Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkung des ErbStG 1974. Vorerwerbe aus der Zeit vor 1974
Leitsatz (redaktionell)
1. Daß das am 20. April 1974 verkündete ErbStG 1974 schon zum 1. Januar 1974 in Kraft getreten ist und damit an die vom 1. Januar 1974 bis zur Verkündung des Gesetzes eingetretenen Erbfälle rückwirkend belastende steuerliche Rechtsfolgen knüpft, verletzt keine Grundrechte, weil das Vertrauen in den Fortbestand der ursprünglichen Rechtslage bereits mit dem Gesetzesbeschluß am 6. Dezember 1973 im Bundestag entfallen ist.
2. Auch die durch die Anrechnung der vor 1974 eingetretenen Vorerwerbe bewirkte Erhöhung der steuerlichen Belastung des durch den Erbfall erworbenen Vermögens ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.
Normenkette
ErbStG 1974 §§ 14, 25 Abs. 1 Buchst. b, § 27
Verfahrensgang
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die angegriffene Entscheidung läßt eine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten nicht erkennen.
1. Eine Grundrechtsverletzung ist insbesondere nicht darin zu sehen, daß das Erbschaftsteuergesetz 1974 (BGBl. I S. 933), das am 20. April 1974 verkündet wurde, zum 1. Januar 1974 in Kraft getreten ist und damit an die vom 1. Januar 1974 bis zur Verkündung des Gesetzes eingetretenen Erbfälle rückwirkend belastende steuerliche Rechtsfolgen knüpft. Diese Rückbewirkung von Rechtsfolgen, die sich an den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen, insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit, messen lassen muß (BVerfGE 72, 200 ≪242≫), ist im vorliegenden Fall gerechtfertigt. Die Rechtfertigung ergibt sich daraus, daß das Vertrauen des Betroffenen in den Fortbestand der ursprünglichen Rechtslage mit dem Gesetzesbeschluß des Bundestages vom 6. Dezember 1973 entfallen ist. Zwar ist das Gesetz erst nach zweimaliger Anrufung des Vermittlungsausschusses nach Maßgabe der von diesem vorgeschlagenen Änderungen zustande gekommen (vgl. BTDrucks. 7/1482; 7/1600; 7/1710; 7/1697; 7/1799; Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 7. Wahlperiode, 85. Sitzung vom 14. März 1974, StenProt. S. 5547; Verhandlungen des Bundesrates, 403. Sitzung vom 22. März 1974, StenProt. S. 101), die im Ausgangsverfahren beanstandeten Regelungen im Zusammenhang mit der Anrechnung der Vorerwerbe sowie der Vorschrift des § 25 Abs. 1 Buchstabe b) ErbStG 1974 blieben jedoch unverändert und waren auch nicht Gegenstand der zwischen Bundestag und Bundesrat bestehenden Meinungsverschiedenheiten (vgl. BRDrucks. 759/73).
2. Auch die durch die Anrechnung der vor 1974 eingetretenen Vorerwerbe bewirkte Erhöhung der steuerlichen Belastung des durch den Erbfall erworbenen Vermögens ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Wie der Bundesfinanzhof in der angegriffenen Entscheidung ausgeführt hat, bleibt die nach altem Recht auf die Vorerwerbe entfallende Steuer unverändert. Auch die für einen Teil der Vorerwerbe nach § 21 ErbStG 1959 vorgesehene Privilegierung bleibt erhalten. Die Vorerwerbe aus der Zeit vor dem 1. Januar 1974 werden lediglich zum Zwecke der Ermittlung des für den Erwerb von Todes wegen maßgeblichen Steuersatzes so behandelt, als seien sie erst mit dem Erbfall angefallen. Die Anrechnung der Vorerwerbe führt mithin zu einer Erhöhung des Steuersatzes des durch den Erbfall erworbenen Vermögens. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die Beibehaltung der ursprünglichen Steuersätze ist indessen mit dem Gesetzesbeschluß des Bundestages entfallen.
3. Soweit der Beschwerdeführer rügt, der Bundesfinanzhof habe dem Finanzamt etwas zugesprochen, was es nicht beantragt habe, ist ein Verfassungsverstoß nicht erkennbar. Der Bundesfinanzhof hat die Aufhebung des angegriffenen Urteils dem Umfang nach ausdrücklich auf die Reichweite des Revisionsantrages beschränkt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
NJW 1993, 2432 |
NVwZ 1993, 975 |