6.1 Allgemeines
Rz. 200
Eine Funktionsverlagerung bezieht sich auf die Übertragung von Unternehmensfunktionen, wie Produktion oder Forschung und Entwicklung, von einem Unternehmensteil zu einem anderen, über Ländergrenzen hinweg. Der Hauptzweck der steuerlichen Vorschriften zu Funktionsverlagerungen besteht darin, eine angemessene Besteuerung der Wertschöpfung sicherzustellen, die durch solche Verlagerungen ins Ausland verloren geht (i. S. einer betrieblichen Entstrickung).
Rz. 201
Abs. 3b wurde durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) vom 2.6.2021 eingefügt. Diese Vorschrift wird ab dem Veranlagungszeitraum 2022 angewendet (§ 20 Abs. 1 AStG). Aufgrund dieser neuen Norm musste auch die Funktionsverlagerungsverordnung vom 12.8.2008 überarbeitet werden. Eine aktualisierte Fassung der Funktionsverlagerungsverordnung wurde am 18. Oktober 2022 veröffentlicht.
Die Regelung zur Funktionsverlagerung, die zuvor bereits in § 1 Abs. 3, Sätzen 9 und 10 AStG a. F. zu finden war, wurde in Absatz 3b "ausgelagert". Im Grundsatz blieb der Grundgedanke der Regelung gleich, auch wenn punktuell mit der Neufassung Änderungen einhergingen. Insbes. wurde Abs. 3b durch eine Bestimmung ergänzt, die zuvor in § 2 Abs. 2 Satz 1 der Funktionsverlagerungsverordnung vom 12. August 2008 festgelegt war, und ist nun im Satz 3 des Absatzes 3b enthalten.
Rz. 202–203
einstweilen frei
6.2 Funktionsverlagerung (§ 1 Abs. 3b S. 1 AStG)
Rz. 204
Nach § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG sind folgende Voraussetzungen für eine Funktionsverlagerung erforderlich:
- Ein verlagerndes Unternehmen überträgt oder überlässt einem übernehmenden Unternehmen
- Wirtschaftsgüter oder sonstige Vorteile, zusammen mit den zugehörigen Chancen und Risiken,
- so dass das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die zuvor vom verlagernden Unternehmen ausgeführt wurde, und
- diese Übertragung bewirkt, dass die Ausübung dieser Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird.
Funktionsverlagerung:
Abs. 3b liefert zunächst keine (Legal-)Definition für eine "Funktionsverlagerung". Eine solche Definition wird jedoch in § 1 Abs. 2 FVerlV gegeben. § 1 Abs. 1 FVerlV beschreibt zunächst eine Funktion als eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Gruppierung gleichartiger geschäftlicher Aufgaben resultiert. Diese Aufgaben werden von spezifischen Stellen oder Abteilungen innerhalb eines Unternehmens durchgeführt und gelten als organischer Bestandteil des Unternehmens, auch ohne dass ein (steuerlicher) Teilbetrieb vorliegen muss. Eine Funktion gilt als organischer Teil eines Unternehmens, wenn sie sich bei dem verlagernden oder aufnehmenden Unternehmen als eine zweckmäßige, klar abgegrenzte Tätigkeit darstellt, die unter Einsatz von spezifischen Wirtschaftsgütern, immateriellen Werten oder sonstigen Vorteilen zur Erwirtschaftung von Ergebnisbeiträgen genutzt wird. Eine Funktion muss dabei lediglich über eine gewisse betriebswirtschaftliche Unabhängigkeit verfügen und nicht alle elementaren Aspekte der Wertschöpfung einschließen. Verlagert wird eine solche Funktion nach § 1 Abs. 2 FVerlV wenn ein Unternehmen an ein anderes, nahestehendes Unternehmen eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile ganz oder teilweise überträgt oder überlässt, sodass das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben oder eine bestehende Funktion ausweiten kann. Eine Funktionsverlagerung liegt aber grds. nur vor, wenn die Ausübung der Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird (§ 1 Abs. 5 S. 1 FVerlV).
Funktionsverdoppelung:
Wenn das verlagernde Unternehmen innerhalb von fünf Jahren nach der Übernahme der Funktion durch das übernehmende Unternehmen die Ausübung dieser Funktion nicht einschränkt, liegt gemäß § 1 Abs. 5 FVerlV keine Funktionsverlagerung, sondern eine Funktionsverdoppelung vor. Die Feststellung einer Einschränkung erfolgt vorrangig durch die Bewertung der mit der spezifischen Funktion erzielten Umsätze, was eine genaue Betrachtung der einzelnen Funktion erfordert.
Eine Funktionseinstellung könnte aber vorliegen, wenn die ursprüngliche Funktion ersetzt wird, etwa durch die Produktion und den Vertrieb eines Nachfolgeprodukts statt des zuvor hergestellten Produkts. Diese Situation würde als Einstellung der Funktion in Bezug auf das ursprüngliche Produkt interpretiert.
Des Weiteren bietet § 1 Abs. 5 S. 2 FVerlV Steuerpflichtigen die Möglichkeit, glaubhaft zu machen, dass zwar eine Funktionsverdoppelung besteht, jedoch ohne einen direkten wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einschränkung. Dies kann z. B. dann zutreffen, wenn die (Funktions-)Einschränkung nicht auf einer bewussten Unternehmensentscheidung beruht, sondern auf außergewöhnlichen Umständen wie einem Brand in einer Produktionsstätte (höhere Gewalt).
Funktionsabschmelzungen im Inland:
Typische Fälle für Funktionsverlagerungen sind auch sog. Abschmelzungen von Funktionen und Risiken von ein...