Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall der Kinderfreibeträge durch das EStRG; Gestaltung des Familienlastenausgleichs
Leitsatz (amtlich)
1. Die wirtschaftliche Belastung der Eltern durch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber ihren Kindern gehört zu den die Leistungsfähigkeit beeinträchtigenden Umständen, die im Einkommensteuerrecht nicht außer acht bleiben dürfen, sofern nicht ein anderweitiger Ausgleich gewährt wird.
2. Der Gesetzgeber ist jedoch nicht verpflichtet, die nach der sozialen Stellung verschiedenen Aufwendungen für den Unterhalt der Kinder in vollem Umfang als steuerliche Entlastung zu berücksichtigen. Insbesondere kann er den Familienlastenausgleich so gestalten, daß die an sich schon bestehende Ungleichheit der Startchancen von Kindern mit verschiedenen Einkommensverhältnissen der Eltern nicht noch verstärkt wird.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 3, § 10c Abs. 3, § 12 Nr. 1, § 33 Abs. 3, § 33a Abs. 2, § 39a Abs. 4, § 52 Abs. 22; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6, 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1
Tenor
1. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 1. bis 3. wird verworfen.
2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 4. und 5. wird, soweit sie gegen § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes 1975 gerichtet ist, verworfen und im übrigen zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Gesetz zur Reform der Einkommensteuer, des Familienlastenausgleichs und der Sparförderung (Einkommensteuerreformgesetz – EStRG) vom 5. August 1974 (BGBl I S. 1769), soweit es Eltern für Unterhaltsleistungen an ihre Kinder keine Einkommensteuerermäßigungen gewährt.
A.
I.
Das Einkommensteuerrecht gestattet nicht, daß die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkunftsarten oder vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 12 Nr. 1 EStG). Bis 1974 wurden die durch den Unterhalt und die Schul- und Berufsausbildung von Kindern erwachsenden wirtschaftlichen Belastungen durch Gewährung von Kinderfreibeträgen (§ 32 Abs. 2 EStG a. F.) berücksichtigt. Die vom Einkommen der Eltern und grundsätzlich vom Alter der Kinder unabhängigen Kinderfreibeträge waren nach der Kinderzahl gestaffelt und betrugen – 1962 letztmals an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepaßt – 1.200 DM für das erste, 1.680 DM für das zweite und je 1.800 DM jährlich für das dritte und für weitere Kinder. Mit den Kinderfreibeträgen waren die tatsächlichen Aufwendungen der Eltern für ihre Kinder steuerlich pauschal abgegolten; nur für Krankheitskosten und für Kosten der auswärtigen Unterbringung des Kindes zur Schul- und Berufsausbildung konnten unter dem Gesichtspunkt der außergewöhnlichen Belastung zusätzliche tarifliche Freibeträge beansprucht werden (§§ 33, 33 a EStG a. F.). Außerhalb des Steuerrechts wurden Kinder unter anderem durch das einkommensteuerfreie Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (in der Regel erst ab dem dritten Kind) und durch einkommensteuerpflichtige Kinderzuschläge im Besoldungsrecht des öffentlichen Dienstes berücksichtigt.
Im Zuge der Steuerreform wurde das Nebeneinander von Direktzahlungen (Kindergeld) und Steuerermäßigungen durch einen einheitlichen vom Elterneinkommen unabhängigen Kinderlastenausgleich ersetzt. Danach werden monatlich 50 DM Kindergeld für das erste, 70 DM für das zweite und 120 DM für das dritte und für jedes weitere Kind bezahlt (§ 10 des Bundeskindergeldgesetzes vom 14. April 1964 [BGBl I S. 265], geändert durch Art. 2 EStRG; vgl. jetzt Neufassung vom 31. Januar 1975 [BGBl I S. 412]). Gleichzeitig entfiel der im öffentlichen Dienst als Bestandteil des Gehalts bisher bezahlte Kinderzuschlag (vgl. Art. 1 Nr. 2, 5, 11, 12 des Siebenten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften [Dienstrechtlicher Teil des Familienlastenausgleichs] vom 20. Dezember 1974 [BGBl I S. 3716]), bei den unteren Besoldungsgruppen (bis A 12) allerdings unter Erhöhung des Ortszuschlags. Durch Art. 1 Nr. 40 EStRG wurden in § 32 EStG die die bisherigen Kinderfreibeträge regelnden Bestimmungen (Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4) gestrichen.
II.
