Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweitwohnungssteuer. Aufwandsteuer. Nichtnutzung. Eigennutzung. Fremdvermietung. rechtlich gesicherte Eigennutzungsmöglichkeit. Verhältnismäßigkeit der Heranziehung zum Jahresbetrag der Steuer. Notwendigkeit einer Aufteilung des Jahresbetrages. Entstehung der Steuerschuld bei der Zweitwohnungssteuer
Leitsatz (amtlich)
Verfügt der Inhaber einer Zweitwohnung über eine rechtlich gesicherte Eigennutzungsmöglichkeit von mindestens zwei Monaten, so kann die Regelung einer Zweitwohnungssteuersatzung, nach der er mit dem vollen Jahresbetrag der Steuer veranlagt wird, nicht als unverhältnismäßig beanstandet werden (im Anschluss an BVerwGE 109, 188 ff.).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2a
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Entscheidung vom 18.10.2000; Aktenzeichen 2 L 114/99) |
VG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 30.11.1999; Aktenzeichen 6 A 138/98) |
Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2000 wird aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 30. November 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der in Wermelskirchen wohnhafte Kläger ist Eigentümer einer Ferienwohnung in Dahme.
Nach der – in den hier streitigen Steuerjahren 1997 und 1998 noch geltenden – Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde Dahme vom 20. Juni 1984 mit nachfolgender Änderung durch Nachtragssatzung vom 14. Dezember 1990 – ZwStS – ist festgelegt, dass die Gemeinde eine Zweitwohnungssteuer erhebt. Gegenstand der Steuer ist das Innehaben einer Zweitwohnung im Gemeindegebiet. Als Zweitwohnung ist jede Wohnung definiert, die jemand neben seiner Hauptwohnung für seinen persönlichen Lebensbedarf oder den seiner Familienmitglieder inne hat – § 2 ZwStS –. Nach § 6 Abs. 1 ZwStS entsteht die Steuerpflicht mit dem Beginn des Kalendervierteljahres, in das der Beginn des Innehabens der Zweitwohnung fällt, für die folgenden Jahre jeweils am 1. Januar des Steuerjahres. Steuerjahr ist nach der Satzung das Kalenderjahr.
Betreuung und Vermietung der Ferienwohnung des Klägers sind vertraglich einer Verwalterin übertragen. § 3 des dazu geschlossenen Vertrages handelt von der Eigennutzung der Wohnung durch den Kläger. Dazu ist Folgendes geregelt:
„Um keine Ungerechtigkeiten bei eventueller Eigennutzung bzw. Vermietung entstehen zu lassen, wird zusätzlich Folgendes vereinbart:
- In der Zeit zwischen dem 01.06. und 30.09. jedes Jahres zahlt der jeweilige Eigentümer die Vermietungsgebühr gemäß § 2 Ziff. 1 auch dann, wenn er selbst bzw. ein von ihm genannter Dritter die Wohnung nutzt.
- In der übrigen Zeit wird diese Gebühr nicht erhoben, sofern Eigennutzung vorliegt.”
Aufgrund einer Zusatzvereinbarung vom März 1987 ist die Verwalterin zudem beauftragt, die Ferienwohnung das ganze Jahr über zu vermieten. In den Jahren 1994 bis 1996 war die Wohnung zwischen 207 und 230 Tagen im Jahr, in den Jahren 1997 und 1998 an jeweils 196 Tagen vermietet.
Mit Bescheiden vom 6. Mai 1998 zog der Beklagte den Kläger zu einer Zweitwohnungssteuer in Höhe von 760,84 DM für das Jahr 1997 und 778,70 DM für das Jahr 1998 heran. Mit seinem Widerspruch dagegen machte der Kläger geltend, die Wohnung diene ausschließlich als Kapitalanlage; sie sei von ihm im Jahre 1997 lediglich einmal für 6,5 Stunden zur Durchführung von Reparaturarbeiten betreten worden, ohne dass er dort übernachtet habe. Dies werde voraussichtlich im Jahre 1998 ebenso sein.
