Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungskonforme Auslegung des § 7 Abs. 7 ErbStG 1974 durch den BFH
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, eine Leistung in dem Umfang als unentgeltlich anzusehen, wie ihr Wert über eine hierfür erbrachte Gegenleistung hinausgeht. Wenn daher ein auf einen anderen übergehender Gesellschaftsanteil nach steuerbilanziellen Wertmaßstäben abgefunden wird und der Wert dieser Abfindung hinter dem den tatsächlichen Wertverhältnissen näherkommenden Wert i. S. des § 12 ErbStG zurückbleibt, kann in der zugewendeten Wertdifferenz ohne Verfassungsverstoß eine unentgeltliche Zuwendung gesehen werden; hieran ändert auch der Umstand nichts, daß diese Abfindungsregelung für alle Gesellschafter gleichermaßen gilt.
2. Eine Auslegung des § 7 Abs. 7 ErbStG, die auf die subjektive Vorstellung der Beteiligten abstellt, ist von Verfassungs wegen nicht geboten.
3. § 7 Abs. 7 ErbStG ist auch auf zweigliedrige Personengesellschaften anwendbar.(Leitsätze nicht amtlich)
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; ErbStG 1974 § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 7; ErbStG § 12; BGB § 738 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Gründe
Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten.
1. Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Erschließung von Steuerquellen einen Gestaltungsspielraum (BVerfGE 13, 181 ≪202 f.≫). Diesem wird durch Art. 3 Abs. 1 GG erst dort eine Grenze gesetzt, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung von Sachverhalten nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt. Das Bundesverfassungsgericht hat nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen nachzuprüfen, nicht aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (BVerfGE 31, 8 ≪25 f.≫). Diese äußerste Grenze hat der Gesetzgeber mit § 7 Abs. 7 ErbStG nicht überschritten. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, eine Leistung in dem Umfange als unentgeltlich anzusehen, wie ihr Wert über eine hierfür erbrachte Gegenleistung hinausgeht. Wenn daher ein auf einen anderen übergehender Gesellschaftsanteil nach steuerbilanziellen Wertmaßstäben abgefunden wird und der Wert dieser Abfindung hinter dem den tatsächlichen Wertverhältnissen näherkommenden Wert i.S. des § 12 ErbStG zurückbleibt, kann in der zugewendeten Wertdifferenz ohne Verfassungsverstoß eine unentgeltliche Zuwendung gesehen werden; hieran ändert auch der Umstand nichts, daß diese Abfindungsregelung für alle Gesellschafter gleichermaßen gilt.
2. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Auslegung des § 7 Abs. 7 ErbStG durch den Bundesfinanzhof wendet, rügt er im Ergebnis die Auslegung einfachen Rechts. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Auslegung der Steuergesetze und ihre Anwendung im konkreten Fall auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Das Bundesverfassungsgericht kann vielmehr in solchen Fällen nur dann eingreifen, wenn die Auslegung oder Anwendung einfachen Rechts so gravierende Fehler enthält, daß sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 81, 132 ≪137≫).
a) Eine Auslegung des § 7 Abs. 7 ErbStG, die, wie vom Beschwerdeführer eingewendet, auf die subjektive Vorstellung der Beteiligten abstellt, ist von Verfassungs wegen nicht geboten. Belastungsgrund der in § 7 ErbStG geregelten Steuertatbestände ist die Bereicherung ohne Gegenleistung; mag dieser objektive Befund auch häufig von der subjektiven Vorstellung über die Unentgeltlichkeit begleitet sein, so bildet sie doch kein notwendiges Element dieses Belastungsgrundes. Damit rechtfertigt sich auch die steuerliche Inanspruchnahme dessen, der einen Gesellschaftsanteil durch Anwachsung erlangt, in dem Umfange, wie der Anteilswert die dafür geleistete Abfindung übersteigt.
b) Auch die vom Beschwerdeführer gerügte Anwendung des § 7 Abs. 7 ErbStG auf zweigliedrige Personengesellschaften ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Grenze des Wortlauts des § 7 Abs. 7 ErbStG ist nicht überschritten, denn das im Plural gefaßte Tatbestandsmerkmal “die anderen Gesellschafter” umfaßt auch ein Minus hierzu, den Übergang auf den anderen Gesellschafter; unschädlich ist, daß mit dem Ausscheiden des Gesellschafters keine Gesellschaft mehr besteht; die tatbestandliche Formulierung “Gesellschafter” dient dazu, den Empfänger der Bereicherung tatbestandlich zu bestimmen, verlangt aber keinen Fortbestand der Gesellschaft. Steuergesetze, die die Steuerpflicht an bestimmte wirtschaftliche Lebenssachverhalte anknüpfen, können unter Berücksichtigung der Vielfalt wirtschaftlicher Gestaltungsmöglichkeiten ausgelegt werden (BVerfGE 25, 28 ≪35≫). Dem entspricht die durch den Bundesfinanzhof getroffene Auslegung, zwei und mehrgliedrige Personengesellschaften im Hinblick auf den steuerlichen Belastungsgrund der Bereicherung gleich zu behandeln.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Klein, Graßhof, Kirchhof
Fundstellen