2.1 Grundregel für den zeitlichen Geltungsbereich des "neuen" AStG (§ 21 Abs. 1)
Rz. 20
§ 21 Abs. 1 AStG regelt die erstmalige Anwendung des AStG i. d. F. des ATADUmsG. Die Vorschrift stellt eine allgemeine Vorschrift dar, die gegenüber den nachfolgenden Abs. 2–5 als lex generalis nachrangig ist, soweit durch diese Absätze ein Regelungskonflikt entsteht. Dies wird aus dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut ("sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist") ersichtlich.
Rz. 21
Für die Einkommen- und Körperschaftsteuer gilt die aktuelle Fassung des Gesetzes erstmals für den Vz 2022. Sowohl im Bereich der Einkommensteuer (§ 25 Abs. 1 EStG) als auch im Bereich der Körperschaftsteuer (§ 25 Abs. 1 EStG, § 31 Abs. 1 KStG) ist der Vz das Kalenderjahr. Dies bedeutet, die aktuelle Gesetzesfassung kommt erstmals zur Anwendung, soweit sich aus ihr Rechtsfolgen ergeben, die im Vz 2022 oder später eintreten.
Rz. 22
Für die Gewerbesteuer gilt die aktuelle Fassung des Gesetzes erstmals für den Erhebungszeitraum 2022. Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr (§ 14 S. 2 GewStG).
Rz. 23
Für die Erbschaftsteuer – und wenngleich nicht explizit genannt ebenso für die Schenkungsteuer – gilt die aktuelle Fassung des Gesetzes für Erwerbe, bei denen die Steuerschuld nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entstanden ist. Das ATADUmsG trat gem. Art. 7 des Gesetzes am Tag nach seiner Verkündung im BGBl. in Kraft. Da die Verkündung am 30.6.2021 erfolgte, fiel das Inkrafttreten des Gesetzes auf den 1.7.2021 (genau genommen: mit Beginn des 1.7.2021). Folglich sind sämtliche Erwerbe, bei denen die Steuerschuld am 1.7.2021 oder später entstanden ist, von der aktuellen Gesetzesfassung erfasst. Die Entstehung der Steuer bestimmt sich nach § 9 ErbStG.
Rz. 24
einstweilen frei
2.2 Besondere Anwendungsregel zu § 1 Abs. 3d, 3e AStG (§ 21 Abs. 1a AStG)
Rz. 25
Durch das Wachstumschancengesetz
wurde § 1 AStG um die Abs. 3d und 3d die Verrechnungspreisermittlung bei Finanzierungsbeziehungen im Konzern ergänzt.
Rz. 26
§ 21 Abs. 1a AStG sieht eine erstmalige Anwendung der Neuregelungen für die Einkommen- und Körperschaftsteuer im Vz 2024 und für die Gewerbesteuer im Erhebungszeitraum 2024 vor. Bestandsschutz für bereits zum 31.12.2023 bestehende Finanzierungsbeziehungen besteht nicht, weshalb auch Alt-Verträge im Jahr 2024 zu überprüfen sind.
Rz. 27
einstweilen frei
2.3 Besondere Anwendungsregel zu § 1 Abs. 2 AStG für Zwecke des § 4k Abs. 6 EStG (§ 21 Abs. 2)
2.3.1 Hintergrund
Rz. 28
§ 4k EStG enthält Vorschriften zur Abwehr ungerechtfertigter Steuervorteile im Zusammenhang mit "hybriden Gestaltungen". Die in § 4k EStG normierten Maßnahmen gelten gem. dem Abs. 6 nur bei Verhältnissen zwischen nahestehenden Personen i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG. Eingeführt wurde § 4k EStG durch das ATADUmsG, in dessen Rahmen auch § 1 Abs. 2 AStG reformiert worden ist. Man könnte folglich meinen, beide Normen sollten den gleichen zeitlichen Anwendungsbereich haben. Während jedoch § 1 Abs. 2 gem. § 21 Abs. 1 AStG erst ab dem Vz 2022 gilt, findet § 4k erstmals für Aufwendungen, die nach dem 31.12.2019 entstehen, Anwendung (§ 52 Abs. 8c EStG).
2.3.2 Anwendungsregel
Rz. 29
Dieses zeitliche Auseinanderfallen war nach Ansicht des Gesetzgebers offenbar nicht vermeidbar. Anderenfalls wäre für die Vz 2020 und 2021 auf ein Nahestehen i. S. v. § 1 Abs. 2 AStG i. d. F. vor dem ATADUmsG abzustellen gewesen. Die Vorschrift des § 4k EStG entspricht ebenso wie die in § 1 Abs. 2 AStG vorgenommenen Änderungen den unionsrechtlichen Vorgaben durch ATAD und ATAD 2. Diese Vorgaben waren durch die Mitgliedstaaten ab dem 1.1.2020 anzuwenden (Art. 2 Abs. 1 ATAD 2). Folglich sah sich der deutsche Gesetzgeber offenbar gezwungen, auch § 1 Abs. 2 AStG insoweit rückwirkend anzuwenden. Dem entsprechend ordnet § 21 Abs. 2 AStG eine rückwirkende Anwendung des § 1 Abs. 2 AStG an, soweit die Anwendung des § 4k Abs. 6 EStG betroffen ist. Insoweit gilt § 1 Abs. 2 AStG bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2020.
2.3.3 Verfassungsrechtliche Problematik
Rz. 30
Diese "echte" Rückwirkung dürfte – jedenfalls teilweise – als Verstoß gegen das aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 abgeleitete Verbot rückwirkender Steuergesetze verfassungswidrig sein. Dem kann nach hier vertretener Auffassung zwar grds. der unionsrechtliche Anwendungsbefehl entgegengehalten werden, der ein Vertrauen auf die alte Regelungslage ausschließen musste. Dies galt aber ausweislich des persönlichen Anwendungsbereichs des Art. 1 ATAD nur für Körperschaftsteuersubjekte. § 4k EStG gilt jedoch gleichermaßen für natürliche Personen und Mitunternehmerschaften und insoweit bestand Vertrauensschutz, der wohl erst mit dem Beschluss der Bundesregierung vom 24.3.2021 entfallen sein dürfte.
Rz. 31
einstweilen frei