In ihrem zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 13. August 1998 wies die Beklagte darauf hin, die Zweitwohnungssteuerpflicht sei auch dann gegeben, wenn der Inhaber die Zweitwohnung im Erhebungszeitraum zwar nicht für eigene Zwecke tatsächlich nutze, sie aber unter Umständen inne habe, die darauf schließen ließen, dass die Zweitwohnung auch für den persönlichen Lebensbedarf vorgehalten werde. Gemäß § 3 des Verwaltungsvertrages für die Wohnung werde dem Kläger ausdrücklich das Recht eingeräumt, das Wohnobjekt selbst zu nutzen, soweit es nicht an ständig wechselnde Kur- und Feriengäste vermietet sei. Das Wohnobjekt werde mithin zumindest auch für den persönlichen Lebensbedarf vorgehalten.
Dagegen hat der Kläger Klage erhoben und geltend gemacht, dass er die Wohnung nie selbst bewohne noch anderen Personen unentgeltlich überlasse. Deshalb habe er das Objekt nicht für seine persönliche Lebensführung inne.
Mit Urteil vom 30. November 1999 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die gesetzlichen und satzungsmäßigen Voraussetzungen zur Erhebung der Zweitwohnungssteuer seien erfüllt. Aus § 3 der Vereinbarung mit der Verwaltung sei zu folgern, dass der Kläger die fragliche Wohnung auch ganzjährig für den Eigenbedarf vorhalte. Daran ändere auch die Zusatzabrede nichts, da § 3 des Vertrages dadurch nicht aufgehoben worden sei.
Gegen das Urteil hat der Kläger die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
Mit Urteil vom 18. Oktober 2000 hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil geändert und die Zweitwohnungssteuerbescheide des Beklagten für die Jahre 1997 und 1998 sowie den Widerspruchsbescheid aufgehoben. Die Heranziehung des Klägers zur Zweitwohnungssteuer in den genannten Veranlagungsjahren sei rechtswidrig; dabei könne die Frage der Steuerpflicht dem Grunde nach offen bleiben. Den Steuerbescheiden fehle nämlich jedenfalls deshalb eine ausreichende Rechtsgrundlage, weil die ihnen zu Grunde liegende Zweitwohnungssteuersatzung keine Regelung über die zeitlichen Voraussetzungen der Steuerpflicht mit Mischnutzung treffe. Einer solchen Satzungsregelung bedürfe es aber in Fällen, in denen die Zweitwohnung in erheblichem Umfang fremdvermietet werde. Diesem Erfordernis stehe nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Bemessung nach der vollen Jahresrohmiete auch in Fällen der Mischnutzung vertretbar bleibe, wenn zu Jahresbeginn die Dauer der Eigennutzungsmöglichkeit an der Wohnung offen sei. Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stelle nämlich ersichtlich darauf ab, dass die Zweitwohnungssteuer mit Jahresbeginn entstehe, während nach dem vorliegend maßgeblichen Landesrecht – § 11 KAG SH i.V.m. § 38 AO – die Zweitwohnungssteuer erst am Jahresende entstehe. Hieran vermöge eine abweichende Satzungsregelung nichts zu ändern, weil den Gemeinden kein Regelungsermessen für den Entstehungszeitpunkt von Abgaben eingeräumt sei.