Die Beschwerdeführer, ordentliche Professoren des Rechts, unterliegen mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit dem Lohnsteuerabzug. Sie gewähren ihren Kindern Unterhalt und haben Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz in der Neufassung vom 31. Januar 1975 (BGBl I S. 412). Die Unterhaltslasten beziffern sie nach der sogenannten Kölner Tabelle (Landgericht Köln, JMBl NW 1973, S. 116), nach der das Nettoeinkommen in einer Familie, in der nur der Ehemann ein marktwirtschaftliches Einkommen bezieht, auf Vater zu Mutter zu Kind zu Kind usw. im Verhältnis von 8: 5:3: 3 usw. verteilt werden müsse. Die auf die Kinder entfallenden Anteile müßten nach Abzug des Kindergeldes nach Ansicht der Beschwerdeführer von Verfassungs wegen bei der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer abgesetzt werden. Bei Abzug der Unterhaltslasten vom monatlichen Einkommen ergäben sich dann (Berechnung nach dem Familienstand Anfang 1975 ohne Berücksichtigung der Erhöhung der laufenden Bezüge im Jahr 1975 um 6 v. H. und 1976 um 5 v. H.) jährliche Lohnsteuerermäßigungen bei den einzelnen Beschwerdeführern zwischen 13.366,80 und 5.466 DM.
Die Beschwerdeführer beantragen:
§ 12 Nr. 1 EStG 1975 insoweit für nichtig zu erklären, als er es dem Steuerpflichtigen untersagt, Aufwendungen, die dieser nach Maßgabe seiner Verpflichtung aus §§ 1601, 1610 BGB für seine Kinder erbracht hat, ohne sie aus dem staatlichen Kindergeld (§§ 1–10 BKGG in der Fassung vom 31. Januar 1975 [BGBl I S. 413]) bestreiten zu können, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzusetzen oder sonst steuermindernd geltend zu machen;
hilfsweise,
Art. 1 Nr. 40 des Einkommensteuerreformgesetzes im gleichen Umfang für nichtig zu erklären.
1. Die Beschwerdeführer halten die Verfassungsbeschwerde für zulässig. Sie würden durch die angefochtenen Bestimmungen selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen und dadurch in ihren Grundrechten aus Art. 6 Abs. 1 und 2 und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Da sie lohnsteuerpflichtig seien, erfolge ihnen gegenüber die Steuererhebung ohne Erlaß von Steuerverwaltungsakten, auch ohne Erlaß stillschweigender Steuerbescheide nach § 212 AO, Auch im Hinblick auf die „Subsidiarität” der Verfassungsbeschwerde seien die Beschwerdeführer nicht – verpflichtet, einen Erstattungsanspruch wegen zuviel erhobener Lohnsteuer – im finanzgerichtlichen Verfahren geltend zu machen.
Ihre steuerliche Benachteiligung sei darin zu sehen, daß sie nach geltendem Recht hoher belastet würden als kinderlose Steuerpflichtige mit gleichem Einkommen. Da der Gesetzgeber mit der Regelung des Kinderlastenausgleichs eine grundsätzliche Neuregelung vorgenommen habe, liege die mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachte Beschwer in der jetzigen ungenügenden Berücksichtigung der ihnen entstehenden Unterhaltslasten für ihre Kinder, unabhängig davon, ob sich die einzelnen Beschwerdeführer gegenüber dem früheren Rechtszustand verbessert oder verschlechtert hätten. Auf einen Vergleich mit der früheren Regelung könne es schon deshalb nicht ankommen, weil es von Zufälligkeiten, wie der Höhe der Kinderzahl, der Höhe des Einkommens oder der Tatsache, ob der Steuerpflichtige Beamter sei, abhänge, ob ein Steuerpflichtiger günstiger oder schlechter gestellt werde als früher. Im übrigen werde zwar für die Beschwerdeführer zu 1. bis 3. der Wegfall der Kinderfreibeträge und des beamtenrechtlichen Kinderzuschlags durch das gewährte Kindergeld zur Zeit noch aufgewogen. Für die Beschwerdeführer zu 4. und 5. sei jedoch eine, wenn auch noch nicht große Verschlechterung gegenüber dem bei Fortgelten des alten Rechtszustandes errechneten Nettoeinkommen eingetreten.
