Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 26 Abs.1 Satz 2 EStG verfassungskonform. getrennte Veranlagung von Ehegatten. getrennte Besteuerung von Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
Der Grundsatz der getrennten Veranlagung von Ehegatten nach dem Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 13. November 1957 (BGBl. I S. 1793) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Normenkette
EStG § 26a Abs. 1 S. 2; GG Art. 3, 6
Tenor
1. …
2. § 26 a Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 13. November 1957 (BGBl. I S. 1793) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Tatbestand
A. – I.
Durch das Gesetz zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl. I S. 848) wurde die Veranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer neu geregelt: An die Stelle des bisherigen § 26 traten die § 26 bis 26 e EStG. Danach werden Ehegatten getrennt veranlagt (§ 26 Abs. 1 Satz 1), fallen allerdings dann in die Steuerklasse 1 (§ 32 a Satz 1). Auf Antrag werden sie zusammen veranlagt (§ 26 Abs. 1 Satz 2), wobei ihre Einkünfte zusammengerechnet werden (§ 26 b); nach Wahl der Ehegatten scheiden – entsprechend den für die einzelnen Veranlagungszeiträume in Geltung gewesenen Vorschriften – bestimmte Einkünfte aus der Zusammenveranlagung aus (§§ 26 c, 26 d).
Bei getrennter Veranlagung sind jedem Ehegatten die von ihm bezogenen Einkünfte zuzurechnen (§ 26 a Abs. 1 Satz 1). § 26 a Abs. 1 Satz 2, die den Gegenstand der Normenkontrollverfahren bildende Vorschrift, lautet:
„Einkünfte eines Ehegatten sind nicht allein deshalb zum Teil dem anderen Ehegatten zuzurechnen, weil dieser bei der Erzielung der Einkünfte mitgewirkt hat.”
Die Vorschriften über die Veranlagung von Ehegatten gelten nach Maßgabe näherer Bestimmungen (§ 26 Abs. 2 Satz 2) für die Veranlagungszeiträume 1949 bis 1957 (§ 26 Abs. 2 Satz 1).
Der Bundesminister der Finanzen hat auf Grund gesetzlicher Ermächtigung das Einkommensteuergesetz am 13. November 1957 in neuer Fassung bekanntgemacht – EStG 1957 – (BGBl. I S. 1793).
II.
1. Der Gärtner Josef St. wurde für das Jahr 1955 im wesentlichen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb zur Einkommensteuer herangezogen. Gegen den Steuerbescheid des Finanzamtes Füssen legte er Sprungberufung zum Finanzgericht München ein. Nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. Juli 1957 beantragte er, einen Teil seiner Einkünfte seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau zuzurechnen und die Ehegatten getrennt zu veranlagen.
Das Finanzgericht ist der Auffassung, daß ein Teil der von den Ehegatten gemeinsam erworbenen Einkünfte der Ehefrau zuzurechnen sei, da sie im Betrieb nicht nur im Rahmen ihrer Stellung als Ehefrau mitgearbeitet, sondern gemeinsam mit ihrem Ehemann die Gärtnerei gegründet und aufgebaut habe; ihre Tätigkeit habe sich auf den gesamten Verkauf, das Rechnungswesen und die Buchhaltung erstreckt. Obwohl ein ausdrücklicher Vertrag fehle, sei sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise daher als Mitunternehmer anzusehen.
Das Finanzgericht vertritt die Ansicht, § 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957, der dies ausschließe, verstoße gegen den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 (BVerfGE 6, 55) und verletze Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 und 2 GG. Es hat mit Beschluß vom 30. Oktober 1957 – FG III 9/57 das Berufungsverfahren ausgesetzt und die Akten dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2. Der Helfer in Steuersachen Willi B. legte gegen seine Veranlagung zur Einkommensteuer 1952 nach erfolglosem Einspruch Berufung zum Hessischen Finanzgericht ein, weil ihm für einen Teil seiner Einkünfte die Steuervergünstigung für Einkünfte aus wissenschaftlicher Nebentätigkeit versagt worden war. Nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. Juli 1957 beantragte er getrennte Veranlagung in der Weise, daß von seinem Gewinn in Höhe von DM 16000 ein Teilbetrag von DM 5400 seiner Ehefrau als Arbeitsvergütung zugerechnet werde, weil sie ganztägig in seinem Büro tätig gewesen sei und eine fremde Arbeitskraft ersetzt habe.
Nach Ansicht des Finanzgerichts bestehen allgemein gegen die getrennte Veranlagung nach § 26 a EStG 1957, insbesondere aber gegen § 26 a Abs. 1 Satz 2, gewichtige Bedenken. Die Vorschrift benachteilige solche Ehen, bei denen der eine Ehegatte im Betrieb oder Beruf des anderen mitarbeite, vor allem deshalb, weil sich das Vorliegen vertraglicher Vereinbarungen in der Regel nicht nachweisen lasse; denn im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs über die grundsätzliche steuerliche Unbeachtlichkeit von Verträgen zwischen Ehegatten hätten diese den Abschluß formeller Verträge gewöhnlich unterlassen. § 26 a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 bevorzuge somit nur eine kleine Minderheit, die durchweg aus ehefremden Gründen die Mitwirkung des einen Ehegatten im Beruf oder Betrieb des anderen vertraglich geregelt hätte.
Das Finanzgericht hat das Verfahren durch Beschluß vom 3. Dezember 1957 – FG III 608/56 – auf Grund des Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar sei.
III.
Der Bundesminister der Finanzen ist namens der Bundesregierung den Verfahren beigetreten. Er hält § 26 a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 für vereinbar mit dem Grundgesetz. Die Vorlage des Hessischen Finanzgerichts hält er für unzulässig, weil es für dessen Entscheidung nicht auf die Gültigkeit der Vorschrift ankomme.
Die beteiligten Finanzämter halten § 26 a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 für gültig, die Steuerpflichtigen die Vorschrift für nichtig.
Nach Mitteilung des Präsidenten des Bundesfinanzhofs sind die für die Entscheidung der Streitfrage gegebenenfalls zuständigen Senate der Auffassung, daß § 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Entscheidungsgründe
B. – I.
Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil der Bundesminister der Finanzen, der allein den Verfahren beigetreten ist, auf mündliche Verhandlung verzichtet hat.
II.
Die Vorlagen sind zulässig.
Insbesondere genügt der Vorlagebeschluß des Hessischen Finanzgerichts dem Art. 100 Abs. 1 GG, obwohl das Gericht lediglich von „Bedenken” gegen die Vereinbarkeit des § 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 mit dem Grundgesetz spricht. Aus dem Zusammenhang des Beschlusses ergibt sich jedoch, daß das Finanzgericht nicht nur Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift hat, sondern sie wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz für nichtig hält (vgl. BVerfGE 1, 184 ≪189≫; 2, 406 ≪411≫; 4, 214 ≪218≫).
Für die Frage der Entscheidungserheblichkeit des § 26 a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 und damit für die Zulässigkeit der Vorlage kommt es entgegen der Auffassung des Bundesministers der Finanzen nicht darauf an, ob nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im vorliegenden Fall ein Arbeitsverhältnis zwischen den Ehegatten zu verneinen wäre. Denn für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage ist, wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach ausgesprochen hat, die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern sie nicht offensichtlich unhaltbar ist (BVerfGE 7, 171 ≪175≫). Davon kann hier nicht die Rede sein.
C.
§ 26 a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
I.
Diese Bestimmung ist Bestandteil der durch das Gesetz vom 26. Juli 1957 als Grundform der Ehegattenbesteuerung eingeführten getrennten Veranlagung. Die gegen die Vereinbarkeit dieser Veranlagungsform mit dem Grundgesetz geltend gemachten Bedenken sind unbegründet.
