Verfahrensgang
Tenor
Die miteinander verbundenen Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die miteinander verbundenen Verfassungsbeschwerden betreffen die Rentenversicherungspflicht von selbständigen Lehrern und die für einen begrenzten Zeitraum bestandene Möglichkeit, auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen von der Versicherungspflicht befreit zu werden.
I.
Der am 1. Dezember 1946 geborene Beschwerdeführer arbeitete neben seiner Tätigkeit als Hausverwalter seit September 1992 als selbständiger Sprachenlehrer. Als Gesamtjahreseinkommen hat er bei Einreichung der Verfassungsbeschwerde 1 BvR 2204/00 einen Betrag in Höhe von etwa 60.000 DM angegeben. Versicherungspflichtige Arbeitnehmer beschäftigte er nicht. Der Beschwerdeführer hat nach eigenen Angaben in den Jahren 1979, 1989 und 1992 drei Lebensversicherungsverträge und 1995 eine private Rentenversicherung abgeschlossen. Im Jahr 2000 wurden dafür monatlich etwa 700 DM aufgewendet.
1. Verfahren 1 BvR 2204/00
Auf einen Antrag des Beschwerdeführers, ihn in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig zu versichern, teilte ihm die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) mit Bescheid vom 2. Juli 1997 mit, er sei nach § 2 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bereits in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Sie bestimmte als monatliche Beitragszahlung den Regelbeitrag in Höhe von damals 866,81 DM. Zugleich setzte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Nachforderung von Pflichtbeiträgen für die Zeit von Januar bis Juli 1997 in Höhe von 6.067,67 DM fest. Im Verwaltungsverfahren und im sozialgerichtlichen Verfahren hatte der Beschwerdeführer keinen Erfolg. Das Bundessozialgericht hob das Urteil des Landessozialgerichts auf, soweit dem Beschwerdeführer Mutwillenskosten auferlegt wurden. Im Übrigen wurde seine Revision zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde. Er sieht sich durch die festgestellte Versicherungspflicht als selbständiger Lehrer nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Er rügt darüber hinaus, die angegriffenen Gerichtsentscheidungen verstießen gegen Art. 101 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG). Durch die angegriffenen Entscheidungen sei insbesondere der Gleichheitsgrundsatz verletzt. Aufgrund fehlender Meldepflichten sei die Erfassung der versicherungspflichtigen selbständigen Lehrer nur zufällig erfolgt. Die Feststellung der Versicherungspflicht belaste ihn willkürlich, da nur ein Bruchteil der Versicherungspflichtigen von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erfasst worden sei. Der Gesetzgeber habe dies bewusst toleriert.
2. Verfahren 1 BvR 1355/03
Nach Einführung der Möglichkeit zur Befreiung von der Versicherungspflicht für selbständige Lehrer in § 231 Abs. 6 SGB VI durch das Erste Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch vom 3. April 2001 (BGBl I S. 467) stellte der Beschwerdeführer bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte einen entsprechenden Antrag. Die bis heute unveränderte Vorschrift lautet:
Personen, die am 31. Dezember 1998 eine nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder § 229a Abs. 1 versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, werden auf Antrag von dieser Versicherungspflicht befreit, wenn sie
1. glaubhaft machen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt von der Versicherungspflicht keine Kenntnis hatten, und
2. vor dem 2. Januar 1949 geboren sind oder
3. vor dem 10. Dezember 1998 eine anderweitige Vorsorge im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 oder Satz 2 für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene getroffen haben; Absatz 5 Satz 1 Nr. 2 und 3 und Satz 2 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Datums 30. Juni 2000 jeweils das Datum 30. September 2001 tritt.
Die Befreiung ist bis zum 30. September 2001 zu beantragen; sie wirkt vom Eintritt der Versicherungspflicht an.