2. In der Sache selbst sehen die Beschwerdeführer den Verfassungsverstoß darin, daß der auf Grund der Neuregelung vorgenommene steuerliche Eingriff Eltern mit unterhaltsberechtigten Kindern nicht anders behandele als kinderlose Personen und sie dadurch benachteilige. Das Einkommensteuerrecht sei auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt; die Leistungsfähigkeit konkretisiere für den Bereich des Einkommensteuerrechts das allgemeine Gerechtigkeitspostulat. Das von der Einkommensteuer zu erfassende Einkommen (und somit die Leistungsfähigkeit) bestehe aus der Summe des Konsums und des steuerlich erheblichen Vermögenszuwachses im maßgeblichen Veranlagungszeitraum. Demgemäß entspreche es dem System des geltenden Einkommensteuerrechts, alle Aufwendungen, die weder dem persönlichen Konsum des Steuerpflichtigen noch der Bildung von Ersparnissen dienten, von der Steuerbemessungsgrundlage abzusetzen, wie z.B. Betriebsausgaben, Werbungskosten, Verluste bei anderen Einkunftsarten, Vorsorgeaufwendungen, zwangsläufige Aufwendungen. Es widerspreche diesem System, Unterhaltsleistungen für Kinder, die für den Steuerpflichtigen keinen Konsum bildeten, nicht von der Bemessungsgrundlage abzuziehen.
Für diese Ungleichbehandlung gebe es keinen Rechtfertigungsgrund. Insbesondere könne nicht die Erwägung herangezogen werden, das System der Freibeträge führe zu sozialen Ungerechtigkeiten, weil Eltern mit einem hohen Endsteuersatz eine viel höhere steuerliche Entlastung erführen als Eltern mit niedrigem Einkommen. Diese vermeintliche Begünstigung sei die Kehrseite der überproportionalen Steuerbelastung der höheren Einkommen. Das Einkommensteuerrecht erfasse die in der Höhe der Einkommen zum Ausdruck kommende verschiedene steuerliche Leistungsfähigkeit durch den progressiven Steuertarif („vertikale Steuergerechtigkeit”). Die „horizontale Steuergerechtigkeit” verlange, daß Bezieher gleicher Einkünfte mit gleicher Leistungsfähigkeit gleich besteuert würden. Da die Unterhaltslasten die Leistungsfähigkeit minderten, lasse sich die Gleichheit im horizontalen Bereich nur durch Abzug von der Bemessungsgrundlage, nicht durch die Gewährung von Kindergeld erreichen. Zwar werde diese Benachteiligung für den Steuerpflichtigen mit niedrigem Einkommen durch die gleichzeitige Verbesserung des Kindergeldes aufgewogen und teilweise überwogen. Im oberen Tarifbereich könne jedoch das einkommensunabhängige Kindergeld die Nachteile der Tarifprogression nicht auf wiegen.
III.
1. Der Bundesminister der Finanzen hat sich für die Bundesregierung geäußert. Er hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und für unbegründet.
Die Unzulässigkeit ergebe sich daraus, daß das Einkommensteuergesetz die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten nicht unmittelbar betreffe; vielmehr seien bei der Erhebung der Einkommensteuer im Wege des Lohnsteuerabzugs rechtsnotwendig besondere Verwaltungsakte erforderlich. Mit der Berechnung und Einbehaltung der Lohnsteuer erlasse der Arbeitgeber als Hilfsorgan der staatlichen Finanzverwaltung – als ein für Verwaltungsaufgaben gesetzlich in Dienst genommener Privater – gerichtlich überprüfbare Verwaltungsakte. Auch liege in der Entgegennahme der Lohnsteueranmeldung ein formloser Steuerbescheid, den der Arbeitnehmer im finanzgerichtlichen Verfahren angreifen könne. Außerdem könnten die Beschwerdeführer ihre Ansprüche auf Freistellung der Unterhaltsleistungen von der Lohnsteuer schon vor Einbehaltung der Lohnsteuer durch Beantragung eines Freistellungsbescheides und Erhebung einer Verpflichtungsklage geltend machen. Nach Einbehaltung der Lohnsteuer auf die Unterhaltsleistungen könnten sie schließlich das Erstattungsverfahren nach § 152 AO betreiben.
Die Verfassungsbeschwerde sei auch unbegründet. Die Neuregelung des Kinderlastenausgleichs habe im Ergebnis bei 95 v. H. der Familien mit Kindern (und damit bei rd. 17 Mio. Kindern) auch in höheren Einkommensgruppen Verbesserungen, jedenfalls keine Verschlechterungen mit sich gebracht. Ziel der Reform sei es gewesen, die Startchancen der Kinder, die wesentlich durch die Einkommensverhältnisse der Eltern mitbestimmt würden, einander anzugleichen. Die von den Beschwerdeführern geltend gemachte horizontale Steuergerechtigkeit bleibe gewahrt. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, beim Kinderlastenausgleich die steuerrechtliche Lösung zu wählen. Er müsse nach Art. 6 GG auch nicht jede die Familie treffende finanzielle Belastung ausgleichen. Die Verpflichtung zu einer familienfördernden und soziale Gegensätze ausgleichenden Gesetzgebung habe der Gesetzgeber innerhalb des ihm zustehenden Ermessens erfüllt.
2. Der Bayerische Ministerpräsident betrachtet es als einen mit Art. 6 Abs. 1 und 2 GG unvereinbaren Eingriff, daß Eltern auch mit dem Teil ihrer Einkünfte der Einkommensteuer unterlägen, mit dem sie für den Unterhalt ihrer Kinder aufzukommen hätten. Der als Sozialleistung konzipierte Kindergeldausgleich wiege diese Benachteiligung nicht auf, zumal er nicht auf die Steuerprogression und damit die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen bezogen sei und nicht dynamisiert werde. Außerdem sei unter Verstoß gegen das aus Art. 3 und Art. 20 GG fließende Gebot systemgerechten Verhaltens des Gesetzgebers der das Einkommensteuerrecht tragende Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit durchbrochen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nur zum Teil zulässig.
I.
Sie ist unzulässig, soweit sie sich gegen § 12 Nr. 1 EStG 1975 richtet. Das Einkommensteuergesetz 1975 ist die Bekanntmachung der Neufassung des Einkommensteuergesetzes durch den Bundesminister der Finanzen unter Berücksichtigung des Einkommensteuerreformgesetzes. Diese Neubekanntmachung ist kein Akt der Rechtsetzung, der Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein könnte (BVerfGE 17, 364 [368 f.]). Sie schafft kein neues Recht, sondern stellt rein deklaratorisch den nunmehr geltenden Wortlaut in übersichtlicher Form und ohne inhaltliche Änderung dar.
Das Einkommensteuerreformgesetz selbst hat auch die Ausschlußfrist des § 93 Abs. 2 BVerfGG zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen § 12 Nr. 1 EStG nicht neu eröffnet, obwohl der Gesetzgeber des Einkommensteuerreformgesetzes diese seit dem Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 (RGBl I S. 1005) unverändert gebliebene Norm offensichtlich in seinen Willen aufgenommen hat; denn ob der Gesetzgeber die beanstandete Norm tatsächlich in seinen Willen aufgenommen hat, ist für die Frist des § 93 Abs. 2 BVerfGG unwesentlich (BVerfGE 17, 364 [369]; 18, 1 [9]). § 12 Nr. 1 EStG hat auch durch den Wegfall der Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 2 EStG a. F.) bei unverändertem Wortlaut keinen neuen oder erweiterten Inhalt erlangt (vgl. BVerfGE 11, 351 [359 f.]; 12, 10 [24]), gegen den sich nunmehr eine Verfassungsbeschwerde richten könnte. Die tariflichen Kinderfreibeträge nach altem Einkommensteuerrecht ließen das Abzugs verbot für Unterhaltsleistungen (§ 12 Nr. 1 EStG) unberührt und bezweckten nur, den tariflichen Grundfreibetrag angemessen zu erhöhen (BVerfGE 6, 55 [70] ; 18, 97 [109] ). Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG blieb daher inhaltlich unverändert bestehen, während die Kinderfreibetragsregelung des § 32 Abs. 2 EStG a. F. durch die Erweiterung der Kindergeldgesetzgebung ersetzt wurde.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist auch im übrigen unzulässig, soweit sie von den Beschwerdeführern zu 1. bis 3. erhoben wird.
1. Die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz setzt voraus, daß der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch das Gesetz und nicht erst mit Hilfe eines Vollzugsaktes betroffen wird (BVerfGE 20, 283 (290]). Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen Art. 1 Nr. 40 EStRG entfällt nicht schon deshalb, weil die Beschwerdeführer – abgesehen von der Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz – andere Möglichkeiten haben, eine verfassungsrechtliche Überprüfung der von ihnen beanstandeten Regelung zu erreichen. Die Berücksichtigung von Lohnsteuerfreibeträgen setzt nach dem System des Lohnsteuerrechts zwar rechtsnotwendig eine entsprechende Eintragung auf der Lohnsteuerkarte, also einen Vollzugsakt der Finanzbehörden, voraus (§ 39 a EStG 1975). Da Lohnsteuerermäßigungen im Lohnsteuerabzugsverfahren sich nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Lohnsteuerkarte zunächst nur auswirken können, wenn sie durch einen Grundlagenbescheid (§ 39 a Abs. 4 EStG 1975) festgestellt und in der Lohnsteuerkarte eingetragen sind, würden die Beschwerdeführer erst durch die Ablehnung der Feststellung eines Freibetrags für Unterhaltsleistungen an ihre Kinder betroffen. Fehlt aber den Finanzbehörden für die Berücksichtigung der Unterhaltslasten für Kinder – abgesehen von der hier nicht in Rede stehenden Sonderregelung des § 33 a EStG 1975 – jeder Prüfungs- und Entscheidungsspielraum, ist die Vorschrift auch keiner weiteren Auslegung zugänglich, müssen die Finanzbehörden vielmehr nach der eindeutigen und klaren gesetzlichen Regelung die steuerliche Berücksichtigung ablehnen, so sind die Beschwerdeführer durch die diese Rechtsfolge aussprechende Regelung unmittelbar betroffen.
