Leitsatz
1. Eine Bestimmung des nationalen Rechts, nach der bei der Ausschüttung von Gewinnen durch eine Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft Einkünfte und Vermögensmehrungen der Tochtergesellschaft besteuert werden, die nicht besteuert worden wären, wenn diese sie thesauriert hätte, anstatt sie an die Muttergesellschaft auszuschütten, bewirkt keinen Steuerabzug an der Quelle i.S.v. Art. 5 Abs. 1 der RL 90/435/EWG des Rats vom 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten.
2. Art. 52 EGV (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung einer nationalen Bestimmung wie § 28 Abs. 4 KStG a.F. in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung nicht entgegensteht, nach der die Besteuerung der Gewinne, die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschüttet werden, unabhängig davon, ob die Muttergesellschaft in demselben oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, ein und demselben Berichtigungsmechanismus unterliegt, auch wenn einer gebietsfremden Muttergesellschaft im Gegensatz zu einer gebietsansässigen Muttergesellschaft vom Mitgliedstaat der Ansässigkeit ihrer Tochtergesellschaft keine Steuergutschrift gewährt wird.
Normenkette
Art. 52, Art. 73b, Art. 73d EGV, Art. 43, Art. 56, Art. 58; Art. 5 Abs. 1 EG EWGRL 435/90, § 28 Abs. 4 KStG 1996
Sachverhalt
Anteilseigner einer GmbH waren in den Streitjahren 1996 und 1997 zu gleichen Teilen eine niederländische sowie eine deutsche Kapitalgesellschaft, die in den Niederlanden ansässige BV und die in der Bundesrepublik ansässige Holding GmbH (Holding).
Das FA setzte die zum 31.12.1997 gegen die Klägerin festgestellten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vEK), die ungemildert der KSt unterlegen haben, das sog. EK 45, von 6 049 925 DM auf 4 915 490 DM herab.
Da das ursprüngliche EK 45 in voller Höhe für Gewinnausschüttungen der Streitjahre verwendet worden war, verrechnete das FA gem. § 28 Abs. 4 KStG a.F. die nach Herabsetzung nicht mehr durch tariflich belastetes vEK gedeckten Ausschüttungen mit Eigenkapital i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG a.F. (EK 02), wodurch sich für beide Streitjahre Erhöhungen der KSt gaben. Dagegen erhob die GmbH Klage, mit der sie sich insoweit gegen die Anwendung des § 28 Abs. 4 KStG a.F. wandte, als die Gewinnausschüttungen an die BV mit dem EK 02 verrechnet worden waren. Die Verrechnung entspreche nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
Die dagegen gerichtete Klage war erfolgreich (FG Hamburg, Urteil vom 29.04.2005, III R 371/02, Haufe-Index 1386434, EFG 2005, 1470).
Entscheidung
Der BFH hatte den EuGH angerufen und um Klärung einer etwaigen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Regelungslage gebeten.
Das hat der EuGH klipp und klar verneint. Er nährt damit Vermutungen, dass er jüngst einen recht restriktiven Kurs fährt und die Steuerrechtsordnungen der Mitgliedsstaaten nicht in einen "Fiskalkollaps" rennen lassen.
Einzelheiten ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
Dem EuGH-Urteil liegt das Vorabentscheidungsersuchen des BFH durch dessen Beschluss vom 22.02.2006, I R 56/05 (BFH/PR 2006, 359) zugrunde.
Es betrifft das "alte" KSt-Anrechnungsverfahren und konkret eine Besonderheit des KSt-Gliederungsrechts. (Dessen Kompliziertheit, wie "aus Kreisen des EuGH" an den BFH herangetragen wurde, den dortigen – zypriotischen – Berichterstatter an gewisse Erkenntnisgrenzen brachte.)
1. Bei Ausschüttungen aus dem sog. EK 01 und EK 03 war hiernach im Grundsatz die Ausschüttungsbelastung herzustellen, was für die ausschüttende Kapitalgesellschaft gemeinhin eine KSt-Belastung von 3/7 ausmachte.
In welcher Reihenfolge das Eigenkapital für Ausschüttungen als verwendet galt, unterlag nicht dem Belieben der Kapitalgesellschaft, sondern war in § 28 Abs. 3i.V.m. § 30 KStG a.F. vorgeschrieben: Zuerst galt das mit KSt belastete, danach das unbelastete vEK als für die Ausschüttung verwendet. Innerhalb des unbelasteten vEK galt zunächst das EK 01, sodann EK 02, EK 03 und schließlich EK 04 als verwendet.
Eine Ausnahme von dieser regelmäßigen Verwendungsreihenfolge schrieb § 28 Abs. 4 KStG a.F. für die Fälle vor, in denen zunächst Teilbeträge des vEK i.S.v. § 30 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 oder 2 KStG a.F. also Teilbeträge, die der KSt unterlegen haben, als verwendet galten, diese später aber für die Verrechnung der Gewinnausschüttung nicht mehr ausreichten. In dieser Situation war die Ausschüttung insoweit, als sie nicht durch die belasteten vEK-Beträge abgedeckt wurde, mit dem EK 02 zu verrechnen.
§ 28 Abs. 4 KStG a.F. diente dem Ziel, Systembrüche im Zusammenhang mit der Weiterausschüttung ausländischer Einkünfte zu verhindern.
Solche Systembrüche hätten sich ergeben, wenn eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft steuerfreie ausländische Einkünfte erzielte, die in das EK 01 eingingen, deren Ausschüttung aber nicht zur Herstellung der Ausschüttungsbelastung führte (§ 40 S. 1 Nr. 1 KStG a.F.). In Fällen dieser ...