Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Änderung von Vergnügungsteuersatzungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Erhebt eine Kommune aufgrund einer geänderten Vergnügungssteuersatzung für zurückliegende Zeiträume keine neue Steuer, sondern ändert lediglich den – rechtswidrigen – Steuermaßstab und begrenzt die Steuer maximal auf die schon zuvor erhobenen Steuerbeträge, ist das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes nicht verletzt.
2. Bei der Würdigung des Schutzes eines etwaigen Vertrauens der Betroffenen ist der Umstand von besonderer Bedeutung, dass der nach der Auslegung des irrevisiblen Landesrechts gültigen Satzungsregelung in der Vergangenheit gleichartige Regelungsversuche vorangegangen sind und deshalb dem etwaigen Vertrauen der Betroffenen, eine Steuer nicht zahlen zu müssen, die Schutzwürdigkeit fehlt.
3. Eine Steuer ist auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt, wenn der Steuerpflichtige den von ihm zu zahlenden Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen kann, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt. Die rechtliche Gewähr, dass der Steuerschuldner den von ihm zu entrichtenden Betrag immer von demjenigen erhält, der nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen soll, muss dem Steuerschuldner nicht geboten werden.
Normenkette
VergnStG NRW; GG Art. 105 Abs. 2a
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 05.06.2007; Aktenzeichen 14 A 477/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 31 421,03 € festgesetzt.
Gründe
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht.
1. Der Rechtssache kommt nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu.
a) Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
“ob Steuergesetze bzw., wie vorliegend, -satzungen, die steuerliche Tatbestände regeln, rückwirkend in Kraft gesetzt werden können”.
In der Vergangenheit habe sich in Gemeinden in Nordrhein-Westfalen die Praxis herausgebildet, fehlerbehaftete Vergnügungssteuersatzungen nach den Vorgaben der Rechtsprechung mehrfach zu ändern. In allen Fällen sei eine rückwirkende Inkraftsetzung erfolgt. Das Oberverwaltungsgericht unterlasse es in der vorliegenden Entscheidung, wie auch in anderen, die Frage der Rückwirkung exakt an den durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien zur Unzulässigkeit bzw. Zulässigkeit der Rückwirkung steuerlicher Regelungen zu messen. Es unterscheide insoweit nicht zwischen “echter” und “unechter” Rückwirkung. Allein die Feststellung, dass die Klägerin immer mit entsprechend geänderten Regelungen habe rechnen müssen, weil die Stadt Viersen einmal von ihrer Kompetenz bzw. Freiheit Gebrauch gemacht habe, genüge nicht. Die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung berufe sich zu Unrecht auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu öffentlichen Gebühren und Beiträgen. Den Beitrags- und Gebührenforderungen liege ein Leistungsaustausch und ein Verhältnis der Gegenseitigkeit zugrunde. Dies gelte für steuerrechtliche Regelungen gerade nicht. Die Steuererhebung stehe im freien Belieben der jeweiligen Kommune. In diesem Fall müsse der Steuerbürger aber gerade nicht damit rechnen, dass 1. die Steuer überhaupt erhoben und 2. nach eindeutig rechtswidriger Erhebung durch eine Rechtsänderung nach Jahren eine möglicherweise rechtmäßige Erhebungsform manifestiert werde.