Im Übrigen – so führt die Vorinstanz weiter aus – ändere sich an dem Ergebnis nichts, wenn man mit dem Bundesverwaltungsgericht auf die zu Beginn des Veranlagungszeitraums voraussehbare Dauer der Eigennutzungsmöglichkeit abstelle. Bei der Abgrenzung zur reinen Kapitalanlage sei als zeitlicher Bezugspunkt der Beginn des Veranlagungsjahres maßgeblich, wobei insbesondere auch Anhaltspunkte aus der Vergangenheit heranzuziehen seien. Da der Kläger seine Wohnung in den vorangegangenen Veranlagungsjahren in erheblichem Umfang fremdvermietet hatte, habe bereits eingangs des Steuerjahres mit der für eine Prognose genügenden Wahrscheinlichkeit festgestanden, dass er auch künftig seine Wohnung überwiegend an wechselnde Gäste vermieten werde und deshalb die Voraussetzung für eine nur anteilige Steuerberechnung vorgelegen habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassene Revision des Beklagten. Zur Begründung führt er aus, das Berufungsurteil widerspreche mit Haupt- und Hilfsbegründung dem Bundesrecht. Dies gelte insbesondere für die Rechtsauffassung der Vorinstanz, eine kommunale Zweitwohnungssteuersatzung müsse zwingend auf den Umfang der tatsächlich erzielten Fremdvermietung abstellen, um eine wirksame Grundlage für die Heranziehung im Fall einer Mischnutzung zu bilden. Die Hauptargumentation des Berufungsurteils, wonach eine kommunale Zweitwohnungssteuer entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schon deshalb nicht nach den zu Jahresbeginn bestehenden Verhältnissen bemessen werden dürfe, weil die Steuer landesrechtlich erst am Jahresende entstehen könne, sei mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar. Die Satzungsautonomie des Beklagten sei insbesondere durch den hier wegen § 11 KAG SH anwendbaren § 38 AO in Bezug auf die Festlegung des Entstehens der Steuerschuld nicht eingeschränkt. § 38 AO umschreibe selbst keinen Steuertatbestand, sondern verweise als Blankettnorm auf den Tatbestand des jeweiligen Einzelsteuergesetzes. Das maßgebliche Steuergesetz sei die Zweitwohnungssteuersatzung, die die abstrakten Voraussetzungen für das Entstehen der Steuerschuld festlege. Danach sei hier eindeutig, dass die Steuerpflicht für die Jahre 1997 und 1998 jeweils am 1. Januar dieser Jahre entstanden sei. Zu den genannten Zeitpunkten habe jeweils nur die Prognose gebildet werden können, dass der Kläger die rechtliche Möglichkeit haben werde, die Ferienwohnung für sich oder seine Angehörigen ganzjährig in umfassender Weise zu nutzen. Die Vereinbarungen mit der Verwalterin hätten eine solche Nutzung gerade nicht ausgeschlossen. Auf die subjektiven Absichten des Klägers komme es dann nicht an.
Deshalb sei auch die vom Oberverwaltungsgericht für seine Rechtsauffassung niedergelegte Hilfsbegründung bundesrechtswidrig. Entscheidend sei nämlich nicht das Ausmaß der tatsächlich erzielten Fremdvermietung im Steuerjahr oder in den Vorjahren, sondern Dauer und Ausmaß einer Möglichkeit zur Selbstnutzung. Wenn diese nicht nur ganz vorübergehend bestehe, sondern umfänglich eingeräumt sei, könne nicht beanstandet werden, dass die Zweitwohnungssteuersatzung eine Steuer in Höhe des vollen Jahresbetrages vorsehe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2000 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 30. November 1999 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und macht – im Kern seiner Argumentation – geltend, er halte das Eigentum an der Ferienwohnung lediglich als Kapitalanlage. Deshalb benutze er die Wohnung nicht selbst, sondern lasse sie durch seine Verwalterin ausschließlich an Feriengäste vermieten. Bei einer an wechselnde Feriengäste vermieteten und in der übrigen Zeit ausschließlich zur Vermietung an Feriengäste bereit gehaltenen Ferienwohnung könnten die Leerstandszeiten nicht als Eigennutzung des Eigentümers behandelt werden.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision ist begründet. Das Berufungsurteil steht mit Bundesrecht nicht im Einklang. Dies führt zu seiner Aufhebung und zur Zurückweisung der Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung.
