktisch wäre aber eine Kapitalerhöhung kaum durchführbar gewesen. Die Zahl der Beteiligungen war durch die kaum vermehrbare Zahl der Grundstücke, an die die Berechtigung anknüpfte, beschränkt.
Ferner war jeder Anteil gleichberechtigt. Eine Kapitalerhöhung hätte daher von allen Mitgliedern entsprechend ihrer Beteiligung getragen werden müssen und hätte eine dahingehende, schwer erreichbare Verpflichtung vorausgesetzt. Eine Kapitalerhöhung ist auch tatsächlich nicht durchgeführt worden.
Bei den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1955 genannten Kapitalgesellschaften stehen der Neuschöpfung von Kapital keine vergleichbaren Hindernisse entgegen. Das gilt auch für Kolonialgesellschaften und den im Gegensatz zu den Gewerkschaften älteren Rechts als Kapitalgesellschaften im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes angesehenen bergrechtlichen Gewerkschaften neueren Rechts. Die Anteile der Kolonialgesellschaften werden an einigen Börsen amtlich notiert. Kapitalerhöhungen kommen sogar in neuester Zeit vor. Die Kuxe der bergrechtlichen Gewerkschaft neueren Rechts ähnelt der Aktie. Eine Kapitalerhöhung ist auch dort entsprechend einfach durchführbar.
Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, den Kapitalmarkt zu begünstigen, kann auch als einer der Gründe der Aufrechterhaltung des Schachtelprivilegs im Körperschaftsteuergesetz 1955 angesehen werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine unterschiedliche Behandlung der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin und den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1955 genannten Kapitalgesellschaften gerechtfertigt. Auch im Vergleich mit dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ist kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ersichtlich. Dessen Begünstigung dient augenscheinlich zur Gleichstellung mit dem in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betriebenen Versicherungsunternehmen. Eine gleichmäßige Begünstigung der Schachtelbeteiligung bei diesen Unternehmen ist notwendig, weil bei den wesentlichen Versicherungszweigen ein Deckungsstock zu bilden ist, der mit Einwilligung der Aufsichtsbehörde auch als Beteiligung bei Kapitalgesellschaften angelegt werden kann. Eine Gleichbehandlung der in verschiedenen Rechtsformen betriebenen Brauereien ist unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich da diese nicht unter dem Zwang stehen, Geldmittel besonders anlegen zu müssen.
Ein Vergleich zwischen dem Betrieb einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin ist grundsätzlich in bezug auf die Besteuerung nicht möglich, da die öffentliche Hand Gläubigerin der Steuer ist. Wenn bei ihr eine Abgabe erhoben wird, wird allenfalls das Aufkommen umverteilt. Nur soweit Betriebe der öffentlichen Hand mit privaten Unternehmen konkurrieren, könnte eine gleichmäßige Besteuerung verfassungsrechtlich erforderlich sein. Diese Situation ist hier jedoch nicht gegeben.
Ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 und 14 GG ist nicht ersichtlich.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen