Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweitwohnungssteuer. Örtliche Aufwandsteuer. Keine Gleichartigkeit mit bundesgesetzlich geregelten Steuern Bemessung. Gleichheitssatz
Leitsatz (amtlich)
Die von einer Gemeinde in Schleswig-Holstein erhobene Zweitwohnungssteuer verliert ihre Eigenschaft als „örtliche” Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a GG nicht dadurch, daß sie aufgrund inhaltsgleicher Satzungen von nahezu sämtlichen Gemeinden an der Nord- und Ostseeküste Schleswig-Holsteins erhoben wird (im Anschluß an Urteil vom 26. Juli 1979 – BVerwG 7 C 53.77 – BVerwGE 58, 230).
Die Zweitwohnungssteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer gemäß Art. 105 Abs. 2 a GG, die weder mit der Einkommensteuer, noch mit der Grundsteuer, der Umsatzsteuer oder der Vermögenssteuer gleichartig ist (wie Urteil vom 26. Juli 1979 a.a.O. und Beschluß vom 12. Januar 1989 – BVerwG 8 B 86.88 – Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 4).
Normenkette
GG Art. 3, 105 Abs. 2a; Zweitwohnungssteuersatzung der Gemeinde Hohwacht
Beteiligte
des Herrn Otto Heinrich Holst |
Rechtsanwälte Dr. Dieter Moojer und J. Detlev Holst |
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Entscheidung vom 21.12.1988; Aktenzeichen 13 OVG A 159/86) |
VG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 27.10.1986; Aktenzeichen 6 A 388/86) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 21. Dezember 1988 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 227,26 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen der mit ihr begehrten Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder wegen Verfahrensmangels sind nicht erfüllt (§ 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3, Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Die Rechtssache hat in den von der Beschwerde bezeichneten Richtungen keine grundsätzliche Bedeutung.
Ob die Zweitwohnungssteuer eine „örtliche” Aufwandsteuer (Art. 105 Abs. 2 a GG) ist, hinsichtlich deren diese Vorschrift unter den weiteren in ihr geregelten Voraussetzungen das ausschließliche Gesetzgebungsrecht der Länder (und nach Maßgabe der Landesgesetzgebung das Rechtssetzungsrecht der Gemeinden) begründet, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – in bejahendem Sinne – hinreichend geklärt und bedarf auch mit Blick auf das Beschwerdevorbringen keiner weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entschieden, daß unter „örtlichen” Verbrauch- und Aufwandsteuern im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a GG in der Fassung des Gesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl. I S. 359) – der Begriff der „örtlichen” Steuern stimmt mit dem Begriff der „Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis” in Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG a.F. inhaltlich überein (vgl. BVerfG, Beschluß vom 4. Juni 1975 – 2 BvR 824/74 – BVerfGE 40, 56 ≪61≫) – (nur) solche Steuern zu verstehen sind, „die an örtliche Gegebenheiten, vor allem an die Belegenheit einer Sache oder an einen Vorgang, im Gebiet der steuererhebenden Gemeinde anknüpfen und wegen der Begrenzung ihrer unmittelbaren Wirkungen auf das Gemeindegebiet nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Steuergefälle führen können”. Es muß eine „örtliche Radizierung des Steuertatbestands gegeben” sein, „die gleichzeitig die unmittelbaren Wirkungen der Steuern auf das Steuergebiet begrenzt” (BVerfG, Beschluß vom 23. Juli 1963 – 2 BvL 11/61 – BVerfGE 16, 306 ≪327≫; BVerwG, Urteile vom 28. Juni 1974 – BVerwG VII C 97.72 – BVerwGE 45, 264 ≪265 f.≫ betr. Getränkesteuer, vom 28. Juni 1974 – BVerwG VII C 22.73 – BVerwGE 45, 277 ≪280 f.≫ betr. Vergnügungssteuer und vom 26. Juli 1979 – BVerwG 7 C 53.77 – BVerwGE 58, 230 ≪237 f.≫ betr. Zweitwohnungssteuer).
Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner bereits entschieden, daß die Zweitwohnungssteuer eine „örtliche” Aufwandsteuer im vorerwähnten Sinne ist (Urteil vom 26. Juli 1979 – BVerwG 7 C 53.77 – a.a.O. S. 238 f.). Die Gründe dieser Entscheidung treffen auch auf die in der Satzung der Gemeinde Hohwacht geregelte Zweitwohnungssteuer zu: Der die Steuerpflicht begründende Tatbestand ist „das Innehaben einer Zweitwohnung im Gemeindegebiet” (§ 2 Abs. 1 der Satzung). Dieser Steuertatbestand knüpft an eine im Gebiet der steuererhebenden Gemeinde belegene Sache und damit (ausschließlich) an eine örtliche Gegebenheit an. Ferner sind die unmittelbaren Wirkungen der Zweitwohnungssteuer auf das Gemeindegebiet begrenzt. Sie führen deshalb nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Steuergefälle. Denn von der Steuer unmittelbar betroffen sind nur die Inhaber von Zweitwohnungen im Gebiet der steuererhebenden Gemeinde. Dagegen läßt sich nicht, wie die Beschwerde meint, geltend machen, die Zweitwohnungssteuer werde von nahezu sämtlichen Gemeinden an der Nord- und Ostseeküste Schleswig-Holsteins aufgrund inhaltsgleicher Satzungen erhoben, infolge dieser „flächendeckenden” Steuererhebung seien die unmittelbaren Wirkungen der Steuer nicht mehr auf das Gemeindegebiet begrenzt, die Steuererhebung führe folglich doch zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Steuergefälle. Daß die Zweitwohnungssteuer (ggf. aufgrund inhaltsgleicher Satzungen) auch von anderen Gemeinden erhoben wird, ändert an dem bereits dargelegten Umstand der Begrenzung der unmittelbaren Wirkung der Zweitwohnungssteuer auf das Gebiet der steuererhebenden Gemeinde nichts. Von der Erhebung der Steuer insoweit etwa ausgehende zusätzliche wirtschaftliche Auswirkungen sind nur deren mittelbare Folgen, die ebenso wie andere mittelbare Auswirkungen (z. B. Beeinflussung des Freizeitverhaltens der Gesamtbevölkerung, Auswirkung auf Auswärtige bei der Wahl des Zweitwohnsitzes, Auswirkung auf die Tätigkeit von Bauunternehmen) in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung sind. Aus dem Begriff der „örtlichen” Steuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a GG ergibt sich entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht, daß die Gemeinde solche Tatbestände nicht einer Steuerpflicht unterwerfen darf, die in gleicher oder entsprechender Art auch in anderen Gemeinden verwirklicht werden”. Angesichts dessen ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens für die Annahme, die Zweitwohnungssteuer gehe in ihrer unmittelbaren Wirkung über das Gebiet der steuererhebenden Gemeinde hinaus, nichts ersichtlich (vgl. auch BVerfG, Beschluß vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 – BVerfGE 65, 325 ≪350≫ und VGH Mannheim, Urteil vom 6. Juni 1977 – II 201/77 – KStZ 1977, 147 ≪148≫).
Ob die Zweitwohnungssteuer mit bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig ist (Art. 105 Abs. 2 a GG), ist – in verneinendem Sinne – in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gleichfalls hinreichend geklärt. Auch die dazu von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen bedürfen deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Die Zweitwohnungssteuer ist weder mit der Einkommensteuer oder der Grundsteuer (BVerfG, Beschluß vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 – a.a.O. S. 351 f.; BVerwG, Urteil vom 26. Juli 1979 – BVerwG 7 C 53.77 – a.a.O. S. 239 f.) noch mit der Umsatzsteuer oder der Vermögenssteuer (Beschluß vom 12. Januar 1989 – BVerwG 8 B 86.88 – Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 4 S. 3 ≪4≫) gleichartig. Die Tatsache, daß im hier maßgebenden Veranlagungszeitraum § 21 Abs. 2 EStG den Nutzungswert einer eigengenutzten Wohnung im eigenen Haus zu den der Einkommensteuer unterliegenden Einkünften aus Vermietung und Verpachtung rechnete, begründet entgegen dem Beschwerdevorbringen eine Gleichartigkeit der Zweitwohnungssteuer mit der Einkommensteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a GG nicht (BVerfG, Beschluß vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 – a.a.O. S. 352; BVerwG, Urteil vom 26. Juli 1979 – BVerwG 7 C 53.77 – a.a.O. S. 241).
Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, soweit die Beschwerde geltend macht, die Erhebung der Zweitwohnungssteuer durch sämtliche Gemeinden an der Nord- und Ostseeküste Schleswig-Holsteins aufgrund inhaltsgleicher Satzungen sei „eine nach dem Kartellgesetz verbotene, abgestimmte Verhaltensweise”, die den Kläger „in seinen Rechten nach Art. 2 und 14 GG” einschränke (Beschwerdeschrift S. 4). Daß die Erhebung der Zweitwohnungssteuer durch Gemeinden von den Anordnungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1900 (BGBl. I S. 1761) nicht berührt wird und daß die Erhebung der streitigen Zweitwohnungssteuer mit den Grundrechten des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 und 14 GG vereinbar ist, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren.
Ebensowenig hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, soweit die Beschwerde Fragen zur Bemessung der Zweitwohnungssteuer aufwirft.
Die Satzung der Gemeinde Hohwacht trifft zur Bemessung und zum Steuersatz folgende Regelung:
§ 4 Steuermaßstab
(1) Die Steuer bemißt sich nach dem Mietwert der Wohnung.
