Eine Verbandssanktion wird in erster Linie verhängt, wenn eine Leitungsperson eine Verbandstat begangen hat. Die Begrifflichkeit "Leitungsperson" wird man in Anlehnung an die Norm des § 30 OWiG auszulegen haben (so auch die Parlamentsmaterialien, vgl. BT-Drucks. 19/23568 v. 21.10.2020, 66). Denn § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a-e VerSAnG-Entw. entspricht insoweit wörtlich § 30 OWiG.
Leitungspersonen sind (vgl. auch Heerspink, AO-StB 2011, 186, 187):
- Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder von juristischen Personen;
- vertretungsberechtigte Gesellschafter von Personengesellschaften;
- Generalbevollmächtigte, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte von Personengesellschaften;
- sonstige Personen, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens verantwortlich handeln, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört.
Der Täter muss in seiner Eigenschaft als Leitungsperson gehandelt haben. Damit ist ein innerer Zusammenhang zwischen der Tat und der Stellung als Leitungsperson gefordert (vgl. BGH v. 18.7.1996 – 1 StR 386/96, NStZ 1997, 30 = wistra 1997, 23).
Organe und Vorstandsmitglieder juristischer Personen und vertretungsberechtigte Gesellschafter sowie Prokuristen, General- und Handlungsbevollmächtigte von Personengesellschaften lassen sich entweder dem Handels-, Genossenschafts- oder Partnerschaftsregister entnehmen. Dagegen bedarf es für die sonstige Personen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e VerSanG-Entw. der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe: Wer außer den Organen und sonstigen Repräsentanten des jeweiligen Verbandes für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens verantwortlich handelt, bedarf der Feststellung und Würdigung betriebs- bzw. unternehmensinterner Zuständigkeiten, etwa anhand von Organigrammen oder sonstiger Geschäftsverteilungsunterlagen. Dies dürfte auch für faktische Geschäftsführer bzw. Organe gelten (gl.A. Heerspink, AO-StB 2011, 186, 187; BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318 = wistra 2002, 340 = StV 2002, 542; str.).
Die Formulierung "Überwachung der Geschäftsführung" deutet an, dass auch die Mitglieder eines etwaigen Aufsichtsrates erfasst sind, wenn sie als solche Straftaten begehen. Dasselbe gilt für sog. Compliance-Beauftragte (vgl. Niesler in Graf/Jäger/Wittig, 2. Aufl. 2017, § 30 OWiG Rz. 35; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 30 Rz. 14a) sowie Geldwäsche-Beauftragte (Rütters/Wagner, NZWiSt 2015, 282) im Hinblick auf die gesetzliche Formulierung "die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung".