Rz. 115
Um die – im System der Hinzurechnungsbesteuerung – unschädlichen (aktiven) von den schädlichen (nicht aktiven und daher passiven) Einkünfte abzugrenzen, bedient sich der Gesetzgeber eines Aktivkatalogs. Folglich werden die aktiven Tätigkeiten und Einkünfte abschließend aufgelistet. Alle nicht unter den Katalog subsumierbaren Einkünfte sind automatisch passiv. Damit wird ein anderer Ansatz gewählt als in Art. 7 Abs. 2 ATAD, wo die schädlichen Einkünfte abschließend in einem Passivkatalog aufgeführt werden. Wenngleich ein Aktivkatalog die Gesetzesanwendung verkompliziert, spricht aus gesetzgeberischer Sicht für einen solchen Ansatz die geringere Gestaltungsanfälligkeit. Da einer der beiden Ansätze zwingend erscheint, um den sachlichen Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung zu konkretisieren, ist der im Schrifttum erhobene Vorwurf, es komme dadurch zu einer "Aufsplitterung" von Tätigkeiten, ungerechtfertigt.
Rz. 116
Nur Einkünfte, die nicht aus dem Aktivkatalog "stammen", können "Zwischeneinkünfte" sein. Das "Stammen" von Einkünften aus den im Katalog des § 8 Abs. 1 AStG wird damit zur zentralen Anwendungsvoraussetzung. Da es sich hierbei um eine Zuordnungsfrage handelt, greift – mangels anderweitiger gesetzlicher Anordnung – der allg. Zuordnungsmaßstab des deutschen Steuerrechts, mithin das Veranlassungsprinzip. Nach dem Veranlassungsprinzip erfolgt eine Zuordnung von Erträgen oder Aufwendungen zu einem Betriebsteil, einer steuerlichen Spähre oder einer Tätigkeit, wenn Letztere das "auslösende Moment" für den Ertrag oder die Aufwendung ist. Übertragen auf § 8 Abs. 1 AStG erfordert dies, zu überprüfen, welches aktive oder passive Verhalten bzw. welche aktive oder passive Einkunftsquelle den Ertrag oder Aufwand ausgelöst hat. Dies schließt Einkünfte aus vorbereitenden Tätigkeiten ebenso mit ein, wie nachträgliche Einkünfte aus früheren Tätigkeiten. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt der Tätigkeitsausübung.
Die deutsche M-GmbH ist an der ausländischen A-Ltd. zu 100 % beteiligt. Die A-Ltd. übt eine Produktionstätigkeit i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG aus, erbringt daneben aber noch Dienstleistungen, die nicht gem. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG als aktiv qualifizieren. Um eine Fertigungshalle zu errichten, hat die A-Ltd. in der Vergangenheit bei der M-GmbH ein Darlehen aufgenommen. Da die A-Ltd. das Darlehen aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht wird zurückzahlen können, verzichtet die M-GmbH auf eine Rückzahlung.
Der A-Ltd. entsteht aus der Ausbuchung der Darlehensverbindlichkeit ein steuerbilanzieller Ertrag, der mangels Einlagefähigkeit nicht außerbilanziell als verdeckte Einlage gekürzt werden kann. Da der Ertrag aus einer Verbindlichkeit resultiert, die durch die aktive Tätigkeit veranlasst ist, handelt es sich um einen aktiven Ertrag. Eine Hinzurechnungsbesteuerung droht nicht.
Rz. 117
Ausweislich des Einleitungssatzes in § 8 Abs. 1 AStG zählen zu den – als aktiv oder passiv einzuordnenden – Einkünften auch "Veräußerungsgewinne". Da "Einkünfte" solche i. S. v. § 2 Abs. 1 EStG sind (s. Rz. 105), handelt es sich hierbei um eine bloße Klarstellung. Im Aktivkatalog sind "Veräußerungen" dagegen kaum explizit angesprochen. Die herrschende Meinung im Schrifttum und die Verwaltungsauffassung lösen dies, indem die Veräußerung als letzter Akt der Tätigkeitsausübung angesehen wird. Diese Praxis scheint zwar zunächst nicht immer zwanglos mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar (z. B. ist es in Anbetracht der Existenz von § 21 und § 23 EStG zunächst fernliegend, Veräußerungen als letzten Akt der Vermietung anzusehen). Vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks ist ihr aber zuzustimmen. Eine entsprechende Gesetzesanwendung ist auch bei liquidationsbedingter Übertragung von Wirtschaftsgütern angezeigt. Dies wirft die Frage auf, auf welchen Zeitpunkt oder Zeitraum zwecks Zuordnung des veräußerten Wirtschaftsguts zu einer Tätigkeit abzustellen ist. Das Gesetz schweigt zu dieser Frage. Da die Zuordnung auf Grundlage des Veranlassungsprinzips erfolgt und der maßgebliche Veranlassungszusammenhang durch Nutzungsänderung eines Wirtschaftsguts wechseln kann, ist m. E. allein der Veräußerungszeitpunkt maßgeblich. Eine andere Handhabe wird vom Gesetzeswortlaut nicht getragen. Im Schrifttum wird die hier vertretene Auffassung mit der Begründung abgelehnt, sie erlaube Gestaltungen, indem eine Zwischengesellschaft "aktiv gestellt" werden könne. Allerdings ist der Großteil der Aktivtatbestände kaum gestaltungsanfällig. Im Übrigen kann die bloße Erfüllung eines Aktivtatbestands nicht als missbräuchlich angesehen werden. Das Risiko von Gestaltungen dürfte sich somit auf die (kurzfristige) Vermeidung des "Bedienens"-Tatbestands in § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG bzw. auf die (kurzfristige) Errichtung eines ausländischen "Geschäftsbetriebs" (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 bzw. § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b AStG) sowie ggf. auf die Drittel-Grenze in § 8...