1. Das Grundgesetz ist nicht deswegen verletzt, weil die getrennte Veranlagung von Ehegatten zur Folge haben kann, daß Ehen mit Einkünften beider Ehegatten günstiger besteuert werden, als solche Ehen, bei denen nur der Ehemann die gesamten Einkünfte bezieht, die Ehefrau aber sich wirtschaftlich nicht betätigen kann oder will, weil sie den Haushalt führt und die Kinder erzieht. Vergleicht man zwei Ehen miteinander, bei denen das „Familieneinkommen” gleich hoch ist, in dem einen Fall aber nur von einem Ehegatten, in dem anderen von beiden verdient wird, so ergibt sich zwar, daß im allgemeinen die „Einverdiener-Ehe” steuerlich stärker belastet ist, weil hier das Einkommen von der vollen Progression des Tarifs erfaßt wird. Im Regelfall wird die höhere Besteuerung dieser Ehe auch nicht dadurch ausgeglichen, daß der in dem Tarif eingearbeitete Freibetrag von DM 900.- (vgl. BFH, Urteil vom 10. Oktober 1958 BStBl. III S. 468) und für den Veranlagungszeitraum 1957 der zusätzliche Freibetrag von DM 600.- (§ 26d Abs. 2) gewährt werden. Die tatsächlichen Verschiedenheiten in der steuerlichen Belastung stellen jedoch keine Ungleichheiten dar, die unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 oder des Art. 6 Abs. 1 GG beachtlich sind.
a) Eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG scheidet von vornherein aus, weil diese Bestimmung für den hier zu prüfenden Sachverhalt keinen Beurteilungsmaßstab abgibt. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 17. Januar 1957 (BVerfGE 6, 55 ≪72, 76≫) ausgesprochen hat, verbietet Art. 6 Abs. 1 GG allerdings als wertentscheidende Grundsatznorm für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts jede Beeinträchtigung von Ehe und Familie durch störende Eingriffe des Staates selbst. Von einer Schädigung der Ehe könnte jedoch im Zusammenhang mit den durch die Vorlagebeschlüsse zur Entscheidung gestellten Fragen nur dann gesprochen werden, wenn Ehegatten gegenüber Ledigen benachteiligt würden. Eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG könnte daher hier lediglich unter Zugrundelegung des Vergleichstatbestandes Ehe – Nichtehe festgestellt werden. An einem unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 GG tauglichen Vergleichspaar fehlt es aber, wenn – wie hier – die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der getrennten Veranlagung nach § 26a EStG 1957 nicht aus der verschiedenen Steuerlast von Verheirateten zu Ledigen hergeleitet werden, sondern von Ehen im Verhältnis untereinander. Das Gebot des Schutzes von Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG bezieht sich aber auf jede Ehe und Familie, die den heute in der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich normierten bürgerlich-rechtlichen Instituten Ehe und Familie entspricht (BVerfGE 6, 55 ≪82≫). Die Ehe, in der nur ein Ehegatte marktwirtschaftliches Einkommen erwirbt, genießt daher verfassungsrechtlich keinen weitergehenden Schutz als die Ehe, in der beide Partner Einkünfte haben.
b) Die getrennte Veranlagung von Ehegatten verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Für diese Prüfung ist Raum, weil Art. 6 Abs. 1 GG als Maßstabnorm nicht in Betracht kommt.
Da die Verwirklichung des Gleichheitssatzes auf dem Gebiet der Einkommensbesteuerung in Frage steht, muß bei der Auswahl des sachgerechten Vergleichstatbestandes vom System des Einkommensteuerrechts ausgegangen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluß vom 17. Januar 1957 festgestellt (BVerfGE 6, 55 ≪56, 67, 69≫), daß das moderne Einkommensteuerrecht auf dem Grundsatz der Individualbesteuerung beruht und auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt ist. Dies gilt auch von dem Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 13. November 1957, das durch die Einführung der getrennten Veranlagung als der gesetzlichen Form der Ehegattenbesteuerung nicht von der Haushaltsbesteuerung, sondern eindeutig von der Einzelperson als Steuersubjekt ausgeht. Beruht demnach das System der Einkommensteuer nicht auf der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare, sondern auf der der einzelnen Steuerpflichtigen, dann kann unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG nicht die steuerliche Belastung von Ehepaaren, sondern nur von einzelnen Steuerpflichtigen miteinander verglichen werden.