Mit Bescheid vom 25. September 2001 lehnte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte unter Hinweis auf ihren noch nicht bestandskräftigen Bescheid vom 2. Juli 1997 über die Feststellung seiner Versicherungspflicht eine entsprechende Befreiung ab. Die Voraussetzungen für eine Befreiung lägen nicht vor. Der Beschwerdeführer habe zum maßgeblichen Stichtag am 31. Dezember 1998 Kenntnis von der Versicherungspflicht gehabt. In den sich daran anschließenden Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren hatte der Beschwerdeführer keinen Erfolg. Zuletzt wurde die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts durch das Bundessozialgericht als unzulässig verworfen.
Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde. Er trägt vor, die gesetzliche Anforderung der Glaubhaftmachung einer fehlenden Kenntnis der Versicherungspflicht zum Stichtag am 31. Dezember 1998 verletze ihn in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 GG. Der Beschwerdeführer sieht sich zudem durch die Verwerfung seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
II.
Zu den Verfahren haben das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (jetzt: Bundesministerium für Arbeit und Soziales), das Sächsische Staatsministerium der Justiz, das Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) und der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) Stellung genommen. Der Deutsche Bundestag hat Auszüge aus den Beratungsunterlagen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung übersandt. Das Bundessozialgericht hat sich gemäß § 82 Abs. 4 BVerfGG geäußert.
1. Nach Auffassung des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger ist der Beschwerdeführer durch die Versicherungspflicht für selbständige Lehrer in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in seinen Grundrechten, insbesondere auch nicht in Art. 3 Abs. 1 GG, verletzt. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Steuerrecht, wonach ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz auch dann vorliege, wenn ein Besteuerungsanspruch wegen Vollzugsmängeln nicht durchgesetzt werden könne und der Gesetzgeber dies bewusst und gewollt hingenommen habe, lasse sich auf die vorliegende Fragestellung nicht übertragen. Der Gesetzgeber habe etwaige Mängel im Gesetzesvollzug auch nicht hingenommen, sondern eine Meldepflicht in § 190a SGB VI mit Wirkung vom 1. Januar 2001 angeordnet. Zudem sei die Rentenversicherung Anhaltspunkten für das Vorliegen einer versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit stets im Rahmen ihrer Ermittlungen, unter anderem im Rahmen von Betriebsprüfungen, nachgegangen und habe im Rahmen ihrer Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten über die Versicherungspflicht informiert.
Der Beschwerdeführer sei auch nicht dadurch in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, dass er nicht von der Regelung zur Befreiung von der Versicherungspflicht in § 231 Abs. 6 SGB VI erfasst werde. Die hier getroffene Stichtagsregelung sei sachlich vertretbar. Da es sich um eine atypische Ausnahmevorschrift handele, die den guten Glauben an das Nichtbestehen einer Versicherungspflicht schütze, habe der Geltungszeitraum begrenzt werden müssen. Im Hinblick auf die seit 1. Januar 1999 geltende neue Versicherungspflicht für Selbständige nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI wäre es widersprüchlich gewesen, Personen, die bereits seit Jahren versicherungspflichtig waren, besser zu stellen als Selbständige, die bis zum 31. Dezember 1998 nicht der Versicherungspflicht unterlagen. Der Stichtag 31. Dezember 1998 habe daher auch für die Versicherungspflichtigen nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI gelten müssen.
2. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung ist der Auffassung, es liege kein Verstoß gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, vor. Zwar könnten Vollzugsdefizite zu einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes führen, wenn der Gesetzgeber bewusst Lücken in der Normdurchsetzung wahrnimmt und diese trotz bestehender Handlungsalternativen nicht schließt. Die zum Steuerrecht ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne aber nicht auf das Sozialrecht übertragen werden. Im Gegensatz zum Steuerrecht diene die Beitragserhebung nicht allein dem Fiskus. Vielmehr erwachse dem Betroffenen aus dem umfassenden Schutz durch die sozialen Sicherungssysteme sogar ein Vorteil. Als sich Defizite ergeben hätten, habe der Gesetzgeber in § 190a SGB VI eine verschärfte, bußgeldbewehrte Meldepflicht eingeführt.
