1.1 Inhalt
Rz. 1
§ 20 AStG regelt das Verhältnis der Hinzurechnungsbesteuerung und der Umschaltklausel zum DBA-Recht. Der Normaufbau im Einzelnen:
Die Norm grenzt die drei zusammenhängenden Regelungsbereiche wie folgt ab. In (1) § 20 Abs. 1 Halbs. 1 AStG erfolgt die grundlegende Einordnung des Verhältnisses der Vorschriften §§ 7–18 AStG zu den DBA. In (2) § 20 Abs. 1 Halbs. 2 AStG erstreckt der Gesetzgeber dieses Verständnis auch auf § 20 Abs. 2 AStG zu den DBA. Schließlich ordnet (3) § 20 Abs. 2 AStG den Übergang für ausländische Betriebstätteneinkünfte mit fiktivem Zwischeneinkunftscharakter von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode an (Umschalt- oder Switch-Over-Klausel).
Rz. 2
§ 20 Abs. 1 AStG enthält in Halbsatz 1 eine allgemeine Vorbehaltsklausel, die das Konkurrenzverhältnis zwischen §§ 7–18 AStG, d. h. der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7–14 AStG), der Zurechnungsbesteuerung (§ 15 AStG) und der Verfahrensvorschriften (§§ 16–18 AStG) und in Halbsatz 2 der Umschaltklausel des § 20 Abs. 2 AStG jeweils zum DBA-Recht regelt.
§ 20 Abs. 1 Halbs. 1 AStG ("Die Vorschriften der §§ 7–18 (…)"). § 20 Abs. 1 Halbs. 1 AStG bestimmt einen Vorrang der §§ 7–18 AStG gegenüber den von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen und zukünftigen DBA.
§ 20 Abs. 1 Halbs. 2 AStG ("(…) und des Absatzes 2"). § 20 Abs. 1 Halbs. 2 AStG ist im Zusammenhang mit § 20 Abs. 2 AStG zu lesen und ordnet auch für die Umschaltklausel des § 20 Abs. 2 AStG den Vorrang an.
§ 20 Abs. 2 Satz 1 AStG. § 20 Abs. 2 AStG stellt für ausländische Betriebsstätten (eines Einzelunternehmens oder einer ausländischen land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Personengesellschaft) eine Umschaltklausel dar, wenn der Stpfl. im Falle einer fiktiven Kapitalgesellschaft anstelle der Betriebstätte die Hinzurechnungsbesteuerung auslöste. Der hierdurch angeordnete Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode liefe ins Leere, wenn der § 20 Abs. 1 Halbs. 2 AStG nicht den Vorrang gegenüber dem DBA anordnete.
§ 20 Abs. 2 Satz 2 AStG. § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG statuiert eine Rückausnahme von der Umschaltklausel. Diese erlaubt ein Beibehalten der Freistellung in bestimmten Dienstleistungsfällen.
1.2 Normzweck
Rz. 3
Die Norm des § 20 AStG hat zwei Zwecke: Einerseits soll die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung, der Zurechnungsbesteuerung, der Verfahrensvorschriften und der Umschaltklausel sichergestellt werden (§ 20 Abs. 1 Halbs. 1 sowie Halbs. 2 i. V. m. Abs. 2 AStG). Andererseits zielt sie auf die Einschränkung der abkommensrechtlichen Freistellungsmethode (§ 20 Abs. 2 AStG) zur Meidung einer Umgehung der Hinzurechnungsbesteuerung ab.
Rz. 4
In Ermangelung des § 20 Abs. 2 AStG wäre es – abkommensrechtliche Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte vorausgesetzt – möglich, die Hinzurechnungsbesteuerung zu umgehen, indem im Inland unbeschränkt Stpfl. ausländische Einkünfte nicht über eine ausländische Kapitalgesellschaft, sondern durch eine ausländische Betriebsstätte (bzw. Personengesellschaft mit Betriebsstätte) entstehen ließen. Nach der deutschen Abkommenspolitik werden regelmäßig Betriebsstätteneinkünfte im Belegenheitsstaat besteuert (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 DBA-VHG) und im Ansässigkeitsstaat freigestellt (Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 DBA-VHG). Enthält das DBA keine entsprechende Aktivitätsklausel (vergleichbar mit Art. 22 Abs. 1 Nr. 4 DBA-VHG), wären ohne § 20 Abs. 2 AStG niedrig besteuerte passive Einkünfte der ausländischen Betriebsstätte der deutschen Besteuerung entzogen.
Die unbeschränkt steuerpflichtige X-GmbH erzielt Zinseinkünfte durch eine ihr gehörende niedrigbesteuerte Kapitalgesellschaft in Belgien. Der Steuervorteil in Belgien ginge durch die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) verloren. Wickelte alternativ die X-GmbH die Finanzierungsgeschäfte über eine belgische Betriebsstätte ab, wären bei tatsächlicher Zugehörigkeit der Forderungen zu der belgischen Betriebsstätte aufgrund Art. 11 Abs. 5 DBA D-B (vergleichbar mit Art. 11 Abs. 3 DBA-VHG) i. V. m. Art. 7 und Art. 5 DBA D-B die Einkünfte freizustellen (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 DBA D-B), da das DBA D-B keinen Aktivitätsvorbehalt kennt.
Rz. 5
In der Zusammenschau sollen § 20 Abs. 1 Halbs. 1 AStG als auch Halbs. 2 die Anwendung innerstaatlicher Missbrauchsvermeidungsvorschriften – nämlich §§ 7 ff., § 15 und § 20 Abs. 2 AStG – sicherstellen. Der Charakter der Missbrauchsvermeidung entfällt bei § 20 Abs. 2 AStG auch nicht durch den Substanznachweis, denn der Missbrauchsvorwurf bleibt bestehen, und zwar unabhängig davon, in welchem Umfang oder welcher Art und Weise dieser Missbrauch erfolgt. Etwas ...