Die Beschwerde hat damit keine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Sie will rügen, sie hätte darauf vertrauen dürfen, dass für rückwirkende Zeiträume die Spielapparatesteuer nicht aufgrund der 2006 und 2007 geänderten Vergnügungssteuersatzung der Stadt Viersen erhoben werde. Damit macht sie geltend, Landesrecht sei unter Verstoß gegen Verfassungsrecht des Bundes angewandt worden. Die Klägerin zeigt so jedoch keine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts auf. In einem derartigen Fall muss vielmehr zusätzlich dargelegt werden, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundes(verfassungs-)rechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (Beschlüsse vom 21. September 2001 – BVerwG 9 B 51.01 – Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 44 S. 28 und vom 9. März 1984 – BVerwG 7 B 238.81 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 49 S. 27). Entsprechende Darlegungen sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
Die Beschwerdebegründung erschöpft sich darin, der Vorinstanz eine vermeintlich fehlerhafte Anwendung der Grundsätze vorzuwerfen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebot des Vertrauensschutzes entwickelt hat. Der Staatsbürger soll die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können; er muss darauf vertrauen können, dass sein dem geltenden Recht entsprechendes Handeln von der Rechtsordnung mit allen ursprünglich damit verbundenen Rechtsfolgen anerkannt bleibt. In diesem Vertrauen wird der Bürger aber verletzt, wenn der Gesetzgeber an abgeschlossene Tatbestände ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte. Für den Bürger bedeutet Rechtssicherheit in erster Linie Vertrauensschutz (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 – 2 BvL 6/59 – BVerfGE 13, 261 ≪271≫). Die der Rückwirkung von Rechtssätzen dadurch gezogenen Grenzen lassen sich nicht mit Hilfe nur eines einzigen Merkmals bestimmen, sondern müssen von Fallgruppe zu Fallgruppe festgelegt werden (Urteil vom 15. April 1983 – BVerwG 8 C 170.81 – BVerwGE 67, 129 ≪131≫ = Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 21 S. 7 f.). Bei der Würdigung des Schutzes eines etwaigen Vertrauens der Betroffenen ist der Umstand von besonderer Bedeutung, dass der nach der Auslegung des irrevisiblen Landesrechts gültigen Satzungsregelung in der Vergangenheit gleichartige Regelungsversuche vorangegangen sind und deshalb dem etwaigen Vertrauen der Betroffenen, eine Steuer nicht zahlen zu müssen, die Schutzwürdigkeit fehlt (Beschluss vom 28. August 2007 – BVerwG 9 B 14.07 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 41 Rn. 9 und zu Beiträgen Beschluss vom 7. Februar 1996 – BVerwG 8 B 13.96 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36 S. 4). Der Wille der Stadt Viersen, eine Vergnügungssteuer für die Aufstellung von Glücksspielgeräten zu erheben, war nicht zweifelhaft. Hier erhebt die Stadt Viersen mit der Vergnügungssteuersatzung 2006 sowie der Änderungssatzung 2007 nicht eine neue Steuer, sondern ändert lediglich den – rechtswidrigen – Steuermaßstab und begrenzt die Steuer maximal auf die schon zuvor erhobenen Steuerbeträge. Das verhindert, dass die Betroffenen durch die rückwirkende Regelung für ein Verhalten steuerlich zusätzlich belastet werden, das sie im Vertrauen auf eine ihnen zustehende Steuerbefreiung “ins Werk gesetzt” haben.
b) Die Beschwerde hält zudem sinngemäß für grundsätzlich klärungsbedürftig
die generelle Zulässigkeit der Erhebung der Vergnügungssteuer auf die Erlöse aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit und die Frage, ob die Vergnügungssteuer auf Abwälzbarkeit angelegt ist, und damit als Aufwandsteuer auch auf den Endverbraucher abgewälzt werden kann.
Dies greift die Klägerin im Wesentlichen deshalb an, weil nach ihrer Auffassung in der bisherigen Rechtsprechung die Frage der Abwälzbarkeit allein davon abhängig sei, ob das zur Steuer herangezogene Aufstellunternehmen noch einen Gewinn erwirtschafte oder nicht. Wenn danach die Grenze allein die erdrosselnde Wirkung sein solle, führe dies zu dem dogmatisch nicht nachvollziehbaren Ergebnis, dass eine auf Abwälzbarkeit angelegte Steuer nur angenommen werden könne, wenn das Unternehmen trotz Kalkulation der Vergnügungssteuer noch keinen Verlust erwirtschafte. Im anderen Falle, wenn die Vergnügungssteuer nicht mehr aufgefangen werden könne, sei die Steuer nicht mehr auf Abwälzbarkeit angelegt. Diese Frage müsse jedoch generell beantwortet werden und dürfe nicht von der Ertragskraft des einzelnen Unternehmens abhängen. Die Möglichkeit der Abwälzung fehle von vornherein, weil der Unternehmer gehindert sei, die Vergnügungssteuer in seine Preisgestaltung einzukalkulieren. Damit ist eine Klärungsbedürftigkeit von Bundes(verfassungs-)recht nicht dargelegt. Der Inhalt von Art. 105 Abs. 2a GG ist unter diesem Aspekt nicht klärungsbedürftig, er ist insoweit bereits höchstrichterlich geklärt.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 – 1 BvR 1748/99, 905/00 – (BVerfGE 110, 274 ≪295≫“Ökosteuer”) genügt die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerpflichtige den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen kann. Die rechtliche Gewähr, dass er den von ihm entrichteten Betrag immer von demjenigen erhält, der nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen solle, müsse dem Steuerschuldner nicht geboten werden. Es reiche aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelinge (BVerfG, Urteil vom 20. April 2004, a.a.O. S. 295). Daran hat auch das Bundesverwaltungsgericht gerade für die Vergnügungssteuer festgehalten (Urteil vom 13. April 2005 – BVerwG 10 C 8.04 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 39 S. 53).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Vallendar, Buchberger
Fundstellen