In Bezug auf die Vorschrift des § 231 Abs. 6 SGB VI müsse sich der Beschwerdeführer darauf verweisen lassen, dass diese Übergangsregelung als Entgegenkommen an diejenigen Versicherten geschaffen worden sei, die zum Zeitpunkt der öffentlichen Diskussion um die schließlich zum 1. Januar 1999 erfolgte Einführung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI auf die bestehende Versicherungspflicht selbständiger Lehrer erst aufmerksam geworden seien. Eine unbefristete Befreiungsmöglichkeit würde selbständige Lehrer, ohne dass sie sich auf den Vertrauensschutz im eigentlichen Sinn berufen könnten, besser stellen als die so genannten arbeitnehmerähnlichen Selbständigen. Ein Wahlrecht zwischen öffentlicher und privater Absicherung verbiete sich. Bei typisierenden Regelungen eines massenhaft vorkommenden Sachverhalts sei es im Übrigen hinzunehmen, wenn im Einzelfall die Rentenversicherungspflicht zum Schutz des Versicherten nicht erforderlich sei, weil bereits eine ausreichende private Vorsorge bestehe.
3. Nach Einschätzung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und des Justizministeriums Mecklenburg-Vorpommern haben viele Selbständige erstmalig im Rahmen der Feststellung der zum 1. Januar 1999 eingeführten Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI von ihrer Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfahren. Der Gesetzgeber habe daher die Möglichkeit einer Befreiung von der Versicherungspflicht für geboten und eine Frist von einem halben Jahr als angemessen erachtet.
4. Nach Mitteilung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wurden selbständige Lehrer statistisch nicht gesondert erfasst. Eine exakte Zahl der von 1992 bis 2004 Versicherungspflichtigen könne daher nicht genannt werden. Auch wegen der unterschiedlichen Art und Weise der Datenerfassung in den in dieser Zeit benutzten Systemen zur Speicherung der Beitragszahler könne nur eine Mindestanzahl der betroffenen Personen von 23.855 Versicherten genannt werden. Kenntnis von der eine Versicherungspflicht begründenden Lehrtätigkeit erhalten die Rentenversicherungsträger nach Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aufgrund der seit 1. Januar 2001 geltenden Meldepflicht nach § 190a Abs. 1 SGB VI oder durch Angaben der Versicherten im Verwaltungsverfahren, wie z.B. Kontenklärung oder Rentenverfahren durch Anträge auf Feststellung des sozialversicherungspflichtigen Status nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sowie durch Anzeigen der Krankenkassen, allgemeine Anfragen von Versicherten und durch Betriebsprüfungen, wie beispielsweise bei Bildungseinrichtungen.
III.
Die miteinander verbundenen Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen. Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerden sind ohne Aussicht auf Erfolg.
1. Soweit der Beschwerdeführer im Verfahren der Verfassungsbeschwerde 1 BvR 2204/00 einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend macht, ist die Rüge bereits unzulässig. Es fehlt an einer hinreichenden Begründung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und § 92 BVerfGG. Zwar ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 73, 339 ≪366≫; 75, 223 ≪233 f.≫; stRspr). Die Auslegung und Anwendung des Art. 234 EG ist jedoch nur zu beanstanden, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪194≫). Dem Vortrag des Beschwerdeführers lassen sich keinerlei Anhaltspunkte für ein willkürliches Unterlassen der Vorlage nach Art. 234 EG entnehmen. Das Bundessozialgericht hat das Bestehen einer Vorlagepflicht eingehend erörtert und sich mit der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausführlich auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer hätte daher seinen Vortrag, bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte handele es sich in Bezug auf die Rentenversicherungspflicht von Selbständigen um ein den europäischen Wettbewerbsregeln unterfallendes öffentliches Unternehmen im Sinne der Art. 86, 81 ff. EG, besonders begründen und sich mit der vom Bundessozialgericht zitierten umfangreichen Rechtsprechung befassen müssen. Dies ist nicht geschehen.
2. Im Übrigen ist eine Verletzung von Verfassungsrechten des Beschwerdeführers nicht ersichtlich.
a) Der Beschwerdeführer wird durch die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Die Eigentumsgarantie sichert nur den konkreten Bestand an vermögenswerten Rechten (vgl. BVerfGE 98, 365 ≪401≫). Der Beschwerdeführer kann sich deshalb nicht darauf berufen, er erziele aus seinen privaten Lebens- und Rentenversicherungsverträgen nicht den erwarteten Gewinn, weil er wegen seiner Beitragsverpflichtungen gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung die geschuldeten Einzahlungen nicht weiter aufbringen könne. Ein erhoffter Gewinnzuwachs auf der Grundlage weiterer Einzahlungen ist keine zu verfassungsrechtlichem Eigentum verfestigte Rechtsposition.
Die bereits erworbenen Anwartschaften auf Leistungen aus den abgeschlossenen Versicherungsverträgen werden als solche durch die gesetzliche Rentenversicherungspflicht weder in ihrem Bestand noch in ihrer Höhe entwertet oder in sonstiger Weise berührt. Inwieweit dem Beschwerdeführer infolge einer Kündigung oder durch das Ruhendstellen von Versicherungsverträgen “in Bezug auf die Höhe der Anwartschaft bei der Lebensversicherung” ein Schaden entstehen könnte, hat er nicht näher dargelegt und kann daher unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht beurteilt werden.
b) Die Begründung einer Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI berührt nicht den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG. Vorschriften ohne unmittelbar berufsregelnden Charakter, wie hier die Anordnung einer Versicherungspflicht, greifen nur in die Berufsfreiheit ein, wenn sie in einem engen Zusammenhang zur Berufsausübung stehen und eine objektiv berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (vgl. BVerfGE 75, 108 ≪153 f.≫; 81, 108 ≪121≫; stRspr). Mit der Rentenversicherungspflicht steuert der Gesetzgeber weder die Wahl noch die Ausübung des Berufs des selbständigen Lehrers. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI normiert keine Berufs- sondern Beitragspflichten.
c) Art. 2 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Der Gesetzgeber greift zwar in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG ein, wenn er die Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung und damit verbundene Beitragspflichten anordnet (vgl. BVerfGE 97, 271 ≪286≫; 109, 96 ≪109≫; stRspr). Für das Grundrecht der allgemeine Handlungsfreiheit gelten jedoch die Schranken des Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 GG. Es ist nicht verletzt, wenn die Eingriffsnorm formell und materiell verfassungsgemäß ist, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den rechtsstaatlichen Anforderungen des Vertrauensschutzes entspricht (vgl. BVerfGE 97, 271 ≪286≫; stRspr). Im Spannungsverhältnis zwischen der individuellen Freiheit und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 29, 221 ≪235≫; 44, 70 ≪89≫).
aa) Mit der Regelung des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI hat der Gesetzgeber von seinem Gestaltungsspielraum in verfassungskonformer Weise Gebrauch gemacht. Die Rentenversicherungspflicht selbständiger Lehrer verfolgt einen legitimen Zweck. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass selbständige Lehrer, die keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, schutzbedürftig sind, weil sie wie abhängig Beschäftigte zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes auf die eigene Arbeitskraft angewiesen sind. Neben dem Schutz der Betroffenen dient die gesetzliche Rentenversicherung auch der Allgemeinheit, indem sie der Sozialhilfebedürftigkeit im Alter entgegenwirkt und so eine übermäßige Inanspruchnahme der staatlichen Gemeinschaft verhindert (vgl. auch BVerfGE 103, 197 ≪221 f.≫).