2. Der allgemeine Gleichheitssatz ist auch nicht dadurch verletzt, daß bei getrennter Veranlagung von Ehegatten nur ein Teil der Steuerpflichtigen die Möglichkeit hat, ihre Einkünfte durch Verträge untereinander so zu verteilen, daß hierdurch die Summe der von beiden Ehegatten zu zahlenden Einkommensteuer möglichst gering ist. Besitzt nur ein Teil der Ehegatten, der besonderen Natur ihrer Einkommensquellen entsprechend, die Möglichkeit, durch vertragliche Gestaltung zu einer im Ergebnis günstigeren Besteuerung zu kommen, ein anderer Teil dagegen nicht, so handelt es sich hierbei um tatsächliche Ungleichheiten.
Wenn der Gesetzgeber nicht verhindert, daß die in der Verschiedenheit der Einkommensarten liegenden tatsächlichen Unterschiede zu einer verschiedenen Steuerbelastung führen, so ist hierdurch der Gleichheitssatz nicht verletzt. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber lediglich, wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln. Er gebietet ihm jedoch nicht, eine Regelung zu treffen, die verhindert, daß ungleiche Sachverhalte, der bestehenden Ungleichheit entsprechend, zu verschiedenen Rechtsfolgen führen.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit, weil er als Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung einer Norm niederen Ranges nur ein Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes ist (BVerfGE 6, 55 ≪70≫).
Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG würde überdies voraussetzen, daß der Gesetzgeber einem Teil der steuerpflichtigen Ehegatten die Möglichkeit zu einer „willkürlichen” Verteilung der Einkünfte – ohne jede innere Berechtigung – eröffnet hätte. Hiervon könnte nur dann die Rede sein, wenn die gesetzliche Regelung den Abschluß von Verträgen ermöglichen würde, die lediglich zum Schein geschlossen und der Finanzverwaltung zum Zwecke der Steuerhinterziehung vorgespiegelt werden. Wollen dagegen Ehegatten ernsthaft auch zivilrechtlich gebunden sein, so ist schwer einzusehen, warum solchen Verträgen die steuerliche Wirkung versagt sein sollte.
Die Gefahr eines Mißbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten durch Ehegatten wird von den Kritikern der Übergangsregelung der Ehegattenbesteuerung überschätzt. Zunächst einmal besteht eine solche Gefahr bei fundiertem Einkommen allgemein und ist nicht beschränkt auf Vereinbarungen zwischen Ehegatten. Soweit es sich um Verträge zwischen Eltern und Kindern handelt, die von der Rechtsprechung seit einiger Zeit steuerrechtlich anerkannt werden, ist nicht bekannt geworden, daß hier die Zahl der Mißbrauchsfälle augenfällig hoch ist.
Schließlich kann ein Hinderungsgrund für den Abschluß solcher Verträge auch in der Scheu der Ehegatten liegen, sich nicht nur während des Bestehens der Ehe, sondern auch grundsätzlich für den Fall ihrer Auflösung zivilrechtlich, insbesondere auch mit erbrechtlicher Wirkung, zu binden.
