1.5.6.1 Subsidiarität der Wegzugsbesteuerung
Rz. 67
Die gegenüber den Vorschriften des EStG geltende Subsidiarität des § 6 AStG (s. Rz. 48) gilt auch gegenüber den Vorschriften des UmwStG. Da Umwandlungsvorgänge als Übertragungen grundsätzlich Veräußerungen darstellen, ist der angeordnete Vorrang der Vorschriften des UmwStG wohl deklaratorisch.
Die Frage einer Normkonkurrenz entsteht insbesondere in Fällen der Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften (§ 13 UmwStG) und des grenzüberschreitenden Anteilstauschs (§ 21 UmwStG).
Rz. 68
einstweilen frei
1.5.6.2 Verhältnis zu § 13 UmwStG
Rz. 69
In Fällen der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften gelten für Zwecke der Besteuerung der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft deren Anteile an dieser Gesellschaft als zum gemeinen Wert veräußert (§ 13 Abs. 1 UmwStG). Abweichend davon können unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 S. 1, S. 3 UmwStG die Anschaffungskosten der Anteile fortgeführt werden. Dies ist an zwei alternative Voraussetzungen geknüpft: 1. wenn das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird oder 2. wenn eine Verschmelzung i. S. d. Art. 8 der EU-Fusionsrichtlinie (2009/133/EG) vorliegt. Allein nach diesen Grundsätzen beurteilen sich die steuerlichen Folgen für den Anteilseigner. Die Vorschrift in § 6 AStG ist für diese Fälle unbeachtlich.
Rz. 70
einstweilen frei
1.5.6.3 Verhältnis zu § 21 UmwStG
Rz. 71
Werden im Rahmen eines grenzüberschreitenden Anteilstauschs Anteile übertragen, kann es in diesem Zuge zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an den eingebrachten Anteilen kommen. Ein solcher Vorgang wäre potenziell vom Wortlaut des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG erfasst. Er fällt jedoch gleichzeitig unter § 21 UmwStG. Für Fälle des sog. qualifizierten Anteilstauschs sieht § 21 Abs. 1 UmwStG die Möglichkeit einer Fortführung der Anschaffungskosten vor. § 21 Abs. 2 UmwStG ergänzt die Voraussetzungen für die Steuerneutralität des Anteilstauschs um eine Entstrickungsnorm auf Anteilseignerebene. Allein nach diesen Grundsätzen beurteilen sich die steuerlichen Folgen für den Anteilseigner. Die Vorschrift in § 6 AStG ist für diese Fälle unbeachtlich.
Der unbeschränkt Stpfl. X ist zu 100 % an der X-GmbH mit Ort der Geschäftsleitung und Sitz in Deutschland beteiligt. X erfüllt die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AStG. X bringt sämtliche Anteile an der X-GmbH gegen Ausgabe neuer Aktien in eine österreichische X-AG ein.
Nach Art. 13 Abs. 5 DBA-Österreich darf im Anschluss an den Anteilstausch nur Österreich einen Gewinn aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile besteuern. Es liegt somit ein "Ausschluss" des deutschen Besteuerungsrechts vor, der unter § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG fallen könnte. Allerdings sind vorrangig die Vorschriften des UmwStG anzuwenden und § 21 Abs. 2 S. 3 UmwStG eröffnet dem X einen steuerneutralen Anteilstausch. Die Wegzugsbesteuerung wird ausgeschlossen.
Rz. 72
einstweilen frei
1.5.6.4 Verhältnis zu § 22 UmwStG
Rz. 73
§ 22 UmwStG regelt eine rückwirkende Aufdeckung von stillen Reserven im Falle einer Einbringung (§ 20 UmwStG) oder eines Anteilstauschs (§ 21 UmwStG), wenn die sperrfristbehafteten Anteile "veräußert" werden oder andere schädliche Tatbestände verwirklicht werden. Es stellt sich daher einerseits die Frage, inwieweit die von § 6 Abs. 1 AStG angeordnete Gleichstellung des Wegzugs mit einer Veräußerung auf § 22 UmwStG durchschlägt, andererseits ist zu prüfen, inwieweit ein Wegzug einen der übrigen schädlichen Tatbestände (§ 22 Abs. 1 S. 6 UmwStG) erfüllen kann.
Rz. 74
Eine Veräußerung i. S. d. § 22 UmwStG ist die entgeltliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den sperrfristbehafteten Anteilen auf einen anderen Rechtsträger.
Ein solcher Vorgang ist von § 6 AStG grundsätzlich nicht erfasst. Zu § 6 AStG a. F. wurde vertreten, ein Wegzug sei nicht als Veräußerung i. S. d. § 22 UmwStG anzusehen.
Dies könnte sich allerdings für § 6 AStG n. F. geändert haben, weil die Norm anders als ihre Vorgängervorschrift ("§ 17 auch ohne Veräußerung anwenden") den Wegzug nunmehr der Veräußerung gleichstellt. Der AEAStG schweigt zu der Frage. Es erscheint allerdings angesichts der Veräußerungsdefinition des § 22 UmwStG überzeugend, den Wegzug nicht hierunter zu fassen. Dies wird durch die Systematik des § 6 AStG selbst bestätigt, weil Veräußerungsfiktionen dort ebenfalls nicht als schädliche Veräußerung i. S. d. § 6 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AStG oder § 6 Abs. 4 S. 5 Nr. 4 AStG angesehen werden.
Rz. 75
Wenngleich der Wegzug nicht als Veräußerung anzusehen ist, kann durch einen Wegzug ein anderer gegen die Sperrfrist verstoßender Tatbestand gem. § 22 Abs. 1 S. 6 UmwStG gegeben sein. So stellen unentgeltliche Übertragungen von Anteilen i. S. v. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG (s. zum ...