Compliance im Arbeits- und Umweltschutz ist eigentlich kein neues Thema. Von daher ist davon auszugehen, dass jedes Unternehmen bereits – bewusst oder unbewusst – Complianceaktivitäten betreibt. Neu ist die Intensität, wie derartige Themen durch Umwelt- und Arbeitsschutzaufsichtsbehörden, Auditoren und Öffentlichkeit verfolgt werden. Die mediale Aufmerksamkeit ist größer geworden. Ebenso die Detailtiefe, mit der jetzt auch Anforderungen von bisher kaum beachteten Vorgaben und Richtlinien nachverfolgt und bestraft werden – Stichwort: "Vollständigkeit von Rechtskatastern und Pflichtenkatalogen".
Bei der Compliance im Arbeits- und Umweltschutz haben wir es vor allem mit folgenden Anforderungen zu tun:
- Anforderungen aus Rechtsvorschriften (Gesetze, Verordnungen, Technische Regeln etc.),
- Bedingungen und Nebenbestimmungen aus Genehmigungen, z. B. aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz,
- Externe Anforderungen (Kundenanforderungen, Öffentlichkeit).
Verstoß hat gravierende Folgen
Ein Verstoß gegen Anforderungen aus Rechtsvorschriften und Genehmigungen zieht ein straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtliches Verfahren nach sich. Denn damit können Personenschäden oder auch Umweltschäden, z. B. Boden- oder Gewässerverunreinigung, verbunden sein.
Ein Verstoß gegen externe Anforderungen kann massive ökonomische Einbußen zur Folge haben. Mit Compliancemaßnahmen und einem Compliance-Managementsystem im Arbeits- und Umweltschutz sollen betriebliche Risiken erkannt, abgestellt und damit eine Haftung vermieden werden.
Das nachfolgende Beispiel zeigt eine Situation auf, die zu einer Haftung führen kann und beschreibt, welche Maßnahmen geeignet sind, solche Haftungsrisiken zu vermeiden oder zumindest zu verringern.
Beispiel 1: Wartungsarbeiten in einer Abwasserreinigungsanlage
Ein Unternehmen der chemischen Industrie betreibt eine Abwasserreinigungsanlage, die aus mehreren Behandlungs- und Puffertanks besteht. Um Inspektions- und Wartungsarbeiten durchführen zu können, müssen 2 Tanks außer Betrieb genommen werden. Damit ist die Abwasserreinigungsanlage nicht mehr voll betriebsfähig. Es muss eine Abwassermenge von ca. 5 cbm anderweitig behandelt oder abgeleitet werden. Dem Geschäftsführer (GF) wird das Thema auf der wöchentlichen Führungskräfterunde (FKR) vorgestellt. Er bittet den Betriebsleiter, den genauen Zeitraum für eine Alternativlösung zu bestimmen und einen Lösungsvorschlag bis zur nächsten FKR zu unterbreiten.
So sollten Sie es nicht machen
- Der Betriebsleiter (BL) bespricht sich mit seinem Meister, der auch die Abwasseranlage betriebstechnisch betreut, wie das Problem gelöst werden kann.
- Der BL besinnt sich auf seine guten Kontakte zur kommunalen Abwasserbehandlungsanlage und fragt den dortigen Geschäftsführer (GF), ob sie für einige Tage ca. 5 cbm unbehandeltes Abwasser einleiten dürfen. Die Ableitung zur kommunalen Anlage kann nach Einschätzung des Werkleiters über eine alte Abwasserleitung geschaltet werden, die zwar seit ca. 10 Jahren nicht mehr benutzt wurde, aber noch bestehen müsste.
- Der GF der kommunalen Anlage stimmt dem Vorschlag zu, zeitlich befristet eine bestimmte Menge an nicht vorbehandeltem Abwasser anzunehmen, sodass der BL seinen Meister anweist, zu einem bestimmten Zeitpunkt die notwendigen Tanks außer Betrieb zu nehmen und die Abwasserströme entsprechend umzuleiten.
- Der Meister wiederum gibt diese Anweisung an einen seiner Mitarbeiter, der die Arbeiten am darauffolgenden Montag durchführen soll. Der BL gibt seine Idee und Entscheidung dem GF weiter, der sie akzeptiert und um Rückmeldung bittet, wenn erledigt.
- An dem ausgewählten Tag wird das Vorhaben gemäß den Anweisungen des BL bzw. des Meisters umgesetzt und der Betrieb läuft ohne Einschränkungen weiter.
Ergebnis
Am nächsten Tag steht die Polizei vor dem Werktor und will Gewässerproben ziehen und außerdem den GF sprechen. Bei diesem Gespräch erfährt der GF, dass ihm eine Gewässerverunreinigung i. S. des § 324 Strafgesetzbuch vorgeworfen wird. Auf dem naheliegenden Fluss würden erhebliche Mengen an ölartigen Verschmutzungen aufschwimmen. Daraufhin weist der GF sofort den Gesamtbetrieb an, alle Tätigkeiten einzustellen und fordert den Betriebsleiter auf, umgehend nach möglichen Ursachen einer Verunreinigung zu suchen. Relativ schnell wird rückgemeldet, dass aus einem Uferbereich in der Nähe der Abwasseranlage scheinbar größere Mengen an Abwasser austreten bzw. ausgetreten sind.
Die nachfolgenden Ermittlungen ergeben, dass die alternativ gewählten Rohrleitungen zwar noch vorhanden, aber nicht mehr dicht waren. So sind offensichtlich die Abwassermengen nicht an die kommunale Abwasseranlage geleitet worden, sondern durch die undichten Rohre in den Boden und von dort in den Fluss gesickert.
Bewertung des Falles: Verantwortungen und Folgen
Es handelt sich in diesem Fall u. a. um eine Gewässerverunreinigung nach § 324 Strafgesetzbuch. Um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein schuldhaftes Handeln und somit ein Complianceverstoß nicht vorliegen...