Trotzdem läßt sich nicht verkennen, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit haben muß, einem Mißbrauch der Vertragsgestaltung zwischen Ehegatten entgegenzuwirken. Es muß ihm daher freistehen, an den Beweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit von Verträgen zwischen Ehegatten strenge Anforderungen zu stellen (BVerfGE 6, 55 ≪84≫). In diesem Sinne ist § 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 zu verstehen. Schließlich können solche Mißbräuche durch Anwendung des allgemeinen Steuerrechts (§ 1 Abs. 2 und 3 sowie §§ 5 und 6 StAnpG) verhindert werden. Hat der Gesetzgeber auch nicht von allen Möglichkeiten Gebrauch gemacht, die sich zur Verhinderung von Steuerumgehungen durch Verträge zwischen Ehegatten anbieten – wobei insbesondere an die Einführung von Formvorschriften für solche Verträge zu denken wäre –, so folgt hieraus doch nicht etwa die Nichtigkeit des § 26 a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
II.
§ 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 selbst steht ebenfalls mit dem Grundgesetz in Einklang.
1. Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 17. Januar 1957 (BVerfGE 6, 55) § 26 EStG 1951 für nichtig erklärt hatte, wurde vielfach die Forderung erhoben, eine getrennte Veranlagung nicht nur in den Fällen zuzulassen, in denen eindeutig beide Ehegatten Einkünfte haben, sondern auch in solchen Fällen, in denen der eine Ehegatte – regelmäßig die Ehefrau – „lediglich” im Betrieb oder Beruf des anderen Ehegatten mitarbeitet. Man versuchte, durch die Konstruktion von Gesellschafts- oder Arbeitsverhältnissen zwischen Ehegatten eine Rechtsgrundlage für das Zufließen von Einnahmen an den mithelfenden Ehegatten zu schaffen.
Durch § 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 hat der Gesetzgeber es ausgeschlossen, daß allein aus der Tatsache der Mitwirkung des einen Ehegatten im Betrieb oder Beruf des anderen auf das Vorliegen eines Vertragsverhältnisses geschlossen werden kann. Wenn Einkünfte eines Ehegatten nicht allein deshalb dem anderen zuzurechnen sind, weil dieser bei der Erzielung der Einkünfte mitgewirkt hat, so folgt hieraus, daß zu der Mitwirkung bei der Erzielung der Einkünfte noch etwas hinzukommen muß. Zum Nachweis eines steuerlich beachtlichen Vertragsverhältnisses zwischen Ehegatten müssen zu der Tatsache der Mitwirkung weitere Umstände hinzutreten, damit ein Arbeits- oder Beteiligungsverhältnis zwischen den Ehegatten steuerrechtlich anerkannt werden kann. Die Bedeutung des § 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 liegt darin, daß er es gerade für die Vergangenheit ausschließt, aus der bloßen Tatsache der Mitwirkung eine Teilung der Einkünfte herzuleiten; denn für die Zukunft können Ehegatten bei der Gestaltung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse der Bestimmung Rechnung tragen.
Diese Auslegung des § 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 wird dem steuerlichen Grundsatz der Klarheit der Rechtsgestaltung gerecht, wie er in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs allgemein bei Rechtsgeschäften zwischen nahen Angehörigen und insbesondere bei Verträgen zwischen Eltern und Kindern entwickelt worden ist. Danach muß bei solchen Verträgen die zivilrechtliche Gestaltung klar und eindeutig sein und der tatsächliche Vollzug den rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen entsprechen, um zu verhindern, daß unberechtigte Steuervorteile erschlichen werden.
Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt die gefundene Auslegung. In der 2. und 3. Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften wurde die Frage der steuerlichen Berücksichtigung der im Betrieb oder Beruf des Ehemannes mitarbeitenden Ehefrau eingehend behandelt (vgl. BT II/1953, 215. Sitzung am 26. Juni 1957, Prot. S. 12 699 A ff.). Dabei stand im Vordergrund, ob bei noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Veranlagungen für die Vergangenheit die Mitarbeit eines Ehegatten zu einer Teilung der Einkünfte des anderen führen könne. Dies wurde mit großer Mehrheit abgelehnt, insbesondere auch ein Antrag, wonach die Anerkennung eines Entgelts für die Mitarbeit eines Ehegatten bei der Erzielung von Einkünften des anderen Ehegatten in der Vergangenheit nicht dadurch ausgeschlossen sein sollte, daß ein Entgelt bisher nicht vereinbart worden war (vgl. BT II/1953, Umdr. 1204; Prot. S. 12706 D).
§ 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 schließt es demnach aus, daß einem Ehegatten schon dann Einkünfte zugerechnet werden, wenn er „lediglich” im Betrieb oder Beruf des anderen Ehegatten mitgearbeitet hat, ohne daß ein auf Teilung der Einkünfte gerichteter übereinstimmender Wille der Ehegatten festgestellt werden kann. Die Vorschrift trifft aber auch die Fälle, in denen neben der Mitwirkung ein solcher Wille der Ehegatten möglicherweise vorhanden ist, in denen er aber nur in der Mitwirkung selbst zum Ausdruck gelangt. Welche Umstände im einzelnen zu der reinen Mitwirkung hinzutreten müssen (etwa eine durch weitere Tatsachen nachweisbare Vereinbarung und ihr Vollzug durch Zahlung einer Vergütung oder Bildung eines Kapitalkontos), läßt § 26 a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 offen. Die Vorschrift gibt – jedenfalls unmittelbar – auch keinen Aufschluß über die Frage der steuerrechtlichen Anerkennung von Verträgen zwischen Ehegatten. Diese Fragen können im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht beantwortet werden, weil das Bundesverfassungsgericht hier nur über die „Rechtsfrage” (§ 81 BVerfGG) der Vereinbarkeit der zur Prüfung gestellten Norm mit höherrangigem Recht entscheidet.
2. § 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG.
Die Verfassungsnorm verbietet jedenfalls dem Gesetzgeber, Ehegatten gegenüber Ledigen zu benachteiligen. Dies schließt jedoch nicht aus, daß die Ehe Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Rechtsfolgen sein kann, soweit sie der Natur des geregelten Lebensverhältnisses angemessen sind (BVerfGE 6, 55 ≪77≫). Insbesondere stellen gesetzliche Vorschriften, die lediglich einer Umgehung der Steuerpflicht durch eine vorgeschobene zivilrechtliche Verteilung der Einkünfte zwischen Ehegatten entgegenwirken sollen, keine gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßende Benachteiligung der Ehe dar (BVerfGE 6, 55 ≪84≫).
Um eine Vorschrift in diesem Sinne handelt es sich bei § 26 a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957. Indem diese Bestimmung ein „Mitwirken” des einen Ehegatten im Betrieb oder Beruf des anderen Ehegatten allein als Beweis für das Vorliegen einer vertraglichen Gestaltung nicht genügen läßt, wendet sie nur den allgemeinen, in der Steuerrechtsprechung entwickelten Grundsatz der Klarheit der Rechtsgestaltung, der insbesondere für die steuerrechtliche Würdigung von Vereinbarungen naher Angehöriger gilt, auf solche zwischen Ehegatten an.
3. § 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 2 GG, wie sie das Finanzgericht München annimmt, ist nicht erkennbar. Ebensowenig kommt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht. Die im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes bestehende Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers findet ihre Grenze nicht nur im Willkürverbot und in den Konkretisierungen des allgemeinen Gleichheitssatzes, insbesondere in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, sondern auch in sonstigen Grundsatznormen, in denen für bestimmte Bereiche der Rechts- und Sozialordnung Wertentscheidungen des Verfassunggebers verbindlich ausgedrückt sind (BVerfGE 6, 55 ≪71≫). Eine solche Grundsatznorm stellt Art. 6 Abs. 1 GG dar.
