[Ohne Titel]
RD’in Ann-Erika Jörißen, LL.M Köln-Paris
Unter dem Begriff Kontenabruf verbirgt sich der in § 24c KWG i.V.m. § 93 Abs. 7 bis 10 sowie § 93b AO geregelte, automatisierte Abruf von Kontoinformationen. Hierbei ersucht die Behörde das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), bei den Kreditinstituten Informationen über Konten und Depots abzurufen, u.a. Kunden- oder Depotnummer sowie Daten der Eröffnung und der Beendigung.
Der Kontenabruf, der ursprünglich das strukturelle Vollzugsdefizit im Bereich der Kapitaleinkünfte und Spekulationsgewinne beseitigen sollte, bezweckt damit die Gewährleistung einer gleichmäßigen und gerechten Besteuerung aller Bürger. Darüber hinaus dient er auch anderen Behörden dazu, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie Sozialleistungsmissbrauch einzudämmen und die Vollstreckung von öffentlichen-rechtlichen und privatrechtlichen Forderungen zu unterstützen.
Während 2015 noch insgesamt 302.000 Abrufe getätigt wurden, waren es 2021 bereits 1,14 Millionen. Der Anteil der Abfragen durch die Finanzverwaltungen ist in 2021 auf 286.000 gewachsen. Anknüpfend daran wurden im Bundestag zahlreiche Fragen gestellt und beantwortet (BT-Drucks. 20/2751; Wegner, wistra 2022, R6-R8).
Auch wenn weder Kontostand noch Kontobewegungen zu den erhältlichen Informationen gehören, wird der Kontenabruf auch regelmäßig von den Finanzbehörden verwendet, um verdeckte Informationen aufzudecken, allen voran von den Erhebungsstellen zum Aufspüren von Vollstreckungsmöglichkeiten. Grund genug, sich mit den Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieses in der Finanzamtspraxis täglich genutzten Instrumentes zu befassen und mit den gegebenen Rechtsschutzmöglichkeiten auseinanderzusetzen.
I. Praxisrelevanz
Ein Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 AO, mithin für steuerliche Zwecke, ist lediglich in den in den Nr. 1 bis 5 dieser Vorschrift aufgezählten Fällen möglich:
- Nr. 1: Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG. Bei beantragter Anwendung der tariflichen Einkommensteuer anstatt der Abgeltungsteuer muss die Finanzbehörde prüfen können, ob neben den vom Steuerpflichtigen erklärten Einkünfte noch weitere Einkünfte nach § 20 EStG vorliegen.
- Nr. 3: Feststellung von Einkünften nach §§ 20 und 23 Abs. 1 EStG in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich 2008. Hierbei geht es ebenfalls um die Überprüfung der vom Steuerpflichtigen erklärten Einkünfte durch die Finanzbehörde.
- Nr. 4: Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderung von bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen, mithin auch von Landessteuern, die durch Bundesgesetz geregelt sind.
- Nr. 4a: Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter i.S.d. Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs der AO ist.
- Nr. 4b: Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bei Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle durch die Steuerfahndung (Zollfahndung).
- Nr. 5: Zustimmung des Steuerpflichtigen.
Eine nennenswerte Praxisrelevanz hat lediglich die Nr. 4. Die anderen, zu Besteuerungszwecken vorgesehenen Fällen des Kontenabrufes haben entweder noch nie eine große Rolle in der Praxis gespielt oder weisen seit Einführung der Abgeltungssteuer nur noch wenig praktische Bedeutung auf. Die Finanzbehörden nutzen den Kontenabruf im Wesentlichen im Erhebungsverfahren zum Zwecke der Aufdeckung von Vollstreckungsmöglichkeiten.
Zu nicht steuerlichen Zwecken, also von anderen Behörden, kann der Kontenabruf in den Fällen des § 93 Abs. 8 AO vorgenommen werden. Dies dient insb. der Überprüfung von Anspruchsvoraussetzungen für soziale Transferleistungen.
II. Voraussetzungen
1. Anwendungsbereich
Das Kontenabrufverfahren können nur Institutionen nutzen, die durch eine gesetzliche Regelung ausdrücklich dazu berechtigt sind, insb. § 93 Abs. 7 und 8 AO bzw. andere Bundesgesetze:
Beraterhinweis Ausschließlich die gesetzlich genannten Behörden können am Kontenabrufverfahren teilnehmen. Ein Kontenabruf im Wege der Amtshilfe ist nicht möglich. Da durch den Kontenabruf in die grundge...