1. Das angefochtene Urteil gelangt zur Aufhebung der Steuerbescheide, weil es an der Zweitwohnungssteuersatzung des Beklagten bemängelt, dass diese auch für Fälle einer erheblichen Fremdvermietung der Zweitwohnung keinen Verteilungsschlüssel enthält, sondern die volle Jahressteuer vorsieht. Zu Grunde lagen vom Kläger angegebene Vermietungszeiträume von jeweils 196 Tagen pro Jahr. Da es an der erforderlichen Satzungsbestimmung über einen Verteilungsmodus mangele, fehle den angefochtenen Heranziehungsbescheiden die Rechtsgrundlage.
Da der Kläger die Wohnung in den fraglichen Jahren nicht selbst genutzt hat, sie allerdings bei der zu Grunde liegenden vertraglichen Gestaltung mit der Verwalterin selbst hätte nutzen können, vertritt das Oberverwaltungsgericht damit die Auffassung, die Heranziehung zur vollen Jahressteuer verstoße gegen die Grundsätze der Zweitwohnungssteuer als einer Aufwandsteuer, wenn eine Fremdvermietung in erheblichem Umfang stattgefunden habe. Auf die Leerstandszeiten komme es dann nicht mehr an, insbesondere also nicht auf die Frage, ob der Kläger die Wohnung in diesen Zeiten hätte nutzen dürfen oder nicht.
Der damit vom Berufungsgericht verwendete Begriff des Aufwands ist mit Art. 105 Abs. 2 a GG nicht zu vereinbaren.
Die Zweitwohnungssteuer ist als Aufwandsteuer i.S.v. Art. 105 Abs. 2 a GG eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf sichtbar wird (BVerfGE 65, 325 ≪346≫). Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Es handelt sich dabei um einen Sachverhalt, der sich einerseits von der Inanspruchnahme einer Erstwohnung, die keinen besonderen Aufwand gemäß Art. 105 Abs. 2 a GG darstellt (BVerwG, Urteil vom 29. November 1991 – BVerwG 8 C 107.89 – Buchholz 11 Art. 105 GG Nr. 17), unterscheidet, andererseits aber keineswegs eine besonders aufwendige oder luxuriöse Einkommensverwendung voraussetzt. Soll zulässigerweise die in dem Aufwand für eine Zweitwohnung zum Ausdruck gebrachte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit getroffen werden, so kommt es schon aus Gründen der Praktikabilität nicht darauf an, dass diese Leistungsfähigkeit in jedem einzelnen Fall konkret festgestellt wird. Ausschlaggebendes Merkmal ist vielmehr der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden.
Liegt der Anknüpfungspunkt für die Steuer deshalb in dem im Innehaben einer Zweitwohnung zum Ausdruck kommenden Konsum für den persönlichen Lebensbedarf (vgl. dazu auch BVerwGE 111, 122 ff.), so ergibt sich aus dieser begrifflichen Festlegung zugleich, dass eine Zweitwohnung dann zweitwohnungssteuerfrei bleibt, wenn sie allein zum Zwecke der Kapitalanlage angeschafft und gehalten wird; denn dann kommt in dem Innehaben nicht eine Einkommensverwendung im Sinne eines Konsums, sondern die Absicht zum Tragen, Einkünfte zu erzielen (vgl. dazu bereits BVerwGE 58, 230 ≪235≫; BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1996 – BVerwG 8 C 49.95 – ≪Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 12≫).