bb) Die Anordnung der Versicherungspflicht in § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist auch ein geeigneter und erforderlicher Beitrag zur Sicherung der Altersversorgung selbständiger Lehrer. Der Gesetzgeber darf insbesondere als Voraussetzung für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung den Tatbestand der Beschäftigung genügen lassen und damit einen generalisierenden Maßstab anlegen (vgl. BVerfGK 4, 42 ≪44≫). Es ist deshalb für die verfassungsrechtliche Beurteilung nicht entscheidend, dass einzelne selbständige Lehrer nicht schutzbedürftig sind, weil ihr Lebensunterhalt im Alter bereits anderweitig gesichert ist. Die Rentenversicherungspflicht selbständiger Lehrer ist auch verhältnismäßig. Die Verfassung verpflichtet den Gesetzgeber nicht zu einer aus Sicht des Beschwerdeführers optimalen Altersvorsorge (vgl. BVerfGK 4, 42 ≪44≫). Die Betroffenen werden durch die Rentenversicherungspflicht nicht übermäßig belastet, denn § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zwingt sie lediglich zu einer an sich selbstverständlichen Vorsorge für das Alter (vgl. BVerfGE 29, 221 ≪236≫). Besonderen Härten aufgrund der Beitragspflicht – auch in der besonderen Situation des Beschwerdeführers – trägt das Rentenversicherungsrecht ausreichend Rechnung. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB IV lässt eine Stundung, eine Niederschlagung oder einen Erlass von Beitragsforderungen zu. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV können Rentenbeiträge regelmäßig nur für einen Zeitraum von vier Jahren nachgefordert werden.
d) Auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist weder durch die Anordnung der Versicherungspflicht von selbständigen Lehrern in § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI selbst noch durch die vom Beschwerdeführer gerügte ungleiche Erfassung der Versicherungspflichtigen verletzt.
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist gegeben, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe anders behandelt als eine andere, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht vorliegen, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 109, 96 ≪123≫; stRspr). Dies ist hier nicht der Fall.
aa) Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen nicht rentenversicherungspflichtigen Selbständigen liegt nicht vor. Der Gesetzgeber hat selbständige Lehrer deshalb als besonders schutzbedürftig eingestuft, weil ihr Lebensunterhalt primär auf der Verwertung der eigenen Arbeitskraft basiert. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI knüpft insofern an ein den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügendes Differenzierungskriterium an.
bb) Die Durchsetzung der gesetzlichen Versicherungspflicht gegenüber dem Beschwerdeführer wird nicht dadurch verfassungsrechtlich in Frage gestellt, dass die selbständigen Lehrer in dem hier in Frage stehenden Zeitraum nicht regelmäßig von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Versicherte erfasst wurden. Nach der zum Steuerrecht entwickelten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann zwar eine prinzipielle Verfehlung der Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage führen (vgl. BVerfGE 84, 239 ≪272≫). Dabei muss sich die Erhebungsregel gegenüber einem Besteuerungstatbestand in der Weise strukturell gegenläufig auswirken, dass der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden kann, und dies dem Gesetzgeber zuzurechnen sei (vgl. BVerfGE 84, 239 ≪272≫; 110, 94 ≪113≫).
Es kann im vorliegenden Fall offen bleiben, ob die Grundsätze dieser Rechtsprechung auf die Durchsetzung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung anwendbar sind. Zwar begründet die gesetzliche Anordnung einer solchen Versicherungspflicht regelmäßig die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen (§§ 157 ff. SGB VI) als Sonderform einer öffentlich-rechtlichen Abgabe (vgl. BVerfGE 75, 108 ≪146 ff.≫). Anders als im Falle der Steuer (vgl. § 3 Abs. 1 AO; vgl. auch BVerfGE 75, 108 ≪147 ff.≫) entsprechen jedoch der Beitragspflicht Ansprüche auf Renten wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und wegen Todes (§ 33 SGB VI). Aber auch bei Anwendung dieser Grundsätze auf die Durchsetzung der Sozialversicherungspflicht für die selbständigen Lehrer wäre diese nicht materiell verfassungswidrig.
