Leitsatz (amtlich)

›1. Bei verbotener Geschenkannahme kommt die Entfernung aus dem Dienst nicht nur in Betracht, wenn der Beamte Geld angenommen oder im Hinblick auf das gewährte Geschenk eine pflichtwidrige Amtshandlung vorgenommen hat. Auch bei Annahmen anderer Zuwendungen kann unter erschwerenden Umständen die Höchstmaßnahme verhängt werden (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).

2. Eine unterhalb der Entfernung aus dem Dienst gebotene Disziplinarmaßnahme kann auch in der Maßnahmenart milde ausfallen, wenn das Straf- und/oder das Disziplinarverfahren übermäßig lange gedauert und der Beamte dies nicht zu vertreten hat.‹

 

Verfahrensgang

BDiG Frankfurt (Urteil vom 18.12.1996; Aktenzeichen XVI VL 20/96)

 

Gründe

I.

1. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Urteil vom 18. Dezember 1996 entschieden, daß die jeweiligen Dienstbezüge des Beamten auf die Dauer von sechsunddreißig Monaten um ein Zwangzigstel gekürzt werden. Es hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

...

Das Bundesdisziplinargericht hat das festgestellte Verhalten des Beamten als vorsätzliche Verletzung seiner Pflichten gemäß § 70 Satz 1 BBG, § 54 Sätze 2 und 3 BBG (Anschuldigungspunkt 1) und gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 3 Bundesdatenschutzgesetz, § 54 Satz 3 BBG (Anschuldigungspunkt 2) sowie als einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) gewürdigt. Das Dienstvergehen, dessen Schwerpunkt in der ungenehmigten Geschenkannahme liege, habe erhebliches Gewicht; der durch die unentgeltliche Nutzung des PKW's erlangte Vorteil sei dem Beamten in bezug auf sein Amt gewährt worden. Die Verhängung der Höchstmaßnahme sei gleichwohl nicht in Betracht gekommen, weil der Beamte weder als Gegenleistung eine pflichtwidrige Amtshandlung vorgenommen noch bares Geld angenommen habe. Eine Degradierung sei nicht erforderlich, weil der erlangte Vorteil (ersparte Versicherungskosten und fiktiv berechnete Anschaffungskosten), den das Bundesdisziplinargericht mit ca. 2 000 DM bewertet habe, relativ gering sei. Mildernd sei das eingeschränkte Unrechtsbewußtsein des Beamten zu berücksichtigen. Er habe ein persönliches Interesse an dem Sicherheitssystem gehabt, das mit seinem dienstlichen Aufgabenbereich im engen Zusammenhang gestanden habe. Für den Beamten spreche weiterhin, daß er ehrenamtlich tätig, nicht vorbelastet und gut beurteilt worden sei. Darüber hinaus hat das Bundesdisziplinargericht die lange Dauer des Disziplinarverfahrens zu Gunsten des Beamten berücksichtigt.

2. Der Bundesdisziplinaranwalt hat gegen dieses Urteil rechtzeitig Berufung eingelegt und in der Hauptverhandlung beantragt, den Beamten zu degradieren; in der Berufungsschrift war die Entfernung des Beamten aus dem Dienst beantragt worden. Zur Begründung führt er aus: Die Differenzierung bei der Bemessung des Disziplinarmaßes, ob der Beamte Geld oder sonstige Zuwendungen entgegengenommen habe, sei wegen der "heutigen Realitäten" im Bereich der Korruption überholt. Sinnvoll sei es, dann auf die Höchstmaßnahme zu erkennen, wenn durch den Wert der Zuwendung oder die besonderen Umstände ihrer Gewährung der nachhaltige Eindruck einer potentiellen Bestechlichkeit entstanden sei. Insoweit belaste den Beamten, daß er über einen Zeitraum von nahezu einem Jahr einen PKW der Marke Mercedes Benz von der Firma S. zur privaten Benutzung entgegengenommen habe. Der dadurch erlangte geldwerte Vorteil von mindestens 2 000 DM erwecke den Verdacht einer Bestechlichkeit. Als Entscheidungskriterium könnten die Verwaltungsvorschriften zur Vorteilsannahme herangezogen werden, die lediglich bei geringwertigen Aufmerksamkeiten in Höhe von unter 35 bis 40 DM von einer stillschweigenden Genehmigung ausgingen. Entgegen der Auffassung des Bundesdisziplinargerichts sei auch die unbefugte Halterabfrage von nicht unerheblichem disziplinarischen Gewicht.