2. Wegen dieser bereits verfassungsrechtlich aus dem Begriff der Aufwandsteuer gebotenen Differenzierung werfen folglich die Fälle besondere Schwierigkeiten auf, in denen eine Mischnutzung vorliegt, die Zweitwohnung also teilweise selbst genutzt und teilweise vermietet wird. In seinen grundlegenden Entscheidungen zu solchen Sachverhalten (vgl. Urteil vom 10. Oktober 1995 – BVerwG 8 C 40.93 – BVerwGE 99, 303 ff.; Urteil vom 6. Dezember 1996 – BVerwG 8 C 49.95 – a.a.O. und Urteil vom 30. Juni 1999 – BVerwG 8 C 6.98 – BVerwGE 109, 188 ff.) hat das Bundesverwaltungsgericht dazu den Standpunkt eingenommen, die im Begriff der Aufwandsteuer i.S.v. Art. 105 Abs. 2 a GG angelegte Abgrenzung zwischen zweitwohnungssteuerfreier reiner Kapitalanlage und zweitwohnungssteuerpflichtiger Vorhaltung auch für die persönliche Lebensführung erfordere mit Blick auf die Zweckbestimmung der Zweitwohnung eine umfassende Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalles. Die bloße objektive Möglichkeit der Eigennutzung durch den Zweitwohnungsinhaber schließe die Annahme einer zweitwohnungssteuerfreien reinen Kapitalanlage nicht aus. Allerdings dürfe die steuererhebende Gemeinde von der tatsächlichen Vermutung der Vorhaltung einer Zweitwohnung auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung ausgehen, solange der Zweitwohnungsinhaber keine Umstände vortrage, die – wie etwa die Lage der Hauptwohnung innerhalb desselben Feriengebietes, der Abschluss eines Dauermietvertrages, die Übertragung der Vermietung an eine überregionale Agentur unter Ausschluss der Eigennutzung sowie unter Nachweis ganzjähriger Vermietungsbemühungen – die tatsächliche Vermutung erschütterten (BVerwGE 99, 303 ≪307≫). Dabei sei es in den Fällen der Mischnutzung von Verfassungs wegen nicht geboten, die nach der Jahresrohmiete bemessene Zweitwohnungssteuer bei lediglich zeitweiliger Vermietung nur anteilig zu erheben (BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1996 – BVerwG 8 C 49.95 – a.a.O.). Allerdings sei bei einem eklatanten Missverhältnis zwischen von vornherein vertraglich befristeter Eigennutzungsmöglichkeit und Vermietung die Zugrundelegung der gesamten Jahresrohmiete für die Berechnung der Zweitwohnungssteuer unverhältnismäßig und stehe nicht mehr im Einklang mit der grundsätzlichen Trennung des steuerpflichtigen privaten Aufwands und der Vermietung zur Einkommenserzielung. Wenn also eingangs des Steuerjahres eindeutig feststehe, dass eine Eigennutzungsmöglichkeit nur einen erheblich geringeren zeitlichen Umfang haben könne, sei das Festhalten an dem Jahresbetrag als Bemessungsgröße für diesen Aufwand unangemessen (BVerwGE 109, 188 ≪191/192≫).
An diesen Maßstäben wird festgehalten. Danach gilt, dass es für die Bewertung einer Zweitwohnung als nach dem Jahressteuerbetrag steuerpflichtig nicht darauf ankommt, dass die Zweitwohnungausschließlich für Zwecke des persönlichen Lebensbedarfs vorgehalten wird. Ausreichend ist vielmehr, wenn dies jedenfallsauch geschieht. Bereits in dem Begriff des Vorhaltens für Zwecke der persönlichen Lebensführung liegt zudem begründet, dass es nicht auf eine tatsächlich realisierte Eigennutzung ankommt, sondern konstitutiv allein auf die rechtlich bestehende Möglichkeit zur Selbstnutzung (bzw. zur unentgeltlichen Nutzung durch Dritte) abzustellen ist. Daraus wiederum ergibt sich unmittelbar, dass Zeiten eines Wohnungsleerstandes, für die eine Eigennutzungsmöglichkeit rechtlich nicht ausgeschlossen worden ist, von Sonderkonstellationen (vgl. dazu unten 3.b) abgesehen, den Zeiträumen zuzurechnen sind, in denen die Wohnung für Zwecke des persönlichen Lebensbedarfs vorgehalten wird (vgl. dazu ebenso: BFHE 182, 348 ff.; BFH, Urteil vom 21. November 2000 – BFH 9 R 37.98 – BB 2001, S. 347 f.).
