Vorsteuerabzug im Fall einer nicht unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft: Der BFH hat mit Urteil vom 28.8.2014 (BFH v. 28.8.2014 – V R 49/13, BStBl. II 2021, 825), entschieden, dass (nur) die unentgeltliche Überlassung eines in Bruchteilsgemeinschaft erworbenen Gegenstands an einen der Gemeinschafter weder eine eigene Rechtspersönlichkeit noch eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinschaft begründet. Die Nutzung des Gegenstands durch die Miteigentümer (Gemeinschafter) erfolgt im Rahmen des § 743 Abs. 2 BGB. Dabei handelt es sich um ein originäres Nutzungsrecht, welches dem Gemeinschafter nicht im Rahmen eines Leistungsaustauschs von der Gemeinschaft überlassen wird. Im Fall einer solchen, nicht selbst unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft sind bei dem Erwerb des Gegenstandes die einzelnen Gemeinschafter als Leistungsempfänger anzusehen. Sie können ohne Zwischenerwerb durch die Gemeinschaft über ihren Anteil am Gegenstand verfügen und ihn auch veräußern.
Zudem hat der BFH mit dem Urteil auch entschieden, dass im Fall eines zu niedrigen Steuerausweises der ausgewiesene Betrag als Vorsteuer abziehbar ist.
Weiterhin hat der BFH mit Urteil vom 31.5.2017 (BFH v. 31.5.2017 – XI R 40/14, BStBl. II 2021, 828) unter Bezugnahme auf das Urteil V R 49/13 entschieden, dass im Fall einer (nicht vorsteuerabzugsberechtigten) Lotsenbrüderschaft auch nach anteiliger Umlegung der bezogenen Eingangsleistungen auf die Seelotsen nicht der einzelne (vorsteuerabzugsberechtigte) Seelotse Vorsteuern auf diese Eingangsleistungen abziehen kann. Leistungsempfängerin ist allein die Lotsenbrüderschaft. Die einzelnen Seelotsen sind auch durch die anteilige Umlage der Kosten nicht zu Leistungsempfängern der Eingangsleistungen geworden, haben die Leistungen nicht für ihre wirtschaftliche Tätigkeit verwendet und waren daher auch nicht zum Vorsteuerabzug aus diesen Eingangsleistungen berechtigt. Dies gilt auch unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer.
Das BMF ergänzt den UStAE und ändert diesbezüglich seine bisherige Meinung (BMF v. 27.10.2021 – III C 2 - S 7300/19/10002:005, BStBl. I 2021, 2137).
- Bei gemeinsamem Erwerb durch mehrere Personen in Form einer nicht selbst unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft sind die einzelnen Gemeinschafter als Leistungsempfänger anzusehen.
- Dies gilt für den Bezug von sonstigen Leistungen gleichermaßen, z.B. bei der Vermietung eines Ladenlokals an eine nichtunternehmerische Ehegattengemeinschaft. Alleine die unentgeltliche Nutzung eines in gemeinschaftlichem Eigentum stehenden Wirtschaftsgutes durch einen Gemeinschafter begründet weder eine eigene Rechtspersönlichkeit noch eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinschaft.
- Die Gemeinschafter einer nicht selbst unternehmerisch tätigen Bruchteilsgemeinschaft können über ihren Anteil an dem Gegenstand ohne Zwischenerwerb durch die Gemeinschaft verfügen und ihn veräußern.
- Sind bei der Vermietung an mehrere Personen die einzelnen Gemeinschafter als Leistungsempfänger anzusehen, kann der Vermieter nur insoweit optieren, als der Vermietungsumsatz an einen unternehmerisch tätigen Gemeinschafter ausgeführt wird.
- Sind bei gemeinsamem Leistungsbezug durch mehrere Personen die einzelnen Gemeinschafter als Leistungsempfänger anzusehen, genügt für Zwecke des Vorsteuerabzugs des einzelnen Gemeinschafters grundsätzlich eine Rechnung an die Gemeinschaft, die als Angabe nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nur den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift der Gemeinschaft enthält.
- Alleine die Umlage der Umsatzsteuer durch den Leistungsempfänger auf sein unternehmerisch tätiges Mitglied führt auch unter Beachtung des Grundsatzes der Neutralität der Umsatzsteuer nicht dazu, dass das Mitglied zum Leistungsempfänger wird.
Anwendungsregelung: Diese Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die BMF-Schr. v. 1.12.2006 (BMF v. 1.12.2006 – IV A 5 - S 7300-90/06, BStBl. I 2007, 90) und vom 9.5.2008 (BMF v. 9.5.2008 – IV A 5 - S 7300/07/0017, BStBl. I, 675) werden aufgehoben. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn sich alle Gemeinschafter einer Bruchteilsgemeinschaft einheitlich für bis zum 31.12.2021 verwirklichte Sachverhalte auf die Regelungen dieser BMF-Schreiben berufen.