II.

Die Berufung des Bundesdisziplinaranwalts hat nur zum Teil Erfolg. Sie führt zur Verlängerung der Laufzeit der Gehaltskürzung auf das gesetzlich höchstzulässige Maß.

1. Das Rechtsmittel ist, wie der Bundesdisziplinaranwalt ausdrücklich erklärt hat, auf die Maßnahme beschränkt. Der Senat ist deshalb an die Tat- und Schuldfeststellungen des Bundesdisziplinargerichts sowie an die disziplinarrechtliche Würdigung als Dienstvergehen gebunden. Er hat nur noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

2. Der Schwerpunkt des Dienstvergehens liegt darin, daß der Beamte, wie das Bundesdisziplinargericht bindend festgestellt hat, mit der Nutzung des von der Firma S. unentgeltlich bereitgestellten PKW's unter Verstoß gegen § 70 Satz 1 BBG in bezug auf sein Amt einen Vorteil angenommen hat. Dies stellt eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar. Die selbstlose, uneigennützige, auf keinen Vorteil bedachte Führung der Dienstgeschäfte ist eine der wesentlichen Grundlagen des Berufsbeamtentums. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in seine Integrität trägt entscheidend zur Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens bei. Ein Beamter, der in bezug auf sein Amt Geschenke oder sonstige Vorteile annimmt, setzt das Ansehen der Beamtenschaft herab und gefährdet das Vertrauen seiner Behörde und der Allgemeinheit in seine Zuverlässigkeit. Denn er erweckt hierdurch zugleich den Verdacht, für Amtshandlungen allgemein käuflich zu sein und sich bei seinen Dienstgeschäften nicht an sachlichen Erwägungen zu orientieren, sondern sich auch von der Rücksicht auf den ihm zugesagten, gewährten (oder) geforderten Vorteil leiten zu lassen. Das kann im Interesse einer geordneten, sachlich orientierten Verwaltung nicht hingenommen werden (stRspr, z.B. Urteil vom 25. Februar 1997 - BVerwG 1 D 22.96 -).

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats richtet sich die Einstufung des Dienstvergehens im Falle der Bestechlichkeit und der Annahme von Belohnungen oder Geschenken in bezug auf das Amt nach den Umständen des Einzelfalles. Die Verhängung der Höchstmaßnahme kommt zwar in der Regel dann in Betracht, wenn der Beamte die ihm als Äquivalent des angebotenen, geforderten oder gewährten Vorteils angesonnene pflichtwidrige Amtshandlung tatsächlich vorgenommen oder wenn er bares Geld angenommen hat (stRspr, z.B. Urteil vom 25. Februar 1997 - BVerwG 1 D 22.96 -; Urteil vom 12. September 1995 - BVerwG 1 D 29.93 -). Damit sind aber die besonderen Umstände, die zur disziplinarischen Höchstmaßnahme führen können, nicht abschließend umschrieben. Vielmehr kann die Höchstmaßnahme auch aus anderen im Einzelfall vorliegenden Erschwerungsgründen in Betracht kommen (Urteil vom 27. November 1996 - BVerwG 1 D 28.95 - Buchholz 235 § 87 BDO Nr. 1 = DokBer B 1997, 147 = DÖD 1997, 108 = IÖD 1997, 127; vgl. auch Urteile vom 30. November 1994 - BVerwG 1 D 15.95 - und vom 2. November 1993 - BVerwG 1 D 60.92 - BVerwGE 103, 36 - 43 = DokBer B 1994, 37 - 42 = DÖD 1994, 92 = NVwZ-RR 1994, 681 - 682 = ÖD 1994, 102 - 104).