Eine Grenze für die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Einordnung einer Zweitwohnung als grundsätzlich zweitwohnungssteuerpflichtig und – zusätzlich – als mit dem Jahresbetrag der Zweitwohnungssteuer belastbar ist erst dann erreicht, wenn die rechtlich bestehende Möglichkeit der Eigennutzung so geringfügig ausgestaltet ist, dass die Auferlegung der vollen Jahressteuer unverhältnismäßig erscheint. Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass bei einer rechtlich begründeten Eigennutzungsmöglichkeit von lediglich vier Wochen ein derartiger Zustand jedenfalls erreicht ist (BVerwGE 109, 188 f.). Auch an dieser Einschätzung hält der Senat fest. Wird die Zweitwohnung also jährlich lediglich für Zeiträume von bis zu vier Wochen für Zwecke der persönlichen Lebensführung vorgehalten, so kann die Zweitwohnungssteuer, wenn sie nach dem Gestaltungsspielraum der steuererhebenden Kommune in solchen Fällen überhaupt verlangt werden soll, nach dem Maßstab der Jahresrohmiete nur noch anteilig festgesetzt werden.
Demnach liegt der Bundesrechtsverstoß des Berufungsurteils in Folgendem:
Für die verfassungsrechtlich gebotene Abgrenzung zwischen zweitwohnungssteuerfreier reiner Kapitalanlage und zweitwohnungssteuerpflichtiger Vorhaltung der Wohnung auch für die persönliche Lebensführung sowie für die Frage, ob die Zweitwohnungssteuer mit dem vollen Jahresbetrag oder nur anteilig erhoben werden darf, ist nicht – wie das Berufungsurteil zu Grunde legt – auf das Ausmaß der tatsächlichen Vermietung, sondern allein darauf abzustellen, welche Dauer die rechtlich realisierbare Eigennutzungsmöglichkeit aufweist. Der darin liegende Verstoß gegen die in der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze zur Zweitwohnungssteuer in Mischnutzungsfällen erfasst die Haupt- wie auch die Hilfsbegründung des vorinstanzlichen Urteils. Beide Begründungselemente beruhen nämlich tragend auf der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, bei erheblichen Fremdvermietungszeiten von 196 Tagen im Jahr sei es wegen Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen, den Jahresbetrag der Steuer festzusetzen.
Soweit das Oberverwaltungsgericht auf Grund seiner Interpretation des schleswig-holsteinischen Landesrechts davon ausgeht, die Steuerpflicht entstehe bei der Zweitwohnungssteuer jeweils erst am Ende des Steuerjahres, vermag diese Auffassung, wenn sie als verbindlich zu Grunde gelegt wird, an dem Befund eines Bundesrechtsverstoßes nichts zu ändern. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30. Juni 1999 (BVerwGE 109, 188 ff.) entschieden, in Fällen, in denen zu Beginn des Veranlagungszeitraumes die Dauer der Eigennutzungsmöglichkeit offen sei, bleibe eine Typisierung der Bemessungsgrundlage vertretbar, die auf den Jahreszeitraum als Besteuerungsgrundlage abhebe; doch darf daraus nicht etwa geschlossen werden, dass eine so beschaffene Steuererhebung immer schon dann ausgeschlossen ist, wenn aus Gründen des Landesrechts die Steuer nicht zu Beginn, sondern am Ende des Steuerjahres entsteht, mit der Folge, dass nicht eine Prognose für das beginnende Steuerjahr, sondern eine rückwirkende Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse des abgelaufenen Steuerjahres Platz greift. An dem entscheidungserheblichen Maßstab ändert dies nämlich nichts: Es kommt darauf an, ob für den Inhaber der Zweitwohnung rechtlich eine Eigennutzungsmöglichkeit von solchem Ausmaß bestand, die es – noch – verhältnismäßig erscheinen lässt, ihn mit dem vollen Jahresbetrag der Steuer zu belasten.
3. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Sinne des § 144 Abs. 4 VwGO als zutreffend.
a) Nach seinen Angaben hat der Kläger in den Jahren 1997 und 1998 mit Hilfe der von ihm beauftragten Verwalterin Fremdvermietungszeiten von 196 Tagen erzielt. Die damit erzielte hohe Auslastung durch Vermietung ändert nichts daran, dass für den Kläger das gesamte Jahr über eine Eigennutzungsmöglichkeit bestand. Dies belegt § 3 des mit der Verwalterin abgeschlossenen Vertrages, der die Eigennutzung nicht einschränkt.
Allerdings ist in der Rechtsprechung bisher nicht entschieden, welchen Zeitraum eine Eigennutzungsmöglichkeit umfassen muss, um die Auferlegung des Jahresbetrages der Zweitwohnungssteuer verhältnismäßig erscheinen zu lassen. Im Hinblick auf die Unsicherheiten, die aus diesem Grunde für die Verwaltungspraxis bestehen, weist der erkennende Senat darauf hin, dass aus seiner Sicht die Heranziehung zum vollen Jahresbetrag der Zweitwohnungssteuer erst dann unverhältnismäßig wäre, wenn die Eigennutzungsmöglichkeit zwei Monate unterschreiten würde. Dabei orientiert sich der Senat an dem Gedanken, dass ein Zweitwohnungsinhaber ausgehend von einem Mindesturlaub von 24 Werktagen (§ 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz) und einem – angenommenen – durchschnittlichen Jahresurlaub von 30 Werktagen mehr als zwei Monate in der Regel nicht zum Zwecke der persönlichen Urlaubsgestaltung seiner Familie zur Verfügung haben dürfte. Als Indiz dafür kann auch angesehen werden, dass nach dem Bundesrecht landesrechtlich Ausnahmen von der Meldepflicht zugelassen werden dürfen, wenn ein Aufenthalt zwei Monate nicht überschreitet – § 16 Abs. 1 Melderechtsrahmengesetz. Daraus schließt der Senat für den Regelfall, dass der Eigentümer einer Zweitwohnung, der über eine rechtlich gesicherte Eigennutzungsmöglichkeit für mindestens zwei Monate im Jahr verfügt und die Wohnung im Übrigen fremdvermietet, weil er sie in den übrigen Zeiten jedenfalls typischerweise selbst nicht nutzen kann, sich vorhalten lassen muss, dass er die Wohnung für Zwecke der persönlichen Lebensgestaltung inne hat. Dann aber widerspricht es nicht dem Gestaltungsspielraum einer Kommune, wenn sie in ihrer Zweitwohnungssteuersatzung für solche Fälle die Erhebung des vollen Jahresbetrages der Zweitwohnungssteuer vorsieht. In welcher Weise die Steuererhebung für Zeiträume einer möglichen Eigennutzung von weniger als zwei Monaten gestaffelt wird, unterliegt der Satzungsautonomie der steuererhebenden Gemeinde. Bundesverfassungsrecht erfordert auch insoweit keine „tagesgenaue” Verteilung, sondern erlaubt eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte pauschalierende Aufsplittung des Jahresbetrages in wenigen Stufen.
b) Soweit das Oberverwaltungsgericht Zweifel im Bezug auf das Bestehen der Steuerpflicht dem Grunde nach äußert, diese dann jedoch dahinstehen lässt, vermag der Senat diese Zweifel nicht zu teilen. Die Vorinstanz macht ihre Ausführungen an der Darstellung des Klägers fest, er habe die Zweitwohnung seit ihrem Erwerb nicht selbst genutzt und in ihr lediglich kurzzeitige Reparatur- und Renovierungsarbeiten durchgeführt. Auf diesen Umstand kommt es indessen – wie dargestellt – nicht an. Steuergegenstand ist das Innehaben einer Zweitwohnung für Zwecke des persönlichen Lebensbedarfs. Dabei ist zur Aufrechterhaltung einer nur durch Typisierung und Pauschalierung zu gewährleistenden Praktikabilität auf objektive und vor allem verifizierbare (vgl. dazu BVerfGE 84, 239 ≪273≫) Umstände abzustellen. Dies führt zu der bereits zuvor entwickelten Aussage zurück: Ergibt die Würdigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Heranziehung des von dem Steuerpflichtigen vorgelegten Vermietungsvertrages, dass der Berechtigte über eine Eigennutzungsmöglichkeit von mindestens zwei Monaten im Jahr verfügt, darf er so gestellt werden, als würde er eine Zweitwohnung zum Zwecke der persönlichen Lebensgestaltung ganzjährig vorhalten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn objektiv nachprüfbare Umstände vorgetragen und nachgewiesen werden, die geeignet sind, die Vermutung für das Vorhalten der Zweitwohnung auch für Zwecke der persönlichen Lebensgestaltung zu widerlegen. Solche stehen hier nach den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils und im Übrigen auch nach dem Vorbringen der Beteiligten nicht in Rede.
