Prof. Dr. Heimo Losbichler
Mit der fortschreitenden Entwicklung des Internets hat sich eine nicht mehr zu übersehende Anzahl junger Unternehmen erfolgreich am Markt etabliert und dabei traditionelle Anbieter und Geschäftsmodelle in Schwierigkeiten gebracht oder gar vom Markt verdrängt. Dieser Erfolg stellt traditionelle betriebswirtschaftliche Prämissen wie z. B. "Größe als Wettbewerbsvorteil" zusehends in Frage.
Traditionell bietet die Größe eines Unternehmens einen Wettbewerbsvorteil. Economies of Scale, Erfahrungskurveneffekte, Verhandlungsmacht gegenüber Lieferanten oder Kapitalerfordernisse sind allgemein bekannte Beispiele dafür, dass größere Unternehmen, sofern richtig ausgenutzt, besser verdienen sollten als ihre kleineren Wettbewerber.
Abb. 4: Größe als Wettbewerbsvorteil
Gleichzeitig sind die Transaktionskosten der bestimmende Faktor für den Grad der vertikalen Integration. Reife, stabile Branchen finden, gemäß der "Rule of Three and Four" von Bruce Henderson, ihren Gleichgewichtszustand, wenn sich die Branchenstruktur auf drei große dominante Wettbewerber konzentriert hat.
Reduktion von Transaktionskosten
Das Internet hat jedoch die Transaktionskosten in vielen Bereichen, insbesondere in der Kommunikation massiv reduziert (z. B. Webshop statt physische Outlets, E-Mail statt Brief, etc.). Dadurch wird es erstmals möglich, dass viele Einzelne dezentral das gleiche erreichen können, wie große, hierarchisch zentral organisierte Unternehmen. Es findet eine Fragmentierung der Economies of Scale in der "Community" statt. Bestes Beispiel dafür ist der Niedergang der früher dominierenden Lexika durch das von Nutzern gemeinsam erstellte Wikipedia. Abbildung 5 zeigt die rückläufigen Verkaufszahlen der britischen Enzyklopädie Britanica, die schließlich im Jahr 2011 aus dem Verkauf genommen wurde.
Abb. 5: Größe weiterhin ein Wettbewerbsvorteil?
AirBnB, Uber und Coursera als Beispiele
Das Internet hat die Art und Weise, wie wir produzieren, konsumieren, finanzieren oder lernen, radikal verändert. Direkt statt redundant, gemeinsamer Zugang statt einzelner Besitz, unvorstellbare Transparenz, höhere Nutzung von Vermögen und gesteigerte Produktivität. Damit werden "Gatekeeper" und nicht wertschöpfende Marktteilnehmer unabhängig ihrer Größenvorteile durch die "Crowd" konkurrenziert oder ersetzt. Crowdfunding statt Abhängigkeit von traditionellen Banken, die Meinung von Vielen (Trip-Advisor) statt Gault Millau). Wir erleben heute die "Macht des Teilens" in einer Sharing bzw. Collaborative Economy mit neuen Geschäftsmodellen in atemberaubender Geschwindigkeit, wenn auch häufig noch in rechtlichen Grauzonen. Während Hilton 93 Jahre dafür gebraucht hat, ca. 680.000 Zimmer in über 90 Ländern aufzubauen, ist dies Airbnb in vier Jahren, jedoch in ca. 190 Ländern gelungen. 2014 konnte Airbnb über 25 Millionen Gäste verzeichnen. Ähnlich rasant ist das Wachstum des "Taxi-Dienstes" Uber, der bereits in mehr als 250 Städten aktiv ist, ganz ohne eigene Fahrer und Autos dafür mit völliger Transparenz über die Verfügbarkeit, Servicequalität und Vertrauenswürdigkeit der Fahrer. Auch wenn die Fahrer über keine offiziellen Lizenzen verfügen, vertrauen Kunden heute lieber der Bewertung anderer Kunden als traditionellen Lizenzen öffentlicher Behörden. Mit unglaublichem Wachstum hat die Lernplattform Coursera in drei Jahren mehr als 25 Mio. Studenten aus 190 Ländern gewonnen. Im beliebtesten Kurs waren zeitgleich 240.000 Studenten aktiv.
Hat sich die Shared Economy bislang auf den Dienstleistungssektor beschränkt, könnte mit der Verbreitung von 3D-Druckern das gemeinsame, verteilte Produzieren bald Wirklichkeit werden. Die Idee, dass Millionen von Menschen gemeinsam mit ihren 3D-Druckern von zuhause Produkte produzieren, ist eine spannende Vorstellung, die nicht Angst vor der Zukunft machen soll, aber das Veränderungspotenzial der Shared Economy deutlich zeigt.
Für das Controlling bedeutet die fortschreitende Digitalisierung und totale Vernetzung, dass die Bereiche Strategie, Geschäftsmodell und Innovation an Stellenwert gewinnen werden und stärker im Aufgabengebiet der Controller verankert werden müssen. Gleichzeitig dürfen Controller bestehenden Prämissen nicht als gegeben ansehen, sondern immer häufiger auf ihre Gültigkeit hinterfragen.