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Soweit der Bundesdisziplinaranwalt insbesondere auf den Wert der Zuwendung abstellen und damit die bisherige Unterscheidung zwischen der Annahme von Bargeld und Sachzuwendungen aufheben will, kann dies nicht überzeugen. Wie in der Berufungsschrift selbst ausgeführt ist, ist jedem Beamten klar, daß die Annahme von Bargeld grundsätzlich verboten ist. Demgemäß ist in diesem Fall die Hemmschwelle gegen eine Pflichtverletzung besonders hoch. Dagegen kann sich aus der Sicht des Beamten bei der Annahme von Sachzuwendungen die Grenze des Verbotenen und der Sozialadäquanz nicht immer so eindeutig darstellen. Aber auch im Falle der Annahme von Bargeld oder Vornahme der pflichtwidrigen Handlung sind die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und die denkbaren Ausnahmegründe nicht auf typisierte Fallgruppen beschränkt (Urteil vom 26. August 1986 - BVerwG 1 D 4.86 - DokBer B 1986, 301 = DVBl 1987, 253).

b) Im vorliegenden Einzelfall liegen keine Erschwerungsgründe vor, die die Höchstmaßnahme erforderlich machen. Die Nutzung des Personenkraftwagens ist disziplinarrechtlich nicht einer Bargeldannahme gleichzustellen. Das Dienstvergehen ist auch nicht mit dem Fall vergleichbar, in dem der Senat wegen der Annahme einer Heizungsanlage als Geschenk auf die Höchstmaßnahme erkannt hat, ohne daß dieser Disziplinarmaßnahme die Annahme von Geld oder die Vornahme einer pflichtwidrigen Handlung zugrunde lag (Urteil vom 27. November 1996 - BVerwG 1 D 28.95 -). Erschwerend hat der Senat in dem damaligen Fall die Kombination der Umstände berücksichtigt, daß der ein Geschenk entgegennehmende Beamte im Vergabewesen für die Entscheidung über Angebote zuständig war und eine ungenehmigte und nicht genehmigungsfähige Nebentätigkeit bei dem Unternehmen wahrnahm, das als ständige Bewerberfirma bei den Ausschreibungen seiner Behörde auftrat. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Der Beamte war zu keinem Zeitpunkt für die Entscheidung über eine Anschaffung des von der Firma S. angebotenen Systems zuständig.

c) Von der Art der Pflichtverletzung her wäre eine Dienstgradherabsetzung die angemessene Disziplinarmaßnahme, von der der Senat aber im Hinblick auf die außergewöhnliche Dauer des Straf- sowie des Disziplinarverfahrens und die dadurch bereits eingetretene pflichtenmahnende Wirkung abgesehen hat. Die Schwere der Verfehlung macht aber eine Verlängerung der Dauer der Gehaltskürzung auf die höchstzulässige Laufzeit von fünf Jahren notwendig.

Erschwerend ist zu berücksichtigen, daß der Beamte den Personenkraftwagen selbst dann nicht zurückgegeben und sich seinem Vorgesetzten offenbart hat, als er von dem Zeugen X den Auftrag erhalten hatte, das Sicherheitssystem der Firma S. auf seine Verwendungsmöglichkeiten zu überprüfen. Hierin zeigt sich ein erhebliches Maß an Pflichtvergessenheit. Jedenfalls von diesem Zeitpunkt an kann die weitere Nutzung des Autos nicht mehr mit einem eher "blauäugigen" Verhalten des Beamten, sondern nur noch mit einem eigennützigen Streben nach Beibehaltung des gewährten Vorteils erklärt werden. Weiterhin belastet den Beamten, daß das Fehlverhalten zu einem Autoritäts- und Ansehensverlust in seiner hervorgehobenen Stellung als Beamter des höheren Dienstes und als Vorgesetzter führte; der Beamte hat mit seinem Verhalten ein schlechtes Beispiel für seine Mitarbeiter gegeben. Auch ist der geldwerte Vorteil nicht unerheblich, den der Beamte durch die Nutzung des Personenkraftwagens erlangte. Schließlich belastet den Beamten noch die weitere Dienstpflichtverletzung, indem er pflichtwidrig über eine ihm dienstlich zugängliche Datei die Halterdaten zum Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... abrief.

