Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Verbürgt sich ein wesentlich an einer GmbH beteiligter Gesellschafter zugunsten eines Dritten, um zu ermöglichen, dass dieser mit der GmbH ein Geschäft abschließt, so kann eine einem Darlehen wirtschaftlich vergleichbare Rechtshandlung (§ 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG) darin liegen, dass der Gesellschafter nach seiner Inanspruchnahme aus der Bürgschaft einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die GmbH nicht geltend macht und in der Liquidation endgültig mit ihm ausfällt.
Normenkette
§ 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG, § 255 Abs. 1 S. 2 HGB, § 32a GmbHG
Sachverhalt
A war zu 50 % an einer Wohnbau GmbH (GmbH) beteiligt, die im Laufe des Jahres 1993 in die Krise geriet. Die GmbH verkaufte im Jahr 1993 zwei Wohnungen an K. A übernahm es, für die Erfüllung von dessen Verbindlichkeiten aus einem Darlehensverhältnis mit einer Bank (B) zu einem Teilbetrag von 129 000 DM als Bürge gegenüber B einzustehen, um im Interesse der GmbH den Verkauf schwer absetzbarer Wohnungen zu ermöglichen. Als K seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkam, nahm B den A im Jahr 1996 in Anspruch. Zur Teilablösung des an K gegebenen Darlehens gewährte B dem Kläger ein Darlehen i.H.v. 129 000 DM, das er in der Folgezeit bediente.
K wurde insolvent und A konnte seine Forderung aus der Bürgschaft nicht realisieren. Die GmbH wurde im Jahr 1998 aufgelöst und A zum Liquidator bestellt. Die Liquidation war im Streitjahr (2000) beendet. Es kam nicht zur Auskehrung von Vermögen an die Gesellschafter.
Entscheidung
A machte den Verlust aus der Bürgschaftsinanspruchnahme in seiner Veranlagung zur ESt 2000 erfolglos geltend. Die Klage war erfolgreich. Das FG half dem A mit einer Finanzierungshilfe durch eine Art abgekürztem Vertragsweg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2006, 12 K 81/05, Haufe-Index 1694891, EFG 2007, 678). Der BFH folgte dem FG im Ergebnis und wies die Revision des FA als unbegründet zurück.
Hinweis
Die Anwendung des § 17 EStG ist durch eine Reihe von Besonderheiten geprägt. Drei Tatbestandsmerkmale sind wesentlich: Veräußerungspreis, Veräußerungskosten und Anschaffungskosten. Die Steuernorm kennt keine Werbungskosten (wie z.B. § 23 Abs. 3 EStG). Deshalb muss die Auslegung darum bemüht sein, den Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten am Nettoprinzip zu messen.
1. Der bisher mit der Materie beschäftigte VIII. Senat des BFH rechnet zu nachträglichen Anschaffungskosten auch Finanzierungshilfen des Gesellschafters, z.B. durch Übernahme von Bürgschaften, wenn diese eigenkapitalersetzendenCharakter haben – und das haben sie, wenn sie in der Krise der Gesellschaft und damit zu einer Zeit gegeben werden, in der ein ordentlicher Kaufmann Eigenkapital zugeführt hätte (§ 32a Abs. 1 GmbHG).
2. Von diesen Grundsätzen geht auch der IX. Senat aus, der sich im Streitfall gleich mit einer besonderen Fallkonstellation zu beschäftigen hatte. Denn hier hatte sich der Gesellschafter A in der Krise nicht für seine GmbH verbürgt, sondern in ihrem Interesse für Darlehensverbindlichkeiten eines Dritten (K), dem es mit diesem Kredit ermöglicht werden sollte, schwer absetzbare Wohnungen zu erwerben.
Der BFH sah auch hierin eine eigenkapitalersetzende Rechtshandlung i.S.d. § 32a Abs. 3 GmbHG des A. In der Krise der GmbH erwarb er nach Inanspruchnahme aus der Bürgschaft einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die GmbH, der sich zuvor nach § 257 BGB auf Freistellung richtete und den er – weil er ihn (zunächst) nicht geltend machte – kreditierte. Wie ein ausgefallenes Darlehen führt dies bei § 17 Abs. 2 EStG zu nachträglichen Anschaffungskosten. Dabei sind die Anschaffungskosten mit dem Nennwert der Forderung zu bewerten. Zwar dürfte der Teilwert weit darunter liegen; denn von der GmbH war wohl nichts zu holen. Weil aber A den Kredit in der Krise gewährte, ist – anders als bei einem in der Krise stehen gelassenes Darlehen – der Nennwert entscheidend.
3. A hatte natürlich nicht nur einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die GmbH, sondern auch einen Rückgriffsanspruch nach § 774 Abs. 1 BGB gegen K. Hätte A diesen Anspruch doch noch realisiert, würde dies rückwirkend auf seine nachträglichen Anschaffungskosten und den realisierten Auflösungsverlust einwirken. Verfahrensrechtlich stellt § 175 Abs. 1 Satz Nr. 2 AO das Instrument dar, diesen Umstand zu berücksichtigen. Allerdings war A auch mit diesem Anspruch ausgefallen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 04.03.2008, IX R 80/06