1.6.1 Verhältnis zum Verfassungsrecht
Rz. 46
Verfassungsrechtliche Bedenken konkret gegen § 4 AStG werden kaum erhoben. Soweit allerdings der in § 4 AStG verankerte Verweis auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 S. 1 AStG ein Abstellen auf die Staatsangehörigkeit nach sich zieht, soll sich daraus ein Verfassungsverstoß herleiten lassen, weil auch Angehörige anderer Staaten aus dem In- ins Ausland verzögen. Das BVerfG hat für § 2 AStG in diesem Tatbestandsmerkmal keinen Verfassungsverstoß erkannt. Dem wird allerdings entgegengehalten, das BVerfG würde nach heutiger Verfassungslehre anders entscheiden.
Den geäußerten Zweifeln wird hier nicht gefolgt (s. auch § 2 AStG Rz. 85ff.).
Rz. 47
Verfassungsrechtliche Zweifel begegnen nach hier vertretener Ansicht indes der in § 4 S. 1 AStG vorgenommenen Rechtsgrundverweisung, die mit einer fehlenden Präzision den Anwendungsbereich der Norm absteckt (s. Rz. 12). Er entspricht nicht einer konsequenten Umsetzung des Ziels, steuerlich motivierte Wegzüge für Zwecke der Erbschaft- udn Schenkungsteuer in § 4 AStG zu erfassen, damit aber im Ausgangspunkt eine niedrige Ertragsteuerbelastung im Ausland vorauszusetzen. Wegzüge in Hochsteuerländer für Einkommensteuerzwecke bleiben vom Wortlaut der Norm unerfasst, selbst wenn im Ausland keine Erbschaft- oder Schenkungsteuern erhoben werden. Dies fehlende Präzision der Norm wird durch § 4 S. 2 AStG allenfalls in ihrer Wirkung abgeschwächt, indes nicht beseitigt. Nach hier vertretener Auffassung kann dieser Regelungstechnik nicht mehr das vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Anforderungen an Folgerichtigkeit und Verhältnismäßigkeit erforderliche "hinreichende Maß an Rationalität und Abgewogenheit" zugesprochen werden.
Rz. 48–49
einstweilen frei
1.6.2 Verhältnis zum Unionsrecht
Rz. 50
§ 4 AStG begegnen unionsrechtliche Bedenken. Die Vorschrift steht in Verdacht, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit zu verstoßen. Zwar hat der EuGH in einer Entscheidung zum niederländischen Recht eine Regelung als mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar gehalten, nach der ein Stpfl. nach dem Wegzug für einen Zeitraum von 10 Jahren weiterhin so der Erbschaftsteuer unterworfen wird, als hätte er den inländischen Wohnsitz beibehalten, weil eine Gleichbehandlung mit einem im Inland verbliebenen Stpfl. besteht.
Die Grundsätze dieser Entscheidung sind aber nicht vollumfänglich auf § 4 AStG übertragbar.
Insbesondere kann die Besteuerung nach § 4 AStG – in Ermangelung einer § 2 Abs. 6 AStG entsprechenden Vorschrift – über die Steuer bei unbeschränkter Steuerpflicht hinausgehen (s. Rz. 149f.).
In diesen Fällen führt § 4 AStG zu einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit. Im Verhältnis zu Drittstaaten ist die Anwendung der Stillhalteklausel (Art. 64 Abs. 1 AEUV) zu prüfen.
Rz. 51
Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit wird man zudem dann annehmen können, wenn man die Bildung eines horizontalen Vergleichspaars bejaht. Auf die Ausführungen in § 2 AStG Rz. 97 wird verwiesen.
Rz. 52
Ein anwendbarer Rechtfertigungsgrund ist nicht erkennbar.
Rz. 53-59
einstweilen frei