1. Anwendungsbereich
Das Kontenabrufverfahren können nur Institutionen nutzen, die durch eine gesetzliche Regelung ausdrücklich dazu berechtigt sind, insb. § 93 Abs. 7 und 8 AO bzw. andere Bundesgesetze:
Beraterhinweis Ausschließlich die gesetzlich genannten Behörden können am Kontenabrufverfahren teilnehmen. Ein Kontenabruf im Wege der Amtshilfe ist nicht möglich. Da durch den Kontenabruf in die grundgesetzlich geschützte informationelle Selbstbestimmung des betroffenen Bürgers eingegriffen wird, muss ein entsprechend gewichtiges Interesse der Allgemeinheit auf der anderen Seite stehen. So können mit dem Kontenabruf lediglich Ziele verfolgt werden, die die Funktionalität des Staates gewährleisten, darunter die gleiche und gerechte Besteuerung, die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie der Sozialmissbrauch, aber auch die ebenso erhebliche Durchsetzbarkeit gerichtlich festgestellter Ansprüche.
Privatpersonen können dementsprechend kein Kontenabrufersuchen stellen. Das BZSt darf das Kontenabrufverfahren ausschließlich für die gesetzlich benannten, berechtigten Stellen durchführen.
2. Erforderlichkeit
Für die Fälle des § 93 Abs. 7 Nr. 1 bis Nr. 4b AO – also für alle Anwendungsfälle zu steuerlichen Zwecken bis auf die Zustimmung des Steuerpflichtigen – wird darüber hinaus vorausgesetzt, dass der Kontenabruf zur Festsetzung der Einkommensteuer bzw. zur Erreichung des in der jeweiligen Nummer genannten Zweckes erforderlich ist.
Die Erforderlichkeit richtet sich nach den allgemein bei steuerlichen Ermittlungen maßgebenden Anforderungen; insb. soll verhindert werden, dass Ermittlungen ins Blaue hinein erfolgen. Dementsprechend muss aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund der allgemeinen Erfahrung ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen und damit auch für den Kontenabruf bestehen (Rätke in Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 93 Rz. 87). Diese Anlassbezogenheit muss jedoch nicht den Grad eines Anfangsverdachts erreichen.
Ein Kontenabruf ist nicht erforderlich, wenn die Erkenntnisse durch ein milderes, gleich geeignetes Mittel erreicht werden können. Im Bereich der Steuerfestsetzung ist dies z.B. dann denkbar, wenn vorliegende Geschäftsunterlagen wie Buchführung, Rechnungen oder Schriftverkehr vollständig vorliegen bzw. abschließend Auskunft geben (Wenzel, StBp 2022, 17).
3. Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen
Subsidiaritätsgebot: Ebenfalls für die Fälle des § 93 Abs. 7 Nr. 1 bis Nr. 4b AO – also für alle Anwendungsfälle zu steuerlichen Zwecken bis auf die Zustimmung des Steuerpflichtigen – wird zusätzlich gem. § 93 Abs. 7 S. 2 AO vorausgesetzt, dass ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen nicht zum Ziel geführt hat oder keinen Erfolg verspricht. Dieses Subsidiaritätsgebot bedeutet, dass dem Steuerpflichtigen zunächst die Gelegenheit einzuräumen ist, selbst Auskünfte über seine Konten und Depots zu erteilen und ggf. entsprechende Unterlagen vorzulegen. Eine Durchbrechung dieses Gebotes erfolgt durch gesetzliche Ausnahme, wenn die Anfrage beim Steuerpflichtigen keinen Erfolg verspricht. Hierbei muss im konkreten Einzelfall untersucht werden, ob es nicht entsprechend des Subsidiaritätsprinzips angezeigt ist, den Steuerpflichtigen im Rahmen einer Vorermittlung zunächst direkt bezüglich seiner Konten anzufragen.
Im Steuerfestsetzungsverfahren kann im Einzelfall eine konkrete Gefahr bestehen, dass der Steuerpflichtige die vorherige Anhörung dazu nutzt, wichtige Beweismitteln zu vernichten, so dass über diese Argumentation die fehlende Erfolgsaussicht begründet werden kann. In der alltäglichen Praxis der Finanzbehörden, in welcher der Kontenabruf hauptsächlich zum Aufspüren von Vollstreckungsmöglichkeiten verwendet wird, wird es regelmäßig zu erwarten sein, dass der Steuerpflichtige im Falle eines vorherigen Auskunftsersuchens entweder gar nicht reagiert oder seine Konten so weit abräumt, dass etwaige Vollstreckungsmöglichkeiten im Wege der Forderungspfändung vereitelt werden, so dass es in den meisten Fällen ebenfalls an der notwendigen Erfolgsaussicht fehlen wird. Dennoch sind die entsprechenden, einzelfallbezogenen Überlegungen vorzunehmen und sollten auch dokumentiert werden.
4. Hinweispflichten
Vor dem Kontenabrufersuchen an das BZSt hat die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen (§ 93 Abs. ...