2. Durch die Neuregelung sind jedoch nicht alle Beschwerdeführer beschwert. Ihren Belastungen für den Unterhalt ihrer Kinder wurde früher durch den beamtenrechtlichen Kinderzuschlag und die Einräumung von Kinderfreibeträgen Rechnung getragen. Die Beschwerdeführer sehen in der Neuregelung des Familienlastenausgleichs, die bei ihnen zum Wegfall des Kinderzuschlags und – wie allgemein – zur Gewährung eines einheitlichen Kindergeldes führte, eine Verletzung ihrer Grundrechte. Wie der Beschwerdeführer zu 1, bis 3. selbst vortragen, hat sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung ihre finanzielle Situation nicht verschlechtert, vielmehr waren ihre Nettobezüge – unabhängig von der inzwischen erfolgten Gehaltserhöhung – höher als vor dem 1. Januar 1975. In Wirklichkeit enthält ihr Vorbringen die Behauptung, daß die Unterhaltslast schon früher ungenügend berücksichtigt worden sei. Mit dieser Begründung kann jedoch gegen eine Neuregelung, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens für diese Beschwerdeführer im Ergebnis sogar noch günstiger ist als die frühere, keine Verfassungsbeschwerde erhoben werden.
Lediglich die Beschwerdeführer zu 4. und 5. legen schlüssig dar, daß sich ihre finanzielle Lage durch die Umstellung des Systems des Familienlastenausgleichs verschlechtert habe. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde daher zulässig.
C.
Die Neuregelung des Kinderlastenausgleichs soll gegen das Grundgesetz verstoßen, weil Ehepaare mit Kindern gegenüber kinderlosen Ehepaaren einkommensteuerlich benachteiligt seien und weil bei höheren Einkommen eine Berücksichtigung der Aufwendungen für den Unterhalt der Kinder nicht in höherem Maße Platz greife als bei niedrigeren Einkommen.
Prüfungsmaßstab für den Vergleich der steuerlichen Behandlung von Ehepaaren mit Kindern und kinderlosen Ehepaaren, die gleich hohe Einkommen beziehen, ist in erster Linie Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 9, 237 [242] ; 11, 64 [69]; 13, 290 [299] ; 21, 1 [5] ). Durch die Belastung mit Unterhaltsleistungen an Kinder entsteht für Ehepaare mit Kindern gegenüber Ehepaaren ohne Kinder eine wirtschaftliche Ungleichheit in der Verwendung ihres erzielten Einkommens. Ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet ist, diese Ungleichheit zu mildern oder zu beseitigen, ist am Maßstab des aus Art. 3 Abs. 1 GG zu entnehmenden Gebots der Steuergerechtigkeit zu prüfen, an die der Gesetzgeber gebunden ist (BVerfGE 13, 331 [338] ; 26, 302 [310]); dabei sind die Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten von Ehe und Familie sowie das Sozialstaatsprinzip zu beachten (vgl. BVerfGE 13, 290 [298 f.] ; 29, 402 [412] ).
1. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer kann aus dem Wesen der Einkommensteuer als einer auf die Leistungsfähigkeit angelegten Steuer nicht auf das Prinzip geschlossen werden, daß das zu besteuernde Einkommen nur aus der Summe des Konsums und des steuererheblichen Vermögenszuwachses bestehe, wobei die für den Konsum der Kinder verwendeten Teile des Einkommens nicht der Besteuerung unterliegen dürften. Es braucht deshalb nicht dazu Stellung genommen zu werden, ob der Gesetzgeber für ein Abweichen von diesem von den Beschwerdeführern dargelegten Prinzip sachlich einleuchtende Gründe hätte und ob sich überhaupt aus dem Abweichen von einem der gesetzlichen Konzeption zu entnehmenden Prinzip schon allein eine Verfassungswidrigkeit ergeben könnte (BVerfGE 27, 58 [65] – Kilometerpauschale –; 34, 103 [115] – Aufsichtsratsvergütung –). Das Einkommensteuerrecht unterscheidet zwischen Einkommenserzielung und Einkommensverwendung. Gegenstand der Einkommensteuer ist zunächst das erzielte Einkommen, wobei bei dessen Berechnung zwar weitgehend, aber nicht vollständig (BVerfGE 34, 103 [115]) die zu seiner Erzielung erforderlichen Aufwendungen abgesetzt werden (Nettoprinzip). Was die steuerliche Berücksichtigung der bei der Einkommensverwendung entstehenden Lasten anlangt, so hat sich der Gesetzgeber bei der Zulassung von Abzügen von verschiedenen Gesichtspunkten leiten lassen, wie z.B. die Aufzählung der Sonderausgaben in § 10 EStG und die Abzugsfähigkeit von außergewöhnlichen Aufwendungen in den §§ 33, 33 a und 33 b EStG zeigen. Eine Verankerung des Prinzips der Leistungsfähigkeit in dem von den Beschwerdeführern verstandenen Sinn läßt sich daraus nicht entnehmen. Im Gegenteil, der Gesetzgeber hat in § 12 Nr. 1 EStG das Prinzip aufgestellt, daß generell die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewandten Beträge weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch beim Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen.
2. Andererseits ist es ein grundsätzliches Gebot der Steuergerechtigkeit, daß die Besteuerung nach der (wirtschaftlichen) Leistungsfähigkeit ausgerichtet wird. Dies gilt insbesondere für die Einkommensteuer (BVerfGE 13, 290 [297] ; 29, 402 [412] – Konjunkturzuschlag –; 32, 333 [339] – Ergänzungsabgabe –; 36, 66 [72] – Stabilitätszuschlag –).
Das Prinzip einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erweist sich allerdings, wenn daraus konkrete Schlüsse gezogen werden sollen, als vieldeutig, wie immer wieder in der Finanzwissenschaft betont wird (vgl. insbesondere Kurt Schmidt, Die Steuerprogression, 1960, S. 42; Dieter Pohmer in: Finanzarchiv NF, Bd. 27, 1968, S. 139 ff., S. 143 f.; Heinz Haller, Die Steuern, 2. Aufl., 1971, S. 15). Jedenfalls ergibt sich daraus, daß auch solche Ausgaben einkommensteuerrechtlich berücksichtigt werden müssen, die außerhalb der Sphäre der Einkommenserzielung anfallen und für den Steuerpflichtigen unvermeidbar sind.
Auch die nur einzelne Steuerpflichtige treffende wirtschaftliche Belastung durch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern ist ein besonderer, die Leistungsfähigkeit der Eltern beeinträchtigender Umstand. Deshalb darf der Gesetzgeber diese unabweisbare Sonderbelastung ohne Verstoß gegen die Steuergerechtigkeit nicht außer acht lassen. Bei der Regelung jedoch, wie diese Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit zu ermitteln und zu beurteilen und wie ihr Rechnung zu tragen ist, läßt das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes und das ihm zu entnehmende Gebot der Steuergerechtigkeit dem Gesetzgeber Gestaltungsfreiheit. Er kann sich dabei weitgehend von sozialpolitischen und auch gesellschaftspolitischen Erwägungen und Absichten leiten lassen. Zur reinen Verwirklichung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist der Gesetzgeber auch bei der Einkommensteuer von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, wie das Bundesverfassungsgericht für Aufwendungen zur Einkommenserzielung ausgesprochen hat (BVerfGE 27, 58 [68] – Kilometer-Pauschale –).
a) Der Gesetzgeber kann davon absehen, die je nach der sozialen Stellung verschiedenen Aufwendungen für den Unterhalt von Kindern in vollem Umfang als steuerliche Entlastung zu berücksichtigen.
Das in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene Gebot, die Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern, geht nicht so weit, daß der Staat gehalten wäre, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten (BVerfGe 28, 104 [113]; 40, 121 [132]). Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Die individuelle, auch finanzielle Verantwortung der Eltern für ihre Kinder läßt die volle steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen zu Lasten der Allgemeinheit und der Gesamtheit der Steuerzahler verfassungsrechtlich als nicht geboten erscheinen.
In diesem Zusammenhang ist es von besonderer Bedeutung, daß die steuerliche Entlastung (oder die jetzige Kindergeldregelung) nicht die einzige Leistung ist, die der Staat für Kinder erbringt und durch die er die Eltern wirtschaftlich entlastet. Der Staat trägt ein Schul-, Bildungs- und Ausbildungssystem, das zum ganz überwiegenden Teil aus Haushaltsmitteln und nicht über Gebühren finanziert wird. Auf diese Weise erbringt er Leistungen, die zunächst den Eltern der in der Schul- und Berufsausbildung stehenden Kinder zugute kommen und es ihnen ersparen, für die Schul- und Berufsausbildung ihrer Kinder kostendeckende Preise und Gebühren zu zahlen.
Hinzu kommen die Leistungen des Staates nach dem Bundesgesetz über die individuelle Förderung der Ausbildung (§ 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes – BAföG – vom 26. August 1971 [BGBl I S. 1409], jetzt in der Neufassung vom 9. April 1976 [BGBl I S. 989]). Diese werden in den Fällen gewährt, in denen dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel, insbesondere im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse der Eltern, nicht zur Verfügung stehen.
b) Überdies werden Eltern auch im steuerlichen Bereich unter anderem durch die Berücksichtigung der Kinderzahl bei der Vorsorgepauschale (§ 10 c Abs. 3 EStG 1975), bei den Höchstbeträgen für Vorsorgeleistungen (§ 10 Abs. 3 EStG 1975) und bei der Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung nach § 33 Abs. 3 EStG 1975 in gewissem Umfang entlastet. Ferner wird dem Steuerpflichtigen für Aufwendungen, die durch die auswärtige Unterbringung eines in Berufsausbildung befindlichen Kindes entstehen, nach § 33 a Abs. 2 EStG 1975 ein Steuerfreibetrag von jährlich 1.200 DM eingeräumt. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber schon in dem Einkommensteuergesetz 1975 – allerdings erst mit Wirkung ab 1. Januar 1977 – die Vorschriften über die Einräumung dieses Freibetrags geändert. Danach erhält ein Steuerpflichtiger für ein 18 Jahre altes in Berufsausbildung stehendes Kind einen Freibetrag von jährlich 2400 DM bei der Unterbringung des Kindes im Haushalt und von 4200 DM bei auswärtiger Unterbringung; für ein noch nicht 18 Jahre altes Kind kann der Steuerpflichtige bei auswärtiger Unterbringung zur Berufsausbildung einen Freibetrag von jährlich 1.800 DM geltend machen (§ 52 Abs. 22 EStG 1975). Damit hat der Gesetzgeber in diesem Bereich schon mit dem Inkrafttreten des Einkommensteuerreformgesetzes eine Anpassung der Freibeträge an erhöhte Bedürfnisse vorweggenommen, wie sie sich bei einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse als geboten zeigen könnte.
c) Bei dieser Sachlage hat sich der Gesetzgeber noch im Rahmen der Gestaltungsfreiheit gehalten, die ihm durch Art. 3 in Verbindung mit Art. 6 GG eingeräumt ist, wenn er für das erste Kind einen Betrag von 50 DM, für des zweite von 70 DM und von 120 DM für das dritte und jedes weitere Kind gewährt.
Steuerfreibeträge, die zu einer Steuerbefreiung in Höhe dieser festen Kindergeldbeträge führen würden, entsprechen allerdings bei Kindern mit zunehmendem Alter und damit verbundenen höheren Bedürfnissen, insbesondere bei höher verdienenden Steuerpflichtigen, in der Regel nicht dem, was der Steuerpflichtige für seine Kinder aufwenden muß. Auch die bisher im Einkommensteuerrecht gewährten Kinderfreibeträge waren weder dazu bestimmt noch geeignet, die den Eltern durch Unterhaltsleistungen an ihre Kinder tatsächlich erwachsenden wirtschaftlichen Belastungen nach einem pauschalen Maßstab zum Abzug vom zu versteuernden Einkommen zuzulassen (Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 [BGBl I S. 373]; Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. II/481, S. 66). Das Bundesverfassungsgericht ist in den Entscheidungen, die sich mit den früher gewährten Kinderfreibeträgen befaßten, von der Verfassungsmäßigkeit der Regelung der Höhe nach ausgegangen, obwohl die Freibeträge den Unterhaltsbedarf nicht deckten (vgl. BVerfGE 18, 97 [109] ; 23, 1 ; 33, 90 [103]; 36, 126 ). Es hat auch die der Problemstellung nach vergleichbare Ausrichtung des früher gewährten Ehegattenfreibetrages lediglich am Existenzminimum nicht beanstandet, obwohl auch dadurch der tatsächliche Unterhaltsbedarf nicht gedeckt wurde (BVerfGE 6, 55 [70] ; 9, 237 [243] ).