(1) Die in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen selbständigen Lehrer wurden zwar in der Vergangenheit von der zuständigen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte lediglich in Einzelfällen als Versicherte erfasst und zur Zahlung von Beiträgen herangezogen. Bis zur Einführung des § 190a SGB VI zum 1. Januar 2001 sah das Gesetz keinerlei Melde- oder Anzeigepflichten, weder für die selbständigen Lehrer selbst noch für deren Auftraggeber, vor. Daher wurden die Versicherungspflichtigen – sofern sie sich nicht selbst in eher seltenen Fällen um eine Aufnahme in die gesetzliche Rentenversicherung bemüht haben – nur bei Gelegenheiten registriert, zum Beispiel nach einer Betriebsprüfung bei einer Bildungseinrichtung oder anlässlich eines Kontakts mit dem Versicherten in anderer Sache. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat mitgeteilt, sie habe zwar im Rahmen ihrer Möglichkeiten über die Versicherungspflicht informiert, sei aber im Wesentlichen auf die Eigenmeldung der selbständigen Lehrer angewiesen gewesen. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung hat in seiner Stellungnahme bestätigt, dass die Erfassung der selbständigen Lehrer in der gesetzlichen Rentenversicherung in hohem Maße auf die Mitwirkung der Betroffenen angewiesen war. Der Bundesrechnungshof hatte bereits in seinen Bemerkungen 1995 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung die fehlenden Möglichkeiten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bei der Erfassung dieser Versicherungspflichtigen dargestellt und die Einführung von Meldepflichten angemahnt (vgl. BTDrucks 13/2600, S. 47 f.).
(2) Der Gesetzgeber ist aber nicht untätig geblieben. Seit dem 1. Januar 2001 müssen sich versicherungspflichtige Selbständige innerhalb von drei Monaten nach der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit beim zuständigen Rentenversicherungsträger melden (§ 190a Abs. 1 SGB VI). Die Meldepflicht ist nach § 320 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI bußgeldbewehrt. Zudem besteht seit dem 1. August 2002 nach § 31 Abs. 2 AO die Verpflichtung der Finanzbehörden, auf Anfragen Daten zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung an die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung zu übermitteln.
(3) Im Übrigen hätte, sofern das Bundesverfassungsgericht in Anlehnung an seine Rechtsprechung zum Steuerrecht in der beitragsbegründeten Belastungsungleichheit der selbständigen Lehrer einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sehen würde, der auf die gesetzliche Grundlage der Versicherungspflicht zurückwirkt (vgl. BVerfGE 84, 239 ≪284≫), dies eine Rechtslage zur Folge, die bisher noch nicht erkannt worden ist. Es würde daher Anlass bestehen, das bisherige Recht noch für eine Übergangszeit hinzunehmen und dem Gesetzgeber Gelegenheit zu geben, sich binnen einer angemessenen Frist auf die nunmehr geklärte verfassungsrechtliche Lage einzustellen (so BVerfGE 84, 239 ≪284≫). Der Gesetzgeber ist aber – wie dargestellt – bereits aktiv geworden.
3. Es kann offen bleiben, ob die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 1355/03 den Anforderungen an die Zulässigkeit nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt, wonach sie erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden kann. Zweifel könnten sich daraus ergeben, dass die Nichtzulassungsbeschwerde des Beschwerdeführers vom Bundessozialgericht als unzulässig verworfen wurde. Jedenfalls hat die Verfassungsbeschwerde aus anderen Gründen keine Aussicht auf Erfolg.
a) Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, er sei durch die Ausgestaltung der Befreiungsmöglichkeit des § 231 Abs. 6 SGB VI in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 GG verletzt, ist die Verfassungsbeschwerde schon nicht hinreichend substantiiert nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG begründet. Das Vorbringen befasst sich insoweit nicht mit dem Inhalt des § 231 Abs. 6 SGB VI, sondern mit der Verfassungswidrigkeit der Anordnung der Rentenversicherungspflicht als solcher. Soweit eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gerügt ist, fehlt es an der Darlegung eines Verstoßes gegen das Grundgesetz. Ausführungen des Beschwerdeführers zu der von ihm geltend gemachten Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG erfolgen nicht.
b) Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Der Beschwerdeführer ist durch die fachgerichtliche Auslegung und Anwendung des § 231 Abs. 6 SGB VI nicht in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
aa) Die fachgerichtlichen Entscheidungen beruhen auf verfassungsgemäßem Recht. § 231 Abs. 6 Satz 1 SGB VI enthält eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Stichtagsregelung.
(1) Zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte dürfen Stichtage eingeführt werden, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl. BVerfGE 49, 260 ≪275≫; stRspr). Sie unterliegen der verfassungsrechtlichen Überprüfung nur daraufhin, ob der Gesetzgeber den ihm bei der Stichtagsregelung zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint (vgl. BVerfGE 80, 297 ≪311≫; 87, 1 ≪47≫; stRspr).
(2) Hat sich der Gesetzgeber entschieden, zeitlich befristet eine bestimmte Gruppe von der Versicherungspflicht auszunehmen, ist die Verwendung eines Stichtags unabweisbar. Die Befreiungsvorschrift des § 231 Abs. 6 SGB VI knüpft daran an, dass im Zuge der zum 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Einführung der Rentenversicherungspflicht für so genannte arbeitnehmerähnliche Selbständige nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI etliche Selbständige erstmals erfahren haben, dass sie schon vor Inkrafttreten dieser Neuregelung rentenversicherungspflichtig waren. Dies galt auch für viele nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtige selbständige Lehrer (vgl. BTDrucks 14/5095, S. 9). Zahlreiche versicherungspflichtige selbständige Lehrer hatten sich in der unzutreffenden Annahme, erst von der neuen Versicherungspflicht ab 1. Januar 1999 erfasst zu sein, um eine Befreiung nach § 231 Abs. 5 SGB VI bemüht. Die hier in Frage stehende Regelung sollte für diese Selbständigen eine dem § 231 Abs. 5 SGB VI nach gebildete zeitlich befristete Befreiungsmöglichkeit eröffnen (BTDrucks, a.a.O.). Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint die Wahl des Stichtags am 31. Dezember 1998 nicht sachwidrig.
bb) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Feststellung seiner Versicherungspflicht mit Bescheid vom 2. Juli 1997 hindere ihn, im Sinne von § 231 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB VI glaubhaft machen zu können, bis zum 31. Dezember 1998 von der Versicherungspflicht keine Kenntnis gehabt zu haben, betrifft dies vor allem die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts. Insoweit sind die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen nur in engen Grenzen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zugänglich (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫; stRspr). Im vorliegenden Fall sind den Fachgerichten keine Auslegungs- oder Rechtsanwendungsfehler vorzuwerfen, die die grundgesetzlichen Wertmaßstäbe, insbesondere den allgemeinen Gleichheitssatz, außer Acht lassen. Im Zeitpunkt des vom Gesetzgeber gewählten Stichtags – dem 31. Dezember 1998 – hatte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers bereits mit Bescheid vom 2. Juli 1997 festgestellt. Anders als Versicherungspflichtige, die von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bis zum 31. Dezember 1998 noch nicht erfasst worden waren, konnte der Beschwerdeführer vor dem rechtskräftigen Abschluss des zu diesem Stichtag noch vor dem Sozialgericht anhängigen Rechtsstreits nicht davon ausgehen, nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig zu sein.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 1776256 |
ZAP 2007, 829 |
SGb 2008, 476 |