Rz. 371
Nach § 10 Abs. 5 S. 2 AStG sind bei aktiven Umwandlungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG die auf die übernehmende Gesellschaft übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem bisher von der übertragenden Gesellschaft angesetzten Wert zu übernehmen. Es handelt sich bei dieser Vorschrift um eine spezielle Wertverknüpfung für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung. Die Reichweite der Regelung im System der Hinzurechnungsbesteuerung ist umstritten.
Rz. 372
Unklar ist bereits das Verständnis des Umwandlungsbegriffs. Gesetzlich wird auf § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG abgestellt. Dort fehlt es aber an erläuterten Ausführungen. Mit dem Begriff Umwandlung sollte nach hier vertretener Auffassung im Grundsatz jede Form der Umwandlung erfasst sein, die nach den Vorschriften des UmwStG (hypothetisch) zu Buchwerten erfolgen könnte. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 9 UmwStG. Dieser verweist auf den Anwendungsbereich des UmwStG. Unter den Umwandlungsbegriff fallen daher Verschmelzungen (§§ 3 ff., 11 ff. UmwStG), Spaltungen (§ 15 ff. UmwStG), Einbringungen (§§ 20 ff. UmwStG) und der Formwechsel (§ 9 UmwStG, § 25 UmwStG).
Rz. 373
Da es sich jeweils um ausländische Umwandlungen handelt, müssen diese zunächst den Strukturmerkmalen der Umwandlungen i. S. d. UmwStG entsprechen (bereits für § 8 Abs. 1 Nr. 9 UmwStG). Nur wenn die Strukturmerkmale im Einzelfall erfüllt sind, kann es sich überhaupt um eine vergleichbare Umwandlung handeln. Darüber hinaus muss die Umwandlung aber sowohl fiktiv zum Buchwert nach dem deutschen UmwStG durchgeführt werden können (hypothetische Buchwertfortführung) und im Ausland tatsächlich zum Buchwert durchgeführt werden (tatsächliche Buchwertfortführung). Nur wenn alle drei Voraussetzungen erfüllt sind, ist der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 5 S. 2 UmwStG eröffnet. Ist die Umwandlung hingegen entweder nicht vergleichbar mit einer Umwandlung i. S. d. UmwStG oder ist die hypothetische oder tatsächliche Buchwertfortführung ausgeschlossen, liegen passive Einkünfte vor. Ist eine der Anforderungen an eine aktive Umwandlung nach § 8 Abs. 1 Nr. 9 UmwStG nicht erfüllt, ist auch der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 5 S. 2 AStG nicht eröffnet.
Rz. 374
Wenn der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 5 S. 2 AStG bei aktiven Umwandlungen i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 9 UmwStG eröffnet ist, soll es dem Wortlaut der Vorschrift nach insoweit zu einer gesetzlich angeordneten Buchwertübernahme der Wirtschaftsgüter der übertragenden Gesellschaft kommen. Diese Wertübernahme mutet aus verschiedenen Gründen fragwürdig an. Zunächst ist die gesamte Einkünfteermittlung der Zwischengesellschaften nach § 10 Abs. 3 S. 1 AStG wie ein unumstößliches Dogma am deutschen Steuerrecht orientiert. Die Anwendung der Vorschriften des UmwStG sind dabei nach § 10 Abs. 3 S. 4 UmwStG gesetzlich ausgeschlossen. Es ist also durchaus fraglich, ob es nicht bereits dadurch auch bei aktiven Umwandlungen im Ausland zum Ansatz der gemeinen Werte kommen muss. Schließlich sind Umwandlungen unter Anwendung der allgemeinen Regelungen des deutschen Steuerrechts regelmäßig einer Veräußerung ("tauschähnlicher Vorgang") vergleichbar, die zwangsläufig zur Aufdeckung stiller Reserven führen. Die nunmehr gesetzlich angeordnete Übernahme ausländischer Buchwerte verletzt daher unter Außerachtlassung der Vorschriften des UmwStG die Grundprinzipien der Einkünfteermittlung nach § 10 Abs. 3 AStG. Darüber hinaus liegen aber gerade bei aktiven Umwandlungen i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 9 UmwStG keine passiven Einkünfte vor. Insoweit unterfiele die ausländische Gesellschaft überhaupt keiner Hinzurechnungsbesteuerung. Der Regelungsgehalt erschließt sich mithin erst auf den zweiten Blick.
Rz. 375
Klarstellungen der Finanzverwaltung im Rahmen des Anwendungsschreibens zum AStG wären mE dringend erforderlich gewesen. Danach sei in Fällen des § 10 Abs. 5 S. 2 AStG aber einfach nur eine Wertverknüpfung zwischen der übernehmenden und der übertragenden Gesellschaft für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung zu beachten. Die fehlende inhaltliche Auseinandersetzung spricht zumindest dafür, die Vorschrift als reine Korrespondenzregelung in Bezug auf die zu übernehmenden (ausländischen) Werte bei aktiven Umwandlungen zu verstehen. Materiell auswirken könnte sich die Vorschrift, wenn die übernehmende Gesellschaft im Rahmen aktiver Umwandlungen i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 9 UmwStG einzelne dem passiven Geschäftsbereich dienende Wirtschaftsgüter übernimmt. Durch die Buchwertverknüpfung auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft werden die stillen Reserven im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung steuerverstrickt. Ein "aktiver" (im Ausland steuerfreier) Step-Up in der Hinzurechnungsbilanz der übernehmenden Gesellschaft bei aktiven Umwandlungen wäre durch § 10 Abs. 5 S. 2 AStG nicht (mehr) möglich. Dadurch könnte anderenfalls Abschreibungspotenzial geschaffen werden, welches sich im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung auswirkt.
Rz. 376-382
einstweilen frei