Steht eine vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung mit einer Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes in Einklang, dann ist – sofern es sich um dasselbe Vergleichspaar handelt – kein Raum mehr für eine Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher die Frage des Verhältnisses zwischen dem allgemeinen Gleichheitssatz und seinen Konkretisierungen nur in solchen Fällen ausdrücklich behandelt, in denen die Prüfung einer Norm am Maßstab der Konkretisierungen die Nichtigkeit der geprüften Vorschrift ergeben hat (vgl. BVerfGE 3, 225 ≪240≫; 6, 55 ≪71≫); die Frage ihrer Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG stellte sich dann nicht mehr. Das gleiche muß auch für den Fall gelten, daß die zu prüfende Norm mit einer Konkretisierung des Gleichheitssatzes vereinbar ist.
Da der Gesetzgeber, ohne gegen Art. 6 Abs. 1 GG zu verstoßen, berechtigt war, für den Nachweis der Ernsthaftigkeit von Verträgen zwischen Ehegatten strengere Voraussetzungen zu stellen als bei Verträgen zwischen anderen Personen, stellt sich nicht mehr die Frage, ob § 26 a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist.
4. § 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 verstößt auch nicht gegen sonstiges Verfassungsrecht.
Gegen die Gültigkeit dieser Vorschrift ist geltend gemacht worden, der Gesetzgeber habe das Grundgesetz verletzt, weil er auch für die Vergangenheit zum Nachweis des Bestehens von Verträgen über die Mitwirkung eines Ehegatten im Betrieb oder Beruf des anderen ein schlüssiges Verhalten nicht genügen lasse; denn im Vertrauen auf die Gültigkeit der früheren Bestimmungen des Einkommensteuerrechts über die Haushaltsbesteuerung der Ehegatten hätten es Steuerpflichtige unterlassen, dem mitwirkenden Ehegatten eine Entschädigung zu gewähren. Der Gesetzgeber hat jedoch gegen keinen Verfassungsgrundsatz verstoßen, wenn er durch § 26a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 es auch für die Vergangenheit ausschloß, daß allein aus der Tatsache der Mitwirkung eines Ehegatten im Betrieb oder Beruf des anderen auf das Vorliegen einer steuerrechtlich beachtlichen Vereinbarung geschlossen werden kann.
Das Wesen der Vertragsfreiheit liegt in der damit dem einzelnen gegebenen Gestaltungsmöglichkeit im Bereich des Zivilrechts. Die Frage, welche Wirkungen Verträge in steuerrechtlicher Hinsicht haben, behandelt nur eine Seite der grundsätzlich im Hinblick auf das Zivilrecht gewährten Privatautonomie, wenn auch nicht verkannt werden soll, daß es grundsätzlich jedem Steuerpflichtigen freisteht, seine Angelegenheiten so einzurichten, daß er möglichst wenig Steuern zu zahlen braucht. Ehegatten, die ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse aus familiären, betrieblichen oder sonstigen Gründen klar abgrenzen wollten, haben daher auch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. Juli 1957 entsprechende Verträge abgeschlossen und vollzogen, obwohl sie steuerrechtlich ohne Bedeutung waren. Wenn also Ehegatten in der Vergangenheit im Hinblick auf die steuerrechtliche Wirkungslosigkeit von dem ausdrücklichen Abschluß eines Mitwirkungsvertrages abgesehen haben, so erlaubt dies den Schluß, daß ihnen nicht ernsthaft an einer Abgrenzung ihrer Vermögens- und Einkommenssphäre gelegen war. Wenn der Gesetzgeber es unterlassen hat, ausschließlich der steuerrechtlichen Wirkungen halber auch für die Vergangenheit Vereinbarungen zwischen Ehegatten über die Mitwirkung des einen im Betrieb oder Beruf des anderen zuzulassen, obwohl ein ernsthaftes Bedürfnis zum Abschluß solcher Verträge in der Vergangenheit offenbar nicht bestand, so ist nicht erkennbar, wie hierdurch ein Verfassungsgrundsatz verletzt sein sollte.
Fundstellen
BStBl I 1959, 204 |
BVerfGE 9, 237 |