Diesen belastenden Umständen stehen jedoch Milderungsgründe gegenüber, die es rechtfertigen, noch auf eine Gehaltskürzung zu erkennen. Im Hinblick auf die notwendige Intensität der Pflichtenmahnung ist zugunsten des Beamten zu berücksichtigen, daß ihm während seiner gesamten Dienstzeit gute dienstliche Leistungen bescheinigt worden sind, die auch nicht unter den Belastungen der staatsanwaltlichen und disziplinarrechtlichen Ermittlungen, seiner Umsetzung in ein anderes Referat und der Herabstufung der Ermächtigung zum Umgang mit Verschlußsachen nachgelassen haben. Bereits die Umsetzung in ein anderes Referat gegen seinen Willen und die Herabstufung der Ermächtigung werden pflichtenmahnend auf den Beamten eingewirkt haben.

Ausschlaggebend für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist jedoch die Dauer des Disziplinarverfahrens. Bei Disziplinarmaßnahmen, die wie die Degradierung und Gehaltskürzung eine Pflichtenmahnung bewirken sollen, kann die lange Dauer des Verfahrens berücksichtigt werden (Urteil vom 6. August 1996 - BVerwG 1 D 81.95 - DokBer B 1996, 317; Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 1 D 79.96 -). Die Dauer des Verfahrens kann nach den Umständen des Einzelfalles dazu führen, daß zur Pflichtenmahnung statt einer Dienstgradherabsetzung - wie hier - eine Gehaltskürzung als Disziplinarmaßnahme ausreicht. Soweit der Senat in früheren Entscheidungen (z.B. Urteil vom 16. Mai 1979 - BVerwG 1 D 53.78 - DokBer B 1979, 233) die Auffassung vertreten hat, die Dauer des Verfahrens könne bei der Bestimmung der Maßnahmeart keine Berücksichtigung finden, hält er für die Disziplinarmaßnahmen, die der Pflichtenmahnung dienen, daran nicht mehr fest.

Bezogen auf die Nutzung des Personenkraftwagens ab dem Ende des Jahres 1988 liegen die Vorgänge, die Gegenstand des Disziplinarverfahrens sind, etwa 9 1/2 Jahre zurück. Der Beamte hat in der Hauptverhandlung deutlich gemacht, daß ihn die Länge des Disziplinarverfahrens, die er nicht zu vertreten hat, sehr belastet. Hinzu kommt, daß eine Beförderung, die aufgrund seiner durchweg mit "gut" bewerteten Leistungen möglich gewesen wäre, bis zum Abschluß des Disziplinarverfahrens ausgeschlossen war und auch während der Laufzeit einer Gehaltskürzung nicht zulässig ist. Die Belastung durch die Dauer des Disziplinarverfahrens mit der Ungewißheit seines Ausgangs führt dazu, daß auch die Pflichtenmahnung, die mit einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Dienst bewirkt werden soll, geringer ausfallen kann. Dies rechtfertigt es, angesichts der erheblichen Dauer des Verfahrens statt einer an sich angemessenen Degradierung noch eine Gehaltskürzung auszusprechen. Im Hinblick auf die disziplinarische Bedeutung der Geschenkannahme in bezug auf das Amt des Beamten muß aber die Laufzeit der Gehaltskürzung im obersten Bereich des gesetzlich vorgegebenen Rahmens liegen (§ 9 BDO).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 2 und § 115 Abs. 5 BDO. Maßgebend für die Kostenteilung ist der in der Berufungsschrift angekündigte und nicht der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag (vgl. Claussen/Janzen, BDO, 8. Aufl., 1996, § 114 Rn. 4). Mit dem Antrag in der Berufungsschrift wird das Ziel des Rechtsmittels bestimmt.

 

Fundstellen

NJW 1999, 2981

BVerwGE 113, 229

BVerwGE, 229

NVwZ 1999, 658

ZBR 1999, 135

DÖD 1999, 203

DÖV 1999, 115

DVBl 1999, 339

DVBl. 1999, 339

GV/RP 1999, 548

IÖD 1999, 108

KomVerw 1999, 194

FuBW 1999, 445

FuHe 1999, 551

FuNds 1999, 550

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