(2) Als Mietwert gilt die Jahresrohmiete. Die Vorschriften des § 79 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes in der Fassung vom 26. September 1974 (BGBl. I S. 2370 ff.) finden mit der Maßgabe Anwendung, daß die Jahresrohmieten, die gemäß Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 13. August 1965 (BGBl. I S. 851) vom Finanzamt auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 festgestellt wurden, jeweils für das Erhebungsjahr auf den September des Vorjahres hochgerechnet werden. Diese Hochrechnung erfolgt entsprechend der Steigerung der Wohnungsmieten nach dem um 30 v.H. ermäßigten Preisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Bundesgebiet, der monatlich vom Statistischen Landesamt Schleswig-Holstein veröffentlicht wird.
…
§ 5 Steuersatz
Die Steuer beträgt 6 v.H. des Mietwertes.
Die Bemessung der Zweitwohnungssteuer nach dem Mietwert der Wohnung ist entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht willkürlich. Der Maßstab des Mietwerts steht in einem hinlänglich sachlichen Bezug zu dem Aufwand des Steuerschuldners, den dieser für die Nutzung oder Vorhaltung der Zweitwohnung für seinen persönlichen Bedarf tätigt. Ebenso ist es mit dem Gleichheitssatz vereinbar, daß der Mietwert nach der vom Finanzamt auf den 1. Januar 1964 festgestellten Jahresrohmiete in Verbindung mit der Steigerung der Wohnungsmieten nach dem (hier ermäßigten) Preisindex der Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Bundesgebiet berechnet wird (vgl. BVerfG, Beschluß vom 12. Februar 1986 – 2 BvR 36/86 –). Schließlich verletzt diese Satzungsvorschrift entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht deshalb den Gleichheitssatz, weil sie für die Bemessung der Steuer nicht differenziert zwischen ganzjähriger und nicht ganzjähriger Nutzbarkeit oder Nutzung der Wohnung. Mit der Zweitwohnungssteuer wird, wie bereits dargelegt, der Aufwand besteuert, den der Steuerschuldner im Hinblick auf die Zweitwohnung tätigt. Dieser Aufwand entsteht dem Steuerschuldner für das Vorhalten der Wohnung unabhängig von den Zeiten ihrer Nutzbarkeit oder ihrer tatsächlichen Nutzung und belastet mithin den Steuerschuldner typischerweise während des Laufs des gesamten Kalenderjahres. Das von der Beschwerde gerügte Fehlen einer Differenzierung ist deshalb nicht sachwidrig.
Die Revision kann auch nicht wegen Verfahrensmangels zugelassen werden.
Die Rüge, das Berufungsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, weil es seinen Sachvortrag zur Entstehung und Durchführung der Satzung nicht vollauf zur Kenntnis genommen habe, hat keinen Erfolg. Als Regel kann angenommen werden, daß ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen hat. Diese Regel wird nicht schon widerlegt, wenn sich die Entscheidungsgründe zu einem bestimmten Vorbringen nicht ausdrücklich verhalten. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem einzelnen vorgetragenen Gesichtspunkt in der Entscheidungsbegründung ausdrücklich zu befassen (Beschluß vom 13. Oktober 1976 – BVerwG VI B 77.75 – Buchholz 11 Art. 103 Abs. 1 GG Nr. 5 S. 2 ≪3≫). Die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils enthalten Ausführungen sowohl zur Frage der Rechtsgültigkeit der Satzung als auch zur Frage ihrer Anwendung auf Ortsfremde und Einheimische. Angesichts dessen müßte das Beschwerdevorbringen greifbare Anhaltspunkte dartun, wenn mit hinreichender Überzeugungskraft geschlossen werden soll, das Berufungsgericht habe gleichwohl den Parteivortrag zu bestimmten einschlägigen Tatsachen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung gar nicht in Erwägung gezogen. In dieser Richtung kann dem Beschwerdevorbringen jedoch nichts entnommen werden.
Weitere Verfahrensvorschriften, die das Berufungsgericht vermeintlich verletzt haben könnte, bezeichnet das Beschwerdevorbringen nicht. Für den Fall, daß die Beschwerde zugleich eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. T VwGO) rügen will, weist der beschließende Senat ergänzend darauf hin, daß das Gericht mit Blick auf das etwaige Unterlassen einer weiteren Sachaufklärung zur Frage, ob das beklagte Amt die Satzung der Gemeinde Hohwacht auf alle Steuerschuldner gleichmäßig anwendet, den § 86 Abs. 1 VwGO schon deshalb nicht verletzt hat, weil es hierauf auf der Grundlage seiner Auffassung zum materiellen Recht nicht ankam. Ebensowenig ist § 108 Abs. 1 VwGO verletzt.
Die vom Berufungsgericht getroffene Tatsachenwürdigung wird vom sog. Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO gedeckt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 13 f. GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Weyreuther, Dr. David, Prof. Dr. Driehaus
Fundstellen