Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschiedliche steuerliche Behandlung von Einkunftsarten
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, sämtliche Einkunftsarten unterschiedslos formal gleich zu behandeln. Er darf differenzieren, wenn dies nach der Natur der geregelten Lebensverhältnisse bei einer am Gerechtigkeitsdenken ausgerichteten Betrachtungsweise verständlich erscheint. Insbesondere darf er in gewissen Grenzen zwischen „fundierten” und „nicht fundierten” Einkommen, d.h. zwischen Vermögenseinkommen und Arbeitseinkommen, die allein aus der Verwertung der eigenen Arbeitskraft fließen, unterscheiden und dabei berücksichtigen, dass Arbeitseinkommen im Vergleich zu Vermögenseinkommen nur in wesentlich geringerem Umfang steigerungsfähig sind.
2. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß § 34 Abs. 4 EStG 1975 nur bestimmte Einkunftsarten steuerlich begünstigt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; EStG 1975 § 34 Abs. 4
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 21.12.1983; Aktenzeichen I B 44/83) |
Niedersächsisches FG (Urteil vom 26.05.1983; Aktenzeichen V 165/79) |
Gründe
Finanzgericht und Bundesfinanzhof haben in verfassungsrechtlich unbedenklicher Anwendung des § 34 Abs. 4 EStG 1975 die ermäßigte Besteuerung der vom Beschwerdeführer im Jahre 1976 erzielten Einkünfte aus einer Lehrtätigkeit abgelehnt.
Die in § 34 Abs. 4 EStG a.F. vorgesehene Begünstigung lediglich von Steuerpflichtigen mit Haupteinkünften aus nichtselbständiger oder aus selbständiger Arbeit läßt einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht erkennen.
Art. 3 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen ungleich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Welche Sachverhaltselemente so wichtig sind, daß ihre Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt hat regelmäßig der Gesetzgeber zu entscheiden. Seine Gestaltungsfreiheit endet erst dort, wo die ungleiche Behandlung nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist. Bei Anwendung des Gleichheitsgebotes ist der jeweilige Lebens- und Sachbereich zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪88≫; 57, 107 ≪115≫; 60, 123 ≪133 f.≫; 66, 234 ≪.242≫). Das Bundesverfassungsgericht hat nicht zu entscheiden, ob der Gesetzgeber die jeweils gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat – (vgl. BVerfGE 66, 84 ≪95≫), sondern lediglich, ob er vernünftige Grenzen gewahrt hat.
In der Literatur sind verschiedentlich verfassungsrechtliche Bedenken gegen die nur bestimmte Einkunftsarten begünstigende Vorschrift des § 34 Abs. 4 EStG a.F. geäußert worden (vgl. Schick, Die freien Berufe im Steuerrecht, 1973, S. 112; Kapp/Brockhoff, Die Besteuerung außerordentlicher Einkünfte nach § 34 EStG, 3. Aufl., 1971, S. 69; Friedrich Klein/Harald Weber, Die Besteuerung der Hochschullehrer, 3. Aufl., 1966, S. 327;Littmann, Kommentar zum EstG, 14. Aufl., § 34 Anm. 75), die jedoch nur zum Teil ausführlicher begründet worden sind (vgl. Tipke/Lang, StuW 1976, S. 67, 72). Im Ergebnis greifen diese Bedenken jedoch nicht durch. Für die verschiedene steuerliche Behandlung, der Einkunftsarten im Rahmen des § 34 Abs. 4 EStG a.F. gab es hinreichend sachliche Gründe. Der Begründung zum Zweiten Steuerneuordnungsgesetz vom 20. April 1949 – Wirtschaftsgesetzblatt S. 69 –, durch welches mit Wirkung ab 1. Januar 1949 die Begünstigung wissenschaftlicher, künstlerischer und schriftstellerischer Nebeneinkünfte als § 34 Abs. 5 in das Einkommensteuergesetz eingefügt worden ist, läßt sich unmittelbar als Zweck der Erweiterung der Vergünstigung des § 34 EStG nur entnehmen, einen steuerlichen Anreiz zur Erzielung eines höheren Einkommens durch eine nicht in den Beruf fallende Nebentätigkeit auf wissenschaftlichem, künstlerischem oder schriftstellerischem Gebiet zu geben. Allerdings läßt sich anhand der Äußerungen der zuständigen Gremien im Gesetzgebungsverfahren und der zeitnahen Stellungnahmen in der Literatur (vgl. Schick, STRK Anm. zu § 18 EStG R. 465) der Gesetzeszweck dahingehend konkretisieren, daß mit der Vergünstigung aus konjunkturpolitischen Gründen Anreize für eine zusätzliche Tätigkeit geschaffen werden sollten und für die begünstigten Gruppen Nachteile ausgeglichen werden sollten, die sie im Bereich der steuerlichen Vergünstigungen gegenüber Gewerbetreibenden hatten.
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, daß der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, sämtliche Einkunftsarten unterschiedslos formal gleich zu behandeln. Er darf differenzieren, wenn dies nach der Natur der geregelten Lebensverhältnisse bei einer am Gerechtigkeitsdenken ausgerichteten Betrachtungsweise verständlich erscheint. Insbesondere darf er in gewissen Grenzen zwischen „fundierten” und „nicht fundierten” Einkommen, d.h. zwischen Vermögenseinkommen und Arbeitseinkommen, die allein aus der Verwertung der eigenen Arbeitskraft fließen, unterscheiden und dabei berücksichtigen, dass Arbeitseinkommen im Vergleich zu Vermögenseinkommen nur in wesentlich geringerem Umfang steigerungsfähig sind (vgl. BVerfGE 13, 331 ≪348≫;43, 1 ≪7≫; 46, 224 ≪236≫).Gewerbliche Einkünfte ebenso wie Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung werden nicht wie bei Arbeitnehmern und Freiberuflern ausschließlich durch den Einsatz der eigenen Arbeitskraft, sondern typischerweise in nicht unerheblichem Maße auch durch Einsatz von Grundbesitz und (Betriebs-) Kapital sowie mittels Beschäftigung von Arbeitnehmern erwirtschaftet, auch wenn land- und forstwirtschaftlich oder gewerblich Tätige durchaus in ihrem Betrieb persönlich mitarbeiten. Diesem Gesichtspunkt durfte der Gesetzgeber bei seiner – notwendigerweise typisierenden und generalisierenden – Regelung Rechnung tragen
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen