Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug von Unterhalt für im Ausland lebende Kinder. Kinderlastenausgleich für getrennt lebende Ehegatten
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß ein Freibetrag nach § 33a Abs.1 Satz 1 EStG mit der Begründung versagt worden ist, die geschiedene Ehefrau erhalte nach niederländischem Recht für die aus der Ehe hervorgegangen Kinder Kindergeld.
2. Aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG folgt weder, daß neben dem allgemeinen Kinderlastenausgleich zusätzlich noch der Freibetrag nach § 33a Abs. 1 EStG zu gewähren ist noch daß bei getrennt lebenden Eheleuten der allgemeine Kinderlastenausgleich beiden gleichzeitig gewährt werden muß. Es genügt, wenn die fehlende Berücksichtigung bei dem geschiedenen Elternteil, welcher Unterhaltszahlungen erbringt, durch eine entsprechende – notfalls im Wege der Abänderungsklage durchzusetzende – Anrechnung auf die Unterhaltszahlung ausgeglichen wird.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; BKGG § 8 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 33a Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die angegriffenen Entscheidungen und die ihnen zugrunde liegende Regelung des § 33 a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Einkommensteuerreformgesetzes vom 5. August 1974 (BGBl. I S. 1769) bzw. in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1979 vom 30. November 1978 (BGBl. I S. 1849) lassen, soweit ihre Prüfung zum Gegenstand des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens gemacht worden ist, einen Grundrechtsverstoß nicht erkennen. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß dem Beschwerdeführer ein Freibetrag nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG mit der Begründung versagt worden ist, seine geschiedene Ehefrau erhalte nach niederländischem Recht für die zwei aus der Ehe hervorgegangenen Kinder Kindergeld.
Zwar mindert die für den Steuerpflichtigen unvermeidbare Sonderbelastung durch Unterhaltsverpflichtung gegenüber Kindern seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Vergleich zu Steuerpflichtigen ohne solche Unterhaltsverpflichtungen, und sie darf deshalb ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG weder vom Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 82, 60 ≪86 f.≫ m.w.N.) noch – im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten – von der Rechtsprechung unberücksichtigt bleiben (vgl. BVerfGE 58, 369 ≪374≫). Das bedeutet jedoch nicht, daß der Staat neben dem allgemeinen Kinderlastenausgleich – in den Streitjahren durch Zahlung von Kindergeld (vgl. BVerfGE 43, 108 ≪110 f., 123 f.≫; 82, 60 ≪62≫) – zusätzlich noch den Freibetrag nach § 33 a Abs. 1 EStG zu gewähren hat. Vielmehr kommt dieser Bestimmung seit jeher – soweit es um den Unterhalt von Kindern geht – die Funktion zu, in den Fällen einen steuerlichen Ausgleich zu gewähren, in denen – aus welchen Gründen auch immer – der normalerweise den Eltern zustehende allgemeine Kinderlastenausgleich nicht greift. Folglich wurde ab dem Veranlagungszeitraum 1975 die Anwendbarkeit des § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG davon abhängig gemacht, ob für das unterstützte Kind ein Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder auf andere Leistungen für Kinder (§ 8 Abs. 1 BKGG) bestand. Ein geschiedener Elternteil ist durch diese Regelung nicht schlechter gestellt als ein Steuerpflichtiger in einer intakten Ehe, weil auch dieser entweder nur den allgemeinen Kinderlastenausgleich oder den Freibetrag nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG in Anspruch nehmen kann. Leben die Eheleute getrennt, so besteht kein Verfassungsgebot, daß der allgemeine Kinderlastenausgleich, den der Gesetzgeber je Kind bestimmt, beiden Elternteilen gleichzeitig gewährt werden muß. Es genügt, wenn die fehlende Berücksichtigung bei dem geschiedenen Elternteil, welcher Unterhaltszahlungen erbringt, dadurch mittelbar ausgeglichen wird, daß der dem anderen Elternteil zukommende Kinderlastenausgleich durch eine entsprechende Anrechnung auf die Höhe der Unterhaltsleistungen Berücksichtigung findet (vgl. BVerfGE 45, 104 ≪126 f., 132 ff.≫). Bei schon festgelegten Unterhaltszahlungen ist es dem zum Empfang des Kindergeldes nicht berechtigten Elternteil zuzumuten, notfalls die Anrechnung des Kindergeldes auf die Höhe der Unterhaltszahlungen im Wege der Klage durchzusetzen (vgl. BVerfGE 45, 104 ≪134≫).
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, das Kindergeld habe in den Streitjahren die ihm ursprünglich zugedachte Funktion nicht erfüllt, ist die Beantwortung dieser Frage für die vorliegende Verfassungsbeschwerde schon deshalb ohne Einfluß, weil der angeführte Vorlagebeschluß des Finanzgerichts Baden-Württemberg (vgl. BVerfGE 82, 198 ≪199 ff.≫) bei seinen Erwägungen von dem deutschen Kindergeld ausgegangen ist, während es hier um die Entlastungswirkung des Kindergeldes geht, das nach niederländischem Recht gezahlt wurde. Hierzu hat aber der Beschwerdeführer nichts vorgetragen.
Deshalb ist es von Verfassungs wegen auch nicht zu beanstanden, daß dem Beschwerdeführer in den angegriffenen Entscheidungen der Ansatz eines Freibetrages nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG im Hinblick auf § 8 Abs. 1 BKGG unter Hinweis auf die Kindergeldzahlung in den Niederlanden abgelehnt worden ist. Zum einen ist es grundsätzlich nicht angreifbar, daß § 8 Abs. 1 Nr. 2 BKGG Leistungen für Kinder, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes gewährt werden, berücksichtigt, um auf diese Weise eine doppelte Begünstigung zu vermeiden (vgl. auch BVerfGE 45, 104 ≪127 f.≫). Ebenso kann es dem Gesetzgeber nicht verwehrt sein, die Anwendung des § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG davon abhängig zu machen, daß nicht gleichzeitig dem Kindergeld entsprechende Leistungen für die Kinder im Ausland erbracht werden. Zum andern ist nicht ersichtlich und von dem Beschwerdeführer auch nicht substantiiert vorgetragen worden, daß das niederländische Kindergeld der Höhe nach die verfassungsrechtlich gebotene, über die Anrechnung bei den Unterhaltsleistungen mittelbar eintretende Entlastungswirkung nicht herzustellen vermochte.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen