2.5.1 Anwendung der "neuen" Hinzurechnungsbesteuerung (§ 21 Abs. 4 S. 1)
2.5.1.1 Hintergrund
Rz. 50
Die Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7 ff. AStG zieht die Steuerpflicht des Hinzurechnungsbetrags i. S. v. § 10 Abs. 1 AStG nach sich, welcher in dem Vz beim im Inland Stpfl. erfasst wird, in dem das Wirtschaftsjahr der ausländischen Zwischengesellschaft endet (§ 10 Abs. 2 S. 1, 2 AStG). Ließe man für Zwecke des zeitlichen Geltungsbereichs der "neuen" Hinzurechnungsbesteuerung die allgemeine Vorschrift des § 21 Abs. 1 Nr. 1 AStG zur Anwendung kommen, bedeutete dies in Fällen eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs der ausländischen Zwischengesellschaft eine Anwendung der reformierten Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung auch für vor dem Vz 2022 liegende Zeiträume.
Eine ausländische Gesellschaft i. S. d. §§ 7 ff. AStG hat ihr Wirtschaftsjahr vom 1.2. bis 31.1. Der aus dem Wirtschaftsjahr 2021/2022 resultierende Hinzurechnungsbetrag wird beim Gesellschafter i. S. v. § 7 Abs. 1 AStG gem. § 10 Abs. 2 AStG im Vz 2022 steuerlich erfasst. Die Feststellung der Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung und die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags würden sich grds. nach den im Vz 2022 geltenden Vorschriften richten. Maßgeblich wäre die reformierte Hinzurechnungsbesteuerung i. d. F. des ATADUmsG, weil gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 AStG für den Vz 2022 das neue Recht gilt. Im Ergebnis könnte es dadurch zu einer Anwendung der Neuregelungen für einen Zeitraum in 2021 kommen, der teilweise sogar vor Veröffentlichung des Kabinettsentwurfs zum ATADUmsG vom 24.3.2021 liegt. Dies erscheint nicht sachgemäß, weshalb es einer besonderen zeitlichen Anwendungsregelung bedurfte.
2.5.1.2 Anwendungsregel
Rz. 51
Gem. § 21 Abs. 4 S. 1 AStG sind die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung – namentlich die §§ 7–13, 15–18 und 20 – i. d. F. des ATADUmsG erstmals – soweit Einkommen- und Körperschaftsteuer betroffen sind – für den Vz oder – soweit die Gewerbesteuer betroffen ist – für den Erhebungszeitraum, für den Zwischeneinkünfte hinzuzurechnen sind, die in einem Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft oder der Betriebsstätte entstanden sind, das nach dem 31.12.2021 beginnt. Daraus ergibt sich folgende Differenzierung:
bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr der ausländischen Gesellschaft greifen die Neuregelungen erstmals für den Vz 2022 und mit Relevanz für das Wirtschaftsjahr 2022 der ausländischen Gesellschaft, weil das Wirtschaftsjahr der ausländischen Gesellschaft sowohl nach dem 31.12.2021 beginnt (nämlich am 1.1.2022) als auch im Vz 2022 die steuerliche Erfassung des Hinzurechnungsbetrags im Inlands gem. § 10 Abs. 2 AStG erfolgt
;
- bei abweichendem Wirtschaftsjahr der ausländischen Gesellschaft greifen die Neuregelungen erstmals für den Vz 2023 und mit Relevanz für das Wirtschaftsjahr 2022/2023 der ausländischen Gesellschaft, weil das Wirtschaftsjahr der ausländischen Gesellschaft zwar ebenfalls nach dem 31.12.2021 beginnt (nämlich zu irgendeinem Zeitpunkt während des Vz 2022), allerdings erst im Vz 2023 die steuerliche Erfassung des Hinzurechnungsbetrags im Inlands gem. § 10 Abs. 2 AStG erfolgt.
2.5.1.3 Unklarheiten bei der Auslegung der Norm
Rz. 52
Auch der Wortlaut des § 21 Abs. 4 S. 1 AStG ist unglücklich gewählt. Indem der Tatbestand der Norm den Anwendungsbefehl an den Vz knüpft, "für den Zwischeneinkünfte hinzuzurechnen sind", wird das Vorliegen der Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung – insbesondere von niedrig besteuerten Einkünften, die nicht aktiv i. S. d. § 8 Abs. 1 AStG sind – vorausgesetzt. Erzielt eine ausländische Gesellschaft aber z. B. aktive Einkünfte und liegen daher die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht vor, wäre die Spezialregelung in § 21 Abs. 4 S. 1 AStG streng genommen nicht anwendbar, weil keine "Zwischeneinkünfte hinzuzurechnen sind". Es bliebe dann bei der Anwendung der Grundregel des § 21 Abs. 1 Nr. 1 AStG, mit der möglichen Konsequenz, bei abweichendem Wirtschaftsjahr die Neuregelung auch auf vor dem Vz 2022 liegende Zeiträume anwenden zu müssen (s. das Beispiel in Rz. 50).
Rz. 53
Dieses Ergebnis kann nicht überzeugen. Systematisch kann die Rechtsfolge einer Norm in Gestalt der Bestimmung des zeitlichen Geltungsbereichs nicht an einem aus der Anwendung oder Nichtanwendung dieser Norm resultierenden Ergebnis festgemacht werden, was jedoch der Fall wäre, wenn sich die Erfüllung der Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung nach "altem" und "neuem" Recht im Einzelfall unterscheidet. § 21 Abs. 4 S. 2 AStG setzt folglich keine tatsächliche Hinzurechnung von Zwischeneinkünften voraus, sondern ordnet eine Anwendung des neuen Rechts an, wenn bei unterstellter Tatbestandserfüllung Zwischeneinkünfte hinzuzurechnen wären. Im Ergebnis gelten die Neuregelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung folglich immer dann, wenn das maßgebende Wirtschaftsjahr der ausländischen Gesellschaft nach dem 31.12.2021 beginnt.
Rz. 54
einstweilen frei