Rz. 284
Gesellschaftsvertragliche Vereinbarung
Eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung wird in § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 Buchst. b) AStG als eine Vereinbarung definiert, die direkt zu einer rechtlichen Änderung der Stellung der Gesellschafter führt. Durch die Formulierung, dass eine "gesellschaftsvertragliche Vereinbarung nicht zugrunde liegt", besteht das Risiko, dass normalerweise schuldrechtliche Vereinbarungen in den Gesellschaftsvertrag integriert werden, um der Anwendung des § 1 AStG zu entgehen. Jedoch dürfte die tatsächliche rechtliche Natur solcher Vereinbarungen für die Anwendung des § 1 AStG irrelevant sein. Auch wenn eine Vereinbarung in den Gesellschaftsvertrag eingefügt wird, bleibt sie in ihrer wahren rechtlichen Natur ggfs. eine schuldrechtliche Vereinbarung.
Wenn aufgrund "gesellschaftlicher" Veranlassung andere Regelungen bereits eine Steuerminderung ausschließen (z. B. vGA) und § 1 AStG keine weiterreichenden Rechtsfolgen nach sich zieht, dann haben diese anderen (Korrektur-)Vorschriften nach § 1 Abs. 1 S. 1, 4 Vorrang (s. dazu bereits Rz. 39 und 106).
Rz. 285
Geschäftsvorfall:
§ 1 Abs. 4 Satz 1 Hs. 1 AStG benennt als eines der Kriterien für die Korrektur von Einkünften nach § 1 Abs. 1 AStG den Begriff der Geschäftsbeziehung, definiert als "einzelne oder mehrere wirtschaftlich verbundene Vorgänge (Geschäftsvorfälle)". Seit dem Veranlagungszeitraum 2013 bezieht sich die gesetzliche Definition der Geschäftsbeziehung nicht mehr explizit auf eine schuldrechtliche Bindung, sondern vielmehr auf das Vorliegen eines Geschäftsvorfalls. Die Begründung zum Gesetz betont, dass dies vor allem rechtliche Beziehungen und faktische (tatsächliche) Handlungen umfasst, und schließt damit alle schuldrechtlichen Beziehungen, ob vertraglicher oder gesetzlicher Art, mit ein. Es wird ferner dargelegt, dass sowohl einzelne als auch mehrere verbundene wirtschaftliche Vorgänge zusammen eine Geschäftsbeziehung formen können, wie (auch) für Dokumentationsanforderungen in § 2 Abs. 3 GAufzV beschrieben. Ebenso erkennen die VWG VP 2023 an, dass eine Geschäftsbeziehung entweder aus einzelnen oder mehreren verbundenen wirtschaftlichen Vorgängen besteht. Als Beispiele werden Lieferungen von Waren, Dienstleistungen, Finanzierungsbeziehungen, die Überlassung oder Übertragung immaterieller Güter sowie die Überlassung von Arbeitnehmern und Umlagen angeführt.
Rz. 286
Tätigkeit i. S. d. §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG:
Geschäftsvorfälle zwischen dem Steuerpflichtigen und einer nahestehenden Person sind nur dann relevant, wenn sie Teil einer bestimmten Tätigkeit sind, die explizit aufgeführte Einkunftsarten hervorruft (§ 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 Buchst. a) AStG. Die Zuordnung dieser Einkünfte erfolgt nach dem Veranlassungsprinzip.
Es wird dabei zwischen zwei Szenarien unterschieden, die sich auf die auslösende Tätigkeit für die Einkünfte beziehen:
- Die direkte Anwendung der §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG für Tätigkeiten des Steuerpflichtigen.
- Die fiktive Anwendung der §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG auf Tätigkeiten einer ausländischen nahestehenden Person, als ob diese im Inland stattgefunden hätten.
Dies bedeutet, dass in einem ersten Schritt überprüft werden muss, ob die Aktivitäten des Steuerpflichtigen unter die genannten Paragraphen des EStG fallen. Ist dies nicht der Fall, muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob die Tätigkeiten der ausländischen nahestehenden Person (hypothetisch) diesen Paragrafen unterliegen würden, wenn sie in Deutschland durchgeführt worden wären. § 8 Abs. 2 KStG gilt nicht in diesem Kontext, was bedeutet, dass nicht alle Aktivitäten einer ausländischen Körperschaft fiktiv unter § 15 EStG fallen. § 1 AStG findet daher keine Anwendung, wenn der Geschäftsvorfall mit den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen oder mit sonstigen Einkünften in Zusammenhang steht. Dies bedeutet, dass Geschäftsvorfälle wie Verwandtendarlehen, die zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen, sowie Unterhaltsleistungen nicht gemäß § 1 AStG überprüft werden. Es genügt zudem, dass der Geschäftsvorfall entweder beim Steuerpflichtigen oder bei einer nahestehenden Person zu Einkünften aus §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG führt. Beide Fälle müssen unabhängig geprüft werden. Die Anwendung von § 1 AStG ist demnach nur dann ausgeschlossen, wenn bei keiner der beiden Parteien ein Zusammenhang des Geschäftsvorfalls mit einer Tätigkeit, die den §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG unterliegt, besteht.
Rz. 287–288
einstweilen frei