BZSt v. 23.12.2008, St II 2 - S 0338 - 2/2008, BStBl I 2009, 18
In seinem Urteil vom 9.12.2008 (Az. 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 und 2 BvL 2/08) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Unvereinbarkeit des § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in der seit In-Kraft-Treten des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19.7.2006 (BGBl 2006 S. 1652) geltenden Fassung mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes festgestellt. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ist § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG im Wege vorläufiger Steuerfestsetzung (§ 165 Abgabenordnung) mit der Maßgabe anzuwenden, dass die tatbestandliche Beschränkung auf „erhöhte” Aufwendungen „ab dem 21. Entfernungskilometer” entfällt.
Die AO-Referatsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben entschieden, dass auf Grund des BVerfG-Urteils die Entfernungspauschale für die ersten 20 km möglichst schnell vorläufig anerkannt werden soll.
Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen für die Festsetzung von Kindergeld:
- Bei der Ermittlung der Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeits- oder Betriebsstätte sind die ersten 20 km in die Berechnung einzubeziehen.
- Bescheide über die Aufhebung, Änderung oder Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld, in denen ein Vorläufigkeitsvermerk entsprechend dem Schreiben des Bundeszentralamtes für Steuern vom 18.1.2008 (Az. St II 2 – S 2471 – 313/2007) enthalten ist, sind aufzuheben oder zu ändern, soweit durch die Berücksichtigung der ersten 20 Entfernungskilometer der Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG unterschritten wird.
- Zulässigen Einsprüchen gegen Bescheide über die Aufhebung, Änderung oder Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld, mit denen nur die Berücksichtigung von Wegekosten i.H.v. 0,30 EUR je Entfernungskilometer ab dem 1. Kilometer geltend gemacht wurde, ist durch Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und durch Festsetzung von Kindergeld abzuhelfen, soweit durch die Berücksichtigung der ersten 20 Entfernungskilometer der Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG unterschritten wird.
- Eine gewährte Aussetzung der Vollziehung, z.B. im Falle einer Rückforderung von Kindergeld, ist in den Fällen der Nummer 3 mit Abschluss des Einspruchsverfahrens erledigt (vgl. AEAO zu § 361, Nr. 8.2.2).
Soweit durch die Berücksichtigung der ersten 20 Entfernungskilometer der Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG unterschritten wird, ist in die Bescheide über die Festsetzung von Kindergeld der folgende Vorläufigkeitsvermerk aufzunehmen:
„Die Festsetzung des Kindergeldes ist gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO im Hinblick auf die durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.12.2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 und 2 BvL 2/08 angeordnete Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte / Betriebsstätte vorläufig. Sollte aufgrund der gesetzlichen Neuregelung dieser Bescheid aufzuheben oder zu ändern sein, wird die Aufhebung oder Änderung von Amts wegen vorgenommen; ein Einspruch ist insoweit nicht erforderlich.”
Die vorläufigen Kindergeldfestsetzungen sind weiterhin in einer gesonderten Liste zu führen.
Die Weisung vom 18.1.2008 (St II 2 – S 2471 – 313/2007, BStBl 2008 I S. 278) wird mit sofortiger Wirkung aufgehoben.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 2
EStG § 32 Abs. 4 Satz 2;
AO 1977 § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
AO 1977 § 361
Fundstellen
BStBl I, 2009, 18