d) Für die verfassungsrechtliche Betrachtung ist es irrelevant, daß der Gesetzgeber die Unterhaltslasten für Kinder nicht im Steuerrecht berücksichtigt und nicht, wie ursprünglich geplant, eine Negativsteuer von 50, 70 und 120 DM eingeführt hat, die die Kinderentlastung bei der Erhebung der Einkommensteuer, beim Lohnsteuerabzug oder bei einkommenslosen Personen im Wege der Auszahlung verwirklichen sollte (sogenannte Finanzamtslösung). An ihrer Stelle wird das gleich hohe Kindergeld gewährt (sogenannte Arbeitsamtslösung). Da somit der Gesetzgeber durch Verlagerung aus dem steuerlichen in den sozialpolitischen Bereich der Minderung der Leistungsfähigkeit von Steuerpflichtigen, die durch den Unterhalt ihrer Kinder bedingt ist, Rechnung getragen hat, entfiel die Pflicht zur Berücksichtigung im Einkommensteuerrecht. Der Gesetzgeber kann im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz von Ehe und Familie verwirklichen will. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Förderung gerade mit steuerlichen Mitteln erfolgen soll, ist weitgehend seiner Entscheidung anheimgegeben (vgl. BVerfGE 21, 1 [6] ). Für die Einführung des allgemeinen Kindergeldes wurde durch die Neugestaltung zugleich das Nebeneinander verschiedener Lösungen (Steuerfreibeträge und Kindergeld) beseitigt (Begründung zum Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes, BR-Drucks. 700/73, S. 213).
II.
Das bisherige System der Kinderfreibeträge bewirkte, daß Eltern mit progressiv hoch besteuertem Einkommen stärker begünstigt wurden als Eltern mit geringerem Einkommen, da durch den Abzug des gleich hohen Kinderfreibetrags von der Steuerbemessungsgrundlage bei jenen Einkommen eine höhere Entlastung erzielt wurde; auf der anderen Seite wirkte sich die Gewährung des Kinderfreibetrags bei niedrigem Einkommen steuerlich geringer, in Einzelfällen sogar überhaupt nicht aus. Diese Folge vermeidet das Kindergeldsystem, indem es grundsätzlich feste Geldbeträge gewährt, obwohl bei höherem Einkommen der Eltern die gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Kinder steigen. Diese Regelung, die übrigens auch der Bundesfinanzhof schon seit langem für zulässig erachtet hat (BStBl 1960 III, S. 102; 1969 II, S. 730), ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Wie bereits dargelegt (C I 2 a), liegt es weitgehend im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, wie der Minderung der Leistungsfähigkeit durch die Unterhaltslasten für Kinder Rechnung zu tragen ist. Der Gesetzgeber des Einkommensteuerreformgesetzes durfte sich von dem sozial- und gesellschaftspolitischen Anliegen leiten lassen, die Ungleichheit der Startchancen, die an sich schon aus den verschiedenen Einkommensverhältnissen der Eltern folgt, nicht noch zu verstärken (Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes, a.a.O., S. 213). Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgeführt, daß bei Steuern, die an die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen anknüpfen, die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig und geboten ist. Die Orientierung an der sozialen Schutzbedürftigkeit gestattet die gleichmäßige Begünstigung aller Kinder, wenn sie nicht sogar eine Differenzierung zugunsten der sozial Schwächeren erlaubt oder möglicherweise gebietet (BVerfGE 29, 402 [412]) – Konjunkturzuschlag –, 32, 333 [339] – Ergänzungsabgabe –; 36, 66 [72] – Stabilitätszuschlag –). Beim Vergleich zwischen Steuerpflichtigen mit niedrigem Einkommen und Steuerpflichtigen mit höherem Einkommen kann der Gesetzgeber davon ausgehen, daß bei steigendem Einkommen dessen Nutzbarkeit für die Befriedigung der bei der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigenden notwendigen Bedürfnisse immer mehr abnimmt. Die Belastung durch den Unterhalt für Kinder trifft deshalb den Bezieher hoher Einkommen im Gegensatz zu dem weniger Verdienenden in einem Lebensbereich, in dem eine Beschränkung eher zulässig erscheint (vgl. Heinz Haller, Die Steuern, 2. Aufl., 1971, S. 15). Deshalb verstößt es nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Gesetzgeber, obwohl die Unterhaltslasten verschieden hoch sind, ein gleich hohes Kindergeld gewährt. Soweit sich im mittleren Einkommensbereich durch das Zusammentreffen von steuerrechtlichen Regelungen und sozialrechtlichen Förderungsmaßnahmen Unzuträglichkeiten ergeben sollten, müßten diese nicht notwendig steuerrechtlich ausgeglichen werden.
Fundstellen
BStBl II 1977, 135 |
BVerfGE 43, 108 |
BVerfGE, 108 |
BB 1977, 127 |
DB 1977, 238 |
DStR 1977, 51 |
DStZ/B 1977, 91 |
NJW 1977, 241 |