c) Das angefochtene Urteil legt – wie bereits ausgeführt – dar, die Zweitwohnungssteuerpflicht für den Kläger sei jeweils erst am Ende der Steuerjahre 1997 und 1998 entstanden. Für das Steuerjahr 1997 ergibt sich daraus kein Problem, weil die Steuerfestsetzung erst durch Bescheide im Jahre 1998 erfolgt ist. Anders verhält es sich indessen für das Steuerjahr 1998. Wird die genannte Auffassung der Vorinstanz als verbindlich angesehen, so sind der Steuerbescheid für dieses Jahr und der Widerspruchsbescheid vor dem Entstehen der Steuerpflicht erlassen worden. Dabei ist im Grundsatz geklärt, dass die Interpretation, die das Oberverwaltungsgericht zum Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld vornimmt, wegen der landesrechtlichen Vorschrift des § 11 KAG SH insgesamt dem Landesrecht zuzuordnen und deshalb irrevisibel und für das Revisionsgericht verbindlich ist; denn die dabei in Bezug genommene bundesrechtliche Vorschrift des § 38 AO gilt vorliegend nur auf Grund eines Rechtsanwendungsbefehls aus dem Landesrecht (stRspr des BVerwG, vgl. Beschluss vom 28. Juni 1995 – BVerwG 6 B 36.95 – Buchholz 310 § 137 Abs. 1 Nr. 4).
Gleichwohl führt dies nicht dazu, dass das angefochtene Urteil sich in Bezug auf die Steuerbescheide für das Jahr 1998 im Ergebnis als zutreffend erweist. Dabei können Bedenken dahinstehen, die sich daraus ergeben, dass das Urteil in der Frage des Zeitpunktes eines Entstehens der Steuerschuld ohne Heranziehung und Würdigung der Literatur und Rechtsprechung zu der in Bezug genommenen Vorschrift des § 38 AO (vgl. dazu Fischer in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung Kommentar, Stand: November 2000, § 38 a.a.O. Rn. 23 mit zahlreichen weiteren Nachweisen) die zuvor vom Oberverwaltungsgericht selbst vertretene Auffassung (OVG Schleswig, Urteil vom 28. Mai 1991 – 2 L 118/91 – NVwZ 1991 S. 909 = KStZ 1992, S. 33) aufgibt. Jedenfalls mit dem Ablauf des Steuerjahres 1998 nämlich ist die Steuerpflicht des Klägers entstanden. Die Aufhebung eines Steuerbescheides aber, der im nächsten Moment gleich lautend wieder erlassen werden könnte, kommt nicht in Betracht; vielmehr ist der maßgebliche Überprüfungszeitraum hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auf die mündliche Verhandlung des Tatsachengerichtes zu verlagern (vgl. ebenso zum Abgabenrecht: BVerwGE 64, 218; BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 – BVerwG 8 C 87.88 – ≪Buchholz 310 § 113 Nr. 218≫).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Kipp, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.09.2001 durch Oertel Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
DStZ 2002, 348 |
NJW 2002, 2336 |
BVerwGE, 165 |
ZAP 2002, 337 |
ZKF 2002, 60 |
DÖV 2002, 246 |
DVBl. 2002, 483 |
GK/BW 2002, 124 |
GK 2002, 106 |