1.1 Inhalt
Rz. 1
§ 15 AStG statuiert – unter Fortführung des Regelungsgedankens der früheren Steueramnestie-Verordnung vom 23.8.1931 und sodann des § 12 StAnpG vom 16.10.1934 – die Zurechnungsbesteuerung. Die nunmehrige Vorschrift übernimmt – so die Gesetzesbegründung – "diese in der Praxis (§ 12 StAnpG) bewährte Regelung". Auch der BFH zieht in seiner Rechtsprechung die frühere Regelung zur Auslegung heran. Das Rechtsinstitut der Zurechnungsbesteuerung des § 15 AStG funktioniert ähnlich wie die Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG. Es erfolgt keine Besteuerung der ausländischen Stiftung (bzw. der ihr gleichgestellten Körperschaftsteuersubjekte), sondern die Erfassung der Einkünfte bei den hierdurch begünstigten Personen im Inland. Damit respektiert das AStG das Bestehen der ausländischen Stiftung als eigenständigen Rechtsträger, durchbricht aber durch die Zurechnung (z. T. auch als Ausschüttungsfiktion bezeichnet) die Abschirmwirkung. Es bestehen aber Unterschiede, die auch in der abweichenden Terminologie zum Ausdruck kommen (Zurechnungsbesteuerung bei § 15 AStG und Hinzurechnungsbesteuerung bei §§ 7 ff. AStG). Es kommt nämlich auf eine mögliche Niedrigbesteuerung als auch die Passivität der Einkünfte nicht an.
Rz. 2
Die Problematik der Zurechnungsbesteuerung besteht – wie bei der Hinzurechnungsbesteuerung – in der Zurechnung von Einkünften, unabhängig von einer etwaigen Ausschüttung (sog. dry income). Entscheidet über die Zuwendung ein völlig unabhängiger Stiftungsvorstand kann es zur Besteuerung bei dem Stifter, Bezugs- bzw. Anfallsberechtigten kommen, selbst wenn die Person keine Ausschüttung erhält. Wassermeyer/Schönfeld/Baßler sprechen zutreffend von dem Risiko, "in den Ruin" getrieben zu werden.
Rz. 3
Ungeachtet der Nichterhebung der Vermögensteuer und der damit verbundenen Abschaffung des § 3 AStG sieht § 15 AStG weiterhin die Vermögenszurechnung vor.
1.2 Sinn und Zweck der Vorschrift
Rz. 4
Die Zurechnungsbesteuerung ist ihrer Natur nach eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift. Dabei erhebt § 15 Abs. 1 AStG typisierend einen Missbrauchsvorwurf unabhängig davon, ob im konkreten Einzelfall auch eine Missbrauchsabsicht i. S. d. § 42 AO vorliegt. Dieser Vorwurf resultiert aus dem Wesen der Stiftung als Zweckvermögen ohne Mitglieder, dem der Stifter Vermögen überträgt, d. h. sich selbst entreichert, aber von den Erträgen später i. d. R. profitiert. Damit soll der Steuervermeidung begegnet werden. Weiterhin zielt die Vorschrift auf die Bekämpfung der Steuer- und Kapitalflucht und zwar nicht nur aus historischer Perspektive, sondern auch aktueller, selbst wenn in der Gesetzesbegründung zum JStG 2009 nur die Gleichmäßigkeit der Besteuerung Erwähnung findet. Typischer Anwendungsfall der Zurechnungsbesteuerung sind Privatstiftungen in Liechtenstein (aufgrund der geographischen Nähe, der deutschen Sprache als Amtssprache, der Zugehörigkeit zum EWR und nicht zuletzt aufgrund der steuerlichen Rahmenbedingungen). Österreich hat im Nachgang zu der veränderten Steuersituation an Attraktivität verloren und gegenüber der Schweiz gibt es vor dem Hintergrund der Nichtzugehörigkeit zum EWR eine gewisse Zurückhaltung.